Der
Wasserturm in Kevelaer
Der Kevelaerer Wasserturm, Photographie von Cornelia Attolini
Der Wasserturm wurde 1901 geplant und in den Jahren 1904 bis 1905 erbaut. Er ist 54 Meter hoch und sein Reservoir faßte 450 Kubikmeter Wasser. Das Behältersystem wurde entwickelt von Otto Intze (1843-1904): Der innere Bereich des Bodens ist nach oben gewölbt. Dadurch lasteten auf dem Turm nur Vertikalkräfte, so daß er weniger massiv erbaut werden konnte. Durch die Höhe des Turmes war der notwendige Wasserdruck für alle Leitungen der Stadt garantiert.
Eingangstür, Photographie von Severine Balzen
1976 baute die Stadt Kevelaer ein Wasserwerk, das den Wasserturm überflüssig machte. Sein Abriß wurde durch eine Bürgerinitiative verhindert. 2004 wurde er restauriert und dient seither als Büro- und Verwaltungsgebäude der Stadt. Neben der Gnadenkapelle ist er ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Seit 2021 wird er nachts durch LED-Lampen beleuchtet.
Inschrift, Photographie von Severine Balzen
„Ich hatte schon lange vor, mich zu verändern. Eines Tages nahm ich dann eine Stelle bei der Gärtnerei Rogmann in Kevelaer an. Er sagte mir eine Wohnung zu, die aber noch nicht frei war, weil die damaligen Bewohner bauen wollten. So bin ich eine Zeitlang mit meinem Fahrrad mit Hilfsmotor [Rex] zwischen Asperden und Kevelaer gependelt. Ich hatte auch Sonntagsdienst, wie das in Gärtnereien üblich war: Lüften, Gießen, die [Steinkohle-] Heizung entschlacken. Als die zugesagte Wohnung immer noch nicht frei wurde, mußte ich handeln. Ich ging [1956] zum Wohnungsamt in Kevelaer und erhielt eine Notwohnung im Wasserturm der Stadt in der Kroatenstraße.
Abschluß des Baus im Jahre 1905, Photographie von Severine Balzen
Umgezogen sind wir dann mit einem Pferdefuhrwerk. Das war eine lustige Sache, vor allem für die Kinder; denn wir hatten seit einiger Zeit eine Katze. (Sie hieß Anna.) Dann die halbrunden, hohen Räume im Wasserturm! Dort haben wir gar nicht schlecht gewohnt. Johanna und Heinrich feierten hier ihre Erstkommunion. Maria wurde an der Hubertusschule eingeschult.
1959 wurde endlich die Wohnung Römerstraße 27 frei. (Heinrich Knechten Senior, Meine Lebenserinnerungen. 1919-1993, Kleve 1999, 92).
Wasserleitungen, Photographie von Severine Balzen
Das Heizen war ein Problem. Da die Räume der Wohnung im ersten Stock sehr hoch waren, stieg die warme Luft nach oben, während es unten lange kalt blieb. Wir hatten sogenannte Kanonenöfen, die solange Wärme abgaben, wie Holz oder Kohle in ihnen brannte, da sie nur aus einem dicken Rohr bestanden und keine Kacheln besaßen, welche die Wärme hätten speichern können. Danach wurden sie sogleich kalt. Ich lernte von klein auf, wie man einen Ofen bedient: Zuerst wurde Papier entzündet, das steckte Kienholz in Brand, das wiederum Holzscheite und schließlich Briketts entzündete. Auf dem Holzbock wurden die Baumstämme zunächst in Teile gesägt. Da die Kinder die Holzteile nicht festhalten konnten, fuhr ihnen die Säge manchmal in die Finger. Vater schimpfte: „Kannst Du nicht aufpassen?“, machte sich aber keine Gedanken darüber, daß auf diese Weise Finger und Hände der Kleinen gefährdet waren. Die Narben sind bei uns heute noch zu sehen. Auf dem Holzklotz wurden die runden Holzstücke in Scheite gespalten. Das war ebenfalls nicht ganz ungefährlich. Die Axt konnte ins Bein hacken, wenn die Kleinen das Holzstück verfehlten. All dies ist glücklicherweise nicht passiert, aber unverantwortlich war ein solches Vorgehen doch.
Hier geht es zum
Herzstück des Wasserturmes,
Photographie von Severine Balzen.
Da die Wände jedes Zimmers halbrund waren, standen die Doppelbetten im Mittelteil von der Wand ab. Es war für das unten liegende Kind eine ständige Versuchung, die Person, die oben lag, mit den Füßen hochzustemmen, was bei derselben allerdings nicht gut ankam.
Unsere fünfköpfige Familie bewohnte die erste Etage des Turmes. Wir Kinder hatten mehrere Etagen zum Spielen; denn die gesamte übrige Fläche war unbewohnt.
Vor der Erstkommunion im Jahre 1958 wurde bei einer vermögenden Dame ein Bittbesuch abgestattet. Sie schenkte mir einen schwarzen Kommunionanzug, bestehend aus Jacke und kurzer Hose, Myrtensträußlein aus Kunststoff, ein weißes Hemd, eine schwarze Fliege, weiße Socken und schwarze Lackschuhe. Meine Patentante schenkte mir ein Gebet- und Gesangbuch mit Goldschnitt und Ledereinband sowie eine Sammeltasse. Nachmittags spielte ich am Betriebshof der Stadt, der hinter dem Wasserturm lag. Dort lagerte Split, der mit Asphalt ummantelt war für das Bestreuen der Straßen. Ich verdarb mir den teuren Kommunionanzug, was gewisse Folgen nach sich zog.
Es sind 185 Stufen
bis zu diesem Aussichtspunkt.
Blick vom Wasserturm über die Stadt, mit Basilika und Antoniuskirche.
Photographie von Severine Balzen.
Maria hatte zur Erstkommunion eine Flasche mit Eierlikör geschenkt bekommen. Ich fragte sie, ob diese Flasche ihr gehörte. Da sie bejahte, sagte ich, dann könnten wir doch etwas davon trinken. An diesem Abend begriffen unsere Eltern nicht, warum wir erst so lustig und dann auf einmal todmüde waren. Jahrzehntelang lehnte ich immer ab, wenn mir Eierlikör angeboten wurde.
Warum wurde zur Erstkommunion Eierlikör geschenkt? Die schenkende Tante dachte dabei natürlich an die Eltern. Es war ein ungeschicktes Verlegenheitsgeschenk.
Für uns Kinder war natürlich das Herzstück des Wasserturms äußerst attraktiv. Eines Tages stiegen wir hoch. Das letzte Stück mußte über eine steile Metalltreppe bewältigt werden. Die kleine Tür ließ sich öffnen und wir standen staunend vor dem gewaltig großen und tiefen Reservoir. Das Wasser schimmerte dunkel bläulich.
Gegenüber dem Wasserturm, auf der anderen Seite der Kroatenstraße, war eine Wiese, die heute der Bebauung gewichen ist. Dort rauchte ich zum ersten Mal eine Zigarette. Durch die Wiese strömte ein Rinnsal namens Ley, das heute verrohrt ist. In diesem Bach fingen wir Stichlinge und taten sie in ein mit Wasser gefülltes Marmeladenglas. Wir fingen Fliegen und fütterten mit ihnen die Fische.
© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2023