Russen 1814 in Horneburg

 

Napoleon zog am 15. September 1812 in Moskau ein. Die Pferde waren zu seiner Zeit das wichtigste Fortbewegungs- und Transportmittel. Auch für die Kriegsführung waren sie entscheidend (Kavallerie). Da aber kaum Futter für sie vorhanden war, gingen auf dem Russlandfeldzug Napoleons 175.000 Pferde verloren. Auch für die Menschen wurden Lebensmittel knapp. Daher musste Napoleon Moskau am 19. Oktober 1812 fluchtartig verlassen.

 

Die russischen Bauern verlegten sich auf Partisanentaktik: Sie tauchten blitzschnell auf, schlugen zu und verschwanden wieder, wie vom Erdboden verschluckt. Dadurch schmolz die Große Armee Napoleons immer mehr zusammen. Die russische Führung begann den Gegenangriff und zog 1813 in Richtung Westen. In den Jahren 1813/1814 standen eine halbe Million russischer Soldaten außerhalb der Grenzen des Russischen Reiches. Nur die Hälfte davon kehrte nach Russland zurück. Die Völkerschlacht bei Leipzig (Oktober 1813) zwang Napoleon, alle deutschen Gebiete östlich des Rheins aufzugeben.

 

Anfang November 1813 änderte sich die Situation in den Niederlanden. Weder die Alliierten noch Napoleon hatten dies erwartet. Zu dieser Zeit teilte sich die Nordarmee des schwedischen Thronprätendenten Jean-Baptiste Bernadotte. Das schwedische Korps des Marschalls Baron Curt Bogislaus Ludvig Christoffer von Stedingk und die russischen Soldaten von Graf Michail Semënovič Voroncov marschierten nach Hannover. Es verstärkte sie das russische Korps des Grafen Sergej Grigor’evič Stroganov, abgeteilt von der Armee des Levin August von Bennigsen, das mit Marschall Louis-Nicolas d’Avout, der sich in Hamburg festgesetzt hatte, kämpfte.

 

Das preußische Dritte Armee-Korps des Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow und das russische Korps des Ferdinand von Wintzingerode zogen nach Westfalen und zum Niederrhein. Dieses kam von Göttingen und erhielt eine schwierige Aufgabe. Als linke Flanke sollte es mit dem russischen Korps des Grafen Guillaume Emmanuel Guignon de Sainte-Priest in Kontakt treten, die westfälische Hauptstadt Kassel besetzen, ein Teil von ihm sollte in Richtung Bremen ziehen und das Herzogtum Oldenburg befreien, das über Haus Holstein-Gottorp zu Verwandten der Zarenfamilie gehörte.

 

Bernadotte gab dem Korps von Bülow die Aufgabe, nach Osnabrück zu ziehen, die Grenze der Niederlande von Osnabrück bis zur Küste unter Kontrolle zu nehmen, wenigstens eine der Festungen  an der Ijssel einzunehmen, um mögliche Truppenbewegungen der Franzosen in den Niederlanden zu behindern.

 

Im Korps Wintzingerode wurde eine fliegende Abteilung gebildet, die durch Generalmajor Aleksandr Christoforovič von Benckendorff geleitet wurde, der an der Völkerschlacht in Leipzig und an vielen anderen Kriegshandlungen des Jahres 1813 teilgenommen hatte. Er leitete auch andere Einsatzkommandos. Durch sie hielt er Kontakt mit anderen Einheiten. Sie bereiteten größere Operationen vor und handelten weitgehend selbständig im Rahmen allgemeiner strategischer Aufgaben. Generalmajor Graf Aleksandr Ivanovič Černyšëv nahm am 29.9.1813 im Handstreich Kassel ein, sodass König Jerôme Bonaparte fliehen musste.

 

Einige Russen zogen beim Marsch nach Frankreich auch durch Horneburg. Es handelte sich um das St. Petersburger Dragonerregiment, das zur 16. Brigade der 6. Kavalleriedivision unter Leitung von Generalmajor Graf Ivan Vasil’evič von Manteuffel gehörte (D.Lieven, Russland gegen Napoleon, 646). Über dieses Ereignis gibt es drei Berichte. Der erste stammt von Pfarrer Anton Jansen (1827-1900), Die Gemeinde Datteln. Ein Beitrag zur Geschichte des Vestes Recklinghausen, Datteln 1881, 209:

 

„Vom 4. bis 7. Januar 1814 lag in der Gemeinde ein Theil eines russischen Cavallerie-Regimentes, Petersburger Dragoner, im Quartier; Lebensmittel und Fourage mußten in die Magazine zu Essen und Dorsten geliefert, auch viel Vorspann geleistet werden.“

 

Der zweite Bericht entstammt der unveröffentlichten, handschriftlichen Horneburger Chronik von Hauptlehrer Bernhard Gellenbeck (1858-1934), die am 15. Dezember 1890 begonnen wurde, Teil 1, Seite 118:

 

„Zu erwähnen ist noch, daß im Jahre 1814 die Russen, welche in der Gemeinde einquartiert waren, sich den Nebenaltar in der Kirche für ihren Gottesdienst einrichteten und denselben auch nach dem Ritus ihrer Kirche feierten. Ihre Anwesenheit in Horneburg verursachte allerdings nicht wieder die traurigen Verhältnisse früherer Kriegszeiten, doch soll eine große Unsicherheit in betreff der Sittlichkeit während ihres Hierseins geherrscht haben, auch wunderte man sich darüber, daß sie Eingemachtes aus den Fässern aßen.“

 

Der dritte Bericht: Vikar Dorfmüller zeichnete auf, dass vom 4. bis zum 7. Januar 1814 im Dorfe Waltrop 400 Petersburger Dragoner einquartiert waren; die übrigen lagen in Datteln, Ahsen, Hagem und Natrop. In Horneburg war ein Trupp reitender Artillerie untergebracht. Diese Einquartierungen waren nicht zuletzt wegen des Bedarfs der Soldaten an Lebensmitteln und Futter für ihre Pferde für die Bevölkerung äußerst belastend.

 

Weiterführende Literatur

 

o       Benckendorff, A.Ch. v.: Zapiski Benkendorfa. 1812 god: Otečestvennaja vojna. 1813 god: Osvoboždenie Niderlandov, in: Russkij archiv 1865; Moskau 1866; in: Istoričeskij Vestnik 91 (1903); Moskau 2001.

o       Frey, Norbert, Dorfmüller. Vikar in Waltrop. Der Ursprung Waltroper Heimatgeschichte, Waltrop 2009, 117.

o       Lieven, Dominic, Russia Against Napoleon – The Battle for Europe, 1807 to 1814, London 2009; Russland gegen Napoleon. Die Schlacht um Europa, übersetzt v. Helmut Ettinger, München 2011.

o       Wellnitz, Wolfgang, Ab 1811 mit Waltrop verbunden. Was Napoleon in Horneburg und im Vest bewirkte, in: Bürgerschützenverein Horneburg 1384 e.V., Festschrift zum Schützenfest 2011 in der alten Freiheit Horneburg, Horneburg 2011, 112f.

 

Verweise

 

o       Aufzeichnungen Benckendorffs

o       Die Befreiung der Niederlande nach den Aufzeichnungen Benckendorffs

o       Drei Nachrichten über Russen in Horneburg

o       Gellenbecks Schulchronik

 

o     Jansens Dattelnbuch

 

 

Herzlichen Dank an Herrn Aleksandr Ključko für Materialien und Hinweise.

 

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