L.A.Zander in memoriam
Am 17. Dezember 1964 verstarb auf der
Heimreise aus Deutschland für alle unerwartet Lev Aleksandrovič Zander,
Professor der Religionsphilosophie am St.-Sergius-Institut für Orthodoxe
Theologie in Paris. In der ökumenischen Welt und vor allem in Deutschland besaß
er viele Freunde. Als Vertreter der östlichen Orthodoxie war er weit bekannt
und geschätzt. Die Theologische Fakultät Marburg hatte ihm die Ehrendoktorwürde
verliehen.
L.A.Zander wurde am 19. 2. 1893 in St.
Petersburg als Sohn eines Leibarztes der kaiserlichen Familie geboren. Er hatte
das juristische Studium am Alexander-Lyceum und an der Universität Petersburg
1913 beendet, anschließend bei Windelband in Heidelberg Philosophie studiert
und war in den Dienst des Ministeriums für Volksbildung eingetreten. Im Winter
1917 bekleidete er eine Dozentur für Philosophie an der Universität Perm' und
später in Vladivostok. Seit 1922 betätigte sich Zander im Dienst des
Christlichen Studentenweltbundes und der Russischen Christlichen Studentenvereinigung,
deren Sekretär er einige Jahre in den baltischen Staaten und deren
Generalsekretär er in Paris war. Er hing mit ganzer Seele dem orthodoxen
Glauben an und vertrat dabei eine echt ökumenische Weite, für die er sich bis
in seine letzten Tage einsetzte. In Paris fand er in Prof. S.Bulgakov einen
väterlichen Freund, der ihn tief in die orthodoxe Theologie einführte. Er wurde
der eifrigste Schüler und Verfechter der theologischen Ansichten S.Bulgakovs,
vor allem seiner Sophiologie. Nach dem Tode des bedeutenden orthodoxen
Theologen stellte Zander sein Lebenswerk in einem großen zweibändigen Werk dar
(Bog i mir, Paris 1948). Am St.-Sergius-Institut vertrat Zander Philosophie,
freilich in einer anderen Weise als es N.Berdjaev getan hatte. Zander lag es
nicht daran, die Philosophie zum Selbstzweck zu machen, er stellte sie der
russischen Überlieferung des 19. Jh.s folgend in den Dienst des Glaubens und
der Kirche. Er wurde nicht müde, die Kirche zu verherrlichen, in der er lebte.
Sein Amt als kirchlicher Lektor versah er mit innerster Freude. Am Institut
arbeitete Zander seit seiner Gründung im Jahre 1925 mit. Vor allem war ihm die
schwere Aufgabe zugefallen, dem Institut mit Hilfe der ökumenischen Welt die
wirtschaftliche Grundlage zu schaffen. Er nahm teil an ökumenischen Tagungen in
Edinburgh (1937), Oslo (1947), Amsterdam (1948) und Toronto (1950). Das
ökumenische Problem beschäftigte ihn ständig. Ihm widmete er sein Buch
"Einheit – ohne Vereinigung", das er ursprünglich "Probleme des
ökumenischen Realismus" nannte.
Zander hat es in den Pariser Jahren
miterlebt, wie sich die russische Emigration wandelte. Er sah, dass die Kirche
des Ostens eine Aufgabe im Westen hatte und dass der Westen seinerseits an
dieser Kirche in der Gegenwart nicht vorübergehen konnte. Ihm lag es daran, die
westliche Bildung mit seiner Kirche zu konfrontieren und zu zeigen, wie die
Elemente der Bildung vom Glauben her geheiligt und neu gestaltet wurden. Seine
Schrift "L'Orthodoxie occidentale" hat in Frankreich und England
Aufsehen erregt. Die deutsche Übersetzung (Theologische Existenz heute 1959,
Nr. 73) hat auf die theologische und kirchliche Öffentlichkeit weniger stark
eingewirkt, da seine Fragestellung und seine Anliegen weithin nicht verstanden
wurden. Es ist Prof. D.E.Schlink zu danken, dass er zwei Aufsätze Zanders in
der Zeitschrift "Kerygma und Dogma" veröffentlicht hat, die einen
Vorgeschmack dieses neuen russisch-orthodoxen Denkens vermittelten. Gegenüber
der in der UdSSR getriebenen Theologie konservativster Art wirkt das von
S.Bulgakov angeregte und von L.Zander gepflegte theologische Denken modern. Es
wird heute weithin in den russisch-orthodoxen Kreisen vertreten. Zander war
auch mit den neuen theologischen Bestrebungen in aller Welt bekannt und
vertraut; als Vertreter jener russischen Bildungsschicht, deren Wirken von
einer universalen Breite war, vermochte er Kontakte aufzunehmen und zu pflegen.
Zanders ökumenisches Wirken war bedeutend.
Was er durch seine Worte und seinen Einfluss auf die studierende Jugend
erreichte, war nicht wenig. Seine ökumenischen Aufsätze und Schriften liegen in
russischer, französischer, englischer und deutscher Sprache vor, die er alle
gleich gut beherrschte.
Bei den Ferienkursen des Ostkirchen-Instituts
hat er dreimal mitgewirkt und jedesmal bei seinen Zuhörern einen tiefen
Eindruck hinterlassen. Manche dieser Studenten sind ihm auch nach Paris
gefolgt, um an seinem Liturgischen Seminar teilzunehmen. Als christlicher
Denker und als Organisator ist er in gleicher Weise wirksam geworden.
Vor allem aber war Lev Zander einer jener
liebenswerten Menschen, die die Güte verkörpern. Allen, die ihn kannten, wird
er unvergesslich bleiben. Seine Werke folgen ihm nach.
Ehre seinem Andenken!
R.Stupperich, Hg., in: Kirche im Osten 8 (1965),
15f.