Neapel

 

Samstag, 28. September 1991

Ab Kevelaer 9.10 Uhr, Kilometerstand 52.013. Schönes Wetter.

12.00 Uhr in Katzenfurt. Es gab Dampfnudeln.

In Gemünden, bewölkt und etwas Regen.

Wir fahren nach Neapel über Untereschenbach und Obereschenbach.

n Bad Kissingen wollte ich einen Mitbruder besuchen, er war aber bis abends abwesend. Im Café wurde für 4,50 Mark „ein kleiner, ganzer, heißer Zwiebelkuchen“ angeboten, ich bestellte ihn, doch leider war er bereits ausverkauft.

Rothenburg ob der Tauber. Der Teil der Stadtmauer, der hoch über dem Tal lag, wurde von den Schneidern verteidigt, die allerdings ihre Tapferkeit nie unter Beweis stellen mußten. Es fand ein Volkslauf statt, der älteste Teilnehmer war siebzig Jahre alt. (Das ist doch kein Alter!) Judentanzhaus, erbaut 1613: Gärtchen des Rabbi Meir ben Baruch (um 1215 - 1293), welcher der bedeutendste Talmudgelehrte der Zeit war, Talmudschule mit 22 Zimmern. Nachdem er in Paris 1242 die öffentliche Verbrennung jüdischer Schriften erlebt hatte, verfaßte er ein Trauerlied. Er wirkte von 1245 bis 1276 in Rothenburg, wurde 1286 verhaftet, weil ihm zur Last gelegt worden war, zur Auswanderung ins Heilige Land aufgerufen zu haben, um der Unterdrückung zu entgehen; er starb im Gefängnis und ist begraben in Worms. Mikwe (rituelles Tauchbad) aus dem 15. Jahrhundert.

Illertissen, Schulbrüder, gegründet von Jean Baptist de La Salle (1651-1719), der 1679 eine erste Armenschule in Reims und die Kongregation 1684 gegründet hatte. Wir besuchten einen Bekannten, der im Würzburger Bibelkreis gewesen war.

In Füssen war ein Schild „Belegt“ an der Front der Pension angebracht. Mein Schwager betätigte dennoch die Türklingel. Die Besitzerin zeigte sich am Fenster des zweiten Stockwerkes, erkannte ihn und gewährte uns natürlich Obdach.

Abends feierten Eishockeyspieler aus Bayern und Kanada nach einer Begegnung. Die einen hatten mehr mit Geschicklichkeit, die anderen mehr mit Kraft gespielt. Einem war dreimal hintereinander die Nase durch den Aufprall des Pucks gebrochen worden. Es gab dunkles Pschorr-Bräu.

 

Sonntag, 29. September 1991, Fest des Erzengels Michael

Km 52.866. Neuschwanstein, weißes Märchenschloß König Ludwigs II. von Bayern (1845-1886), als Gegenstück zum bestehenden gelben Schloß Hohenschwarzgau erbaut.

In Füssen über die bayerisch-östereichische Grenze in Richtung Reutte, vorbei an der Tiroler Seite der Zugspitze (2.962 m), auf der es in der letzten Nacht geschneit hatte. Wir sahen deutlich die Schneefelder. Fernpaß 1.210 m,

Ötztal. Sechs Tage vorher, am 23.9.1991, war in den Ötztaler Alpen eine Mumie gefunden worden, die 5.300 Jahre alt ist. Er trug ein Kupferbeil, Bogen und Pfeile, einen Dolch aus Feuerstein und einen Glutbehälter. Wie durch ein Zeitfenster konnte hier in das Alltagsleben der Jungsteinzeit geblickt werden.

Buntbemalte Häuser, Almen, Kühe mit Glocken um den Hals, Bergbäche, die ins Tal stürzten. Timmelsjoch 2509 m. Es war nicht immer klar, ob das Verschwommene am Horizont Nebel, Regen oder Wolken waren. Jenseits der Paßhöhe wurde es schnell warm, sodaß der Pullover nicht mehr notwendig war.

Passeiertal, nördlich von Meran: Gedenkstätte des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer. Der Hof am Sand wurde 1270 erstmals erwähnt und 1664 an die Familie Hofer verkauft. Am 22.11.1767 wurde Andreas Hofer dort geboren und bewirtschaftete ihn ab 1789. Die Tiroler erkannten die Ergebnisse des Friedens von Schönbrunn (14.10.1809) nicht an und Andreas Hofer stand an der Spitze der Aufstandsbewegung. Er wurde am 20.2.1810 auf den Wällen Mantuas im Auftrag Napoleons standrechtlich erschossen. Sein Grab ist seit 1823 in der Hofkirche in Innsbruck.

Alte, aber noch standhafte Villen am Lago Maggiore.

Mit der Fähre ging es zum Lido in Venedig: starker Wind, tiefhängende Wolken, Lichtstrahlen brachen sich an ihren Rändern. Beim Hotel Hungaria war im Garten eine Parkmöglichkeit.

San Marco mit byzantinischen Mosaiken: Pantokrator, Propheten, Apostel, Evangelisten, Heilsgeschichte von der Weltschöpfung über den Auszug aus Ägypten bis zur Auferstehung und Himmelfahrt. Beim Dogenpalast eine Brücke, bei deren Überschreiten die Gefangenen einen letzten sospiro (Seufzer) ausstießen, ehe sie in den Bleikammern eingeschlossen wurden. (Vgl. Giacomo Casanova, Histoire de ma fuite des prisons de la République de Venise qu’on appelle les Plombs, Leipzig 1788).

Venedig war ein Zentrum des frühen Buchdrucks. Hier ließen die Armenier von San Lazzaro ihre liturgischen, biblischen und geschichtlichen Bücher drucken. Hier kam die editio princeps (Erstausgabe) des gedruckten Talmuds heraus. 60 % aller hebräischen Bibeltexte wurden in Venedig gedruckt. Griechische und römische Klassiker erschienen hier. Venedig war das Mekka der Humanisten.

Montag, 30. September 1991

Morgens Gewitter und starker Regen. Beim Frühstück Müllberge an Verpackung für Zwieback, Gebäck, Marmelade, Honig und Butter.

Auf der Insel Murano wurde aus einem großen Glastropfen ein Pferdekörper herausgeblasen, dann ein Bein nach dem anderen, leicht gedreht im Lauf, und die tänzelnden Hufe. Wasserstraßenlampen waren auf fünf Holzpfählen befestigt.

Burano: Bunt bemalte Häuser, Spitzenklöppelei, Kirche San Martini an der Piazza Galuppi mit schiefem Campanile, in der Kirche Kreuzigungsszene von Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770).

Torcello: Santa Maria Assunta, geweiht 639, byzantinische Mosaiken: Teufel versuchen vergeblich, mit Haken das Abwägen der Seelen zu ihren Gunsten zu entscheiden. Santa Fosca, 11. Jahrhundert, Zentralbau. Museum in einem Palazzo des 14. Jahrhunderts: Thron des Attila (wohl von einem Podestà oder Bischof). Ernest Miller Hemingway (1899-1961) jagte hier 1948 Enten und schrieb an seinem Roman: „Über den Fluß und in die Wälder“. 1954 war er mit seiner Frau Mary im Hotel (Locanda) Cipriani. Palazzo Grassi in Venedig,

Die grandiose Ausstellung „I Celti“ (Die Kelten): Sie wurden als die ersten Europäer dargestellt mit einer Einflußzone von Irland bis Kleinasien und von Zentraldeutschland bis Italien. Sie hätten einen Zusammenhang mit der La-Tène-Kultur (Fundort in der Schweiz, südöstlich von Espagnier am Neuenburgersee) und mit der Hallstattkultur (Fundort in Österreich, Salzkammergut, bei Bad Ischl / Gmunden, Oberösterreich) gehabt und seien politisch, kulturell und sprachlich geeint gewesen. Dies trifft aber nicht zu: Die Mannigfaltigkeit ist größer, als hier suggeriert wurde.

Verehrung des Heiligen Baumes. Druiden, Barden und Seher hatten einen hohen Rang. Köpfe und Gesichter in Metall: Größe, Distanz, Tragik. Doppelköpfe: die Vielschichtigkeit des Daseins, die Vereinigung der Gegensätze. Von Irland und Schottland aus wurde der Kontinent christianisiert.

Plakate in der Stadt fordern Freiheit für Venetien und Abschaffung des Zentralismus.

Im Hotel Des Bains wurde Thomas Manns Erzählung „Tod in Venedig“ verfilmt.

Hohe Wellen am Strand. Novemberstimmung, wenn es nicht so warm wäre.

Beim Laubhüttenfest (sukkōth) im venezianischen Ghetto, Sestiere Cannaregio, namengebend für alle Ghettos. Sorgen machten die zunehmenden Hakenkreuzschmierereien. Boris Nikolaevič El’cin (1931-2008, 1991-1999 erster Präsident Rußlands) sei ein Antisemit. Heute gibt es nur noch 400 Juden in Venedig. Der kleine David räumte inzwischen alle Schränke aus. Ein Amerikaner fragte, wie er die Schaufäden (ṣiṣīth) am Leibchen (ṭallīth qāṭān) tragen sollte. Große Synagoge (Scola grande tedesca, 1528/1529). Jüdisches Museum.

Dienstag, 1. Oktober 1991

Heute feierten wir den zwanzigsten Hochzeitstag meines Schwagers.

Km 53.366. Ravenna. Mausoleum der Galla Placidia (5. Jahrhundert): Der Gute Hirte (Typologie aus dem Orpheusmythos).  San Vitale (6. Jahrhundert), eucharistische Mosaiken: Abel und Melchisedek bringen Gaben dar, Abraham bewirtet die drei Engel (alttestamentliche Dreieinigkeit), Abraham ist bereit, Isaak zu opfern. Christus als Kosmokrator (Weltherrscher). Durch schräg gesetzte Mosaiksteinchen wird ein Effekt glitzernden Lichtes erzielt. Ursprüngliche, kraftvolle Bildaussage, künstlerische Blütezeit in Byzanz (Magna Graecia, das Große Griechenland in Süditalien).

Loreto: Nach der Niederlage der Kreuzfahrer überführte Nikephoros Angelos („Engel“) im Jahre 1294 das Marienheiligtum (Haus der Jungfrau Maria) von Trsat bei Rijeka hierher. Lauretanische Litanei, von Lorbeerhain oder vom Eigennamen Laureta.

Fahrt über die Abruzzen nach Tivoli. Villa Adriana, 118 bis 134 nach Christus erbaut, Alterssitz des römischen Kaisers Hadrian. Ihr Garten wurde Vorbild für barocke Gartenanlagen. Der Inselpavillon könnte den Orbis, den vom Weltmeer bespülten Erdkreis darstellen. Villa dʼEste, ehemals ein Benediktinerkloster, im 16. Jahrhundert umgebaut, Renaissancegarten. Lustige Spritzfontäne. In Tivoli Bagni roch es nach Schwefelbädern.

Mittwoch, 2. Oktober 1991

Km 54.112. Das Frühstück war sehr italienisch. Es wurde gewürzt durch edlen Schwefelgestank. Im Frühstücksraum fehlte eine Kachel der Wandverkleidung, ein Stück der Decke hing herunter und die elektrischen Leitungen durfte man sich nicht genau ansehen, jedenfalls waren sie nicht kindersicher.

Beim Hineinquälen nach Rom waren zwei Autos zu sehen, die dicht nebeneinander fuhren, damit sich Fahrer und Beifahrer in aller Ruhe unterhalten konnten. Wir parkten im Garten eines Schwesternkonvents und ließen den Wagen dort einige Tage stehen.

Ruhige Zeit an den Kaiserforen und am Petersplatz. Die Zahl 800 lässt sich leicht behalten: Kaiserkrönung Karls des Großen durch Papst Leo III.

Welche Sprache sprach Karl der Große, Französisch oder Deutsch? Weder noch. Sein Geburtsort lag im Rheingebiet und er sprach das Fränkische, das damals in Ostfrankreich verbreitet war. Das Altfränkische ist anders als das Altfranzösische, das eine ist eine germanische, das andere eine romanische Sprache.

Im Sekretariat des Orientalischen Institutes holte ich die prächtige Lizentiats-Urkunde ab. In meinem Zimmer packte ich die Bücherkartons und ging dann zum Hauptbahnhof (Stazione Termini). Dort wartete ich lange an einem Schalter, nur, um zu erfahren, daß dies der falsche Schalter war. Die Frachtgutabteilung war an der Außenseite des Bahnhofs. Dort besorgte ich mir viele verschiedene Formulare, jeweils mit einer schicklichen Wartezeit, füllte sie aus, und nun folgte der schwierigste Teil: Mein Schwager fuhr vor die Eingangstür des Russicums. Leider war dies eine schmale Straße und die Anzahl schrill hupender Autos vermehrte sich drastisch. Ich packte die Kartons in den Wagen und fort ging es zum Güterbahnhof. Dort luden wir die kostbare Fracht ab, die Kartons wurden gezählt, gewogen, eingepackt und plombiert, die Bezahlung geregelt, die Formulare abgestempelt und dann war ich frei.

Wir buchten eine Reise nach Neapel und sprengten damit unsere Reisekasse.

Sergio wurde benachrichtigt, daß für ihn ein Wäschekarton im Russicum abgegeben worden war. Abends trafen wir seine Frau und ihn im Restaurant und übergaben die Summe, die der Gründer der Gemeinde der heiligen Boris und Gleb ihm hatte zukommen lassen.

Donnerstag, 3. Oktober 1991

Morgens ging es mit dem Bus los nach Neapel. Neapolitanisch weist griechische, arabische, spanische und italienische Elemente auf. Die Basilika des heiligen Franziskus von Paola (1416-1507) wurde 1836 geweiht und ist dem Pantheon ähnlich. Palazzo Reale, Neubau 1620 abgeschlossen. Museum und Ausstellungsgebäude. Im östlichen Flügel des Schlosses befindet sich die Nationalbibliothek Neapel. Das Teatro San Carlo wurde 1735 als Anbau an den Palazzo Reale errichtet (3.300 Plätze). Das bekannteste Ausstellungsstück im archäologischen Nationalmuseum war das Alexandermosaik von 150-100 vor Christus. Der kühne Blick des Welteneroberers ist eindrucksvoll. In der Kirche San Fernando (1636-1655 erbaut) befindet sich das Deckenfresko (1695-1698) Triumph der Religion über die Häresie von Paolo de Matteis (1662-1728) mit den Heiligen Ignatius von Loyola, Franz Xaver, Francesco de Borgia und drei japanischen Martyrern sowie Mohammed mit dem Koran. Castel dell’ovo: Im 9. Jahrhundert als Hafenburg errichtet, heutige Gestalt aus dem 13. Jahrhundert. Borgo Santa Lucia (das gleichnamige Fischerlied wurde 1849 veröffentlicht). Maschio Angiono, Castelnuovo, Baubeginn 1279. Kameen- und Muschelwerkstatt.

Pompeji: Die Straßen hatten Zebrastreifen, große Steine erleichterten das Überqueren, um dem Straßenkot zu entgehen. Forum. Apollotempel: Vorgängerbau aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, heutiger Bau aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Basilika (2. Hälfte des 2. Jahrhunderts vor Christus, Rechtsprechung). Kurie. Rednertribüne (rostra). Kapitol, Jupitertempel aus der Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus.

Gibsabdrücke der Sterbenden: Sie bäumen sich auf, verfallen der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit. Goldschmiede. Haus der Vettier: Wunderbare Gemälde im Pompejirot. Brunnen, Hafen. Tempel der Isis (Ende des 2. Jahrhunderts), ägyptischer Kult: Muttergottheit, Zuflucht der Leidenden, Unterweltsgottheit, Überwinderin des Todes. Amphitheater, nach der römischen Eroberung (60 vor Christus) errichtet, 20.000 Plätze, Außentreppen. Vergnügungsviertel mit Zeichen gegen den bösen Blick und die Eifersucht. Einweihungsszenen im Haus der Mysterien.

Pompei: Basilika der Jungfrau des Rosenkranzes, Grundsteinlegung 1876, bedeutende Wallfahrtsstätte.

Sorrento, im 7. Jahrhundert vor Christus von den Phöniziern gegründet: Dom, in dem Torquato Tasso (1544-1595) getauft wurde (La Gerusalemme libarata). Griechisches Stadttor (474-420 beherrschten die Griechen diese Stadt).

Der Abend war wunderbar. Vom Blick auf den Golf von Neapel konnten wir uns kaum losreißen.

Freitag, 4. Oktober 1991

Am Feste des heiligen Franziskus von Assisi Festlaudes und Heilige Messe in der Kapuzinerkirche.

Fähre nach Marina Grande, mit der Standseilbahn nach Capri. Durch enge Gassen. Glockenturm mit Keramikuhr. Auf der Insel wird Weiß- und Rotwein erzeugt, aber das Trinkwasser muß vom Festland kommen. Von März bis Oktober kommen 3 Millionen Touristen. Fahrt auf den Monte Solaro (589 m), Blick auf die Inseln, das Festland und den Golf. Einsiedlerklause in Cetrella aus dem 15. Jahrhundert. Kartause (Certosa) aus dem 14. Jahrhundert. Die Blaue Grotte war wegen starken Windes geschlossen, aber es gab ein Guckloch. Die Phönizische Treppe verbindet Anacapri und Marina Grande. Palast und Bäder des Kaisers Tiberius (Villa Iovis). Sirenenfelsen (Odysseus). In halsbrecherischer Fahrt mit einem rechtsgelenkten Bedford-Cabrio den Berg hinunter nach Marina Grande, entsetztes Kreischen der Insassen, hinterher wurde erleichtert applaudiert. Rossa di sera / per tempo si spera.

Rückfahrt nach Rom. Beim Abendessen mit Bekannten gab es Schinken mit Feigen sowie drei Sorten Käse und Wein.

Samstag, 5. Oktober 1991

In der Kirche der Sapienza (Hochschule, gegründet 1303) steht über dem Altargemälde: Initium sapientiæ timor Domini (Der Beginn der Weisheit ist die Gottesfurcht; Ps 110,1; Eccl 1,16). Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet? (Mt 16,26).

Castel Gandolfo, von Kaiser Domitian erbaut, später Adelssitz der Gandolfi und danach der Savelli, seit dem 17. Jahrhundert Sommerresidenz der Päpste.

Im Gebiet der Villa Cybo befindet sich das Kongreßzentrum Mariapoli der Focolari-Bewegung. Stiftskirche des heiligen Thomas, Erzbischofs von Villanova OSA (1488-1555; 1658 kanonisiert), Kirchweihe 1661.

Der Albaner See wirkte vom Hügel aus schön, unten wurden der verschmutzte Strand und die vernachlässigten Gebäude sichtbar.

Sonntag, 6. Oktober 1991

Liturgie und Panichida für den am 23. September 1991 mit fünf Jahren verstorbenen Sascha aus Minsk, der durch das Kraftwerk Černobyl verstrahlt worden war. Ein Bild das er gemalt hatte, war aufgestellt: Das Kreuz, darüber links und rechts Engel wie Paradiesvögel, zu beiden Seiten des Kreuzes Johannes und Maria wie Sascha und seine Mutter. „Du mußt Dir vom Kreuz die Kraft holen“, hatte Claude bei der Krankensalbung zu ihm gesagt. Sascha hatte sich sehr gegen das Sterben gewehrt; er wollte schließlich Priester werden! Seine letzten Worte waren: не плачь (weine nicht).

Baptisterium von San Giovanni in Laterano, um 315 als Rundbau errichtet, 432-440 zu einem Oktogon umgebaut. Apsismosaik in der Laterankirche. Kreuzgang. Scala Santa. Kolosseum. San Clemente: Römische Gebäudereste des 1. bis 3. Jahrhunderts sowie Mithräum von 240, Basilika von 384 und Oberkirche ab 1108. Reliquien des heiligen Clemens I. kamen 867 nach Rom. Kyrill starb dort 869. Mit Method zusammen war er Lehrer der Slaven. Sie schufen das glagolitische Alphabet.

Montag, 7. Oktober 1991

Km 54.147. Siena. Campo, Platz der Pferderennen (Palio di Siena, zweimal jährlich). Im Dom war dunkelgrüner, rosa und weißer Marmor verbaut: Dreischiffige romanische Basilika (Langhaus ohne Gewölbe und Vierungskuppel), gotisches Gewölbe und mehrschiffiges Querhaus um 1260. Der Ausbruch der Pest verhinderte den Weiterbau. Fassade 1284-1297. Kosmaten-Fußboden 14. - 19. Jahrhundert: Sibyllen, Moses, Hermes Trismegistos, Sienesische Wölfin mit den säugenden Zwillingen Senius und Aschius, die legendären Gründer der Stadt Siena.. Geburtshaus der heiligen Katharina von Siena, Patronin Italiens.

Florenz. Ab 1531 herrschten die Medici absolutistisch in Florenz. Ihr Umzug in den Palazzo Vecchio (1299 erbaut) verdrängte die dort untergebrachte Verwaltung.

Drei Türen des Baptisteriums. Hier entstand die Renaissance, während Siena trotzig weiterhin gotisch baute. Im Florentiner Dom konnten 10.000 Menschen den Predigten des Dominikaners Savonarola zuhören. 1498 wurde er aus seinem Kloster San Marco herausgezerrt, gefoltert und auf dem Platz vor dem prächtigen Rathaus als Häretiker verbrannt. Niccolò di Bernardo dei Macchiavelli (1469-1527) war der Verfechter des Nützlichkeitsdenkens in der Politik, das sich von ethischen Erwägungen gelöst hatte.

Auf der Alten Brücke, Ponte Vecchio, gibt es seit 1593 Goldschmiedeläden. Eine Uhr für drei Millionen Lire wurde angeboten (300.000 DM).

Telephongespräch mit Vater: Er erholt sich langsam von seinem linkjsseitigen Schlaganfall. An die Wohnungstür hat er ein Schild gehängt: Pflegebereich.

Dienstag, 8. Oktober 1991

Die Uffizien (Büros), ursprünglich (1560) für die Unterbringung von Ämtern und Ministerien, beherbergen seit 1580 eine wachsende Zahl von Kunstwerken.

Botticelli, Die Geburt der Venus (der Frühling), zugleich die Geburt der Renaissance, der Blick ist verträumt. Nicht mehr Maria steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch.

Cranach, Adam und Eva; Rembrandt, Der Alte sowie zwei Selbstporträts (jung und alt); Caravaggio, melancholischer Bacchus, Opferung Isaaks (dieser schreit vor Entsetzen); Michelangelo, Die Heilige Familie; Tizian, Venus. El Greco, Johannes der Evangelist und Franziskus von Assisi.

Im 3. bis 1. Jahrhundert vor Christus entstand eine Venusstatue aus Bronze, deren römische Marmorkopie aus dem 2. Jahrhundert 1638 in der Villa Medici in Rom entdeckt wurde.

Km. 54.464 in Florenz und km 54.584 in Pisa. Der Schiefe Turm (torre pendente) hängt 5,20 m über. Dom Santa Maria Assunta, 1118, noch unvollendet, geweiht. Skulpturen, Domschatz, Fresken und Vorzeichnungen.

Genua: Bunte Häuser, Berge, das Meer. Katharina von Genua. Kathedrale San Lorenzo, 1118 geweiht. Genua war die erbitterte Rivalin von Venedig, daher war ihr Beiname La superba oder La dominante. Es ging um die Vorherrschaft im Handel und in der Macht.

Turin: Grabtuch Christi: Hoheitsvolles Antlitz; beeindruckend die Haltung, in welcher die Folter und die Hinrichtung ertragen wurde. Verehrte Pilgerstätte.

Das ägyptische Museum, Beginn der Sammlungen 1824, damit ist es das älteste Museum seiner Art. Nach Kairo ist es das zweitgrößte der Welt. Bedeutende Papyrussammlung (Totenbuch). Grabausstattung des Architekten Cha und seiner Frau Merit (18. Dynastie). Standbild Ramses II., Amun und Hathor. De dormitione Mariæ virginis (Papyruskodex Turin).

Don Bosco, Jugendseelsorger und Ordensgründer. Stadt der beginnenden Industrialisierung und der Einigung Italiens (Vittorio Emmanuele II und Cavour).

Fiatwerke. Autosalon (Museum): Im 15. Jahrhundert gab es einen Wagen, der mit Windkraft angetrieben wurde, im 18. Jahrhundert mit Dampfkraft und im 19. Jahrhundert mit Benzin oder Öl.

Die Stadt macht aufgrund der Bogengänge einen gediegenen Eindruck.

Mittwoch, 9. Oktober 1991

Km 54.921. Noch 104 km bis Mailand. Mein Schwager sagte: „Das sitzen wir auf einer Backe ab! – Dicke sind gemütlich, aber satt müssen sie sein!“ 313 beendete Kaiser Konstantin in Mailand die Christenverfolgung. Erstes achteckiges (oktogonales) Baptisterium der Christenheit. Ambrosius taufte hier im Jahre 387 Augustinus, dieser schaute das Licht der Auferstehung. Kapelle des Karl Borromäus, Erzbischofs von Mailand (1538-1584).

Pinacoteca di Brera: Caravaggio (1570-1610), Ruhe auf der Flucht nach Ägypten. Josef ruht erschöpft und sinnt im Dunkeln nach, Maria stillt im Schein einer Laterne das Kind, der Esel mit überlangen Ohren steht daneben. El Greco (Domenico Theodokopoulos, 1541-1614), St. Franziskus mit einem Totenschädel in der Hand, von oben ein erleuchtender Lichtstrahl, daneben ein Bruder mit gefalteten Händen. Rembrandt, Porträt der Schwester, sie blickt mit runden Augen in die Welt, der Mund ist geschlossen, die Kleidung hochgeschlossen, Unschuld, Weltgewandtheit und Verschlossenheit.

Coenaculum, Leonardo da Vinci, Abendmahl, die Jünger sind erschrocken: „Bin ich es?“ (Mk 14, 19) Frische Farben, aber hochrestauriert, da der Künstler experimente mit Farben und Untergrund gemacht hatte.

Oper, Teatro alla Scala, 1778 eröffnet.

Älteste überdachte Einkaufspassage der Welt (Galleria Vittorio Emmanuele II), 1865-1877 erbaut.

Vom Bergland aus Blick auf den glitzernden Comer See.

An Mautgebühr haben wir insgesamt, umgerechnet, 184, 39 Deutsche Mark bezahlt. Mein Schwager grummelte: „Wegelagerei!“

Donnerstag, 10.Oktober 1991

Km 55.170. Melide im Kanton Tessin am See von Lugano: Swissminiatur, im Verhältnis von 1 zu 25 sind die Sehenswürdigkeiten der Schweiz dargestellt, Eisenbahnen, Autos, Lastwagen, Motorräder, Seilbahnen und Schiffe.

Roveredo im Tessin, Einsiedelei von Gabriel Bunge.

Der Paß des heiligen Bernhards, 2066 m hoch. Gebirgsjäger-Übung: Das Echo der Schüsse brach sich vielfach in den Alpentälern.

Zillis, St. Martin, um 500 erbaut, 831 urkundlich erwähnt, romanischer Bau zwischen 1130 und 1140, gotischer Chor von 1509. Holzdecke um 1160 bemalt. Dies ist die älteste figürlich bemalte Holzdecke der abendländischen Kultur. (Die Decke von St. Michael in Hildesheim wurde Anfang des 13. Jahrhunderts bemalt.) 153 Einzelfelder, jeweils 0,90 Quadratmeter groß. Dargestellt ist das Leben Jesu Christi. In der Zeit zwischen den beiden Kreuzzügen von 1142 und 1189 gab es intensive Kontakte mit der Kunst des Orients.

Luzern: Verkehrshaus, zu Wasser, zu Lande und in der Luft. In einer „sinnlosen Maschine“ läuft eine Kugel viele verschlungene Pfade und setzt viele verborgenen Mechanismen in Gang.

Freitag, 11. Oktober 1991

Auf dieser Fahrt hatten wir 4.344 Kilometer zurückgelegt.

 

Neapel 1992

 

Montag, 29. Juni 1992 Apostelfürsten Petrus und Paulus

Um 6.00 Uhr stand ich auf, um 11.12 Uhr fuhr der Zug ab Recklinghausen Hauptbahnhof ab und um 18.11 Uhr kam ich in München an. Meine Reiselektüre half mir über die vielen Stunden hinweg; aber ich war doch ziemlich müde geworden. Im Bahnhofsviertel, das von vielen Türken bewohnt wurde, erholte ich mich etwas mit Nürnberger Rostbratwürstchen und Hofbräu.

Der folgende Zug fuhr um 20.30 Uhr in München ab, war um 22.59 Uhr am Brenner, um etwa vier Uhr in Bologna, circa sechs Uhr in Florenz, um 8.12 Uhr in Rom und um 10.40 Uhr in Neapel. Zur Mittagszeit kam ich in Pompeji an.

Dienstag, 30. Juni 1992

Villa dei misteri: Bilder zur Weihe der Brautleute an Dyonisos vor der Eheschließung. Der umhüllte φαλλός besänftigt die Energie, welche die zu schließende Ehe zerstören will.

Paestum: Bei den orientalischen Religionen standen die Götter im Mittelpunkt, bei den Griechen der Mensch. Sie stilisierten die Götter als Übermenschen und führten damit das anthropomorphe Element in die Götterwelt ein. Sie unterscheiden sich von den Menschen nur durch die Unsterblichkeit und ihre größere Kraft und Macht. Bei den Hebräern gibt es zwar anthropomorphe Züge: Gott zürnt und weint, aber er bleibt der ganz Andere, der Transzendente. Opfer werden bei den Griechen vor dem Tempel dargebracht, damit die Menschen am Kult teilnehmen können, während bei den Hebräern im Tempel geopfert wurde.

Beim Abendessen trank ich Lacryma Christi del Vesuvio. Es gab davon Weißwein und Rotwein, ich wählte den roten. Luzifer nahm bei seinem Sturz (Jes 14, 12) einen Zipfel des Himmels mit, den Golf von Neapel. Gott weinte über diesen Verlust und aus seinen Tränen entstand der Weinstock der Träne Christi.

Dio riconoscendo nel Golfo di Napoli un lembo di cielo strappato da Lucifero durante la caduta verso glʼinferi, pianse e laddove caddero le lacrime divine sorse la vite del Lacrima Christi.

Das klingt alles soweit recht gut, aber hier werden Gott und Christus gleichgesetzt. Das beklagt Martin Buber (1878-1965) in seinem Buch Zwei Glaubensweisen, Zürich 1950. Es ist ein Unterschied zu sagen, daß Jesus Christus wahrer Gott und Mensch ist, oder gedankenlos Gott und Christus in Aussagen wahllos gleichzusetzen.

Während ich abends im Hotelrestaurant aß und trank, beobachtete ich eine recht große Muräne, die in einem zu kleinen und ungepflegten Aquarium dahinvegetierte. Wann würde sie wohl in der Küche landen? Ich konnte den tristen Anblick nicht mehr ertragen, nahm meine Weinflasche und zog mich auf mein Zimmer zurück.

Mittwoch, 1. Juli 1992

Am frühen Morgen krähten die Hähne lang und ausdauernd.

Als ich nach Neapel fuhr, spannte ich die Strickjacke über meine Umhängetasche, um mich vor Dieben zu schützen, wurde deswegen von den Leuten seltsam angesehen, doch es war fast alles wie in Rom. Wenn man zügig durch die Straßen geht, geschieht nichts. Man darf nur nicht im Stadtplan studieren oder seine Tasche neben sich stellen, während man auf einer Bank Ansichtskarten schreibt.

Ich besuchte die Heilige Messe in der Wallfahrtskirche der Madonna vom Rosenkranz. Es wurde über die Nachfolge Christi gepredigt.

Die Piazza Garibaldi überquerte ich in weniger als zehn Minuten. Das war eine olympiareife Leistung!

Als ich im Hauptpostamt Neapels 26 Briefmarken für Ansichtskarten kaufen wollte, meinte der Angestellte, eine einzige würde doch auch genügen!

Im Dom Mariä Himmelfahrt betete ich in der Kapelle des heiligen Januarius zum Stadtpatron. In der Krypta waren seine Reliquien. Basilika (linke Seitenkapelle) der heiligen Restituta, im 4. Jahrhundert erbaut, mehrfach umgestaltet, mit Apsismosaik von 1322, geschaffen von Lello da Orvieto, Madonna mit Kind sowie der heilige Januarius und die heilige Restituta.

Im Baptisterium wunderschöne Mosaiken des 5. Jahrhunderts, die weniger byzantinisch beeinflußt sind als die von Ravenna. Hochzeit zu Kana, die Samariterin am Jakobsbrunnen, Christus auf dem Globus diktiert das Recht, er rettet Petrus aus Seenot, der wunderbare Fischfang, Hirsche an der Quelle, der Gute Hirte.

Im archäologischen Nationalmuseum das beeindruckende Pompeji-Rot. Trauerzug der Klagefrauen. Der Ephebe. Hahnenkampf. Alexandermosaik aus dem Ende des 2. Jahrhunderts: Darius ist waffenlos und bestürzt, Alexander schaut zielgerichtet, bereit, ein Weltreich aufzurichten. Memento mori.

Der Farnesische Stier sprengt fast den Raum. Er gehört zum Kern des Museumsbestandes, der Sammlung Farnese. Diese Skulptur wurde, stark verstümmelt, 1545 in den Caracallathermen entdeckt und seither ergänzt und aufwendig restauriert. Dargestellt wird die Bestrafung Dirkes. der Gattin König Lykosʼ, die ihre verwitwete Nichte Antiope gequält hatte. Deren Söhne Amphion und Zethos binden Dirke an einen wilden Stier.

Nationalmuseum von Capodimonte, Gemäldegalerie: Das Bild Caravaggios, Die Geißelung Christi, lebt vom Gegensatz zwischen Wut und Grausamkeit gegenüber der Sanftmut und Leidensbereitschaft Christi. Tizian, Danae. Cranach, Christus und die Ehebrecherin. Pieter Bruegel, Der Blindensturz: „Wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen; Mt 15, 14). Hier sind es gar sieben Blinde. Der Misanthrop: Einem Mönch schneidet Mundus die rote, herzförmige Börse ab. Im Porzellankabinett lustige Chinoiserien mit dreitausend Einzelteilen.

Galleria Umberto I: Diese große Einkaufspassage wurde 1887-1891 erbaut; die Kuppel ist 57 m hoch.

Cuma (Кύμη), gegründet 740 vor Christus: Aus griechischer Westkolonisation entstanden. Die seefahrenden Euböer wurden zu Ackerbauern. Grotte der Sybille. Zeustempel aus dem sechsten und Apollontempel aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert. Thermen und Amphitheater aus der Zeit des Augustus. An diesem Ort entstand das Visionswerk Der Hirte des Hermas. Schöner Blick auf den Golf von Neapel.

Pozzuoli, später Puteoli, Stink-Stadt wegen der nach Schwefel riechenden heißen Quellen, 531 vor Christus von griechischen Kolonisten aus Samos gegründet. Der Hafen war bedeutsam für das Römische Reich. Hier betrat der Apostel Paulus italischen Boden (Apg 28, 13).

Vor der Stazione Cumana sah ich eine Schlägerei von Straßenjungen. Zwei sprangen auf ein Auto, wieder herab und wieder hinauf, während sie aufeinander eindroschen. Andere Jungen mischten sich in den Streit mit ein. Einige Erwachsene riefen die Jungs zur Räson, doch die meisten standen passiv da und schauten nur zu oder in eine andere Richtung.

Donnerstag, 2. Juli 1992

Regen, böiger Wind und Gewitter. Der Hotelbesitzer sagte beim Frühstück: „Das Wetter ist durcheinandergeraten. Der Mensch denkt zuviel an sich selbst. Eines Tages sterben wir alle! Un collasso.“

Ischia: Castello Aragonese in Ischia Ponte. In der Krypta sind Fresken der Giotto-Schule aus dem 13. Jahrhundert. Eine barockisierte Kathedrale. 1809 belagerten britische Truppen unter französischem Kommando die Burg und zerstörten sie fast völlig durch Kanonenbeschuß. Ab 1823 wurde sie zu einem Gefängnis für lebenslang Verurteilte wieder aufgebaut und diente ab 1851 den Bourbonen als Haftanstalt für politische Gefangene des Risorgimento. 1860 löste Giuseppe Garibaldi das Gefängnis auf. Seit 1912 ist die Burg in Privatbesitz.

Lacco ameno (erfreulicher Stein) wegen des Felsens aus Tuffstein im Hafen. Nestorbecher von 730 vor Christus im archäologischen Museum mit einem Text aus Homer. Hier stehen wir am Beginn der Kultur des Abendlandes! Ausgrabungen unter der Kirche der heiligen Restituta von Afrika legten Reste der griechischen Stadt Pithekoussai frei: Brennöfen, eine Nekropole, Vasen, Statuen, Münzen und Skarabäen wurden gefunden. Hervorragende Metallverarbeitung. Amphoren für Wein und Öl.

Kathedrale Santa Maria Assunta: Ursprüngliche Kirche von 1388 Santa Maria della scala. Die Benennung kommt vom Aufbewahrungsort einer Marienikone neben einem Treppenaufgang in Rom, die durch Wunder bekannt wurde.  Als diese Kirche fast völlig verfallen war, wurde 1751/1752 das gegenwärtige Gebäude errichtet, das ab 1809 Kathedrale der Diözese Ischia wurde.

In einem Boot fuhr ich um die Insel, sah den Tufffelsen und den erloschenen Vulkan Epomeneo, 788 m hoch, dem die Insel ihre Entstehung verdankt. Hervorragende Ausblicke auf das Meer, die Steilküste, den Vulkan und die Kirchen der Insel. Die Südküste der Insel wirkte auf mich am meisten. Sie hat Ursprünglichkeit wie etwas weit Abgelegenes und Einsames.

Der Rückweg vom neapolitanischen Hafen Mergellina war wunderschön:

Vergils vermeintliches Grab, ein Kolumbarium aus augusteischer Zeit.

Villa Comunale aus dem 18./19. Jahrhundert, Statuen im Garten.

Castel dellʼOvo: Der Dichter Vergil soll in das Fundament ein Ei gesetzt haben mit der Bemerkung, die Stadt werde bestehen, solange das Ei unversehrt bleibe. Daher heißt dieses Gebäude Eierfestung. Es liegt in der Nähe des Hafens auf der Insel Megaride, die durch einen Steg mit dem Festland verbunden ist. Im 6. Jahrhundert vor Christus gründeten Griechen hier eine Kolonie. Im ersten vorchristlichen Jahrhundert wurde die Villa Castellum Lucullanum erbaut. Nach 488 begründete Eugippius ( nach 533) an dieser Stelle ein Kloster. Roger II. eroberte 1140 Neapel und errichtete hier eine erste Burg. Das heutige Erscheinungsbild geht auf die Zeit der Aragonesischen Herrschaft im 15. Jahrhundert zurück.

Im 7./6. vorchristlichen Jahrhundert entstand auf dem Hügel hinter dem Castel dellʼOvo eine griechische Siedlung mit dem Namen einer der homerischen Sirenen, die versuchten Odysseus zu betören, nämlich Parthenope. Um 500 vor Christus gründeten die Griechen östlich dieser alten Stadt (Palaepolis) eine neue Stadt: Neapolis. Sie befand sich auf dem Territorium der heutigen Altstadt Neapels. Ruinen von ihr finden sich unterhalb der Treppen von San Lorenzo Maggiore. Bis 1139 war Neapel Hauptstadt eines unabhängigen, mit Byzanz verbundenen, Herzogtums. Die Normannen integrierten die Stadt in ihr Königreich Sizilien mit der Hauptstadt Palermo. 1224 gründete Friedrich II. die erste nichtkirchliche Universität Europas in Neapel. Karl I. von Anjou verlegte seine Residenz von Palermo nach Neapel. Zu Beginn der Renaissance übernahmen die Aragonier die Herrschaft. Im Vorfrieden von Wien wurden 1735 Sizilien und Unteritalien den Bourbonen zugesprochen.

Die Basilika San Francesco di Paola, 1836 geweiht, ist das wichtigste Werk des Klassizismus in Neapel. Von der Form her erinnert sie an das Pantheon in Rom. 34 Säulen im korinthischen Stil tragen die 53 Meter hohe Hauptkuppel.

Palazzo Reale, 1600 bis 1620 errichtet. Zeit des Absolutismus.

Real Teatro di San Carlo, Baubeginn 1735, am 4. November 1737, dem Gedenktag des heiligen Karl Borromäus und dem Namenstag des Königs, eröffnet. Es verfügt über 3.300 Sitzplätze. Hier waren Uraufführungen von Rossinis Mose in Egitto, Donizettis Lucia di Lammermoor, Bellinis Bianca e Fernando.

Castel Nuovo, Baubeginn 1279. 1471 fertiggestellt, Einzug der Frührenaissance in Süditalien. In der Burgkapelle Reste von Fresken Giottos.

Triumphbogen, durch den Alfonso dʼAragona 1443 in Neapel einzog.

Freitag, 3. Juli 1992

Herculaneum: Deutlicher als in Pompeji, ist hier der Eindruck einer antiken Stadt wahrnehmbar. Das Sannitische Haus (insula V) stammt aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Am Oberlicht des Atriums befinden sich Tierköpfe. Der Korridor ist im ersten Stil gehalten: primitiv, einfach nur farbige Flächen. Im 2. und 3. Stil tritt die Perspektive und daher Plastizität hinzu. Beim 4. Stil gibt es eine Tendenz zum Abstrakten, nur noch Angedeuteten. Haus des Neptun: Das Sommertriclinium (Raum des dreiliegigen Speisesofas im Sommer) zeigt prachtvolle Mosaiken mit Neptun und Amphitrite, einer Meeresnymphe. Angebaut war ein Laden für Lebensmittel und Wein. Waren und Ladenausstattung blieben weitgehend erhalten. Das Haus der Hirsche (insula IV) gehörte einem freigelassenen Sklaven, der es repräsentativ ausbauen ließ. Es wirkt exklusiv, gleichsam modern. Ein Nutzgarten war vorhanden. In dessen Mitte stand die Skulptur eines Hirsches, die sich heute im archäologischen Nationalmuseum befindet. Die Veranda war verglast! Das Haus mit der hölzernen Trennwand hat Bronzebeschläge. Das Haus mit dem mosaizierten Atrium hat im Peristyl (Säulenhalle des Innenhofes) Fresken im 4. Stil in Rot.

In Ercolano ein lebendiger Markt mit Basarcharakter. Besonders die Fischstände sind anziehend und abstoßend zugleich.

Häufig ist das „Betteln mit Kind“.

Von der Spitze des Vesuvkegels aus waren die Ausgrabungsstätten in Pompeji und Herculaneum zu sehen. Es war möglich, zu Dreivierteln den Rand des Kraters zu umschreiten. Ein starker Wind herrschte. Ich zählte fünf Fumarolen (Dampfaustrittsstellen) im Kraterrand. Derzeit war es nicht möglich, den Krater innen hinunterzusteigen. Der schmale Weg, der am Kraterrand hinunterführte, war zwar stellenweise zu sehen, doch durch Abstürze von Material unterbrochen. Es gab schwarze, rostbraune, gelbe und rote Lava. Das Erdbeben im Jahre 1980 war nicht vulkanischen Ursprungs. Am Golf soll es fünf Vulkane geben. Bis in 600 Meter Höhe sind am Vesuv noch Häuser gebaut. Offensichtlich fühlen sich die Hausbesitzer sicher.

In der Dämmerung beobachtete ich am Golf Fledermäuse.

In Sorrent Blick auf den Vesuv und auf Ischia bei einem wunderschönen Sonnenuntergang. Leider ging es mir körperlich und seelisch nicht so gut. Die Anstrengungen der letzten Monate machten sich bemerkbar.

 

© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2023

Hauptseite