Die Orgel in der Oberkirche

 

 

Die früheste Musikerziehung geschah im Elternhaus. Es wurde viel gesungen, auch mehrstimmig improvisiert. Das bildete das Gehör und gab ein Gefühl für Harmonie. Die Grundbegriffe der Musik wurden auf diese Weise spielerisch und praktisch erlernt.

 

Es war damals nicht ohne weiteres möglich, das Orgelspiel zu erlernen. Zuerst erfolgte Unterricht im Harmoniumspiel. Verwendet wurde die Harmoniumschule von Heinrich Bungart, Köln 1904. Es galt, mit beiden Füßen gleichmäßig Wind im Blasebalg zu erzeugen, mit dem linken Knie den Registerschweller (Grand jeu) und mit dem rechten Knie den Lautstärkeregler (Crescendo) zu betätigen. Es konnten Register von 16 bis 2 Fuß gezogen werden. Es gab auch eine geteilte Klaviatur, sodass die rechte Hand die Melodie und die linke Hand die Begleitung spielte. Wichtig war es, legato (gebunden) zu spielen. Das war bei Doppelgriffen nicht ganz einfach.

 

Nach einem Jahr durfte das Pedalharmonium gespielt werden. Nun kam es darauf an, das Musizieren mit den Füßen zu erlernen. Die Windmaschine neben dem Instrument erzeugte die Luft, die durch die Metallzungen blies.

 

Dieses Instrument wurde leider ein Opfer des Vandalismus:

 

 

Darauf folgten einige Jahren Klavierspiel. Zuerst wurden Tonleitern in allen Dur- und Molltonarten geübt. Dann folgte die bei Kindern verhasste Schule der Geläufigkeit (op. 299) von Carl Czerny. Es waren geisttötende Übungen, die nur selten Wohlklang aufkommen ließen. Ein wenig glichen diese Übungen dem Lebertran, der auch ohne innere Einsicht hingenommen werden musste. Nach diesem Weg durch die Wüste ging es dann an die Sonatinen von Muzio Clementi (op. 36), die manchmal nur rein mechanisch abgeklimpert wurden. Es folgten die Leichten Etüden von Friedrich Burgmüller (op. 100). Nun öffnete sich das Portal für Scarlatti, Händel, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Chopin, Čajkovskij, Musorgskij, Dvořák, Grieg, Albéniz und Skrjabin.

 

Schließlich durfte zur Orgel gewechselt werden. Nach der Erarbeitung Alter Meister stand das Orgelbüchlein für anfahende Organisten auf dem Plan, das manchmal vertrackte Griffe hat. Parallel erfolgte Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunktik, Gehörschulung und Stimmbildung. Nach den Acht kleinen Präludien und Fugen ging auch hier das Himmelreich für die große Literatur auf: Buxtehude, Händel, Bach, Mendelssohn, Franck, Boëllmann, Brahms, Reger, Karg-Elert, Rheinberger, Widor, Langlais, Alain, Titelouze, Messiaen, Dupré, Liszt und Eben.

 

Steyler Chor 1960

 

P. Krömer mit dem Chor, der die Missa G-Dur, op. 80, von Max Filke (1855-1911) sang. Die Orgel spielte Klaus Cieplik, geboren am 1. Oktober 1941, der am 27. Juli 1964 in der Ötztaler Ache (Tirol) ertrank.

 

 

1888 baute die Firma Späth (88582 Mengen-Ennetach) eine Orgel in der Oberkirche des Missionshauses St. Michael in Steijl. Sie wurde im Jahre 1938 von der Bonner Orgelfirma Klais mit der Opuszahl 811 ausgebaut. Dieser Betrieb hatte unter anderem die Orgeln im Kölner, Frankfurter und Trierer Dom erbaut.

 

Steyler Orgel Oberkiche

 

 

Das zweimanualige Werk mit Hauptwerk, Schwellwerk und Pedalwerk umfasst 38 Register und ist von der Intonation her hochromantisch disponiert. Der Klang der Orgel wirkt räumlich. Sie verfügt über hoch zinnhaltige Pfeifen im Schwellwerk, die den Klang weich und ausgewogen werden lassen. Fünf Zungenstimmen, die von der Mensur und Stimmung her farbenreich und kräftig angelegt sind, bilden eine satte Klangbasis für romantische Orgelliteratur, die im akustisch ansprechenden Kirchenraum hervorragend klingt.

 

 

Spieltisch Steyler Orgel Oberkirche

 

 

Die Orgel hat elektropneumatische Traktur. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Elektrik und luftgefüllten Bleiröhrchen. Damit werden Registerschaltungen und die einzelnen Tonventile in der Orgel angesteuert. Es gibt Super- und Suboktav-Kopplungsmöglichkeiten für Manuale und Pedal. Es ist ein „Pedalakzent“ vorhanden, das heißt, die Pedalregister lassen sich auch auf dem unteren Hauptmanual spielen. Ein Quintregister erzeugt akustische 32′-Lage. Das Hauptwerk baut sich auf einem 16′-Nachthorngedackt auf. Zart intonierte Schwebungen (Vox cœlestis und Æoline), charakteristische Flötenstimmen in allen Werken und interessante Aliquotstimmen runden das Profil des beeindruckenden Werkes ab. Einige Register sind in der Balgkammer aufgestellt. Dies ermöglicht einen „Fernwerk-Effekt“; denn das Gehäuse dämmt gut den Klang. Diese Orgel steht in der niederrheinisch-niederländischen Orgelwelt einzigartig da.

 

 

Hauptwerk

Schwellwerk

Pedal

Spielhilfen

 

Nachthorngedackt 16'

Praestant 8'

Offenflöte 8'

Salicional 8'

Zartflöte 8'

Oktave 4'

Blockflöte 4'

Nasard 2 ⅔'

Flautino 2'

Mixtur 4fach

Krummhorn 8'

Oboe 8'

Tremolo I

 

Principal 8'

Rohrflöte 8'

Gamba 8'

Gemshorn 8'

Æoline 8'

Vox Cœlestis 8'

Geigenprincipal 4'

Rohrgedackt 4'

Querflöte 4'

Zartquinte 2 ⅔'

Waldflöte 2'

Sesquialter 2fach

Cymbel 3fach

Dulcian 16'

Trompete 8'

Tremolo II

 

Contrabass 16'

Subbass 16'

Salicetbass 16'

Zartbass 16'

Quintbass 10 ⅔'

Principalbass 8'

Flötenbass 8'

Choralbass 4'

Gedacktbass 4'

Pedalmixtur 3fach

Posaune 16'

 

II-I

Sub II-I

Super II-I

Super Manual I

Sub II

Super Manual II

I-P

II-P

Pedalaccent

MF

Tutti

 

Im Sommer und Herbst 2003 wurde sie von der Orgelbauwerkstatt Wilbrand-Köhnen aus Übach-Palenberg generalsaniert. Der Viersener Organist Jürgen Schröder hatte dies sowie die Einführung der Steyler Orgelkonzerte angeregt. Das Pfeifenmaterial wurde behutsam repariert, die Spielanlage technisch überarbeitet und das Gesamtwerk intoniert, entsprechend den klanghistorischen Quellen.

 

Bis 1930 waren in dem großen Radfenster an der Westfassade die neun Engelchöre sichtbar. Bei der Erweiterung der Orgel wurde die Rosette von außen zugemauert, um das Instrument vor dem meist feuchten Westwind zu schützen.

 

Vgl. Jürgen Schröder, Die große Klais-Orgel, in: Franziska Carolina Rehbein SSpS, Das Geheimnis der Liebe Gottes in der Symbolik der Oberkirche von St. Michael – Steyl, Steyler Quellen 5, Steyl 2007, 113f.

 

Zusammenstellung durch H.M.Knechten, Horneburg 2021

 

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