Die sieben Schwaben

 

Das Märchen

Bei Kirchhof, Wendunmuth 1, St. 274, und in Des Knaben Wunderhorn, 2, 445, sind es neun Schwaben. Auf einem Fliegenden Blatt aus Nürnberg (bei Campe) sind sieben Schwaben abgebildet.

Bei den Sprichwörtern von Eyering (2, 227) findet sich die Begegnung mit dem Hasen; der vorderste Schwabe heißt Ragenohrlin: „Ja stündestu he forn als ech, / du würdest nichten also sprech / ‚Gangk, Ragenohrlin, gangk ran,‘ / ich must gleichwol zum ersten dran / und wann er mich dan brecht umbs Leben, / so würd ir all die Flucht thun geben.“

In Wien gab es ein Gemälde an einem Haus: ihrer drei mit einem langen Spieß vor einem Hasen. Darunter stand: „Veitla, gang du voran, / denn du hast Stiefel an, / daß er dich nit beißen kann.“

Bei den Brüdern Grimm lauten die sieben Namen: Schulz, Jackli, Marli, Jergli, Michal, Hans und Veitli. Sie ziehen, fest an einen Spieß geklammert, auf der Suche nach großen Abenteuern durch das Land. Das Brummen einer Hummel halten sie für Trommelschlag einer Armee, die sich ihnen nähert, um sie zu vernichten. Durch einen Tritt auf die Zinken eines Rechens (einer Harke) versetzt der Stiel dem Vordersten einen Schlag gegen den Kopf und alle purzeln über ihn her mit dem Schrei, dass sie sich ergeben. Einen Hasen halten sie für ein Ungeheuer. Als sie die Mosel überqueren möchten, missverstehen sie den Ruf des Trierischen Fährmanns, der sie nicht versteht und: „Wat, wat?“ schreit, als sollten sie den Fluss durchwaten. Bei diesem Versuch versinken sie im Schlamm und ertrinken.

 

Bearbeiter und Herausgeber

Wilhelm Engelhardt (1900-1983) arbeitete das Märchen zu einem Theaterstück um.

Der Herausgeber, Rudolf Mirbt (1896-1974), war Pädagoge, Schriftsteller, Dramatiker und Publizist. Er förderte das Laienspiel an Schulen und in der Jugendbewegung und gab die Bärenreiter-Laienspiele heraus.

 

 

 

Handlung

Die Namen der sieben Schwaben lauten hier: Schulz Traumichnicht, Hinz Fürchtemich, Klaus Angstallein, Jörg Schlotterbein, Kunz Ohnemut, Hans Bangemann und Veit Hintendran. Die ersten zwei Abenteuer verlaufen wie bei den Brüdern Grimm. Als sie einen unbenannten Fluss überqueren möchten, scheuen sie vor dem schmalen Steg der Brücke und missverstehen den Ruf des Fährmanns: „Wart, wart“, da er zuerst sein größeres Boot zu Wasser lassen möchte, als sollten sie den Fluss durchwaten. Als sie ihr Spiegelbild im Wasser sehen, fliehen sie entsetzt. Die Kommentare des Wandersmannes und des Fährmannes, welche die Moral der Geschichte herausstellen, sind gegenüber den Brüdern Grimm hinzugefügt.

 

Zitate

Der Wandersmann: Ah, so? – Ihr wollt von hüben nach drüben? / Ja, Rat ist da teuer, ihr werten Sieben! / Mich führtʼ ja von drüben nach hüben der Weg! / Ich wanderte über ʼnen schmalen Steg, / der vom Dorfe Furchtlos nach Angstbach geht, / in die Großstadt, die hinter dem Hügel ihr seht. (Kassel 1951, 15).

Der Wandersmann: Komm, Fährmann, fahr mich schnell nach drüben. / Die Sieben sind nicht allein geblieben. / Ich fürcht, die Menge könnt anstecken, / in mir auch Schwabengeister wecken. / Oh, seht euch vor, ihr lieben Leute, / leicht ist man dieses Geistes Beute!

Der Fährmann: Drum prüfe sich ein jeder recht, / ob er ein Herr ist oder Knecht, ein Herr der eignen Furchtsamkeit, / allzeit das Rechte zu tun bereit / ohn Zagen und ängstliches Bangen. / So wird er nach Furchtlos gelangen, / in jener klugen Herzen Kreis, / der nichts von Schwabenängsten weiß. / Wir wünschen, daß jeder den Weg dorthin fände! / Bringʼ jeder drum selbst unser Spiel recht zu Ende! (Kassel 1951, 24f).

Hier haben wir an unserm Teil die Möglichkeit, im kleinen Bereich des Laienspiels ein Stück Ordnung aufzurichten, indem wir uns wieder daran gewöhnen, Grundfragen unseres menschlichen Lebens zu stellen. Wenn wir das in rechter Form tun, werden wir bald merken, daß die Fragen z. B. der Märchen auch die Fragen sind, die uns modernen Menschen zu hören aufgetragen ist. (Mirbt, Nachwort, Kassel 1951, 26).

Hinter der Sucht, immer etwas Neues erleben zu wollen, verbirgt sich doch auch die Vermessenheit, unsere dichterischen Menschen zu unseren Handlangern zu machen, während die Heilkraft des Spieles gerade darin liegt, daß wir in die andere höhere Ebene der Deutung, der Ordnung, der Dichtung hineingenommen werden. (Mirbt, Nachwort, Kassel 1951, 27).

 

Bibliographie

o   Kirchhof, Hans Wilhelm (1525-1605), Wendunmuth, darinnen 550 […] Historien, Schimpfreden […] begriffen, Frankfurt 1565.

o   Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, herausgegeben von Achim von Arnim (1781-1831) und Clemens Brentano (1778-1842), Band 2, Heidelberg 1808.

o   Debes, Dietmar, August Friedrich Andreas Campe, (1777-1845), in: Leben und Werk deutscher Buchhändler, herausgegeben von Karl-Heinz Kalhöfer, Leipzig 1965, 57-63.

o   Eyering, Eucharius (1520-1598), Proverbiorum copia. Etlich viel hundert lateinischer und deutscher schöner und lieblicher Sprichwörter, Band 2, Eisleben 1601; Vorwort von Wolfgang Mieder, Volkskundliche Quellen 7 (Sprichwort), Hildesheim 1999.

o   Jegel, August, Friedrich Campe. Das Leben eines deutschen Buchhändlers, Nürnberg o. J. [1947].

o   Reynst, Elisabeth, Friedrich Campe und sein Bilderbogen-Verlag zu Nürnberg. Mit einer Schilderung des Nürnberger Kunstbetriebes im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Nürnberg 5, Nürnberg 1962, 55-65 (Verzeichnis der Halbbogen-Bilder im Verlag der Campeschen Handlung).

o   Grimm, Jacob (1785-1863) und Wilhelm (1786-1859), Kinder- und Hausmärchen. Große Ausgabe, Band 2, Göttingen, siebte Auflage, 1857; herausgegeben von Heinz Rölleke, Stuttgart 2001, 159-162 (Nr. 119: Die sieben Schwaben); Band 3, Stuttgart 2001, 199f (Anmerkungen zu diesem Märchen).

o   Engelhardt, Wilhelm (1900-1983), Die sieben Schwaben. Ein Spiel für Kinder, Jungen und Ausgewachsene, Bärenreiter-Laienspiele 132, herausgegeben und Nachwort von Rudolf Mirbt, Kassel und Basel 1951.

 

© Dr. Heinrich Michael Knechten, Düsseldorf 2022

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