Horneburger Sagen
Margaretha im Verlies
(12) Wie so manche Dinge der Vergangenheit, über welche uns eine klare und genügende Gewißheit nicht gegeben ist, so hat sich auch dieses Gegenstandes die Sage bemächtigt. Sie ist folgende: "Zur Zeit der Kreuzzüge erbaute sich der Graf Goddert von Horne eine feste Burg, nach ihm [ist] die Burg Horne oder Hornburg benannt. In seinem Wappen führte er ein Büffelhorn.
Der Enkel dieses Grafen und gleichen Namens mit demselben heiratete ein bürgerliches Mädchen, namens Margaretha, die mit ihrer Schwester schon unter seinem Vater auf die Burg gekommen war. Die anfängliche Neigung des Grafen zu seiner Gemahlin erkaltete jedoch bald; er gab sich allen wüsten Gelagen und Lastern hin und wurde der Schrecken aller Menschen, die gezwungen waren, mit ihm in Berührung zu kommen.
Gegen die Angriffe seiner Feinde wußte er sich sicher (13) hinter den festen Mauern, hohen Wällen und tiefen Gräben seiner Burg. Die fromme, tugendhafte Margaretha sperrte er in ein enges Verließ unter dem Schindeldache über seinen Wohnräumen. Nur ihm allein war ihr Aufenthalt bekannt.
Dreißig Jahre lang hielt er sie so gefangen, ihr jeden Abend einen Krug Wasser und ein Stück Brot selbst hinauftragend. Der kleine Heinz, sein Sohn, war rechtzeitig durch die Fürsorge der Schwester der Margaretha seiner Wut entgangen und in der freiherrlichen Familie von Oer, welche auf der Burg Kackelsbeck [Kakesbeck] zwischen Lüdinghausen und Hiddingsel wohnte, untergebracht.
Als eines Tages eine große Jagdgesellschaft auf der Burg anwesend war, warf der Ritter sein Auge auf Beata, die Tochter eines Ritters aus der Umgegend, und ehelichte sie. Aber auch diese vermochte nicht, einen heilsamen Einfluß auf ihn auszuüben.
Während Goddert von Horne die ganze Umgegend durch seine Räubereien beunruhigte und alle Besitzungen (14) der Bauern und Landleute an sich riß, war der Freiherr Lambert von Oer die Zuflucht der Bedrückten und Verfolgten. Dafür erntete er den tiefen und unversöhnlichen Haß des Grafen von Horne, der zu einer offenen und bitteren Fehde wurde, als vom Gogerichte dem Lambert ein Gut bei Ascheberg zugesprochen wurde, worauf Goddert dieselben Rechte und Ansprüche zu haben glaubte. Ein Sturm der Horneburger auf die Burg Kackelsbeck vernichtete dieses herrliche Schloß. Lambert floh mit seiner Familie und Heinz zum Bischofe von Münster. Doch ließ Lambert seine Burg mit Hülfe des Bischofes und benachbarter Ritter schöner und fester wieder erstehen, während Heinz gegen seinen ihm unbekannten Vater die Fehde aufs Neue aufgriff und Hülfe anwarb. Auch wußte er sich Kenntnis über geheime Zugänge zur Burg Horne zu verschaffen.
Lange widerstand die Hornburg den Angriffen (15) ihrer Feinde, bis endlich in einer Nacht, während Goddert und seine Vasallen sich völlig sicher glaubten und im Weine schwelgten, sie in die Hände des Freiherrn von Oer fiel. Heinz deckte mit Hülfe seiner noch lebenden Tante (Schwester seiner Mutter) manche Geheimnisse der Burg auf und fand nun auch seine Eltern.
Sein Vater verzichtete zugunsten des Sohnes auf den ganzen Besitz und führte von nun an ein Leben strenger Buße. Margaretha erholte sich nicht von den ausgestandenen Leiden und Entbehrungen; sie starb bald nach ihrer Befreiung und wurde zu Hamm begraben. Der nunmehrige Besitzer der Burg, der Graf Heinz, blieb kinderlos und vererbte das ganze Besitztum auf die Familie von Oer, in welcher er einen großen Teil seines Lebens glücklich und zufrieden verlebt hatte."
Das Ende derer von Horne
(16) Eine andere Sage schildert das Ende der Grafen von Horne in folgender Weise: Die letzten Stammhalter der Familie von Horne waren zwei feindliche Brüder. Ihr Vater hatte den Besitz unter sie geteilt, dem (17) ältesten das Schloß gegeben und dem jüngsten das abgetrennte Gut "der Hof zum Berge" (Hofzumberge, seit 3 Jahren ebenfalls im Besitze des Herzogs von Arenberg) zugewiesen. Zwischen ihnen bestand ein alter Haß, die Teilung des Gutes verschärfte noch denselben.
Dem jüngeren wurde vom älteren Bruder in einer stürmischen Nacht aufgelauert und er meuchlings ermordet. Dem Einflusse des Erzbischofs von Köln, der in hiesiger Gegend die geistliche Gewalt hatte, gelang es, den Mörder zur ernsten Reue und Buße zu bewegen, so daß er sein weiteres Leben in der Einsamkeit zubrachte.
Die Horneburg wurde frei, es entstanden die Bürger, und nur noch das Schloß mit einigen Ländereien wurde insbesondere auf Betreiben des Erzbischofs Eigentum der geachteten und beliebten Familie der Freiherrn von Oer.
Das eiserne Halsband
Noch eine dritte Sage vom Grafen Horn muß hier angefügt werden, sie betrifft die Feindschaft des Grafen mit dem Freiherrn von Oer. (18) "Graf Goddert suchte nach der Niederlage, die er durch Lambert von Oer erlitten hatte, eine recht boshafte Rache zu üben. Er ritt nach Nürnberg zu einem berühmten Waffenschmiede und ließ sich von demselben ein Halsband aus dem besten Stahl anfertigen. Achteckig, inwendig mit scharfen Stacheln versehen, besaß es noch einen geheimen Mechanismus, der dasselbe verschloß und es unmöglich machte, dasselbe jemals wieder zu öffnen. Keine Feile vermochte dem Stahl etwas anzuhaben.
Mit diesem Marterwerkzeuge lauerte Goddert seinem Feinde auf, als letzterer nach Lüdinghausen in der Weihnachtsnacht zur Christmesse fuhr. Plötzlich wurde der Schlitten der Familie von Godderts Leuten überfallen, der Freiherr umzingelt und ihm unter Hohngelächter und Spottreden das Band umgelegt. Kein Künstler und Schmied konnte die böse Last abnehmen. Da es zudem (19) jeden Genuß von Nahrungsmitteln verhinderte, so machte sich Lambert in stiller Ergebung auf ein rasches Ende gefaßt.
Doch, noch war nicht alle Hülfe verloren. Ein Schmied bildete das Halsband nach und legte es seinem Hunde an, um alsdann das Öffnen desselben zu erproben. Dieses gelang erst, als der Hund mit dem Halse auf den Amboß gelegt wurde und der Schmied 2 wuchtige Hammerschläge auf das Band führte. Beim zweiten Schlage sprang es auf.
Nach einigem Zureden des Schmiedes und des Burggeistlichen unterwarf sich der Freiherr im festen Vertrauen auf Gottes Hülfe demselben Verfahren, welches auch denselben Erfolg hatte. Von Oer gab dem Schmied zum Lohne den Ritterschlag und schenkte ihm ein Gut zwischen Lüdinghausen und der Burg Horne." – Das Halsband wird in Münster im Rathaussaale aufbewahrt und gezeigt.
Quelle
Chronik der Schule
zu Horneburg, Teil 1: bis 1918, in: Archiv der Stadt Datteln (unveröffentlichte
Handschrift in Sütterlinschrift). Die Zahlen in Klammern verweisen auf die
entsprechenden Seiten.
Realbezüge
Die Halsbandsage
spiegelt ein historisches Ereignis vom 25.7.1520 in der Nähe von Burg Kakesbeck bei Lüdinghausen wider. Das eiserne Halsband ist
im Original auf Schloß Darfeld
und in einer Nachbildung auf Burg Vischering zu
sehen. Der Bezug zum Geschlecht derer von Oer ist
historisch möglich, nicht aber der zur Horneburg im Vest.
In der Bauernschaft
Haaren an der Lippe, sieben Kilometer östlich von Hamm, gab es eine heute nicht
mehr vorhandene Burg, die in alten Karten als "Hornen" oder
"Horn" und im 16. Jahrhundert als "Horneburg" eingetragen
ist.
Die Steinerne Jungfrau
In Horneburg wohnte
vor Zeiten ein Ritter Urne. Auf dem Schlosshof hatte er einen tiefen Brunnen.
Darauf stand eine Steinerne Jungfrau. Vor diesem Standbild befand sich eine
Falltüre. Hatte jemand etwas verbrochen, so musste er die Steinerne Jungfrau
küssen. Wenn er sie küsste, öffnete sich die Falltüre, er versank und ertrank
im Brunnen. Fremde Ritter schickten dem Herrn von Urne auch wohl Leute nach
Horneburg, damit er sie auf diese Weise aus der Wellt schaffte. (Mündliche
Überlieferung;
Alt-Recklinghausen, 80; Dorider, 14f; Sondermann, 125).
Weiterführende Literatur
Verweise