Anna Nikolaevna Schmidt

Heinrich Michael Knechten

Sie wird am 30.7.1851 in Nižnij Novgorod geboren. Ihr Vater Nikolaj arbeitet eine Zeit lang als Friedensrichter in Polen. Als seine finanzielle Unterstützung der Familie, die weiterhin in Nižnij Novgorod wohnt, zufällig wird, greift Annas Mutter, Anna Fëdorovna Romanova, ein. Ihr Mann wird nach Astrachan' versetzt. Doch die materielle Not bleibt der Familie erhalten.

Anna Nikolaevna erhält eine Ausbildung in französischer Sprache. Sie unterrichtet drei Jahre lang am Lyzeum. Ihre Kenntnisse sind sehr gut, nicht aber ihre pädagogischen Fähigkeiten. So arbeitet sie verschiedentlich als Aushilfe, bis sie eine Anstellung an der Redaktion der 1893 gegründeten Zeitung "Nižegorodskij Listok" findet. Sie ist für das Feuilleton zuständig.

Sie kleidet und frisiert sich ohne Rücksicht auf den Geschmack ihrer Zeitgenossen. In den Pausen der Theater- oder Konzertabende zieht sie gedankenverloren ein Brötchen aus der Tasche und beginnt, daran herumzukauen. Ihre Beiträge werden als originell eingestuft, lösen aber manchmal auch Befremden aus.

Ein anderes Bild bietet ihr sozialer Einsatz. Beim Bischof, bei Behörden und bei der Polizei weiß sie treffend das Wort einzulegen für Menschen, die in Schwierigkeiten geraten sind. Wenn es darum geht, jemandem zu helfen, vergisst sie die Zeit, aber auch das begrenzte Maß ihrer eigenen Kräfte.

Am 4. Januar 1885 hat sie in der Kirche der Gottesmutter des Zeichens eine Offenbarung, die sie bis zu ihrem Tode beschäftigt. Sie begegnet innerlich dem "Geliebten" und erfährt sich selbst als "Kirche". Sogleich wird ihr der Vorwurf gemacht, Häretikerin oder wahnsinnig zu sein.

Ihre Schriften sind unter großen Schwierigkeiten enstanden. Ihre Mutter verbietet ihr, abends zu schreiben, so dass sie ihre Aufzeichnungen vor ihr verbergen muss. Wegen ihrer großen Armut hat sie kaum Möglichkeiten, Bücher zu erwerben. Auf Grund ihrer mangelnden Bildung gebraucht sie nur selten philosophische Begriffe. Vielmehr beschreibt sie konkret und lebendig ihre Schau.

Wegweisend ist ihr Hinweis auf eine Tragödie, die auf die Menschheit zukommt, aber auch ihre Philosophie der Liebe und die Sophiologie, mit der sie V.S.Solov'ëv beeinflusst. N.A.Berdjaev verdankt ihr die Idee vom Dritten Testament (Tretij Zavet). Auch A.Blok und A.A.Belyj empfangen Anregungen von ihr. P.A.Florenskij gibt ihre Schriften heraus.

Anna Nikolaevna stirbt am 7.3.1905 an einer Enzephalitis. Die Mutter überlebt ihre Tochter um fünf Jahre.

Literaturhinweise

 

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