Sonnenuntergang
Photographie
von Siegfried Eggenstein.
Die
angedeutete Sonnenscheibe läßt sich auch als Kopf eines kleinen Kindes deuten,
dessen Körper sich darunter abzeichnet.
Die Künstlerin Katja Kasyanov aus St. Petersburg,
wohnhaft in Recklinghausen, malte 2011 das Bild „Sonnenuntergang, Öl auf
Leinwand (60 x 80 cm).
Sie schrieb dazu:
…Die Säume
der glühendrothen Räder
Des müden Sonnenwagens
Berühren nun die Wellen,
Die zischend ihn umkreisen…
Dies ist ein Zitat aus folgendem Gedicht:
Der Sonnenwagen nahet
Dem letzten Himmelsabhang,
An dessen Fuße plätschernd
Die Meereswellen tanzen.
Die Sonnenpferde strengen
Sich an, der nahen Kühlung
Sich freuend und der Ruhe.
Schon ist das Tagsgestirne
Dem Meer so nahe, daß es
bereits sein Bild im Schooße
Der stillen Wellen siehet.
Es kommen stets einander
Die beiden Sonnen näher,
Zwei Königen vergleichbar
Mit ihrem Prachtgefolge,
Die froh, an ihrer Reiche
Gemeinschaftliche Gränze,
Wie Brüder sich einander
Entgegen gehn. Die Säume
der glühendrothen Räder
Des müden Sonnenwagens
Berühren nun die Wellen,
Die zischend ihn umkreisen.
Seht! eine Silberbrücke
Schwimmt auf dem Meer, und führet
Die Sonne zu dem Schiffe,
Worin, tiefeingeschlummert,
Sie auf des breiten Weltstroms
Entlegenem Gewoge
Zum Morgenthor zurückfährt,
Um Sterblichen und Göttern
Den neuen Tag zu bringen.
Dieses Gedicht stammt von Elisabeth Kulmann (Елисавета
Борисовна
Кульман), die am 5.7.1808
als Tochter von Maria, geborene Rosenberg, und des Offiziers und Kollegienrates
Boris Fëdorovič Kulmann geboren wurde. Sie hatte hervorragende Kenntnisse
in Griechisch (Altgriechisch und Neugriechisch), Latein, Kirchenslavisch,
Deutsch, Russisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und
Portugiesisch. Sie erkrankte und starb im Alter von siebzehn Jahren am
19.11.1825. Robert Schumann vertonte einige ihrer Gedichte (op. 103f).
Werkausgaben
· Kulman,
Elisabeth, Mond meiner Seele Liebling, hg. v. Hansotto Hatzig, Bilder von Ilka
Christoph, Heidelberg 1981.
· Kulman,
Elisabeth, Sämmtliche Gedichte. Mit dem Leben, Bildniß und Denkmal der
Dichterin, hg. v. Karl Friedrich von Großheinrich, 4 Bde., St. Petersburg 1835;
2 Theile in einem Bande, Leipzig 1844.
· Kulman,
Elisabeth, Poesie. Album, Bd. 244, hg. v. Bernd Jentzsch, Euskirchen 2017.
Bibliographie
· Cheauré,
Elisabeth, Die Dichterin und der Tod. Elisabeth Kulman[n] – Elisaveta Kul’man
(1808-1825). Zu Paradigmen einer genderorientierten Literaturwissenschaft, in:
Russkaja germanistika (Moskau) 7 (2010), 78-90.
· Gramlich,
Irene, Auf den Spuren eines Engels. Zum 200. Geburtstag der St. Petersburger
Dichterin Elisabeth Kulmann (1808-1825), in: Literatur in Bayern (München) 23
(2008), Heft 92, 15-26.
· Lamprecht,
Eduard (1816-1884), Elisabeth Kulmann. Biographische Skizze mit Proben aus den
Gedichten, Zwickau 1867.
· Thomson,
Emil, Elisabeth Kulmann, Jahresberichte der Schulen der Reformierten Gemeinden 1904.1908/1909,
St. Petersburg 1909.
· Vielhauer,
Inge, Die russische Korinne. Elisabeth Kulmann, in: Castrum peregrini
(Amsterdam) 38 (1989), Heft 189/190, 26-44.
© Pfr. Dr. Heinrich Michael Knechten, Horneburg 2021