Die
Zwölf-Apostel-Schiffe
Der
Autor
Hubert
Haßlinger war Journalist und niederösterreichischer
Landeskulturreferent.
1946 gab er im Selbstverlag in Gmunden die Zeitschrift
„Der Spiegel“ heraus, von dem in diesem Jahr drei Hefte erschienen. Danach
stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein. Der Inhalt waren Künstler- und
Musikerportraits, Abhandlungen zum Barock und Tanz. Die Hefte enthielten Lyrik,
Kurzprosa, Ausführungen zu kulturellen Themen und zur Natur.
1949 heiratete Haßlinger die Urgroßnichte der Gebrüder
Jakob und Wilhelm Grimm, Inge-Maria Grimm, die am 3.9.1921 in Krems
(Niederösterreich) geboren worden war.
Er war von 1967 bis 1972 Landesintendant und -direktor
des Österreichischen Rundfunks für Kärnten. Dieses Landesstudio befindet sich
in Klagenfurt.
Der
Bearbeiter
Ingo(bert)
Wampera war Kulturreferent der österreichischen
Jugendbewegung. Im Oktober 1945 begann er mit dem Aufbau der Grazer
Laienspiele. Pfingsten 1946 veranstaltete er in Graz das erste österreichische
Spielgruppentreffen nach Kriegsende.
Im April 1949 begann Harald Kopp mit seinem
Mitarbeiter Ingobert Wampera die planmäßige Aufbauarbeit, welche die Steiermark
zum Zentrum der österreichischen Laienspielbewegung werden ließ. Unter ihrer
Obhut bildete sich eine Gemeinschaft junger Menschen, die sich „Spielvögel“
nannte.
Seit Dezember 1958 richteten Kopp und Wampera eine
Materialstelle für das österreichische Laienspielwesen ein.
1964 gründete der Verlagsleiter von „Spiel und Fest“
Kopp mit seinem Mitarbeiter Wampera das Kabarettensemble „Die Tellerwäscher“,
das als Theater im Keller auftrat.
1971 wurde Wampera der erste hauptamtliche
Spielberater.
Der
Inhalt des Stückes
Der Bürgermeister der Insel Oeverall möchte der Welt
den Frieden verkünden. Seine Frau Astrid erinnert ihn daran, daß es unter den
Einwohnern dieser Insel einen Streit um Fischfangrechte gibt, den nur er
schlichten kann. Auf den Pfarrer und auf den Lehrer Lundquist hörten die Leute
nicht, weil diese keine Fischer sind und sich mit Fang sowie Fahrt nicht
auskennen. Petrus lehnt ab, da er sich nicht um solchen Kleinkram kümmern
könne; er habe einen Auftrag.
Er fährt mit anderen Fischern in insgesamt zwölf
Booten los, obwohl die Pässe noch nicht eingetroffen sind. In Dörfern und
Städten wirbt er für den Frieden, entfacht aber Brände.
Als er in einen Hafen einfahren will, dessen
Kommandant ihm die Einfahrt verweigert, schlägt er seinen Freund Paulus Lund
nieder, der ihm davon abgeraten hatte, wird aber verhaftet und kommt für ein
Jahr ins Zuchthaus.
Zurückgekehrt auf seine Insel, legt er in einer
Bürgerversammlung ein Schuldbekenntnis ab, zeigt auf, wie der unselige Streit
um Fangrechte geschlichtet werden kann und wird wieder in sein Bürgermeisteramt
berufen.
Der Chor singt zu Beginn und in der Mitte des Stückes
jeweils ein zweistrophiges Lied.
Dieses Laienspiel wurde 1961 in der Steyler Aula
aufgeführt.
Quelle
Die Zwölf-Apostel-Schiffe von Hubert Haßlinger. In der
Bearbeitung von Ingo Wampera, Bärenreiter-Laienspiele, herausgegeben von Rudolf
Mirbt, Nr. 267, Bärenreiter-Verlag, Kassel u. Basel 1955. – Die Zahlen in
runden Klammern sind Seitenzahlen dieser Publikation.
Textausschnitte
„Der für den
Autor spricht: Unser Spiel will nicht mehr sein als die Hand voll Korn, die
man auf einen Acker wirft. Und wenn es auch für viele gelten soll, so mag es
doch für einen – immer einen – und für jeden gelten. Ein Auftrag ist in dieser
Zeit ergangen, an jeden. – Und es wird einmal die Schuld auch jeden treffen,
der ihn nicht erfüllt. Ein jeder soll den Frieden tragen, – in sich, in seinen
kleinen Kreis, in seine Nachbarschaft, in seinen Gegner! Anbieten soll er ihn,
wie man am Markt die Ware bietet, und soll Entgelt begehren. Denn jeder Wert
hat seinen Gegenwert. Soll als Entgelt nichts anderes als Frieden fordern! Doch
das sind Worte. Wahr wird ein Wort erst, wenn es durch eine Tat zum Leben
kommt.“ (4).
„Astrid:
Wenn du Apostel sein willst, Petrus, versuche nicht Millionen aufzurufen, dann
geh zum einen, zum andern. Dann geh von Mensch zu Mensch, wie jene es getan,
von denen du dir den Namen entliehen hast. Beginne hier in Oeverall, Petrus!
Hier ist dein Auftrag!“ (11).
„Der für den
Autor spricht: Die Fahrt der Zwölf-Apostel-Schiffe geht von Ort zu Ort. Wo
sie Anker werfen, spricht Petrus Bergström zu den Menschen. So wechselt Wort
und Fahrt und wieder Wort und Fahrt. Und manchmal folgen sie mit ihren Booten
bis zur Dreimeilenzone, selten weiter. Und kehren dann zurück in ihren Hafen. In großen Städten gibt es größeren
Lärm. Da sind’s oft Tausende, die sich um ihn versammeln. Da zünden oft die
Reden, die er hält, und er ist so verstrickt in das, was er den Auftrag nennt,
daß er nicht merkt, wie er mit Friedensworten Brände entfacht. So wahr sein
Wort auch ist, so ist es doch wie eine Fackel, die wahres Licht zu geben wohl
imstande wäre, wenn er sie nicht ins Dunkle schleudern würde. Nein, Petrus
Bergström, eine Fackel muß leuchten, dann weist sie die Verirrten auf den Weg.
So unterscheidet sich das Licht vom Feuer. Das eine gibt, das andere zerstört.
Und du, Petrus Bergström, hättest geben müssen!“ (13f).
„Der Funker morst
Thomas: Petrus, da, der Funkspruch.
Petrus: Lies vor.
Thomas liest: Landeerlaubnis nicht
erteilt. Stop. Wartet vor dem Hafen auf Polizeiboot!
Petrus: Verdammt! Landeerlaubnis
nicht erteilt! Es wird eingefahren in den Hafen. Verstanden?
Thomas: Man wird’s verhindern,
Petrus.
Petrus: Dann werde ich’s erzwingen.
Der Funker: Schiff steuerbord voraus!
Petrus spricht zur Zentrale: ‚Kurs 3
Strich backbord.‘
Thomas: Was hast du vor, Petrus?
Petrus: Frag nicht. ‚Volle Kraft.‘
Motorengeräusch – schneller
Thomas: Der hält Kurs auf uns.
Petrus im Befehlston: Ganze Kraft
voraus! 2 Strich backbord!
Thomas: Er gibt Signale.
Motorengeräusch – sehr schnell
Petrus: Laß ihn nur morsen.
Der Funker: Kapitän, Stoppbefehl für
uns. Es ist ein Patrouillenboot.
Thomas: Hörst du, Petrus, ein
Patrouillenboot.
Petrus: Wir bleiben ganze Kraft
voraus.
Thomas: Petrus, befiehl zu stoppen!
Petrus: Was ich gesagt hab, bleibt.
Thomas: Willst du entfliehen?
Petrus: Ich will in den Hafen
einfahren.
Thomas: Er gibt den dritten
Stoppbefehl, Petrus!
Ein dumpfer Knall
Thomas: Er schießt uns vor den Bug!
Petrus, denk an die andern!
Petrus: Verdammt, ich kenne keine
anderen! Wir sind der Auftrag, wir!
Thomas: Ein Boot holt uns ein.
Petrus: Wer ist es?
Thomas: Paulus Lund – so scheint’s –
Petrus: Was prescht der aus der Reihe
– –
Wieder ein dumpfer Knall
Thomas: Da! Einschlag knapp vor
Paulus’ Boot.
Petrus: Ist Lund verrückt? Der wird
uns rammen! Was will Paulus Lund?
Dumpfer Knall
Thomas: Lunds Boot ist getroffen!
Stopp, Petrus, stopp!
Petrus: Hand weg vom Hebel, Thomas!
Thomas schreit: Stopp! Ganze Kraft
zurück! Stopp!
Motorengeräusch aus
Petrus: Hund! Meuterer! Da – Da –
Er schlägt ihn nieder“ (14-17).
„Paulus: Mit
welchem Recht führst du uns ins Verderben?
Petrus: Wir fahren für den Frieden –
–
Paulus: – den du selbst gebrochen
hast –
Petrus: Und wenn, dann wurde es mir
aufgezwungen.
Paulus: Was ist das für ein Friede,
den man mit Gewalt erzwingt? Was ist dann überhaupt noch ein Friede, wenn man
ihn aufgibt, um ihn zu erhalten? Ist das nicht eine Lüge?
Petrus: Wir haben Tausende mit unserm
Wort erfüllt. Wir haben Tausenden die Kraft gegeben, den Frieden zu erkämpfen.
Paulus: Die zweite Lüge, Petrus. Wie
kannst du Kampf und Frieden in einem Herzen tragen? Wie kannst du Gegnerschaft
zur Bruderschaft verwandeln, wenn du aus Brüdern Gegner machst?
Petrus: Wo ein Bruder einen Gegner
findet, gibt es Kampf. Das ist so auf der Welt. Wo unsre Brüder siegten, dort
ist der Friede.
Paulus: Deine dritte Lüge. Friede ist
dir Kampfruf für den Sieg, Petrus. Kehr zurück zu unserem Wort, das wir als
unsern Auftrag angesehen haben.“ (18f).
„Petrus: Ihr
Träumer, wollt ihr einen Brand mit sanften Sprüchen löschen? Glaubt ihr, wenn
man die Menschen aufgerufen hat zum Kampf, dann braucht man nur hinzugehen und
ganz einfach zu sagen: Seid friedlich, Leute! Um des Friedens willen geht nach
Hause!
Paulus: Du hast also gewußt, daß es
ein Brand wird?
Petrus: Ja.
Paulus: Dann sind wir schuldig
geworden. Und du hast uns betrogen.“ (19).
„Thomas: Bürger
von Oeverall! Seit Jahr und Tag ist unseliger Streit um einen Fangplatz
zwischen uns. Im Anfang ging es um ein Netz voll Fische, dann um die beste
Stunde für den Fang, dann um den Platz, um diesen winzig kleinen Platz in der
unendlichen See. Und jetzt besteht die Feindschaft.
Sehr bedacht
Ich klage Petrus Bergström an, daß er sich damals
nicht die Zeit genommen hat, ein Netz voll Fische aufzuteilen. Diejenigen, die
den Streit begonnen haben, stehen hier nicht zur Rede. Sie sind heute Richter
über den, der es versäumt hat, ihren Streit zu schlichten. Es waren damals alle
bereit, sich seinem Spruch zu fügen. Doch er hat nicht gesprochen. Das ist
seine Schuld. Und unsere! Bürger von Oeverall! Es muß ein jeder trachten, seine Schuld zu tilgen. Wenn
also Petrus Bergström diesem Streit ein Ende bringen kann, dann soll er wieder
Bürgermeister sein. Kann er das nicht, dann bleibt er weiter schuldig.“ (27).
„Petrus:
Bürger von Oeverall! Ich weiß, was ich euch schuldig blieb, die Treue, die
Befolgung eines Gesetzes und einen Schiedspruch. Das nennt ihr ganz mit Recht
die Schuld. Ich aber will euch sagen, wessen weiter ich mich schuldig fühle.
Und weil auf dem Weg, auf dem ich in die Irre ging, noch viele gehen, so will
ich hier vor allen bekennen: Ein jeder hat mit seinem Leben einen Auftrag zu
erfüllen. Wehe dem, der so vermessen ist, ihn selbst zu wählen. Ich wählte ihn
mir selbst. Ich nannte mich Apostel für den Frieden. Ich sah die Menschheit vor
mir und vergaß den Menschen. Das ist es. Ich sprach vom Frieden. Ich rief die
Massen auf und sprach vom Frieden! Und aus den Massen kam das Echo: Friede! Und
ich: Erkämpft ihn euch! Da kämpften sie. Versteht ihr meine Schuld? Wer nicht
von Mensch zu Mensch den Frieden hält, wird ihn der Menschheit niemals geben
können! So will ich, bevor ich das Amt des Bürgermeisters niederlege, euch
eines sagen: Ein jeder soll allein den Frieden tragen in seinen kleinen Kreis
hinein, in seine Nachbarschaft, in seine Gegner! Fahrt morgen aus mit euren
Booten und fahrt dorthin, wo euer Streit entstanden ist. Und legt das große
Netz aus wie früher. Wählt einen, der den Fang verteilt. Und das soll täglich
dann ein andrer sein. Der Friede unter euch wiegt mehr als so ein Netz voll
Fische. Das ist alles, was ich sagen wollte.“ (28).
Werke
Hubert Haßlingers
· Am
Weg nach Bethlehem. Ein Weihnachtsspiel für die Jugend, Spielreihen der
Katholischen Jugend Österreichs, Laienspiele, Nr. 25, Fährmann-Verlag, Wien
1954.
· Das
Spiel vom Eselein, das immer traurig war oder Die Geschichte vom Eselein Hängeohr,
Unsere Weihnachtsspiele, Heft 13, Verlag Spiel und Fest, Graz 1964.
· Der
Engel des Martin Holl, Bärenreiter-Laienspiele, Nr. 263, Bärenreiter-Verlag,
Kassel u. Basel 1955.
· Der
erfrorene Brunnen. Ein Zeitspiel mit einer weihnachtlichen Legende, Der Werkbrief
1953, Folge 4, Bundesjugendführung der Österreichischen Jugendbewegung, Wien
1953.
· Der
Fall des Kollegen X oder Ist deine Liebe groß genug? Ein Spiel der Besinnung
für viele festliche Anlässe, Unsere Spiele für festliche Abende, Heft 2, Verlag
Spiel und Fest, Graz; Verlag Dr. Buchner, München 1960.
· Der
Vater und der Tochter Geist, der eine mit dem andern reist. Gedichte und
Gedanken, Memoiren-Verlag, Glödnitz 2007.
· Die
Zwölf-Apostel-Schiffe von Hubert Haßlinger. In der Bearbeitung von Ingo Wampera,
Bärenreiter-Laienspiele, herausgegeben von Rudolf Mirbt, Nr. 267,
Bärenreiter-Verlag, Kassel u. Basel 1955.
· Ein
Spiel vom Muttersein, Unsere Muttertagsspiele, Heft 1, Verlag Spiel und Fest,
Graz; Verlag Dr. Buchner, München 1959.
· Mutter
Ekberg und ihr Sohn. Ein Spiel für viele festliche Anlässe und Elternabende,
Unsere Muttertagsspiele, Heft 3, Verlag Spiel und Fest, Graz; Verlag Dr.
Buchner, München 1959.
· Nacht
der Einsamen. Ein Bekenntnisspiel, Spielreihen der Katholischen Jugend
Österreichs 1, Laienspiele, Nr. 33, Fährmann-Verlag, Wien 1955.
· Wir
haben auf Mutter Wong vergessen… Ein Spiel von heute und morgen, Unsere
Muttertagsspiele, Heft 51, Verlag Spiel und Fest, Graz 21959.
© Dr. Heinrich Michael Knechten, Horneburg 2022