Die
drei Erntedankfeste
Dank
für den Honig am Tage der Kreuzprozession
(1./14. August)
Мёдовый
Спас, Первый
Спас
Nikolaj
Alekseevič Bogatov (1854-1935), Der Imker (Пасечник),
1875
Da im August häufig Seuchen und Krankheiten auftraten,
war es in Konstantinopel seit dem sechsten Jahrhundert üblich, am ersten August
mit der Reliquie des Heiligen und Leben spendenden Kreuzes in einer Prozession
die Straßen und Plätze der Stadt zu durchziehen. Anschließend wurde die
Kreuzreliquie bis zum 15. August öffentlich zur Verehrung ausgestellt.
In der Russischen Kirche fällt dieses Fest zusammen
mit dem Gedenken an die Taufe der Rus’, an den Beginn der Christianisierung des
Russischen Landes. Daher wird es auch Спас мокрый oder
Спас на
воде genannt. An ihm werden Flüsse, Seen,
Quellen und Brunnen geweiht zum Andenken an die Sündenvergebung in der Taufe.
Anschließend baden Menschen in den Seen und Flüssen und baden auch ihr Vieh,
damit es gesund bleibe. Nach diesem Tag wird wegen der in Russland allmählich
einsetzenden Kälte nicht mehr im Freien gebadet.
An diesem Tage werden den Bienenstöcken die Honigwaben
entnommen und in der Kirche zum Andenken an die entschlafenen Vorfahren
gesegnet. Die zum Fest gekommenen Gäste werden mit Honigkvas bewirtet.
An diesem Tag beginnt das Entschlafensfasten.
Dank
für die Äpfel am Feste der Verklärung des Herrn
(6./19.
August)
Яблочный
Спас, Второй
Спас
Im
Gärtchen, Ukrainische Genrebilder, 1890er Jahre
Mit dem Tag der Verklärung des Herrn beginnt die
Obsternte. Früchte werden in der Kirche gesegnet, allen Kirchenbesuchern
ausgeteilt, den Armen und Kranken gegeben.
Nach Sonnenuntergang beginnen an diesem Tage Gesänge
und Tänze.
Nikolaj
Kornilievič Bodarevskij (1850-1921),
Erntedank für die Äpfel in der Ukraine, vor 1921,
Gebietsmuseum Omsk
Dank
für das Getreide am Tage nach dem Entschlafen der Allheiligen Gottesgebärerin
(16./29. August)
Хлебный
Спас, Ржаной
Спас,
Ореховый
Спас, Спас на
холстах,
Третий Спас
Nikolaj
Kornil’evič Pimonenko (1862-1912), Ernte, 1896
Der syrische König Abgar V. von Edessa wurde durch das
nicht von Menschenhand geschaffene Abbild des Erlösers vom Aussatz geheilt. Am
16./29 August wird diese Ikone (das Mandylion) während einer Prozession
verehrt. Am gleichen Tage ist das Erntedankfest für die Getreideernte, vor
allem für die Roggenernte, da das meiste Brot in Russland aus Roggen gebacken
wird. Auch für die Ernte von Nüssen wird gedankt. Ab diesem Tage wird
selbstgewebte Leinwand verkauft.
Nikolaj
Kornil’evič Pimonenko (1862-1912), Leinenverkäuferin, 1901
Quellen
· Doctrina
Addai. De imagine Edessena, Übersetzt u. eingeleitet v. Martin Illert, Fontes
Christiani 45, Turnhout 2007 (Eusebius von Caesarea, Egeria, Doctrina Addai,
Inscriptiones, Pseudo-Ephräm, Darius, Transitus Mariæ, Jakob von Sarug, Josua
Stylites, Prokop von Caesarea, Papyri, Hymnus auf die Kathedrale von Edessa 9-20,
Evagrius Scholasticus, Acta Thaddæi, Acta Mar Maris 1-5, Pseudo-Konstantin
Porphyrogennetus, Epistula Abgari, Altrussische Lukaslegende, Filip
Stanislavov).
Bibliographie
· Bajborodin,
Anatolij Grigor’evič, Russkij mesjaceslov. Pravoslavnyj kalendar’.
Narodnye obyčai, obrjady, poverija, primety na vse slučai žizni.
Kalendar’ chozjaina, Irkutsk 1998, 268-270.276-279.288-290.
· Bondarenko,
Ėl’ga Oskarovna, Prazdniki christanskoj Rusi. Russkij narodnyj
pravoslavnyj kalendar’, Kaliningrad 1995, 242f.245-249.
· Kalinskij,
Ivan Plakidovič, Cerkovno-narodnyj mesjaceslov na Rusi, St. Petersburg
1877.
· Naši
tradicii. Pravoslavnye neperechodjaščie i perechodjaščie prazdniki,
Moskau 1999, 186f. 190f.195f.
· Stepanov,
Nikolaj Petrovič, Narodnye prazdniki na Svjatoj Rusi, St. Petersburg 1899.
© Pfr. Dr. Heinrich Michael Knechten, Horneburg 2021