Orthodoxie und Ökumenizität. (1)
Von Nikolaj Berdjajev (2)
[S. 3] Die Kirche ist sich
bewußt, ihrer Natur nach orthodox und ökumenisch zu sein. Sie bekennt sich als
die Hüterin des wahren orthodoxen Glaubens und als alle Völker und Lande, als
das ganze Universum umfassend. Das ideale Bewußtsein der Kirche kann in sich
keine Beeinträchtigung und Entstellung des Glaubens und keine
partikularistische Begrenzung durch Raum und Zeit zulassen. Die
morgenländische, rechtgläubige Kirche schätzt gewissermaßen ihre Orthodoxie
höher, die katholische Kirche des Abendlandes dagegen mehr ihre Universalität.
Das ist schon aus den Bezeichnungen selbst ersichtlich. Aber natürlich
betrachtet sich auch die orthodoxe Kirche als die ökumenische und die
katholische sich als die rechtgläubige. Und trotzdem besteht immer eine
Irrelativität zwischen dem idealen Bewußtsein der Kirche und ihrer empirischen
Existenz. Orthodoxie und Ökumenizität können in ihrer geschichtlichen
Aktualisierung und Erscheinungsform beeinträchtigt sein, das als Fülle
ausgeben, was nur ein Teil ist, ja, selbst die Reinheit des Glaubens kann
getrübt sein. In der Geschichte kann man der empirischen Tatsache eine absolute
Bedeutung beilegen, auf die sie – die Tatsache – keinen Anspruch erheben darf.
Vor allen Dingen müssen wir die verschiedenartige Auffassung des Begriffs der
Ökumenizität im katholischen und orthodoxen Bewußtsein unterstreichen. Der
Katholizismus versteht die Ökumenizität horizontal, äußerlich-räumlich. Die
ökumenische Kirche bedeutet im katholischen Bewußtsein eine einheitliche
Welt-Organisation, die in juridischen Begriffen zum Ausdruck kommt,
international ist und die gesamte Erdoberfläche umspannt. Die Orthodoxie
versteht die Ökumenizität vertikal, den Maßstab an die Tiefe legend.
Ökumenizität ist hier eine Eigenschaft, die in jeder Eparchie [S. 4] [= dem
abendländischen Begriff der Diözese], in jeder Pfarrgemeinde zu Tage treten
kann. Ökumenizität ist nicht eine räumliche Kategorie und erfordert für ihren
Ausdruck keine juridische Welt-Organisation. Das bedeutet: die Orthodoxie
versteht die Ökumenizität mehr im geistlichem Sinne. Doch müssen wir Orthodoxen
zugeben, daß der Geist der Ökumenizität in der orthodoxen Kirche nicht genügend
in Erscheinung trat und aktualisiert wurde, die Ökumenizität blieb sozusagen
eine potentielle. Das ökumenische Christentum nimmt in der Geschichte
individuelle Gestalt an, und das ist an sich ein Segen. Es ist weder einzelnen
Menschen noch einzelnen Völkern noch einzelnen Zeitläuften gegeben, die Fülle
der ökumenischen Wahrheit in sich aufzunehmen. Jedem irdischen Dasein in
fleischlicher Gestalt ist Partikularismus eigen. Die Existenz eines morgen- und
abendländischen christlichen Typus, das Vorkommen verschiedener Riten ist eine
segensreiche Individualisierung, die Vielgestaltigkeit und Fülle realisiert.
Und gäbe es auch nicht die verhängnisvolle Trennung der Kirchen, so wären
trotzdem die individualisierten Formen des orientalischen und occidentalen
Christentums vorhanden, verschiedene Gottesdienstordnungen, verschiedene
geistliche Prägungen. Die ökumenische Kirche würde die ganze Vielgestaltigkeit
der individualisierten Typen umfassen. Und trotzdem würde es ein Lateinertum
geben, das dem morgenländischen, griechischen Christentum fremd erscheinen
könnte. Doch der Mensch ist ein beschränktes Wesen, wenig aufnahmefähig und sich
selbst behauptend. Die Individualisierung kann sich nicht nur als in die
Vielgestaltigkeit der Ökumenizität übergehend, sondern als diese letztere
selbst bekennen, d.h. Partikularismus als Ökumenizität ausgeben.
Individualisierte geistliche Prägungen bekommen je nach dem Gesichtspunkt, von
welchem aus man sie betrachtet, einen verschiedenen Sinn. In der
abendländischen christlichen Welt bilden Katholizismus und Protestantismus
polar entgegengesetzte Typen. Doch aus dem Innern der morgenländischen Orthodoxie
heraus werden Katholizismus und Protestantismus als zu derselben
abendländischen geistlichen Prägung gehörig aufgefaßt. So ist dem Katholizismus
und dem Protestantismus in gleichem Maße eigen, die Idee der Rechtfertigung,
aber nicht die der Umwandlung ins Zentrum zu stellen; fremd ist ihnen in
gleicher Weise die kosmische Auffassung vom Christentum; von beiden sind die
morgenländischen Lehrer der Kirche vergessen und weit entrückt sind ihnen die
Überlieferungen des Platonismus. Gleich fremd sind dem offiziellen [S. 5]
Katholizismus und dem offiziellen Protestantismus Origines, der hl. Gregor von
Nyssa, der hl. Maxim, der Bekenner. Der selige Augustinus dagegen steht dem
Katholizismus und Protestantismus gleich nah. Dogmatisch kommen Orthodoxie und
Katholizismus einander näher, als Orthodoxie und Protestantismus oder letzterer
und Katholizismus, doch diese Beziehungen stellen sich vom Gesichtspunkt der
geistlichen Prägungen anders dar. Soviel Luther auch immer gegen den
Katholizismus auftrat und wetterte, innerlich blieb er doch eine Erscheinung
des abendländisch-katholischen geistlichen Typus, wurde bestimmt durch den
Geist des sel. Augustinus, suchte mehr nach der Rechtfertigung denn nach der
Umwandlung, und ihm war mehr eine anthropologische, als eine kosmische
Auffassung vom Christentum zueigen. Dogmatisch und kirchlich stehen die
Katholiken den Orthodoxen näher als die Protestanten, doch ist es für die
Orthodoxen leichter, mit diesen zu arbeiten. Und das hat seinen Grund in erster
Linie darin, daß die Protestanten die Freiheit des Gewissens anerkennen. Das
ist das große und unbestrittene Privilegium des Protestantismus. Die Orthodoxie
steht auf dem Prinzip der Freiheit des Gewissens, der Freiheit des Geistes, und
diese Freiheit paßt organisch in unsere Auffassung von der Allgemeinheit. Der
Protestantismus begreift die Freiheit des Gewissens zu individuell. Die
Orthodoxie dagegen versteht sie als organisch mit der Allgemeinheit, mit dem
Prinzip der Liebe verbunden. Der Katholizismus verurteilt offiziell (3) die
Freiheit des Gewissens unter der Bezeichnung "Liberalismus", obgleich
faktisch gerade diese Freiheit auch in der katholischen Welt all das
geboren hat, was es in ihm vom Besten gab. Den individualisierten Formen des
Christentums eröffneten sich diese oder jene Seiten der Wahrheit in
verschiedener Gestalt.
Doch die Individualisierung
des Christentums kann die Formen eines schroffen kirchlichen Nationalismus und
des Verwachsens der Kirche mit dem Staat und dem Volkstum, eines Verwachsens,
das in Knechtung der Kirche übergeht, annehmen. Eine Identifizierung des
religiösen und nationalen Moments ist ein Judaismus innerhalb des Christentums.
Und man darf nicht leugnen, daß es in der russischen Kirche eine abschüssige
Neigung dieser Art gegeben hat. Das Bewußtsein der Ökumenizität der Ortho- [S.
6] doxie war nachteilig beeinträchtigt und geschwächt. Mit dem Fall von Byzanz
fühlte sich das russische Volk als der alleinige Träger der Rechtgläubigkeit.
Auf dieser Basis entwickelte sich die Idee von Moskau als dem dritten Rom. Man
begann, den orthodoxen Glauben als den "russischen" zu bezeichnen,
die ökumenische Kirche der russischen gleichzusetzen. Die Kirche war durch und
durch nationalisiert worden, und man fing an, nationalen Eigentümlichkeiten fast
dogmatische Bedeutung zuzuschreiben. Einen russischen Glauben und ein
russisches Ritentum stellte man nicht nur der Latinität, sondern auch dem
griechischen Glauben gegenüber. Den Patriarchen Nikon betrachtete man als
Vertreter des griechischen, nicht aber des russischen Glaubens. Die wahre
Orthodoxie aber war ein russischer und nicht ein griechischer Glaube. Der
extreme russische Traditionalismus vollzog de facto den Bruch mit der
älteren griechischen Kirche. Auf dieser Grundlage entstanden die Spaltungen des
Altritualistentums und der Altgläubigkeit. Die Altritualisten verwahrten den
russischen Glauben gegen Neuerungen, wenn schon auch diese Neuerungen
eine Rückkehr zu älteren Traditionen waren. Die Fehler in den
gottesdienstlichen Büchern galten als echte Überlieferung, verknüpft mit dem
Wesen des russischen orthodoxen Glaubens. Das Bewußtsein der Ökumenizität war
bei einem gewissen Teil des russischen Volkes entweder geschwächt oder mit
einem russischen Messianismus identifiziert. Einsetzend mit Peter d. Gr. begann
dann die Hinwendung Rußlands zum Abendland und der Vorgang der Europäisierung,
die Kirche aber wurde noch national-partikularistischer als im früheren Rußland
oder im Altritualistentum. Dann kamen auch mit Peter d. Gr. die
protestantischen Einflüsse. Die Kirche wurde dem Staat untergeordnet, und der
damals im Westen triumphierende Grundsatz "cujus regio, ejus
religio" begann durchzudringen. Das war der Prozeß der Säkularisation.
Das ökumenische Bewußtsein
war in der Orthodoxie der Periode Peters d. Gr. außerordentlich schwach. Zwar
war die Orthodoxie in ihrer Tiefe ökumenisch, doch das Bewußtsein um diese
Ökumenizität war geschwächt. Erst im 19. Jahrhundert erwachte bei uns der
religiöse Gedanke, und russische religiöse Denker brachten mit besonderer Schärfe
das Bewußtsein der Ökumenizität des Christentums zum Ausdruck. Die russische
orthodoxe Idee trug in der Epoche ihrer Reife einen ökumenischen Charakter, und
Dostojevskij erblickte schon in der Ökumenizität, in der "Allmenschlich-
[S. 7] keit» einen charakteristischen russischen Zug. Chomjakov und die
Slavjanophilen erkannten zwar den ökumenischen Charakter der Rechtgläubigkeit
an, waren aber inbezug auf den Katholizismus ungerecht und parteiisch. Bei
Vladimir Solovjev wird die Ökumenizität zur Zentralidee. Er war ihr Märtyrer
und Prophet. Die schwache Seite bildete bei ihm die Neigung zu äußeren Unionen.
Doch war sein Streben selbst zur Einheit der christlichen Welt, zur
Ökumenizität, zur Fülle ein gerechtes und der Zeit zuvorkommendes. Das falsche
Verhältnis zwischen Kirche und Staat im vorrevolutionären Rußland, die äußere
Knechtung der Kirche durch den Staat störte das Bewußtsein von der Ökumenizität
der Rechtgläubigkeit. Der Staat wollte keine solche und fürchtete sie, hielt
dagegen den Partikularismus des kirchlichen Bewußtseins aufrecht. Und der Bruch
der alten Beziehungen zwischen Kirche und Staat muß sich für das ökumenische
kirchliche Bewußtsein günstig erweisen und dazu führen, daß die großen
religiösen Hoffnungen der russischen Geisteswelt im 19. Jahrhundert schließlich
im Leben der Kirche ihre Erfüllung finden.
Die Ökumenizität, die
universale Einheit hat für die katholische Kirche das Pathos der
Rechtgläubigkeit. Sie aktualisiert ihre Ökumenizität und ist imstande, ihre
Fleischwerdung so aufzuzeigen, daß wir sie sinnlich wahrnehmen können. Sie
besitzt ein sichtbares universales Zentrum, und eine sichtbare einheitliche,
universale Verfassung, die alle Völker und Länder der Erde umspannt. Und doch
steht es für uns zweifelsfrei fest, daß die Ökumenizität der katholischen
Kirche keine originale ist, daß in ihr ein Teil für das Ganze ausgegeben wird
und nicht alle Potenzen aktualisiert werden. Augenblicklich wird stark
unterstrichen, daß Katholizismus nicht mit Latinität identisch, daß der
lateinische Ritus nur einer der katholischen, daß der orientalische der
katholischen Kirche organisch ebenso eigentümlich sei. Aber faktisch war die
katholische Kirche in der Geschichte lateinische Kirche, lateinischer Ritus,
lateinischer Geist. Der gesamte klassische Stil des Katholizismus ist von
lateinischem Geiste geschaffen. Nur die lateinische Messe, der lateinische
Ritus sind im Katholizismus organisch und können im Sinne des Kunstwerks als
ein Ganzes genommen werden. Der hl. Thomas von Aquin, für den Katholizismus so
zentral und maßgebend, ist ein lateinischer Geist, ein lateinischer Genius. Die
katholische Kirche ist ein künstlerisch vollkommenes Meisterwerk, eine der
vollendetsten Schöpfungen in der Weltgeschichte, aber eine Schöpfung des la-
[S. 8] teinischen Genius. Nicht nur auf der lateinischen Messe und dem
juridischen Bau der katholischen Kirche, sondern auch auf der Scholastik, der
katholischen Theologie und katholischen Mystik liegt das bestimmende Siegel der
Latinität. Der deutsche Katholizismus war stets ein eigenartiger und trug
weniger den Stempel des Lateinertums an sich, dafür war er aber auch weniger
klassisch und geriet nicht selten in Verdacht. Die deutsche Mystik erwies sich,
wiewohl sie zum bedeutenden Teil auch im Rahmen der katholischen Kirche blieb
(Eckehart, von Denifle (4) rehabilitiert, Tauler, Suso, Angelus Silesius),
stets als nicht wahrhaft katholisch und genoß in der katholischen Welt niemals
das Ansehen, welches die spanische (der hl. Johann Cresta [Johannes vom Kreuz,
H.M.K.], die hl. Therese) besaß. Die hervorragendsten deutschen katholischen
Theologen des 19. Jahrhunderts (nicht nur Möhler, sondern auch Scheeben)
unterschieden sich in ihrer Geistesrichtung sehr von den lateinischen: sie sind
weniger rationalistisch. Möhler, z.B. in seinem Buch "Die Einheit in der
Kirche", nähert sich stark der Orthodoxie (5). Zweifellos erhebt die
Latinität auch auf die Weltherrschaft Anspruch, wie es das römische Imperium
tat. Die Idee des zwangsweisen Universalismus ist eine römische Idee. Und ohne
Bedenken gibt sich das Lateinertum als Ökumenizität aus. Deren Potenzen werden
in der Latinität aktualisiert zur Begrifflichkeit. Das Zentrum der katholischen
Kirche blieb ein lateinisches, und das ist nicht zufällig. Doch im Widerspruch
zum katholischen ist für das ökumenische Bewußtsein die Kirche Christi nur in
einzelnen ihrer Bestandteile aktualisiert, bleibt dagegen in hohem Grade
potentiell und verborgen. Eine völlige Aktualisierung der Ökumenizität setzt
nicht nur eine Beseitigung der konfessionellen Trennungen innerhalb des
Christentums voraus, sondern auch das Übergreifen des letzteren auf die
nicht-christliche Welt, ihre Durchdringung vom Geiste Christi: Das orthodoxe
Bewußtsein kann voll und ganz anerkennen, daß die ökumenische Kirche nur zum Teil
aktualisiert sei, zum Teil sich aber in einem potentiellen und verborgenen
Zustande befinde. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß das orthodoxe
Bewußtsein sich die ökumenische Kirche als nicht leibhaft gestaltet und
unsichtbar vorstelle. Doch diese Sichtbarkeit und Fleischwerdung ist keine
völlige, [S. 9] keine vollendete. Für das katholische Bewußtsein ist es schwer,
diesem Gedanken Raum zu geben, und zwar infolge der aristotelisch-thomistischen
Auffassung von den Beziehungen zwischen Potenz und Akt. Von diesem
Gesichtspunkte aus liegt in der Potenz immer ein Minus gegenüber dem Akt, die
Potenz ist in bedeutendem Grade ein Nicht-Sein. In Gott gibt es keine Potenz,
Gott ist der reine Akt. Dieser Standpunkt verhält sich zur Potenz sehr
skeptisch, denn aus ihren Tiefen könnte ja eine neue, noch nicht dagewesene,
schöpferische Entwickelung kommen, die das einmal zur Norm gewordene System und
den ganzen Bau umstieße. Das katholische Bewußtsein stellt sich in der
Organisation seiner Kirche die Ökumenizität als völlig zur Wirklichkeit
geworden vor. Es geht nicht an, irgendetwas Neues zu erwarten, das eine größere
Fülle aus dem Verborgenen, Nicht-Offenbarten, Potentiellen erfaßt. Doch
außerhalb des thomistischen Gedankensystems ist die Behauptung statthaft, daß
die potentielle Ökumenizität tiefer und breiter, reicher an Möglichkeiten sei
als die aktualisierte. Die Kirche Christi ist nicht ein beendeter und
vollendeter Bau, in ihr werden ständig schöpferische Aufgaben gestellt, und
eine Bereicherung des Lebens der Kirche liegt im Gebiet des Möglichen. Die
Ökumenizität der Kirche ist in der Tiefe des Daseins gegeben und in
historischen Verkörperungen zur Aufgabe geworden. Jedoch kann die Ökumenizität
der Kirche nur durch eine bereits vollzogene partielle Aktualisation und
leibliche Gestaltung des in Rede stehenden Begriffes selbst zur Wirklichkeit
werden.
Der Protestantismus
repräsentiert seinerseits inbezug auf den Katholizismus den entgegengesetzten
Typus in der Auffassung von der Ökumenizität. Sichtbar existiert diese
in den protestantischen Kirchen überhaupt nicht. Die Ökumenizität bleibt
ungeschaut und unoffenbart. Das protestantische Bewußtsein verträgt sich mit
dem Dasein vieler Kirchen, d.h. – dem Wesen nach – zahlreicher christlicher
Gemeinschaften und empfindet keinen Schmerz ob einer einen und
sichtbaren ökumenischen Kirche. Die Ökumenizität wird durch eine Vielheit von
Kirchen realisiert, von denen auch nicht eine einzige auf Ökumenizität Anspruch
erhebt. Der Protestantismus ist bereit, auch die orthodoxe Kirche als eine
solcher vielen mit den ihr anhaftenden Eigentümlichkeiten anzuerkennen. Doch
dies Bewußtsein wird um den Preis einer Herabsetzung, ja, sogar völliger
Drangabe der Bedeutung der Dogmen und Sakramente in der Kirche erkauft, durch
eine [S. 10] Übertragung des Schwerpunktes ausschließlich auf die subjektive
Welt des Glaubens und der geistlichen Disposition. Die Protestanten streben zur
Einheit, zur Union der christlichen Welt, aber nicht zur Einheit der Kirche,
nicht zur einen ökumenischen Kirche. Und diese Direktive hat in unseren
Tagen auch ihre positive Seite, denn sie leistet einer Einigung der Christen
aller Bekenntnisse Hilfe, ihren lebendigen Wechselbeziehungen, und das ist für
den Katholiken stets mit Schwierigkeiten verknüpft. Das sehen wir an
zahlreichen Konferenzen und Tagungen, die von den Protestanten veranstaltet
werden, an der Hilfe, die den christlichen Bewegungen aller Länder seitens des
Christlichen Verbandes Junger Männer [Christian Young Men Association] und der
Universellen Christlichen Föderation erwiesen wird.