Das Schwarze Bild
Heinrich Michael Knechten
"Das Schwarze
Bild", heißt es, wenn von dem oberen Bild am Altar der Alten Pfarrkirche
in Horneburg die Rede ist. Der Firnis ist nachgedunkelt, und die in der Kirche angezündeten
Kerzen haben ihr Übriges getan. So lässt sich von unten her nicht mehr gut
ausmachen, was auf diesem Bild dargestellt ist.
Herr Siegfied Eggenstein hat
das Bild photographiert und danach bearbeitet. So lässt sich leicht sehen,
worum es sich handelt:
Dargestellt ist die heilige
Maria Magdalena als Büßerin. Sie trägt ein Obergewand, das am Hals abschließt.
Die Ärmel des Untergewandes sind sichtbar. Die Hände hat sie gefaltet. Ihr
langes, wallendes Haar fällt auf die Schultern herab. Um ihren Kopf sind die
Strahlen des Heiligenscheins. Den Blick hält sie auf den Gekreuzigten
gerichtet. Über dem Kreuz ist der Himmel offen, Strahlen dringen hervor und
erleuchten ihre Augen und ihr Herz. Ein Gefäß mit kostbarem Nardenöl weist
darauf hin, dass sie die Füße Jesu gesalbt hat. Ein aufgeschlagenes Buch ist
Zeichen für das immerwährende Gebet und die Betrachtung der Heiligen Schrift
sowie der Leiden Christi. Eine Geißel steht für ihre Bußübungen.
In der Gestalt der heiligen
Maria Magdalena sind verschiedene Frauengestalten zusammengesehen worden:
v
Die Buße gehört
zur heiligen Maria von Ägypten. Ihre Vita (Lebensbeschreibung) wird Sophronios
von Jerusalem († 638) zugeschrieben.
v
Die Salbung geht
auf Maria von Bethanien zurück (Joh 12,3), die Schwester der Martha und des
Lazarus.
v
Dieses Motiv wird
mit der Salbung Jesu durch die Sünderin vermischt (Lk 7,46).
v
Einige Frauen,
die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt wurden, begleiten Jesus. Unter
ihnen ist Maria Magdalena, von der sieben Dämonen ausgefahren waren (Lk 8,1f).
Sie sind bei der Kreuzigung zugegen und verkünden die Osterbotschaft.
v In die Vita Magdalenas werden Aussagen der Samariterin am Jakobsbrunnen eingewoben (Joh 4,1-42)
Nach der Auferstehung Christi wurde Maria Magdalena mit anderen auf ein Schiff gebracht und ohne Steuermann auf dem Meer ausgesetzt. Sie gelangten nach Marseille. Maria Magdalena predigte gegen den Götzendienst und rief zu aktiver Nächstenliebe auf. Vgl. Jacobus de Voragine, Legenda Aurea 96, hg. v. B.W.Häuptli, Fontes Christiani, Freiburg i.Br. 2014, 1238.1240.1242; J.Rosenfeld, Kunst um 1500 in Lübeck -- Was ist das? Versuch einer Annäherung, in: Lübeck 1500. Kunstmetropole im Ostseeraum, hg. v. J.F.Richter, 57-65, hier 64: Erhart Altdorfer, Predigt der Maria Magdalena wider das Götzentum, 1519, St.-Annen-Museum, Lübeck.
Die
Kirche in Horneburg ist der hl. Maria Magdalena geweiht. Dies ist eine beliebte
Schutzheilige für solche Kirchen, die fern allem Weltgetriebe in einsamen
Gegenden erstehen. (1)
Die Kirche ist ausgestattet mit einem Barockaltar. Das
schwere Rahmenwerk des Hochaltares mit Akanthusranken und Putten sowie einer
Darstellung der büßenden Maria Magdalena aus dem Ende des 17. Jahrhunderts
umschloss im Mittelfelde eine Kreuzigungsgruppe. (2) Daraus sind Maria und
Johannes heute im Vestischen Museum, Recklinghausen. Dies wurde ersetzt durch
eine Herz-Jesu-Statue, nach 1925 durch Maria Magdalena, Maria und Johannes
unter dem Kreuz (heute in der neuen Kirche), gemalt von Joseph Gietmann, und
schließlich durch einen byzantinischen Pantokrator.
Oben am Altar ist eine Inschrift: "Altare
quotidie privilegiatum". Wird an einem privilegierten Altar eine Hl. Messe
gefeiert, so wird dem in der Intention gedachten Verstorbenen ein vollkommener
Ablass zuteil. Das Privileg kann zeitlich beschränkt (ad tempus), unbeschränkt
(in perpetuum) oder wie hier täglich (quotidie, quotidianum) erteilt werden.
(3)
Anmerkungen
(1) Vgl. J.Evelt, Die Verehrung des hl. Antonius
Abbas im Mittelalter, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und
Altertumskunde 33 (1875), Abteilung 2, 7.
(2) Ursprünglich
soll es im Hochaltar vom Ende des 17. Jahrhunderts ein Gemälde der Kreuzabnahme
gegeben haben, das aber nicht mehr vorhanden ist. Vgl. J.Körner, u. A.Weskamp,
Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen 39: Landkreis Recklinghausen und
Stadtkreise Recklinghausen, Bottrop, Buer, Gladbeck und Osterfeld, Münster
1929, 300.
(3) Vgl. Codex
iuris canonici, Rom 1917, Canones 916 und 918.
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Bilder
zu Maria Magdalena
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Erich Läufer,
Ausgrabungen in Magdala
o
Johannes Gerloff,
Antike Synagoge
in Magdala gefunden