Erzpriester Pëtr
Iwanowitsch Turtschaninow*
(N.D.Uspenskij, in: Journal of the Moscow
Patriarchate 1982, Nr. 7, S. 23-35)
Übersetzung von Klaus Bambauer
Erzpriester Pëtr Iwanonitsch Turtschaninow wurde in einer verarmten aristokratischen Familie in St. Petersburg am 20. November 1779 geboren. Als er acht Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Kiew. Der Junge zeigte ungewöhnliches musikalisches Talent und besaß eine schöne Stimme. Deshalb gaben ihn seine Eltern in den Chor des Generals A.J.Lewanidow, den Befehlshaber des Kiewer Infanterie Corps. Der kleine Petja teilte das Los der Waisen und der Kinder verarmter Eltern, die als Choristen in den Militärdienst berufen wurden. Einst, als er durch Kiew reiste, hörte Feldmarschall Prinz G.A.Potemkin Petja singen, nahm ihn aus dem Chor und schickte ihn in seine eigene Residenz nach Jassy, damit er bei dem berühmten italienischen Komponisten Giuseppe Sarti studieren könne. Potemkin starb bald darauf und der Junge musste in Lewanidows Chor zurückkehren. Vom Jahre 1794 an war sein Lehrer in diesem Chor der bekannte ukrainische Sänger, Artemij Lukjanowitsch Wedel [* 1767], ein Schüler von Sarti [1729-1802].
Im Jahre 1795 wurde General Lewanidow nach Char’kow versetzt. Er nahm seinen Chor mit sich. Wedel erhielt die Stelle eines Gesanglehrers und Chorleiters in der 1773 gegründeten Klasse für Chor- und Instrumentalmusik, um Chorjungen für die Hofkapelle auszubilden. P.Turtschaninow wurde in diese Klasse geschickt, um seine musikalische Ausbildung zu vervollständigen. Nach der Vollendung seiner Studien wurde er Assistent bei der Ausbildung der Sänger. Im Jahre 1796 wurde General Lewanidow zum Regimentskommandeur ernannt und A.G.Teplow, ein Musikliebhaber und Musikkenner sowie begabter Violinist ersetzte ihn in der Stelle des Gouverneurs.
Turtschaninow vermisste seine Mutter und so verließ er Char’kow und kehrte nach Kiew zurück. Gouverneur Teplow wurde bald darauf nach Kiew versetzt. Als er davon erfuhr, machte Turtschaninow bei dem Gouverneur einen Besuch, der sehr erfreut war, ihn zu sehen und forderte ihn auf, unverzüglich in seine Residenz zu kommen. Turtschaninow wurde der Kanzlei des Gouverneurs zugewiesen, bildete seine Sänger aus und wurde von ihm großzügig unterstützt. Teplow blieb jedoch nicht lange in Kiew. Er wurde bald zum Senator ernannt und es wurde entschieden, seinen Chor nach St. Petersburg zu verlegen. Auf halbem Wege zur Hauptstadt wurde der Chor angehalten, weitere Befehle in einem Dorf bei Orël, das Teplow gehörte, abzuwarten. Bevor man dieses Dorf erreichte, hatten Turtschaninow und der Chor in der Stadt Sewsk anzuhalten. Dort war der Sitz des Bischofs war (Eparchie Orël), und es befand sich dort ein theologisches Seminar.
Es war der Vorabend eines Festtages und Turtschaninow ging, um sich den örtlichen Bischofschor anzuhören. Er liebte ihr Singen nicht: es war viel Geschrei und hatte kein musikalisches Niveau. Der Rektor des Seminars, Abt Israil, leitete an diesem Tag die Göttliche Liturgie. Als er den Kirchenbesucher bemerkte und sein Missfallen am Kirchengesang, sandte er einen Seminaristen, um sich zu erkundigen, wer der Besucher sei. Als Turtschaninow sagte, dass er der Chorleiter des Chores von Senator Teplow sei, bat der Rektor Turtschaninow durch den gleichen Seminaristen, bis zum Ende des Gottesdienstes zu bleiben. Nach dem Gottesdienst ging er zu Turtschaninow, stellte sich vor und lud Turtschaninow zum Tee ein. Während des Tees lernte Turtschaninow auch die Lehrer des Seminars kennen. Der Rektor teilte den Besuch von Teplows Chorleiter dem Bischof Dosifej (Iljin) von Orël und Sewsk mit. Darauf lud der Bischof Turtschaninow ein, eine zeitlang seine Chorsänger zu unterrichten.
In der Zwischenzeit schrieb Bischof Dosifej an Teplow, der aus Respekt vor dem Bischof, Turtschaninow erlaubte, in Sewsk zu bleiben, obwohl er sehr betrübt war, solch einen talentierten Chorleiter zu verlieren. Turtschaninow war zu dieser Zeit 20 Jahre alt. Der bischöfliche Chor von Sewsk bestand aus 60 Sängern und war wegen seiner guten Stimmen bekannt. So hatte Turtschaninow gute Voraussetzungen, unter denen er arbeiten konnte. Hier sollte Turtschaninow zum erstenmal komponieren. Er schrieb Musik zur Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus für zwei Chöre, verschiedene Konzerte, andere Lieder und machte Arrangements für den täglichen gottesdienstlichen Gebrauch.
Im Februar 1803 verheiratete sich Pëtr Turtschaninow, und am 12.März des gleichen Jahres wurde er zum Presbyter geweiht. Das Leben in Sewsk verlief für Vater Pëtr wie ein sonniger Tag. Bischof Dosifej begleitete seine Arbeit aufmerksam. Bald wurde Turtschaninow zum Aufseher über 16 Kirchen und zum Priester einer der Stadtkirchen ernannt, während er Chorleiter des bischöflichen Chores blieb.
* Die wichtigsten Informationsquellen über Leben und Werk von Erzpriester Pëtr Turtschaninow sind: Turtschaninows Autobiographie, die er 1818 begann, sowie die Studie: Erzpriester P.I.Turtschaninow (1779-1856), geschrieben von A.W.Preobrashenskij [1870-1929] auf der Grundlage der Quellen aus den Archiven von Institutionen von St. Petersburg, wo Turtschaninow während der zweiten Hälfte seines Lebens wirkte. Ebenso kommen als Quellen in Frage: Turtschaninows Briefe an den Direktor der Hofkapelle, F.P.L’wow, aufbewahrt im Archiv der Hofkapelle. Die Autobiographie über Erzpriester P.I.Turtschaninow wurde veröffentlicht von A.W.Presbrashenskij in einem Band: Erzpriester P.I.Turtschaninow. 1779-1856. Eine Studie seines Lebens mit seiner Autobiographie, Portrait und einem Faksimile, St. Petersburg 1910.
[Wenig ist über das Leben von A.W.Preobrashenskij bekannt. Er war Student
der Kazaner Theologischen Akademie und lehrte an der Moskauer Synodalschule von
1898-1902. Nachdem er Moskau verlassen hatte, ging er nach St. Petersburg und
wurde Bibliothekar der Hofkapelle, eine Stelle, die er bis zur chaotischen
Revolutionszeit einnahm. Obwohl er behauptete, dass der russische Gesang
byzantinischen Ursprungs sei (einige Musikwissenschaftler bestreiten dies), war
er in der Lage, einige bedeutende Forschungen zum znamennij-Gesang ans Licht zu bringen. Er schrieb ein Wörterbuch des Russischen Kirchengesangs,
Moskau 1897, dann folgte das Buch Versuch
über die Geschichte des Kirchengesangs in Russland, St. Petersburg,
veröffentlicht vor dem ersten Weltkrieg. Als die Revolution kam, gab es harte Zeiten
und Jahre der Hungersnot. Die Wissenschaft der Liturgie wurde verbannt, aber er
erreichte es, sein letztes Buch Musik
des Kultes in Russland, Leningrad 1924, zu vollenden. Quelle: History of
Russian Church Music 988-1917, von N.P.Brill, 2. Aufl.,
Während Turtschaninow in Sewsk war, ergaben sich verschiedene Veränderungen in den kirchlichen Kreisen der Stadt. Abt Israil, der Rektor des Seminars, der zuerst Turtschaninow bemerkte und ihn Bischof Dosifej vorstellte, wurde bald durch Metropolit Amwrosij (Podobedow) von Nowgorod und St. Petersburg nach St. Petersburg berufen und zum Superior der Lawra des hl. Alexander Newskij ernannt. Der neue für Sewsk ernannte Rektor, Priestermönch Filaret, mit dem Turtschaninow sich anfreundete, wurde plötzlich als Seminarleiter nach Ufa berufen.
Im Jahre 1809 schrieb Turtschaninow: „Neid und Verleumdung schickte Seine Exzellenz gegen mich. Da ich nicht den Grund seines Missfallens mir gegenüber verstand, litt ich sehr“. (1) Turtschaninow schrieb an seinen alten Freund von Sewsk, Krylow, einen früheren Lehrer des Seminars, der damals in St. Petersburg unter dem Hauptgeistlichen arbeitete (später bekannt als der Protopresbyter der Militärgeistlichkeit). Krylow riet Turtschaninow, sich an der Abteilung der Militärgeistlichkeit zu bewerben. Auf Krylows Rat wandte sich Turtschaninow an den Hauptgeistlichen Derschawin; er schrieb auch an den Archimandriten Israil in der Lawra und an Senator Teplow. Sie wandten sich in ihrer Antwort an Metropolit Amwrosij und an den Hauptgeistlichen. Teplow empfahl Turtschaninow als einen „Mann mit künstlerischer Kenntnis der Musik und als Komponisten vieler religiöser Werke“. Metropolit Amwrosij liebte den Gesang und hatte keinen Chorleiter zu dieser Zeit, der sowohl seinen Chor leiten und seine Sänger Musik und verwandte Inhalte lehren konnte. Rasch danach kam eine Anweisung vom Heiligen Synod in Sewsk an, der Vater Pëtr Turtschaninow nach St. Petersburg übersiedeln ließ, und am 24. Oktober 1809 verließ Turtschaninow Sewsk. (2)
Der zweite Abschnitt in Turtschaninows Leben begann jetzt. Als er in St. Petersburg ankam, wurde Turtschaninow zum Geistlichen des Militärhospitals von Gattschina ernannt. Aber in weniger als zwei Monaten wurde eine andere Anordnung erlassen, die ihn zum Ökonomen des Seminars ernannte (1. März 1810) und am 25. Mai wurde er Chorleiter des Chores des Metropoliten. Der Brennpunkt von Turchaninows Leben war seine Arbeit als Chorleiter und seine kompositorische Arbeit.
Im Jahre 1814 wurde Turtschaninow wegen „guten Betragens und hervorragender Ausführung seiner Pflichten“ Erpriester, aber im Jahre 1818 bat er, von seinen Pflichten als Ökonom und Chorleiter aus Gesundheitsgründen entbunden zu werden. Er war damals 39 Jahre alt.
Es mag sein, dass der wahre Grund für Turtschaninows frühen Rückzug vom Seminar und von seiner Stelle als Chorleiter die Trennung von Metropolit Amwrosij war, über den Turtschaninow schrieb: „Er hatte mich so gern, dass er mich stets bei sich hielt, und, in Ergänzung zu den Gottesdiensten, lud er häufig Sänger in seine Residenz ein. Sie sangen bei Zusammenkünften und für seine Gäste. Beide, sowohl der Metropolit wie auch die, die ihn ständig besuchten, dankten mir. Ich hatte zu dieser Zeit schon eine große Menge für den Chor geschrieben, und jeder liebte meine Kompositionen und Arrangements alter Gesänge, und sie wurden ausgezeichnet gesungen. Im Jahre 1818 bat der Metropolit, sich zurückziehen zu dürfen, und seine Eminenz wurde von der St. Petersburger Eparchie entlastet, während er nur Metropolit von Nowgorod blieb, wohin er nach Ostern abreiste. Wir alle verabschiedeten uns von diesem tugendhaften und weisen Hierarchen mit Tränen in unseren Augen. Ich war besonders bekümmert, in ihm meinen wohlwollenden Helfer verloren zu haben. Vor seiner Abreise empfahl er mich seinem Nachfolger, Metropolit Michail.“ (3) Dies sind die letzten Zeilen in Vater Pëtrs Autobiographie.
Prof. S.Runkewitsch schreibt: Metropolit Amvrosij bat früh im Jahr 1816, von der Verwaltung der Petersburger Eparchie entbunden zu werden. Er starb am 21.Mai 1818 in Nowgorod. (4) Es mag sein, dass Turtschaninow die Mitteilung über die Umstände, in welchen er verschiedene Jahre hart arbeiten musste, mit dem Jahr 1818 verband. Metropolit Amwrosijs besondere Aufmerksamkeit ihm gegenüber konnte einige aus der Umgebung des Metropoliten neidisch auf Turtschaninow gemacht haben und mit der Ernennung eines neuen Metropoliten mögen diese Leute sich zum bisherigen eingefahrenen Verhalten gegenüber Turtschaninow entschieden haben. Dies mag der wahre Grund für sein Ersuchen sein, von seinen Pflichten befreit zu werden, die direkt mit der St. Petersburger Hierarchenresidenz verbunden waren.
Gemäß der Information in den Archiven arbeitete Turtschaninow als Geistlicher im Marijnski-Armen-Hospital vom 12. Juli 1818 an, er leitete den Chor in der Hospitalkirche, gab Kompositionen von Bortnjanskij heraus und arrangierte sie für das Klavier. (5)
Anmerkungen:
(1) Autobiographie, S. 1-9.
(2) Autobiographie, S. 10.
(3) Autobiographie, S. 13-14.
(4) S.Runkewitsch, Amwrosij Podobedow, in: Orthodoxe Theologische Enzyklopädie, Bd. 1, 1900, Sp. 592.
(5) Vgl. A.W.Preobrashenskij, Lebensbild Turtschaninows, S. 6. Zit. Lebensbild.
Im März 1827 wurde Turtschaninow zum Gesanglehrer der Hofkapelle in Ergänzung zu seinen Pflichten als Geistlicher des Marinskij-Hospitals ernannt. A.W.Preobrashenskij erklärt diese Berufung – eine Quelle der Verwirrung für viele Leute nach Turtschaninows Bitte, neun Jahre vorher von seiner Stelle als Chorleiter des Metropolitenchores aus gesundheitlichen Gründen entbunden zu werden – durch die Tatsache, „dass, nach Bortnjanskijs Tod der neue Direktor der Hofkapelle, F.P.L’wow verantwortlich gemacht wurde für die Aufrechterhaltung des Chorrufes, erworben unter Bortnjanskij. Aber L’wow war ein Verwalter, kein Komponist oder ein Dirigent. Er bemerkte, dass die Sänger leblos, farblos und unverständlich sangen, obwohl akkurat und im Ton.“ Er hatte darüber mit Bortnjanskij gesprochen, aber dieser sagte, dass diese Fehler von ihrer Lehrer Unkenntnis und unkorrekten Singmethoden herstammten. L’wow verstand das auf seine Weise – dass nicht alle Sänger die Partitur lesen konnten, nicht nur die Sänger des Hofchores und deshalb konnten sie Bortnjanskijs Werke nur mit Violinbegleitung lernen, indem sie ein Konzert einen Monat lang studierten und sogar noch nicht perfekt.
Hinzu kam, dass der Hofchor seine spezifischen Fehler hatte. Die älteren Sänger glaubten, dass sie besser zu singen wüßten als der Rest, sogar, wenn sie die Partitur nicht lesen konnten, korrekt atmeten, noch irgendeine Vorstellung hatten von den Intonationsqualitäten der Stimme und so blieben sie verstockt in ihrer Unkenntnis.
Um diese Fehler auszumerzen, erhielt im November 1826 L’wow die kaiserliche Erlaubnis, den Gesang der Hofkapelle zu verbessern. (1) Turtschaninow wurde mit dieser Aufgabe betraut. Er war unterrichtet worden, „die Gesänge in vier Teilen zu schreiben, im Stil unserer täglichen Praxis“. Außerdem empfing Turtschaninow am 9. April 1827 Anweisungen von L’wow, gerichtet auf eine Vereinheitlichung des Chorsingens und ihn hinweisend „ein und für allemal zu bestimmen, wie und was zu singen sei und nicht von dieser Regel abzuweichen“.
Zu diesem Zweck schuf L’wow eine Gruppe erfahrener Sänger der Hofkapelle, die wussten „wie die Gesänge in der Vergangenheit gesungen wurden und wie sie heute gesungen werden“. Als „ein Priester, fähig die Aussprache der Worte in den Gebeten zu verbessern, außerordentlich kenntnisreich im Kirchengesang und verwandten Bereichen, fähig, Partituren zu schreiben und festzulegen, wie es ein für allemal gesungen werden sollte, wurde Turtschaninow zum Leiter dieser Gruppe ernannt. Die Gruppe hatte zu prüfen: „alle Gesänge die bei Hof im Gebrauch waren, und sie zu korrigieren, die Melodien festzuhalten und die Phrasierung des Textes für die Zukunft festzulegen, wie auch die Ergebnisse in einem besonderen Buch niederzuschreiben“. (2)
Eine andere Pflicht der Gruppe war es, alle Gesänge, die in den vom Hl. Synod veröffentlichten Sammlungen enthalten waren, niederzuschreiben, und Turtschaninow sollte all diese Gesänge für 4 Stimmen arrangieren. Danach sollten sie veröffentlicht werden.
In Übereinstimmung mit ihren Anweisungen prüfte das Komitee die üblichen kirchlichen Melodien, die am Hof gesungen wurden, verglich sie mit den Melodien, die vom HI. Synod veröffentlicht waren, wie auch mit den Melodien, die zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Menschen niedergeschrieben worden waren, und revidierte sie, indem sie den Hofmelodien soweit wie möglich ähnlich gemacht wurden. Alle heiligen Texte, die auswendig gesungen wurden, wurden überprüft und die eingeschlichenen Irrtümer wurden beseitigt. Die Phrasierung der Texte wurde festgestellt in Übereinstimmung mit den Regeln der kirchenslawischen Sprache, sodass ihr Sinn deutlich wurde.
Das Komitee arbeitete ein Jahr – von April 1827 bis zum 19. April 1828, indem es sich ein- bis zweimal wöchentlich traf, und es war in der Lage, die einstimmige Notation der Melodien, die sie geprüft hatten, niederzuschreiben. Turtschaninow berichtete über all dies an L’wow. Die Leitung bekam sofort ein Darlehen von der Kommission der Theologischen Schulen für die Druckkosten, aber plötzlich, am 8. Juni des gleichen Jahres verbot der Hofminister die Veröffentlichung, das Geld wurde zurückgehalten, und Turtschaninow, derVorsitzende des Komitees und Lehrer des Hofchores, wurde von seinen Pflichten entbunden. Die Gründe für diese Entscheidung wurden nicht erläutert. (3)
Turtschaninows Reaktion auf diese platzende Seifenblase wird ausgedrückt in seinem Brief vom 18. Juli 1828 an F.P.L’wow. „Trotz des Übels derer, die mich krank wünschen und des Neides derer, die gegen mich sind, werde ich fortfahren unermüdlich zu Ehre meines Gottes zu arbeiten... Da meine Kräfte und schwachen Möglichkeiten mich befähigen, werde ich wie ein Adler zur Sonne hinaufsteigen, trotz aller irdischen Sorgen, gestärkt durch das Schriftwort: In Gott ist meine Rettung und meine Ehre.“ (4)
Anmerkungen:
(1) F.P.L’wow war nach dem Tode Bortnjanskijs von 1826-1836 der Direktor der kaiserlichen Hofkapelle. L’wow schrieb Studien über die Beziehungen zwischen russischer und griechischer Musik. Sein größter Beitrag zur Musik liegt in der Unterstützung für den Tschechen Iwan Pratsch bei der Sammlung und Herausgabe eines Bandes russischer Volkslieder [so Brill, S. 99].
(2) Lebensbild, S. 6-8.
(3) Lebensbild, S. 9.
(4) Lebensbild, S. 9.
Die Aufgabe, die L’wow Turtschaninow zugewiesen hatte, zu korrigieren sowie die Musik und die Texte des ganzen Zyklus der Lieder zu vereinheitlichen, „wie sie in der Vergangenheit und heute gesungen werden“, brachte beide, das Komitee und Turtschaninow, in eine sehr gefährliche Position.
Zum Beispiel: Im liturgischen Menaion war die letzte Zeile im Troparion für das Fest der Darbringung der Jungfrau „Freue dich, o Erfüllung des Schöpfers Gabe“ nicht interpunktiert. Die Synodal-Ausgabe der Feste teilte es in drei Teile, während die Hof-Ausgabe es in zwei Teilen brachte. Dies förderte unterschiedliche Meinungen. Die spätere Interpunktion verdreht die Meinung des Textes und solche Verdrehungen wurden gemäß L’wows Anweisungen vom 9. April 1827 herausgenommen. Jedoch behielten alle Hof-Chor-Ausgaben diese sinnlose Zeichensetzung.
Es gab auch gleiche Fälle bei der Behandlung der Melodien. Zum Beispiel die Melodie des Kontakions „Die Jungfrau heute“ in Bortnjanskijs Harmonisation ist ganz unähnlich der Melodie des bulgarischen Gesanges, gedruckt in der Synodal-Ausgabe. Ausgehend von der Tatsache, dass L’wow erfahrene Sänger des Komitees nahm, „die wissen, wie die Gesänge in der Vergangenheit und in der Gegenwart gesungen werden“, können wir annehmen, dass zu dieser Zeit verschiedene Arten der Ausführung bestanden.
Wer genau verantwortlich war für das Verbot des Turtschaninowschen Buches und für des Komponisten Rückzug von seiner Stelle in der Hofkapelle, blieb ein Geheimnis bis zum Ende des letzten Jahrhunderts als A.W.Preobrashenskij unter den Archivunterlagen des Hofministeriums ein Memorandum über das Werk des Erzpriesters Turtschaninow fand, welches besagt: „Auf der Basis der Information (welche sich später als falsch erwies), beschafft im Juli 1828 durch den früheren Inspektor Tolstoj von der Hofkapelle über verschiedene Missbräuche im Chor, wird die Veröffentlichung heiliger Gesänge bis zur weiteren Anweisung verboten, Erzpriester Turtschaninow von seinem Lehrposten im Hofchor entlassen und die Zahlung seines Gehalt beendet.“ (1) Erst im August des folgenden Jahres wurde das offizielle Missfallen besänftigt. Kaiserliche Erlaubnis gewährte, „die Notenblätter in den militärischen Einrichtungen zu drucken“. (2)
Diese Neuigkeit erreichte Turtschaninow rasch. Am Tag, nachdem dieser Befehl gegeben worden war, schrieb er einen Brief an F.P.L’wow, worin er ihn bat, die Autoritäten mit dem Original seines Manuskripts zu versehen, geschrieben mit seiner eigenen Hand, wovon die Notenblätter gedruckt werden sollten und auf diesem Wege den Schaden seines Rufes wieder zu beseitigen. Turtschaninow beschloss seinen Brief mit diesen Worten: „Ich bitte höflich darum, sich für mich einzusetzen und mein verwundetes Herz auf diesem Wege zu lindern. Mag diese Angelegenheit nicht eine neue Ursache sein, meine Ehre zu beflecken, denn mein Ruf hat schon unnötig gelitten durch meinen Rückzug von meiner Stelle ohne eine Entschädigung für meine Arbeit“. (3)
Turtschaninows Werk wurde gedruckt, aber er wurde nicht wieder auf seine Stelle in der Hofkapelle eingestellt. Jedoch blieb er seiner Sache treu. Nachdem er verschiedene seiner Arrangements für vierstimmigen Chor von der Synodalpraxis gesammelt hatte, präsentierte er sie nicht der Hofkapelle, sondern einer anderen autoritativen Kommission, der Kommission der Theologischen Schulen. In einem Antrag schrieb Turtschaninow, dass er den Bischofschor 20 Jahre lang geleitet habe, mit den schönen Harmonien des alten Kirchengesanges vertraut sei, deshalb so gut wie möglich in seinen Arrangements am Original geblieben sei und sein Werk seit langem durch verschiedene Chöre aufgeführt würde. Er fügte hinzu, dass er sich angetrieben fühle, seine Musik aus verschiedenen Gründen zu veröffentlichen: erstens, seine Furcht, dass die Unveränderlichkeit der Partitur Irrtümer oder Störungen in das Werk bringen könne, und zweitens, durch seinen Wunsch, die Überlegenheit der alten über die moderne Kirchenmusik (Sinn: 19. Jhdt. ital. Musik) zu beweisen. Er erklärte, dass er 1200 Exemplare der ersten Auflage für sich nehmen würde, und er schenke den Erlös aller folgenden Auflagen den Waisen der St. Petersburger Kirche, die in die Schulen aufgenommen seien.
Anmerkungen:
(1) Lebensbild, Fußnote 1.
(2) Lebensbild, S. 10.
(3) Lebensbild, S. 10-11.
Die Kommission der Theologischen Schulen überreichte Turtschaninows Werke dem Vorsitzenden des Heiligen Synods, Metropolit Filaret (Drozdow) von Moskau und Kolomna, der bemerkte, „dass viele der Werke ausgezeichnet seien, wenn auch andere ziemlich schwierig auszuführen wären, trotzdem sollte ihre Einfügung in das Buch geprüft werden, umso mehr auch die Melodien die Eigenschaften der frühen Kirchenleitung trügen“. (1) Danach billigte die Kommission die Veröffentlichung von Turtschaninows Arrangements.
Dies geschah im Mai 1830. Turtschaninow war mit diesem Ausgang der Angelegenheit zufrieden. Er erfuhr, dass der Heilige Synod die Veröffentlichung der Musik gebilligt hatte, die vorher zur Veröffentlichung durch kaiserliche Anordnung genehmigt war und dann durch die gleiche Anordnung verboten wurde. Daher war L’wow erschreckt bei der Aussicht des Konfliktes, der auf dieser Basis zwischen dem Hof und dem Synod entstehen könnte. Er wandte sich an Turtschaninow, er solle „eine Zeit mit der Ausführung dieses Planes warten“.
Turtschaninow antwortete, dass die Entscheidung der Kommission ihn besänftigt und versöhnt habe, so ihn entschädigend für die Opfer und die Arbeit, welche von den Leitern der Hofkapelle unbemerkt geblieben waren, dass er selbst niemals eine Beschäftigung in dieser Institution gesucht habe, „dass er seine Pflichten mit Erfolg und mit Eifer ausgeführt habe, dass er entlassen worden sei durch keinen Fehler auf seiner Seite“, ohne irgendeine Erklärung, und deshalb sein Ruf sehr in den Augen der Öffentlichkeit gelitten habe. Er bat L’wow, darüber an die höchste Autorität zu berichten und zu sagen, dass sein Werk schon veröffentlicht worden sei, wie auch, dass die Arrangements von der Kommission gebilligt waren, dass sie von Wert seien und folglich die Aufmerksamkeit der höchsten Autorität verdienten. (2)
Wir müssen L’wow Gerechtigkeit widerfahren lassen, denn er schätzte Turtschaninow als einen hervorragenden Kenner des Kirchengesangs und als begabten Komponisten, und er war sich dessen Dienste in der Hofkapelle bewusst. Wie auch immer, angesichts des hierarchischen Systems der Unterordnung am Hof hatte er, um dem unschuldig angeklagten Komponisten zu helfen, diplomatisch zu handeln.
Deshalb erbat er eine Kopie vom Synod des Protokolls, veröffentlicht von der Kommission der Theologischen Schulen auf der Basis der Prüfung von Turtschaninows Kompositionen und schrieb in einem besonderen Memorandum an den Minister des Hofes: „Diese Arbeit, welche begann und teilweise vollendet wurde in der Hofkapelle und für eine kurze Zeit zum Stillstand gekommen, wird so in private Hände gelangen; wenn Erzpriester Turtschaninow das oben erwähnte Buch auf seine eigenen Kosten veröffentlicht, dann wird die kaiserliche Anordnung von 1826 betreffend die Ausbildung der Kirchensänger, die folgte, unerfüllt bleiben und die Profite von diesem Buch, welche der Erziehung von Chorknaben zufließen sollten, werden verschwinden und zum privaten Profit werden.“
Wie wir sehen, nahm L’wow die Rolle eines Höflings an, der die Veröffentlichung von Turtschaninows Kompositionen trotz kaiserlicher Anordnung fürchtete. Auch den Hofchor würde die Kabinettsordre, welche die erste Anordnung herausgegeben hatte, in eine schwierige Position stellen. Wie ein anspruchsvoller Verwalter fürchtete er, dass das Geld vom Verkauf von Turtschaninows Buch zum privaten Profit werden könnte, d.h. für Turtschaninow selbst.
L’wow hatte an dieser Stelle Unrecht. Wie wir schon oben sagten, als Turtschaninow seine Werke der Kommission der Theologischen Schulen zur Veröffentlichung anbot, erbat er nur 1200 Exemplare von der ersten Auflage für sich selbst, indem er plante, den Erlös von weiteren Verkäufen des Buches den Waisen der Petersburger Geistlichkeit zukommen zu lassen. So würde er abgesehen von der Wiedergutmachung im Blick auf seine Arbeit keinen privaten Erlös von dem Buch bekommen haben.
L’wow schlug also vor: (a) die Veröffentlichung von Turtschaninows Arbeit an den Hofchor und die veröffentlichten Bücher den Geschäften von St. Petersburg und Moskau auszuhändigen und im Chor selbst zu verkaufen, eher, als sie an Klöster und Kirchen zu verteilen; (b) Turtschaninow für seine Arbeit zu entschädigen, und ihn wegen verschiedener Härten, welche er durch keinen eigenen Fehler erfahren hatte und die seinen Ruf geschädigt hatten, zum Mitglied der Hofgeistlichkeit zu ernennen, um alle Widerstände gegenüber seinem Werk in der Zukunft zu beseitigen und ihn mit mehr freier Zeit wegen der enormen Größe der Arbeit zu versehen; (c) ihn zu entschädigen für die besondere Aufgabe, die ihm durch seine gegenwärtige Arbeit zugeteilt worden war, und das Gehalt weiter zu zahlen, das er vorher empfangen hatte.
Anmerkungen:
(1) Lebensbild, S. 11.
(2) Lebensbild, S. 11-12.
L’wow schrieb dementsprechend, der Hofchor sei sehr glücklich, solch einen Mann wie Turtschaninow in seinem Dienst zu haben; denn nur ein glücklicher Zusammenfall von Umständen konnte solch einen Menschen hervorbringen, denn Menschen dieser Art sind äußerst selten. (1)
Es gab keine direkte Antwort auf L’wows Memorandum. Turtschaninow war sehr ängstlich im Blick auf sein Werk wegen dieser langen Verzögerung. „Mein Herz schmerzt“, schrieb er an den Direktor des Hofchores im Oktober 1830. „Was kann ich tun? Die Zeit vergeht..., meine Arbeit ist seit vielen Jahren beendet, aber es gibt dennoch kein Ende. Ich bitte Sie dringend, ihre Darstellung vor unserer weisen und gerechten Regierung zu wiederholen und zu fragen, rasch diese Sache zu entscheiden, welche zum Ruhm Gottes und seiner Heiligen Kirche geschieht.“
Die Antwort wurde endlich am 4. Februar 1831 gegeben. Der Minister forderte, dass der Direktor des Hofchores ihn mit zwei Bänden von Turtschaninows Arrangements versorgen solle. Am 9. Februar benachrichtigte der Minister L’wow, dass die Erlaubnis erteilt war, einen „Cherubinischen Gesang“ und „Gnade des Friedens“ zu veröffentlichen, welche beide gewöhnlich am Hof gesungen wurden, außer den Arrangements, die von der Kommission der Theologischen Schulen gebilligt waren wie auch andere Gesänge mit der Ausnahme von „Des Herrn Wanderschaften“, „Weine nicht um mich, Mutter“, „Wir verehren die eine Unbefleckte“, „Er, Der sich in Licht kleidet wie in einen Mantel“, „Er stand vom Grabe auf“, „Gewähre mir, o Herr“, „Herr, nun lässest Du“ und „Das 17. Kathisma“. Diese mussten warten, bis Ihre Majestät Gelegenheit nahm, sie zu hören. Der Rest von L’wows Bitte wurde gewährt. Turtschaninows Werke wurden gebilligt für die Veröffentlichung durch die Hofkapelle zugunsten der Chorjungen und Turtschaninows früheres Gehalt musste erneuert werden und wurde fortgesetzt, obwohl er nicht als ein Mitglied der Hofgeistlichkeit eingesetzt wurde, aber ihm wurde befohlen „in der Erarbeitung von Arrangements der heiligen Hymnen fortzufahren“.
Im März 1831 fügte Turtschaninow hinzu: „Der Große Kanon“, „Kanons für den Großen Donnerstag und den Heiligen Samstag“, „Drei Lobgesänge für den Großen Freitag“, wie auch den „Cherubinischen Hymnus Nr.6“ und „Viele Jahre“ zu seiner Sammlung von Arrangements. Turtschaninow schickte alle diese Werke auf der Basis früherer Anweisungen an den Synod, und der Synod leitete sie weiter an den Erzbischof Grigorij von Rjazan’. Nachdem sie durch den Rjazaner Bischöflichen Chor gesungen worden waren, wurden sie für die Veröffentlichung gebilligt und für den Gebrauch während des Gottesdienstes.
Im April dieses Jahres erschien Turtschaninows erstes Buch von Arrangements aus der Druckerei. L’wow sandte eine Kopie an den Hofminister als den „direkten Patron dieses Werkes“. Zur gleichen Zeit bat er darum, das Verbot der Veröffentlichung der Cherubinischen Hymnen, datierend vom 9. April 1830, möchte aufgehoben werden, indem er sagte, ohne dieses Werk gäbe es nur wenige Käufer des Buches. Am 22. April wurde das Verbot aufgehoben.
Im Herbst wurden beide Bücher veröffentlicht und rasch verkauft; am Jahresende konnte ein Erlös von mehr als 7000 Rubeln zur Unterstützung der Bedürfnisse der Chorknaben übergeben werden. Turtschaninow nahm nur l00 Kopien im Einzelverkauf, indem er mit dem Geld bezahlte, das er für das Korrekturlesen dieser Ausgabe bekommen hatte. (2)
Die Nachfrage nach Turtschaninows Werken waren beispiellos. Eine Ausgabe nach der anderen erschien, und zu Beginn des Jahres 1832 hatte der Hofchor schon 12000 Rubel davon bekommen. Dies veranlasste Turtschaninow seine Bitte zu wiederholen, ihn zum Hofgeistlichen zu ernennen. Seine Stelle am Hospital wurde gut bezahlt, aber sie nahm einen großen Teil seiner Zeit in Anspruch. Er wollte mehr freie Zeit, in der er Musik schreiben konnte. Er wandte sich mit dieser Bitte an den Direktor des Hofchores und dieser unterstützte seine Anfrage vor den Hofminister. Jedoch, schrieb A.W.Preobrashenskij, „ein grausames Schicksal verfolgte den gutherzigen Vater Pëtr... Die Entscheidung war kurz und unwiederruflich – Ablehnung“. Nur zwei Jahre später, 1833, wurde Turtschaninow Mitglied der Hofgeistlichkeit und erhielt den Orden des hl. Wladimir, 4. Klasse. Er war 55 Jahre alt. (3)
Anmerkungen:
(1) Lebensbild, S. 12-13.
(2) Lebensbild, S. 13-14.
(3) Lebensbild, S. 14-15.
Sehr schöpferische Menschen erfahren eine Explosion von Energie in diesem Alter, aber Vater Pëtr hatte in dieser Zeit alle seine Energie mit den täglichen Problemen aufgebraucht, die während seiner Dienstzeit in der Hofchorkapelle auf ihn von seiten des Hofministeriums eingestürzt waren, oder welches die Konsequenzen der Atmosphäre waren, die im Hofchor selbst mit seinen unaufhörlichen gemeinen und geheimen Denunziationen regierte.
Zwei Jahre später wurde Vater Pëtr ein Mitglied der Hofgeistlichkeit, er wurde der Kirche des Marmorpalastes zugewiesen (1835), und dann der Hofkirche in Strelna, wo er bis 1841 diente.
„Es wäre nützlich nach einer Steigerung in Turtschaninows Aktivität nach diesen Zeiträumen zu suchen, denn seine beste Periode war schon vorüber“, schreibt A.W.Preobrashenskij. Der Komponist war sehr tatkräftig bis 1832, aber in den Jahren danach flackerte seine kreative Flamme kaum noch. Im Jahre 1841 konnte er zur Veröffentlichung nur eine dreiteilige Liturgie für männlichen Chor anbieten, nach Preobrashenskij „bestehend aus dreiteiligen Werken, die früher komponiert waren“. (1)
W.Morkow, der Turtschaninow persönlich kannte, schrieb, dass „all diese Gebete in erster Linie geschrieben wurden für die Einöde des hl. Sergij... Ein häufiger Besucher dieser Einöde, Pëtr Turtschaninow, schrieb auf die Bitte des Vater Hegumen, Archimandrit Ignatij Brjantschaninow und anderer Mönche eine große Zahl von Chorwerken für den Klosterchor, welche bis zu diesem Tag durch die Mönche hier gesungen werden.“ (2)
Es mag sein, dass „beim Verbessern des Klostergesanges“ Turtschaninow seine Liturgie für dreistimmigen Männerchor überarbeitet hatte. Aber, in Ergänzung zur Überarbeitung dieser Liturgie schrieb er auch einige unterschiedliche Gesänge, worüber A.W.Preobraschenskij, indem er von Turtschaninows Werk mit dem Chor der Einöde des hl. Sergij spricht, folgendes schreibt: Mr. Goltison hat wenig Rechtfertigung zur Veröffentlichung dieser Werke als seiner eigenen Entdeckungen in der Einöde des hl. Sergij im Jahre 1908. Sie sind seit langem bekannt überall und, wenn sie selten durch Chöre aufgeführt werden, ist es nur wegen ihrer großen Unbedeutendheit. (3) Dies fällt zusammen mit dem, was A.W.Preobrashenskij über Turtschaninows Werk am Ende des Jahres 1840 schrieb.
Im Jahre 1849 fragte das Kabinett A.W.L’wow: „Hat Turtschaninow die Aufgabe vollendet, die ihm vom Hofchor zugewiesen wurde?“ Der Direktor antwortete: „Seit seiner Entlassung hat er seine Arbeit fortgesetzt, aber nicht so erfolgreich, wie es hätte möglich sein können, weil er häufig krank war... Als ich ihn neulich fragte darüber, antwortete er, sich ganz bewusst seiner gegenwärtigen Situation, dass trotz seines Eifers, dem Hofchor zu dienen, er nicht in der Lage sei, an seinen Arrangements weiter zu arbeiten.“ (4)
Es war offensichtlich in den 1840er Jahren, dass seine Sonntagsdogmatika in 8 Tönen komponiert und 1876 veröffentlicht wurden mit der Erlaubnis des Direktors des Hofchores.
Jede Beschreibung von eines Menschen Persönlichkeit, wer immer er ist, würde einseitig sein, wenn sie nicht seinen moralischen Charakter berühren würde. Dies ist noch mehr wahr, wenn man eine kreative Persönlichkeit beschreibt, einen Menschen, dessen Ruf es ist, des Menschen Herz zu berühren. Pëtr Turtschaninows Autobiographie enthält viele Hinweise wie er bei verschiedenen Momenten in seinem persönlichen Leben reagierte. Als Senator Teplow zustimmte, ihn zu entlassen, damit er dem Bischof von Sewsk dienen könnte, schrieb Turtschaninow: „Und so wurde mein Schicksal entschieden: Göttliche Vorsehung hat alles in meinem Leben arrangiert“. (5) Sich seiner Heirat und Ordination erinnernd, schrieb er: „Dies ist es, wie Gott mein Leben gefügt hat: Ich habe meinen militärischen und zivilen Ruf verlassen für einen geistlichen; jetzt, im Jahre 1845, 42 Jahre sind vorübergegangen, aber ich habe niemals diese Chance bedauert und habe immer gesegnet und segne den Namen Gottes, der mich, obwohl ich ein Sünder bin, für wert geachtet hat, an seinem Heiligen Altar zu dienen. (6) Mit Blick auf seinen Übergang von Sewsk nach St. Petersburg beobachtete Vater Pëtr: „Nun sehe ich, dass alles in meinem Leben vorbereitet war durch die Gnade der Göttlichen Vorsehung, die immer unser Leben weise leitet, denn alle Umstände fielen zusammen, um mich wunderbar hinüberzubringen von der kleinen Stadt Sewsk zur Hauptstadt – zu meinem Geburtsort“. (7)
Anmerkungen:
(1) Lebensbild, S. 15.
(2) W.Morkow, Erzpriester Pëtr Iwanowitsch Turtschaninow. Sein weltliches und geistliches Leben und seine Musik, St. Petersburg 1862, S. 9.
(3) Lebensbild, Fußnote S. 16.
(4) Lebensbild, S. 16.
(5) Autobiographie, S. 7.
(6) Autobiographie, S. 9.
(7) Autobiographie.
Es war eine harte Zeit für Vater Pëtr, als er im Hofchor diente. Er musste die Demütigung und die falsche Denunziation ertragen, hervorgerufen durch den früheren Inspektor Tolstoj (aus diesem Grunde wurde Turtschaninow ohne jede Erklärung entlassen). Er nahm aber die offensive und grundlose Entscheidung des Kabinetts in stoischer Ruhe auf, indem er seine Mission im Hofchor als „ein Werk zur Ehre des Herrn und seiner heiligen Kirche sah“. Jedoch, der beste Beweis seines moralischen Charakters war (und er schrieb selbst darüber) sein wenig bekannter Anteil an der Rehabilitierung seines Freundes Filaret, „verfolgt, vernachlässigt in Ufa und verleumdet in St. Petersburg“, der später Metropolit von Kiew und Galitsch wurde.
Wie der Leser sich erinnern wird, war unter den Lehrern des Seminars in Sewsk ein junger Mönch, Filaret, der, als ein Ergebnis des Überganges seines Vorgängers, Vater Israil, nach St. Petersburg, zum Rektor des Seminars ernannt worden war. Bald darauf, zu jedermanns Überraschung, wurde er auf die gleiche Stelle im Seminar von Ufa berufen. Turtschaninow schrieb von ihm: „Alle von uns, die Geistlichkeit und das ganze Seminar, sahen ihn weggehen mit Tränen in den Augen, wir alle liebten ihn von Herzen wegen seiner Gutherzigkeit und ich war besonders unglücklich, mich von ihm zu trennen.“ (1)
Viele Jahre nach dieser Trennung, als Turtschaninow der Leiter des St. Petersburger Metropolitanchores war, entwickelte sich eine Freundschaft zwischen Turtschaninow und W.W.Julianow, dem Privatsekretär des Metropoliten Amwrosij. „Eines Abends“, schrieb Turtschaninow, „erzählte ich ihm von Sewsk und meinen Freunden dort, besonders von Filaret, der nach Ufa geschickt worden war, ein Mann, der ein erhabenes und tugendsames Leben führte. Zu meiner Überraschung hörte ich von ihm, dass Filaret dorthin gesandt worden war aufgrund eines Briefes von Bischof Dosifej, der von ihm sehr schroff sprach zum Metropoliten und bat ihn als eine Gunst, Filaret vom Seminar Sewsk weg zu schicken an einen Ort, wo er über Sewsk trauern würde, indem er in seinem Brief an den Metropoliten ausführte, dass Filaret ein schlechtes Leben führe und einen schlechten Charakter habe, dass er sich in Sewsk langweilte. Er gab keinen Frieden, indem er von immer größeren Städten sprach.“ Bischof Dosifej schrieb auch an Bischof Augustin (Sacharow) von Ufa, indem er ihm Filaret so düster, wie er nur konnte, beschrieb, und bat ihn, streng mit ihm zu sein, ihn zu ducken; der letztere, kein Freund von Dosifej, schrieb auch negativ an Metropolit Amwrosij, in Unterstützung von Dosifejs Briefen, indem er versuchte, ihm so zu gefallen. Als ein Ergebnis dieser Intrige wurde Archimandrit Filaret nach Ufa berufen, und der Bischof von Ufa wurde informiert dass Filaret „eigensinnig, stolz, eigenmächtig und unruhig sei, und dass Ihre Gnaden ihn ständig unter Beobachtung halten sollten“.
„Als ich diesen Brief las“, schrieb Turtschaninow, „war ich entsetzt und brach in Tränen aus. Da ich Vater Filaret kannte und sein tadelloses Leben und seine freundliche Art, sah ich deutlich die Verleumdung gegen ihn und den Grund für seine Abberufung von Sewsk. Ich konnte mich nicht zurückhalten, dem Sekretär zu erklären, dass all dies geschah, weil Filaret über die Verlegung des Seminars nach Orël gesprochen und geschrieben hatte, während Bischof Dosifej dagegen war“.
Als er die Einzelheiten kennen lernte, entschied Turtschaninow, dem unschuldigen Opfer dieser Verschwörung, Filaret, zu helfen und seine Unschuld dem Metropoliten zu erklären. „Der Sekretär riet ihm davon ab, dies zu tun, indem er sagte, es sei schwierig, etwas für Filaret zu tun, weil der Metropolit vertraut mit Dosifej war, und Augustin hatte auch gegen Filaret geschrieben und dass durch solches Tun er sich nur selber schaden würde. Jedoch Turtschaninow entschied, den unschuldigen Mann zu verteidigen und verließ sich vertrauensvoll darauf, dass Gott ihm dabei helfen wurde.“ (2)
Turtschaninow schrieb einen Brief an Filaret, worin er fragte, wie es ihm nun in Ufa ergehe und was in seinem Leben geschehen sei. Er empfing bald eine Antwort, die er zum Rektor der Akademie, Archimandrit Filaret Drozdow (später Metropolit von Moskau) mitnahm und bat ihn, für den unschuldigen Menschen einzutreten. Der Rektor zögerte, da er Filaret nicht kannte, aber schließlich stimmte er zu, indem er Vater Pëtr warnte, dass, wenn Metropolit Amwrosij ihn über die Quelle seiner Information fragte, er es ihm erzählen müsste. Der Rektor nahm den Brief, den Turtschaninow von Ufa empfangen hatte und sah den Metropoliten am nächsten Tag. Der letztere rief Vater Pëtr, hörte ihm ruhig und aufmerksam zu und sagte: „Sehr gut“. Wenige Tage später wurde Filaret zum Rektor des Seminars in Tobolsk ernannt.
Anmerkungen:
(1) Lebensbild, S. 8.
(2) Lebensbild, S. 11.
Bald darauf wurde Archimandrit Filaret Amfiteatrow befohlen, in St. Petersburg zu predigen. Er und Turtschaninow gingen zusammen, um dem Rektor der Akademie einen Besuch abzustatten. Der letztere empfing sie warmherzig, sprach lange mit Filaret und dankte Turtschaninow dafür, „nicht furchtsam gewesen zu sein, einen unschuldigen Mann zu verteidigen, der gelitten hatte, und für sein festes Eintreten für ihn, obwohl er neu war im Dienst des Metropoliten“. Metropolit Amwrosij empfing ebenfalls den Rektor des Seminars von Tobolsk mit Herzlichkeit und, nachdem er einen guten Bericht von dem Bischof von Tobolsk erhalten hatte, wies er ihn an, seine Unglücke und Schicksalsprüfungen zu vergessen. Bald gab es zwei Filarets – den Rektor Filaret Drozdow und den stellvertretenden Rektor Filaret Amfiteatrow an der St. Petersburger Theologischen Akademie. (1)
Indem er seine Diskussion über das Schicksal des Archimandriten Filaret beendete, schrieb Vater Pëtr: „Wie klug sind die Wege der Vorsehung! Wenn ich nicht zur Hauptstadt gekommen und befreundet worden wäre mit dem Sekretär des Metropoliten, wäre Filarets Übergang nach Ufa für alle ein Mysterium geblieben, denn niemand in der Hauptstadt kannte ihn, und es wäre für ihn schwierig gewesen, Ufa zu verlassen. Wer hätte denken können, dass ein Archimandrit, der verfolgt und weg nach Ufa geschickt wurde, ebenso verleumdet war in St. Petersburg, später solch eine erhabene Stelle erreichen würde, ein Mitglied des Heiligen Synods würde, Metropolit von Kiew und ein Ritter des Ordens des hl. Andreas. Ich war sehr erfreut und dankte dem Herrn, dass ich, obwohl unwürdig, etwas behilflich bei seiner Beförderung und seinem Wohlergehen gewesen war.“ (2)
Wir sollten bemerken, dass, als der Initiator der Verteidigung des unschuldigen Archimandriten und ein unerschrockener Fürsprecher für ihn mit dem Rektor der Akademie und dem Metropoliten selbst, Turtschaninow sich selbst bescheiden beschreibt gewesen zu sein „etwas behilflich bei seiner Beförderung und seinem Wohlergehen“, und betrachtete den Rektor der Akademie als „den Mann, verantwortlich für die Verbesserung des Loses dieses verfolgten Mannes“. (3) Dies zeigt Vater Pëtrs christliche Bescheidenheit und geistliche Würde. W.Morkow schreibt, dass Metropolit Filaret Turtschaninow für den Rest seines Lebens tief dankbar war als „dem Mann, verantwortlich für sein Glück. Er hielt eine dauernde Korrespondenz mit ihm aufrecht“. (4)
Von dieser ethischen Beschreibung von Turtschaninows Charakter wollen wir übergehen zu einer Bewertung seines Werks als Komponist. Die gesammelten Werke und Arrangements von Erzpriester Pëtr Turtschaninow wurden häufig in vier Bänden veröffentlicht (vgl. die Liste ihres Inhalts in den Fußnoten am Ende des Artikels). (5) Erzpriester Wassilij Metallow hat die folgenden Mängel in Turtschaninows Arrangements dargestellt: ihren weiten vokalen Bereich, der die Aufführung für manche Chöre zu schwierig macht und Ungenauigkeiten in ihrem Gebrauch der alten Melodien, besonders in den Dogmatika. (6)
In Beantwortung auf diese erste Kritik sollte gesagt werden, dass, obwohl Turtschaninow eine große Breite von Stimmen verwandte, er nicht jenseits ihrer normalen Weite ging. Wir sollten nicht vergessen, dass Turtschaninow nicht gerade für „irgendeinen Chor“ schrieb, sondern für Senator Teplows Chor und die Chöre des Bischofs von Sewsk und des Metropoliten von St. Petersburg, die sehr hoch im Blick auf ihre vokalen Qualitäten eingestuft waren. Schließlich sollten wir nicht vergessen, dass der Diskant und auch Teile in diesen Chören nicht von Frauen gesungen wurden, sondern von Jungen, deren leichte Stimmen besonders schön im oberen Register sind.
Mit Blick auf freie Adaption der alten Melodien in Turtschaninows Arrangements, besonders in den Dogmatika, sollten wir darauf hinweisen, dass es eine sehr schwierige Aufgabe für Komponisten war, die symmetrische Bewegung der Melodie beizubehalten, verglichen mit der Prosodie [Silbenmessungslehre] des Textes (die Sequenz oder Gestaltung von Akzenten in dem Text so, dass sie mit den melodischen Akzenten zusammenfallen), wie für die Dogmatika, so gibt es kein einziges erfolgreiches Beispiel eines Znamennyj-Gesangs, der genau reproduziert wurde, indem man einen symmetrischen Rhythmus zur gleichen Zeit aufrecht erhielt. Dies ist einfach unmöglich auszuführen.
Jedoch sind dies triviale Details, die in Bedeutungslosigkeit verblassen, verglichen mit Turtschaninows Dienst an der russischen Chormusik. Während Komponisten der italienischen Schule durch das Schreiben von Melodien angezogen wurden, die dem Ohr gefielen und mit spektakulärem Effekt gesungen werden konnten, Werke, die in der Darbietung die natürliche Schönheit der Stimme und vokale Virtuosität zeigten, sogar wenn dieser Typ des Singens nachteilig für den Sinn des Textes war, nahm im Gegenteil Turtschaninow den Inhalt des Textes als den Anfangspunkt bei seiner Suche nach psalmodierenden Effekten. Deshalb war er interessiert an alten religiösen Melodien, und deshalb war die überwältigende Mehrheit seiner Werke nicht Kompositionen, sondern Arrangements. „In dieser Hinsicht war Turtschaninow der Initiator einer besonderen Richtung in der Harmonisierung von Melodien aus kirchlichen Musikbüchern“ (7), so definiert A.W.Preobrashenskij den Platz des Komponisten in der Geschichte der russischen Kirchenmusik. Dies war ein neues und fortschrittliches Phänomen in der Geschichte der russischen Chormusik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Das zweite fortschrittliche Merkmal von Turtschaninows Werk war seine Annäherung an die Struktur eines musikalischen Werkes. Von Natur ausgestattet mit einer schönen Stimme und großer Geschicklichkeit in der Behandlung von Stimmen als einem Ergebnis seiner langen Erfahrung als ein Sänger und Chorleiter, war Turtschaninow sehr gewandt bei der Kombination vokaler Strukturen in verschiedenen Registern (Tonlagen). Für Turtschaninow war der Chor, was eine Palette für einen Maler ist, das Mittel, womit der Letztere den gewünschten Effekt durch vermischte Farben gewinnt. Als ein Ergebnis war die Musik des Komponisten brillant schön.
Erzpriester Pëtr Turtschaninow war der erste russische Komponist, der in dieser Zeit kühne expressive Mittel nutzte, um den Inhalt der Texte der Gesänge in der Harmonisierung der alten Melodien zu interpretieren. In dieser Hinsicht war er der Vorläufer einer neuen Richtung in der russischen Kirchenmusik, später fortgeführt von G.F.L’wowskij, A.A.Archangel’skij, A.D.Kastal’skij und anderen Komponisten der späteren Hälfte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Und es war nicht seine kompositorische Technik oder sein Studium des Generalbasses, die ihn befähigten, diesen neuen Weg zu finden, sondern seine Kenntnis der Vokalisation. Eine genauer Sinn der Schönheit der verschiedenen Klangfarben und die den Stimmen innewohnenden Möglichkeiten gaben die Richtung für die Originalität seiner Kompositionen.
A.W.Preobrashenskij schrieb, dass „einige von Turtschaninows Arrangements so den gebetsvollen Inhalt der Gesänge ausdrücken, dass, wenn sie aufgeführt werden, nahezu alle einen unvergeßlichen Eindruck in ihren Zuhörern schufen. Besonders außergewöhnlich sind seine Arrangements von: ‚Der Sich in Licht wie in ein Gewand gekleidet’ (Ps 103,2 LXX), ‚Es schweige alles sterbliche Fleisch’, Hirmen für den Großen Donnerstag und für den Heiligen Samstag, und einige Zadostojniki (Hirmen anstelle von ‚Wahrhaft würdig ist es’).“ (8)
Anmerkungen:
(1) Lebensbild, S. 11-12.
(2) Lebensbild, S. 11 u. 13.
(3) Lebensbild, S. 12.
(4) W.Morkow, Op. cit., S.
8.
(5) [Verkürzte Wiedergabe]: Buch 1: „Dreiteilige Liturgie“, „Die Liturgie der vorgeweihten Gaben“, „Erhebe dich, o Gott“, und „Der Engel rief“. All diese Gesänge wurden für dreistimmigen Männerchor geschrieben und waren freie Kompositionen. Buch 2: Sechs Versionen des „Cherubim-Hymnus“ und zwei Versionen von „Gnade des Friedens“. Buch 3: Arrangements. Buch 4: Die Dogmatika der Gottesmutter.
(6) Erzpriester W.M.Metallow, Darstellung der Geschichte des orthodoxen Kirchengesangs in Russland, Bd. IV, Moskau 1915, S. 104-105, und Fußnote 1. [W.M.Metallow wurde in Saratow geboren (1862-1927). Im Jahre 1894 begann er in der Synodalschule zu lehren. Im Jahre 1901, nach der Pensionierung von S.Smolenskij, wurde er Professor für Geschichte des Kirchengesangs am Moskauer Konservatorium. Wie Smolenskij erging er sich später in wissenschaftlichen Studien. Er begann, die Znamennyj-Notation vom Beginn der mongolischen Periode an zu enträtseln. Er fasste seine Forschung zusammen in einem Buch mit dem Titel Russisches liturgisches Singen der vor-mongolischen Periode (Moskau 1908). Er schrieb auch: Handbuch der Neumen-Notation (Moskau 1899) und für die Russische musikalische Zeitung. Er schrieb Artikel wie diese: Musik von N.Diletzkij von Kiew; Die Synodal-Sänger. Für seine schwierigen Forschungen im Reich der musikalischen archäologischen Forschung wurde er mit großen Ehren der Moskauer Akademie der Religion versehen. Vgl. Brill, S. 142.].
(7) A.Preobrashenskij, Wörterbuch des russischen Kirchengesangs, Moskau 1896, S. 172.
(8) A.Preobrashenskij, Wörterbuch des russischen Kirchengesangs, S. 173.
Alle diese Gesänge wurden vor 1831 geschrieben
(1), aber trotz ihres Alters, werden sie auch heute zur Freude der
Gottesdienstbesucher aufgeführt. Wir können uns ein großes Fest nicht
vorstellen ohne eines von Turtschaninows Zadostojniki, noch die Göttliche
Liturgie des Großen Donnerstag der Leidenswoche ohne sein „Des Herrn Leiden“.
Das Gleiche kann gesagt werden von den Stufen der Passion unseres Herrn Jesus
Christus – kein anderer Gesang ist so tief berührend wie die Hirmen des
dreistimmigen Kanons „Ich sehe Dich früh am Morgen“. Der Ritus des Vorantragens
des Epitaphions, das für orthodoxe Christen die Abnahme von unseres Herrn Jesu
Christi Leibes vom Kreuz, seine Salbung und Grablegung darstellt, wurden
niemals so expressiv einfach, dennoch tief interpretiert wie in Turtschaninows
Sticheron „Er, Der Sich in Licht gekleidet“ und in seinem Troparion „Der edle
Joseph“.
Schließlich können wir nicht denken an die
Liturgie des Heiligen Samstags mit dem geheimnisvollen Inhalt des
Gottesdienstes dieses Tages ohne Turtschaninows „Steh auf, Herr“ (Ps 43,27
LXX), „Es schweige alles sterbliche Fleisch“, und „Weine nicht um mich, o
Mutter“, obwohl nach Turtschaninows „Er, Der sich gekleidet“ des Bulgarischen
Gesanges auch arrangiert war von G.F.L’wowskij († 1894), N.I.Kompanejskij (†
1910) und anderen Komponisten.
„Es schweige alles sterbliche Fleisch“ wurde
arrangiert von G.F.L’wowskij, P.G.Tschesnokow († 1944) und anderen Komponisten.
Dasselbe kann gesagt werden von den Hirmen für Gründonnerstag und den Heiligen
Samstag und von den Zadostojniki. Der Znamennyj-Gesang der Zadostojniki für
Palmsonntag und Pfingsten wurden arrangiert von A.D.Kastal’skij († 1926).
P.G.Tschesnokow arrangierte den Znamennyj-Gesang der Zadostojniki für die
jährlichen Feste (op. 23).
Wir haben nur einige der talentiertesten und
schöpferischsten Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts
erwähnt, eine Zeit, als die Mittel des musikalischen Ausdrucks Turtschaninows
Möglichkeiten in dieser Hinsicht überstiegen, und der Hofchor einer Kapelle
durch den Senat durch dessen Monopol, Gesänge für die Veröffentlichung zu
prüfen, beraubt war.
Warum fand dann kein einziges der neuen Werke
Eingang in das Chorrepertoire, obwohl die Chöre von St. Petersburg, Moskau und
vielen anderen großen Städten musikalisch fähig waren, die neuen Arrangements
aufzuführen und Turtschaninows Werke als „unmodern“ hätten zurückweisen können?
Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn wir
kirchliche Kunst nicht nur als ein ästhetisches Phänomen betrachten, sondern
auch als eines der religiösen Inspiration. Obwohl jeder Künstler darum kämpft,
eine Idee in seinem Werk auszudrücken, muss der Hymnen-Dichter, der
Ikonen-Schreiber oder Komponist eine besondere geistliche Stimmung haben, die
an Gebet grenzt. Wenn diese Stimmung gegenwärtig ist, geht die Schöpfung dieser
Künstler manchmal jenseits der Grenzen des Normalen und wird eine Inspiration.
Der hl. Germogen komponierte zum Beispiel ein
Tropar für die Gottesmutter „Die eifrige Fürsprecherin“, das bald bekannt und
beliebt wurde, obwohl der Kanon auf Befehl des ersten Patriarchen von Moskau
und ganz Russland, Hiob, für die heiligen Gurij und Warsonofij von Kazan',
geschrieben worden war. Trotz seines tiefen Gehalts ist er nicht besonders
inspiriert. (2) Der hl. Andrej Rubljëw war ein berühmter Ikonen-Maler, aber aus
all seinen Werken wird der größte Eindruck erweckt von seiner „Heiligen
Trinität“, weil orthodoxe Theologie eine tief inspirierte Interpretation der
Apostel und Heiligen Väter sieht, die über die Kenosis lehren (das heißt das
Leerwerden unseres Herrn Jesus Christus von seiner Göttlichkeit und seinen Tod
am Kreuz) in den Haltungen der Engel, in dem Ausdruck ihrer Augen und in dem
Abendmahlskelch mit dem Lamm auf dem Tisch vor ihnen. (3)
Das Gleiche kann von Turtschaninows religiösen
Kompositionen gesagt werden. Die Arrangements der Dogmatika sind musikalisch
minderer Qualität im Vergleich zu den zweiten und dritten Büchern, unter denen
Stücke sind wie: „Er, Der Sich in Licht gekleidet“, „Es schweige alles
sterbliche Fleisch“, „Des Herrn Leiden“, „Weine nicht um mich, o Mutter“. Sie
bleiben unübertroffen, ebenso wie die Zadostojniki. Wir können auch
einschließen „Der edle Joseph“, und „Steh auf, Herr“. Die Geschichte des
Schreibens dieses letzten Gesanges ist besonders bewegend.
Einst an einem Großen Donnerstag der Leidenswoche
bat Metropolit Amwrosij Vater Pëtr, Musik für „Der Herr steht auf“ für den
Heiligen Samstag zu schreiben, da der Metropolit nicht Bortnjanskijs Werk des
gleichen Namens, aufgeführt in der Lawra, liebte. Es stand nur wenig Zeit zum
Komponieren zur Verfügung, die langen täglichen Gottesdienste erschöpften
Turtschaninow. Mehrmals setzte er sich an das Klavier und begann zu
komponieren, aber seine Anstrengungen erbrachten nichts. Schließlich legte er
sich erschöpft nieder, um zu ruhen und schlief ein. Aber er schlief nicht
einfach, er hörte Worte, und jemandes Gesang schien seine Ohren zu durchbohren.
Als er erwachte, fühlte er plötzlich, dass der ganze Gesang schon in seinem
Geist fertig war. Er setzte sich nieder an das Klavier und schrieb die Musik
auf. Das Ergebnis war sein unsterbliches „Steh auf, Herr“. Als der Metropolit
Turtschaninows neues Werk hörte, sagte er zu ihm mit starkem Gefühl: „Gott
hilft dir“. (4)
Es gibt eine Fotografie Turtschaninows, die von
seiner eigenen Hand die Inschrift trägt: „Solange
ich lebe, will ich den Herrn loben.“ Diese Worte aus dem 146. Psalm
begleiteten Vater Pëtr in seinem Werk durch sein Leben. Für Gott zu singen
bedeutet, Gott zu verherrlichen. Deshalb verbindet der hl. Jakobus das Singen
mit christlichem Ernst: „Ist jemand
unter euch betrübt? Lasst ihn beten. Ist jemand glücklich? Lasst ihn Psalmen
singen.“ [Jak 5,13]. Christlicher Ernst ist eine Gabe
Gottes, die denjenigen verliehen wird, die fähig sind, die göttliche Vorsehung
zu ergründen, Gottes Willen in allem zu sehen und ihn zu loben. Vater Pëtr sah
die göttliche Vorsehung in allen Umständen seines Lebens und lobte Ihn, und
gehorsam akzeptierte er alle die ihm gesandten Lasten.
Die Leser haben schon bemerkt, dass Vater Pëtrs
inspirierte Werke nicht mit dem Zyklus der Gesänge für die Nachtwache oder der
Liturgie verbunden waren. Sie waren zu den Texten der Gesänge für die letzten
Tage der Heiligen Woche geschrieben, und sie waren komponiert zwischen 1827 und
1831, als Vater Pëtr nach dem Tod seiner Frau sich selbst ganz dem Arrangieren
alter kirchlicher Melodien widmete. Ein Jahr später begannen die
Schwierigkeiten in seinem beruflichen Leben. All dies führt uns zur Annahme,
dass Vater Pëtr die die ihm Gott gesandten Plagen während der letzten Tage der
Heiligen Woche erlitt und Trost darin fand, indem er an die heiligen Ereignisse
dieser Tage erinnerte. Deshalb fühlt man in all diesen Gesängen tiefe Trauer,
eine Trauer, die endlich in geistlichem Frieden aufgelöst wird.
Am 4. (16.) März 1856, in seinem 78. Lebensjahr
starb Vater Pëtr Turtschaninow hochbetagt, umgeben von seinen Kindern und
Freunden. Am 7. (19.) März, dem Sonntag der Orthodoxie, wurde seine Bestattung
in der Kathedrale der Verklärung nach der Göttlichen Liturgie von Bischof
Feodotij (Oserow) von Simbirsk gehalten, der Metropolitanchor von St.
Petersburg sang während des Gottesdienstes. Die liturgischen Gesänge bestanden
gänzlich aus Vater Pëtr's Kompositionen.
Nahe der Kirche auf St. Petersburgs
Bol’sche-Ochtenskoje-Friedhof ist ein Grabstein, der die Inschrift trägt
„Erzpriester Pëtr Iwanowitsch Tutschaninow. Er starb am 4. März 1856“. Diese
lakonische Inschrift verbirgt das Leben eines der außergewöhnlichsten
russischen religiösen Komponisten, eines Mannes, der sein ganzes Lebenswerk der
„Ehre des Herrn und Seiner Heiligen Kirche“ gewidmet hat. Aufgrund dessen
ertrug er sehr viel von den Neidern und von denen, die ihn krank wünschten,
obwohl er selbst den anderen Gutes wünschte. Gott vergalt ihm für sein
unschuldiges Leiden, indem er viele seiner Werke unsterblich machte. „Selig sind die Toten, die in dem Herrn
sterben von nun an: Ja, sagt der Geist, dass sie ruhen mögen von ihren Mühen;
und ihre Werke folgen ihnen nach.“ (Offb 14,13).
Anmerkungen:
(1) A.Preobrashenskij, Lebensbild, S. 13.
(2) F.G.Spasskij, Russische liturgische Kunst im Hinblick auf zeitgenössische Menäen, Paris 1951, S. 180-182.
(3) Erzbischof Sergij Golubtsow, Die Verkörperung der theologischen Ideen in den Bildern von Andrej Rubljёw (Kandidaten-Arbeit), Sagorsk 1951.
(4) M.Goltison, Aus Alten Zeiten. III. Wie Erzpriester Turtschaninow sein Trio „Der Herr steht auf“ schrieb, in: Musik und Gesang, 1906, Nr. 3, S. 2-3.
Johann von Gardner, Gesang der
russisch-orthodoxen Kirche
Bd. II: Zweite Epoche, Wiesbaden
1987, S. 155-157, Zur
Erinnerung an die Herausgabe der Werke von P.I.Turčaninov im Jahre 1875
P.I.Turčaninov. Unter den geistlichen Komponisten der italienischen Periode, nahm der Erzpriester Peter I.Turčaninov (1779-1856) eine ganz besondere Stellung ein. Der größte Teil seiner kirchenmusikalischen Tätigkeit fällt zwar in das 19. Jhdt., ist aber für die Übergangszeit vom 18. zum 19. Jhdt. charakteristisch. Er wurde 1779 in Kiev geboren. Im Alter von acht Jahren wurde er wegen seiner schönen Stimme in den Chor des Generals Levanidov in Kiev aufgenommen. An der Spitze des Chores stand damals der bereits erwähnte Komponist A.L.Vedel. Als der zu seiner Zeit allmächtige Fürst Potemkin die Stimme Turčaninovs hörte, nahm er ihn mit nach Petersburg und vertraute seine musikalische Ausbildung dem italienischen Komponisten Sarti an.
Aber um 1791, als Turčaninov erst zwölf Jahre alt war, starb Potemkin und er kehrte nach Kiev in den Chor des Generals Levanidov zurück. Dessen Leiter A.L.Vedel vollendete seine musikalische Ausbildung. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden dauerten trotz aller Wandlungen im Leben Vedels bis zu dessen Tod. Als Kiever war Turčaninov an die südrussische Manier zu singen gewöhnt. Die südrussischen Weisen gehörten auch zum Repertoire der Hofkapelle, da viele Sänger aus Südrussland stammten. Alle Chöre in Petersburg richteten sich nach diesen Weisen.
Im Jahre 1803 wurde Turčaninov zum Priester geweiht und wurde 1804 Leiter des Petersburger Metropolitan-Chores. Nach dem Tod D. S. Bortnjanskijs (1825) wurde 1827 Feodor Pëtrovič L'vov zum Direktor ernannt und Turčaninov in die Hofkapelle berufen. Aber es entstanden zwischen ihm und der Direktion Differenzen, sodass er aus der Hofkapelle entlassen wurde und in den Metropolitan-Chor zurückkehrte. Die Ursachen für diese Differenzen müssen noch geklärt werden.
Die wichtigste kompositorische Tätigkeit Turčaninovs war mit den Versuchen der Hofkapelle verbunden, alle kanonischen Weisen, welche in den vom Synod edierten liturgischen Gesangbüchern enthalten waren, für gemischten Chor zu harmonisieren. Diese Aktion wurde vom Direktor der Hofkapelle, F.P.L'vov begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Diese Harmonisation war nur ein Experiment. Versuche einer Harmonisation der kanonischen Melodien wurden schon in der Mitte des 17. Jhdts unternommen. Aber Turčaninov schuf seine Harmonisationen ganz im Stil des 19. Jhdts. Alle seine Harmonisationen wurde vom Synod (Erlass vom 18.5.1831) für den Gebrauch beim Gottesdienst zugelassen. Das geschah gerade in einer Zeit, da der Synod Maßnahmen gegen den weltlichen Charakter des Chorgesanges ergriff und eine strenge Zensur der Kompositionen bei der Hofkapelle einführte.
Die Werke von Turčaninov wurden erst zwanzig Jahre nach seinem Tod, um 1875, ediert. Anfang des 20. Jhdts. wurden sie wieder unter der Redaktion von A.D.Kastal’skij im Musikverlag von P.Jurgenson in Moskau erneut herausgegeben. In der Originalfassung war die Ausführung der Werke von Turčaninov durch die sehr breite Lage der Stimmen erschwert; nach Meinung von Metallov und Rasumovskij schrieb Turčaninov für seinen Chor, nicht aber für alle russischen Chöre, die in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich waren.
Obwohl die Jugendjahre Turčaninovs in die Zeit der Begeisterung für die italienische Musik fallen, lässt sich in seinem Stil mehr der alte Kantus spüren, die parallele Bewegung der Oberstimmen, in der eine Stimme die kanonische Melodie führt. Am bekanntesten sind die Marien-Hymnen ("Zadostojniki") der höchsten Herren- und Marienfeste: die Melodien sind meistens in Stolp-Art, einige in Put’-Art geschrieben, obwohl die Art der Melodien bei der Herausgabe des Werkes nicht angegeben wurde. Bekannt sind noch einige Gesänge aus der Großen Fastenzeit, besonders aber die Stichire der Vesper am Karfreitag: "Tebe odejuščagosja" im fünften Kirchenton der sogenannten Bulgarischen Gesangsart. Diese Stichire in der Fassung von Turčaninov wird noch heute von allen russischen Chören, auch in der Emigration, gesungen.
Dass sich die Veröffentlichung der Werke von Turčaninov um zwanzig Jahre verzögerte, ist der Stellungnahme des berühmten und sehr autoritären Metropoliten von Moskau, Filaret (Drozdov, † 1867) zuzuschreiben. Der Metropolit sorgte sich um die Integrität der kanonischen Kirchenweisen. Turčaninov aber hatte es sich erlaubt, die kanonische Melodie an manchen Stellen etwas zu ändern. Er hat sie in seinen Werken taktiert und entsprechend den Regeln der Harmonielehre mit Alterationszeichen versehen. Außerdem gibt er der kanonischen Melodie im Laufe eines Gesanges verschiedene Chorstimmen, vorzugsweise dem Alt, der Diskant singt dabei meistens die Oberterz oder Sext. Manchmal lässt Turčaninov den Bass die Melodie singen. Solche Methode der Harmonisation wird erst sehr viel später von den Komponisten der Moskauer Schule angewendet und widerspricht der Methode der Hofkapelle, bei der die Melodie unbedingt von der Oberstimme gesungen wird.
Turčaninov hat als erster die kanonische Melodie der Hirmen des Kanons im dritten Kirchenton zum Feste der Begegnung im Tempel (2. Februar) dem Baß gegeben und hat damit die Methode der Harmonisation einiger kanonischer Melodien der Moskauer Schule vorweggenommen. Aber die Dogmatika in Stolp-Art weichen stellenweise von der authentischen Melodie der Stolp-Art ab; in der Harmonisation dieser Gesänge lässt sich stellenweise ein Missbrauch des Dominantseptakkordes bemerken.
Weniger gelungen sind die wenigen freien Kompositionen von Turčaninov. Seine dreistimmigen Kompositionen "Da ispravitsja" und "Voskresni Bože" erinnern stellenweise an die Musik von Vedel. Sie werden noch heute in den Gottesdiensten der Großen Fastenzeit ausgeführt.
Turčaninov hat sich manchmal erlaubt, die kanonische Melodie zu kürzen, um sie dem symmetrischen Rhythmus zu adaptieren und, wenn das harmonische Schema es verlangte, in die kanonische Melodie Alterationszeichen einzuführen.
Hier soll die Meinung des Metropoliten Filaret von Moskau zitiert werden: "Einige von Erzpriester Turčaninov bearbeitete Gesänge werden zusammen mit dem Metropoliten von Novgorod angehört. Einige dieser Gesänge erwiesen sich als den kanonischen Weisen entsprechend harmonisiert, aber so schwer für die Sänger, dass diese nur von dem ausgezeichneten Hofchor mit Erfolg ausgeführt werden können. Einige Gesänge aber weichen so stark von dem alten Muster ab, dass man die alten kirchlichen Weisen nicht erkennen kann." Der Metropolit schlug vor, die Werke von Turčaninov durch den Synod von erfahrenen Fachleuten revidieren zu lassen.
Mit der Zeit gewöhnte sich das Gehör der meisten Kirchenbesucher an die so veränderten Melodien; die Sänger im Chor verbesserten instinktiv die durch Taktierung und Harmonisation entstellten Melodien und die Abweichungen von der natürlichen Prosodie der Texte. Und so nehmen bis heute die Harmonisationen von Turčaninov trotz ihrer episodischen Abweichungen von den kanonischen Melodien im Repertoire der Kirchenchöre eine hervorragende Stellung ein, besonders die Marien-Hymnen und die Gesänge der Karwoche. Sie sind klassisch geworden.
Von Bedeutung war dabei, dass Turčaninov nicht nur Musiker, Chorleiter, Komponist und Lehrer in der Hofkapelle, sondern auch Priester war, und so den liturgischen Charakter jedes Gesanges verstand und fühlte.