Seelsorger
Aus dem Tagebuch: „Am 22. März 1903 wurde meine Frau
von einem strammen Stammhalter entbunden. Darüber war großer Jubel und die
Taufe war ein schönes Familienfest. Er sollte Geschäftsnachfolger werden und wurde
deshalb Hermann getauft. Die Großmutter und Tante Anna strahlten in ihrer neuen
Würde.“
Mariaschein (Bohosudov),
Marktgemeinde im Bezirk Aussig. Den berühmten Wallfahrtsort am Fuße des
Erzgebirges suchten zahlreiche Pilger aus nah und fern auf. Verehrt wurde eine
alte Marienfigur (aus Ton) in der Kirche, die 1702-1708 Vater und Sohn Broggio
im Auftrag des Grafen Kolowrat errichteten. Viel verdankte Mariaschein den
Jesuiten, die ein Gymnasium mit Internat unterhielten. Mariaschein hat eine
eisenhaltige Quelle, den sogenannten Stahl- oder Freßbrunnen. (Vgl. R.Hemmerle,
Sudetenland-Lexikon, Würzburg 41992, 288).
Aus dem Tagebuch: „Bereits 1915 hatte Hermann sich
zum Studium im Seminar in Mariaschein entschlossen; aber ich fürchtete, sein
Entschluß würde nicht von Bestand sein. Er war damals in der Bürgerschule, und
ich hatte ihm den Vorschlag gemacht, er solle noch die zweite Klasse besuchen
und nebenbei beim Herrn Katecheten Trompeter Lateinstunden nehmen. Er sollte
dadurch seine Ausdauer beweisen. So wurde es auch durchgeführt. Es war eine
harte Schule für ihn, und der Herr Katechet hat ihn nicht mit Glacéhandschuhen
angefaßt. Latein hat ihm in der ersten Zeit viel Schwierigkeiten gemacht.
Seiner Begabung nach hätte er eigentlich Techniker werden sollen. Er hat es
aber doch überwunden und die Aufnahmeprüfung in Mariaschein gut bestanden. So
konnte er gleich in die zweite Klasse eintreten. Am 17. September 1916 war ich
dann mit meiner Frau und den Kindern zu Besuch in Mariaschein.“
Hermann wurde am 2. Juli 1928 im Dom zu Leitmeritz
zum Priester geweiht und feierte am 3. Juli 1928 in seiner Heimatstadt
Deutsch-Gabel seine Primiz.
Aus
dem Tagebuch: „Am 7. Juni 1931 ist Hermann mit dem Motorrade schwer
verunglückt. Er kam von der Fronleichnamsfeier in Bertsdorf. Beim Bergabfahren
stieß er wohl an einen Stein, griff im gleichen Momente nach der Mütze, die ein
Windstoß holen wollte, und fiel mit dem Kinn auf den Motor, und zwar so
unglücklich, daß durch den Fall das Stimmband zerrissen wurde. Drei Tage später
besuchte ich ihn im Krankenhause in Reichenberg. Er durfte nicht sprechen. Als
ich ihn fragte, ob er jetzt das Motoradfahren einstellen wird, schüttelte er
den Kopf und schrieb auf einen Zettel: „Das Motorrad kann doch nichts dafür!“
Die
Ärzte zweifelten, ob er den vollen Sprachgebrauch wieder erlangen wird. Er war
dann längere Zeit in einem Krankenhause in Görlitz – die Heiserkeit ist aber
geblieben. Wir waren auch mit dem Auto in Prag bei einem Professor in der
Klinik. Der konnte ihm ebenfalls keinen großen Trost geben. „Sie werden heiser
bleiben“, war seine Meinung nach der Untersuchung; und er behielt recht. Ein
großer Segen war für Hermann, daß er später die Pfarrerstelle in Wiese erhielt.
In einer großen Kirche wie bei uns hätte er sich nur schwer verständlich machen
können.“
Am 8.9.1934 wurde Hermann Kaplan zur Aushilfe in
Wiese, am 31.1.1935 von Bischof Antonius Aloisius von Leitmeritz zum Pfarrer,
und am 22.11.1943 zum Canonicus ernannt.
Das Dorf Wiese befindet sich etwa 15 km nördlich von
Friedland (etwa 25 km nordöstlich von Zittau). Hier gibt es seit dem 13.
Jahrhundert eine Kirche, die dem hl. Laurentius geweiht ist (Neubau 1829).
Nach der Vertreibung wirkte Hermann für kurze Zeit
in Boizenburg und dann auf Dauer in Neuhaus an der Elbe, vor allem in der
Seelsorge an heimatvertriebenen Sudetendeutschen. Wegen seiner Verdienste wurde
er zum Geistlichen Rat ernannt. Er starb am 2. Juni 1979. Sein Grab ist in
Neuhaus in der Nähe der von ihm 1949-1951 erbauten Kirche.