Mutter Marija Skobcova

Vasilij Zen'kovskij

 

Marija Skopcova

 

Ich traf Mutter Marija um 1928, als sie in der St.-Sergius-Kommunität und bei den Versammlungen unserer Bewegung erschien. Sie war damals noch keine Nonne, aber ihre religiöse Neigung war ganz offensichtlich. Ich spreche nicht über ihren inneren Zustand, sondern über ihr Interesse an der Theologie und der christlichen Weltanschauung.

Sie zog mit ihren Darlegungen unmittelbar die Aufmerksamkeit auf sich, und bald danach lud F.T.Pyanov (damals der Sekretär unserer Bewegung in Frankreich) sie ein, ihr Assistent für die Arbeit in den Provinzen zu werden. Frau Skobcova arbeitete in dieser Stellung drei Jahre lang, und dann musste sie diese aus Mangel an Geldmitteln für ihren Unterhalt verlassen. In dieser Zeit arbeitete Frau Skobcova besonders in Knutange (dem Zentrum der Metall-Industrie), in Lyon und in Nizza, wo sie wohnen und gläubige Seelen vereinigen konnte.

Frau Skobcovas materielle Situation war immer schwierig. Sie musste Sorge tragen für ihre schwache, ältere Mutter, die zur Arbeit unfähig war, und ihre 17jährige Tochter Gaiana von ihrem ersten Ehemann, D.Kuzmin-Karavaev. Ihr Sohn, Jura, lebte bei seinem Vater Skobcov. Dann verließ Frau Skobcova ihre Stellung, als der Sekretär der Bewegung ihre materielle Situation beträchtlich verschlechterte. Sie ließ sich in einem Dörfchen nicht weit von Grasse nieder, wo ich sie im Frühjahr 1932 besuchen konnte.

Etwa um 1933 wurde Frau Skobcova Nonne. Hier begann eine neue Periode in Mutter Marijas Leben. Sie entschloss sich, einen Aufenthaltsort für junge Mädchen zu eröffnen und stellte Verbindungen her zu Asya Obolenskaya, die später Mutter Blandina wurde. Beide wandten sich an mich, um mich zu bitten, mich bei den Katholiken zu verbürgen, von denen sie ein Haus auf der Sachs-Avenue gemietet hatten, und glücklich führte ich alle diese Arrangements aus und überwachte ihre Finanzen mit Hilfe der Frau Obolenskaya.

Aber die jungen Mädchen kamen nicht in Scharen zu Mutter Marija gelaufen, und sie akzeptierte zögernd Familien zusammen mit den jungen Frauen. In der einen oder anderen Weise wurde das Haus mit jungen Leuten gefüllt, und das Leben hier vibrierte. Frau Obolenskaya war die Buchhalterin, Mutter Marija führte den Haushalt, und ich kam einmal alle 10 oder 15 Tage, um die Dinge von der finanziellen Seite aus zu prüfen. Die Finanzen waren in einem gänzlich chaotischen Zustand, und sie wurden gezwungen, das teure Haus zu verlassen. Mutter Marija ging zur rue Lourmel, wo sie begann, eine Kirche zu gründen, und einige Jahre später, als F.T.Pyanov als Sekretär die Bewegung in Frankreich verließ, warb Mutter Marija ihn für ihr Projekt an.

So begann eine neue Organisation, "Orthodoxe Cause" [die Orthodoxe Aktion], wobei Mutter Marija Hausleiterin wurde und die Gesamtorganisation in den Händen von Pyanov lag. Sie zogen eine linksgerichtete Gruppe orthodoxer Intelligenz an: [Georgij] Fedotov, [Nikolaj] Berdjaev, gelegentlich [Konstantin] Mochulskij und [Ilja] Fundaminskij. Vom Beginn – um 1933 – feierte Archimandrit Kiprian [Kern], der unlängst auf den Lehrstuhl für Liturgie am Theologischen Institut berufen worden war, dort Gottesdienst. Jedoch zog er sich bei der ersten Gelegenheit zurück, da er nicht in der Lage war, mit der ganzen Atmosphäre in der rue Lourmel überein zu stimmen. Er wurde Rektor der Gemeinde in Clamart nach dem Tod von Michael Ossorguine. Der Nachfolger von Vater Kiprian war Vater Dimitrij Klepinin, der wegen seiner Verbindung zu Mutter Marija unter den Deutschen umkam.

Im Jahre 1943 wurde Mutter Marija gefangengenommen und von den Deutschen nach Buchenwald transportiert, so sie heldenhaft starb. Als ein individueller Mensch war Mutter Marija unsystematisch. Sie hatte viele verschiedene Begabungen, sie schrieb Dichtungen, malte, stickte und schrieb Ikonen. Sie hatte eine Gabe, mit den Menschen vertraut zu werden und so deren schwierige Seiten zu beeinflussen. Aber hinsichtlich ihres eigenen inneren Zustandes verhielt sich Mutter Marija kompliziert und ungeduldig. Trotz ihrer unbestrittenen Gesamtfähigkeiten und ihrer großen Empfindsamkeit war sie unfähig, etwas von größerer Bedeutung aufzubauen, und was immer bemerkenswert in der Orthodoxen Aktion war, entstand mit Hilfe von F.T.Pyanov. Mutter Marija war eine sehr interessierte Gesprächspartnerin. Ihr lebendiger Geist, ihre nicht unbedeutende Vertrautheit mit religiöser Philosophie machte jedes Gespräch mit ihr nicht nur sehr interessant, sondern fruchtbar. Aber da sie nicht systematisch dachte, war keiner ihrer brillianten Geistesblitze von bleibendem Wert.

Im religiösen Bereich gehörte sie zu dem Typus der christlichen Aktivisten. Die Tiefe der christlichen Lehre, eine asketische Bildung ihrer Seele, sogar die Liebe zum Glanz der Gottesdienste, nichts davon gehörte zu ihr. Sie entfernte sich von alledem. Aber sie hatte einen Überfluss an Mitleid für menschliches Elend, vielleicht sogar mehr als ihre Seele fassen konnte.

Selbst-Opfer war die Forderung ihrer Natur. Dies war ihre Askese. So stand sie in ihrem monastischen Leben niemandem nahe. Sie entfernte sich sogar von Mutter Blandina (Obolenskaya), mit der sie so gut zusammenarbeitete.

Anmerkungen von Klaus Bambauer

Diese Erinnerungen V.V.Zen'kovskijs sind entnommen dem Bakhmetiev Archiv in der "Rare Book and Manuscript Library" der Columbia-Universität, New York. Sie wurden veröffentlicht von der "Association of Russian-American Scholars". Übersetzungen erfolgten von Vr. Alvian Smirenskij und Klaus Bambauer.

Gemeint ist zu Anfang des Artikels die Russische Studentische Christliche Bewegung, die V.Zen'kovskij 1923 ins Leben gerufen hatte und bis zu seinem Tode 1962 leitete. Seit der Gründung dieser Bewegung arbeitete Elisabeth Skobcova in diesem Kreis mit. Auf der Tagung in Prešov (Tschechoslowakei), an der auch N.Berdjaev teilnahm, wurde sie als theologisch und philosophisch gebildete Frau in das Führungsgremium gewählt, wobei sich ihre Arbeit in Vortrags- und Fürsorgetätigkeit gliederte. In seiner philosophischen Autobiographie "Selbsterkenntnis", Darmstadt 1953, schreibt Berdjaev: "Die wesentlichsten [Beziehungen in der Emigration] waren wohl die mit der Nonne Marija, die in Deutschland in einem Konzentrationslager umgekommen ist. Ich halte Mutter Marija für eine der bedeutendsten Frauen der Emigration. In ihrem Leben, in ihrem Schicksal spiegelt sich gleichsam das Schicksal einer ganzen Epoche. Es waren an ihr Züge wahrzunehmen, die uns ungemein an den russischen heiligen Frauen fesseln: Weltoffenheit, das Verlangen, der Menschen Leiden zu lindern, Opferbereitschaft, Furchtlosigkeit" (a.a.O., S. 306). Mutter Marija wurde am 8. Dezember Jahre 1891 als Elisabeth Jurjevna Pilenka in einer aristokratischen Familie in Riga/Litauen geboren. In St. Petersburg besuchte sie ein Gymnasium und bestand mit 17 Jahren das Abitur. Anschließend sammelte die Gymnasiastin wissbegierige Arbeiter des Putilov-Werkes um sich, um sie zu unterrichten. Sie begeisterte sich für die Verse des Dichters Alexander Blok, dem das intelligente und hübsche Mädchen unter seinen Zuhörern auffiel, er unterhielt sich mit ihr und widmete ihr später sogar ein Gedicht. "Elisabeth, die damals gerade ihren Vater verloren hatte, blickte voll Verehrung zu Alexander Blok auf. Er war ein aufrichtiger und kluger Mensch, der ähnlich empfand wie sie selbst. Oft ging sie in dieser Zeit zu ihm, um sich auszusprechen und Rat zu holen; er aber unterrichtete sie, die gerade ihre ersten dichterischen Versuche machte, ihren Gedanken und Problemen in künstlerischer Form Ausdruck zu verleihen. Außerdem entdeckte er ihr außergewöhnliches Maltalent" (Eva-Marija Bachmann, Im anderen das Bild Gottes erkennen – Mutter Marijas Weg und Dienst außerhalb schützender Klostermauern, in: Stimme der Orthodoxie, 1986, Nr. 3, S. 32-37, hier S. 33, zit. Bachmann.). In ihrer Jugend, in der ihre Familie in Anapa, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, eine Kirche bauen ließ, schrieb sie Dichtung, die in literarischen Kreisen St. Petersburgs zirkulierte. Nach dem Abitur studierte Elisabeth an der St. Petersburger Universität Philosophie. Danach bildete sie sich extern an der Theologischen Akademie in St. Petersburg weiter. Während der Zeit der bevorstehenden Revolution schloss sie sich der sozialistischen-revolutionären Partei an, doch als die Bolschewiken die demokratische Regierung 1917 absetzten, verließ sie Russland in Richtung des Schwarzen Meeres. Dort heiratete sie einen anti-bolschewistischen Offizier und Rechtsanwalt Dimitrij Kusmin-Karaev und gebar zwei Kinder. Doch die Ehe sollte nicht allzu lange dauern. Ihr Mann ließ sich scheiden, konvertierte zur katholischen Kirche, wo er später katholischer Priester wurde. Bald darauf heiratete sie den zaristischen Offizier Skobcov und verließ gemeinsam mit ihrer Familie die Heimat. Die übereilt geschlossene Ehe zerbrach.  Im Jahre 1923, von der Verhaftung bedroht, schloss sie sich den Emigranten an und kam nach Frankreich. Hier hatte sie zwei Kinder und erwartete das dritte. In Paris wurde ihr Sohn Jurij in Sicherheit geboren, aber ihr zweites Kind Anastasia verstarb an Hirnhautentzündung, eine Tragödie, die eine tiefe Konversion hervorrief. Sie hat dieses Ereignis in Worte gefasst: "Es öffneten sich plötzlich Türen in die Ewigkeit. Das ganze natürliche Leben war erschüttert worden. Es hatte seine Zusammenhänge verloren, ...alle Hoffnungen, Pläne...wurden begraben. Der Sinn des Lebens?...Alles muss neu überprüft werden. Menschen nennen dies eine Heimsuchung Gottes. Gott enthüllt plötzlich die wahre Natur der Dinge. Wir sehen, dass die ganze Schöpfung sterblich ist. Aber gleichzeitig erkennen wir den lebenspendenden, feurigen, alldurchdringenden Tröster, den Heiligen Geist...Das Licht der Ewigkeit kann auch durch die alltäglichen Beschäftigungen hindurchscheinen, wenn der Mensch nicht vor sich selbst wegläuft, sein erschreckendes Schicksal nicht von sich weist...Sein eigenes Kreuz muss er freiwillig auf seine Schultern nehmen" (Bachmann, S. 34). Zwölf Jahre nach dem Tod dieses Kindes starb auch die zweite Tochter Gaiana an Typhus. Sie erhob sich aus ihrer Trauer mit einem Entschluss, "ein authentischeres und gereinigtes Leben" zu suchen. Sie fühlte mütterliche Liebe zu allen, die ihre Fürsorge und ihren Beistand brauchten. Ihr Bischof drängte sie, Nonne zu werden. Doch sie tat diesen Schritt nur mit seiner Versicherung, dass sie frei sein könnte, einen neuen Typ von Mönchtum zu entwickeln, der sich in der Welt engagierte. Im Jahre 1932 empfing sie die monastische Weihe und den Namen Mutter Marija. Metropolit Eulogij gab ihr das neue Gewand. Sie durfte Missionsreisen durch Frankreich unternehmen und Ansprachen bei Gottesdiensten halten. "Anderthalb Jahre lebte sie so zurückgezogen vom Getriebe der Welt und übte sich in die klösterliche Lebensweise ein. Auch durfte sie eine Zeitlang als Gast in einem russischen orthodoxen Kloster in Lettland weilen. In dieser Zeit der inneren Reife wurde sie sich darüber klar, wie ihr Weg als Nonne aussehen sollte. Solidarität mit den Ärmsten der Armen wollte sie üben, damit ihr Amtsgelübde nicht unglaubwürdig sei" (Bachmann, S. 32). Da sie – mit Genehmigung des Metropoliten – die monastische Klausur ablehnte, mietete sie ein Haus in Paris mit genügend Platz für eine Kapelle. Ihr Haus wurde ein Zentrum nicht nur für die Werke der Barmherzigkeit, sondern auch für den Dialog. Führende Intellektuelle von Paris diskutierten dort die Beziehung zwischen Glauben und sozialen Tagesfragen. Aus diesen Diskussionen wurde eine neue Bewegung geboren: die Orthodoxe Aktion. Ihr Beichtvater, Vater Dimitrij Klepinin und ihr Sohn, Jurij, taten alles, was in ihrer Macht stand, den Juden und anderen, die von den Nazis gesucht wurden, beizustehen.  Ihre Sozialarbeit bestand in folgenden Aktivitäten: "Das 'neue' Kloster stand in der ärmsten Gegend von Paris. Sehr viele Menschen dort konnten sich nie eine warme Mahlzeit leisten. Schwester Marijas schöpferische Phantasie fand auch hier eine Möglichkeit. Sie organisierte in ihrem Hause eine Volksküche, in der sie an diese armen Leute ein Mittagessen verteilte zu einem denkbar geringen Selbstkostenpreis; denn auch die Lebensmittel erstand sie auf eine ungewöhnliche Weise. Jeden Tag zog sie mit einem Leiterwagen und einem Sack auf dem Rücken kurz vor Ladenschluss zu den Markthallen von Paris. Dort gab man ihr für ein paar Pfennige, manchmal auch umsonst, alles, was sich am nächsten Tag kaum noch verkaufen ließ: angewelktes Gemüse, überreifes Obst, Fisch, manchmal auch ein Stück Fleisch. Mit ihren Schätzen zurückgekehrt, machte sie sich selbst ans Kochen. Barfuß stand sie am Herd, ihr Nonnengewand hochgeschürzt, sah sie aus wie eine russische Bäuerin, nichts erinnerte an ihren geistlichen Stand. Dennoch ging sie nicht völlig in der hauswirtschaftlichen und caritativen Arbeit auf. Gerade in dieser Zeit malte sie Ikonen für die Kirche und stickte liturgische Gewänder; aber vor allem war sie literarisch tätig. Niemand weiß, wie sie das alles schaffte. In ihr brannte die Leidenschaft, die Flamme der Liebe zu Gott und den Menschen, dies ließ sie ihre natürliche Müdigkeit vergessen und schier Unmögliches bewältigen" (Bachmann, S. 36). "Beim Einmarsch der deutschen Armee begann schlagartig die Judenverfolgung. Juden durften nur eine Stunde am Tag einkaufen, das Betreten öffentlicher Plätze und Parks war ihnen verboten. Es kam zu Massenverhaftungen. Allein am 15. Juli wurden in Paris 3000 Juden abgeholt. Nach fünf Tagen trennte man die Kinder von ihren Eltern, um sie gesondert in deutsche Vernichtungslager zu transportieren. Mutter Marija und ihre Freunde reagierten sehr schnell. Sie organisierten Fluchtmöglichkeiten und Verstecke für Juden. Solange die jüdischen Kinder noch in Paris waren, nahm Marija eine Stelle als Reinigungskraft in einem dieser 'Kinderheime' an, und es gelang ihr, vier der kleinsten in Mülleimern aus dem Haus zu schmuggeln" (Bachmann, S. 37).

Aus einer anderen Quelle erfahren wir: Während der gefährlichen Tage des Juli 1942, als Tausende von Juden im Velodrome d’Hiver zusammengetrieben wurden, gelang es Mutter Marija, beim Durchqueren des Sportstadions und, begleitet von Abfallsammlern, jüdische Kinder in Abfallbehältern heraus zu schmuggeln. So stand sie unter Gestapo-Beobachtung. Mutter Marija setzte ihre Arbeit zugunsten der Juden fort. Aufzugeben stand außerhalb der Diskussion, sagte sie zu Freunden. Am 8. oder 9. Februar 1943 wurden sie und Vater Dimitrij, die bei der Gestapo als gefährliche Kommunisten galten, verhaftet. Sie gab sofort den helfenden Einsatz für Juden, die der Verfolgung entgehen wollten, zu – es war nicht mehr als ihre christliche Pflicht. Als Vater Dimitrij zum Verhör hineingebracht wurde, entschied sich der Gestapo-Agent namens Hoffmann zunächst für eine vermittelnde Annäherung, wie der folgende Dialog bezeugt. Hoffmann: Wenn wir Sie freilassen, werden Sie ein Versprechen abgeben, niemals wieder Juden zu helfen? Klepinin: Ich kann dies nicht sagen. Ich bin Christ und muss handeln wie ich muss (Hoffmann schlug Klepinin ins Gesicht). Hoffmann: Judenliebhaber! Wie wagen Sie es, über Hilfe gegenüber diesen Schweinen zu sprechen als sei es christliche Pflicht! (Klepinin gewinnt seine Balance wieder und hält das Kreuz seiner Soutane.) Klepinin: Kennen Sie diesen Juden? (Dafür wurde Vater Klepinin zu Boden geschlagen).

Er, Mutter Marija und ihr Sohn Jurij wurden nach Compiègne gebracht, wo Vater Dimitrij täglich die Liturgie zelebrierte und begann, Jurij zur Ordination vorzubereiten. "Als Jura (Jurij) verhaftet wurde, konnte er seiner Mutter noch zurufen: "Hab Dank, Mutti! Ich bin stolz darauf, dass ich an deinem Werk Anteil hatte!" Dann wurde er ins Polizeiauto gezerrt und nach Buchenwald ins Konzentrationslager gebracht, wo er sehr schnell an Entkräftung starb" (Bachmann, S. 37). In das bekannte Ravensbrück-Frauenkonzentrationslager nördlich von Berlin transportiert, wo sie dem Block der Französinnen unter der Häftlingsnummer 19263 zugeteilt wurde, versuchte Mutter Marija bis zum Kriegsende zu überleben, während sie für die Körper und Seelen ihrer Mitgefangenen Sorge trug. Sie arbeitete hier in einer Strickwarenfabrik. Eine ehemalige Mitgefangene berichtete später: "Wenn wir abends zu Tode erschöpft von der Arbeit heimkehrten, setzte sie sich auf die Matraze und begann eine regelrechte Zirkelarbeit. Sie bildete eine Oase in dieser schrecklichen Umgebung. Marija erzählte uns von ihrer Kirche, ihrem Kloster, von der ökumenischen Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Orthodoxen, von ihrer Arbeit in Frankreich, von Gott, dem Sinn des Lebens...Wir befragten sie über die Geschichte Russlands und die Zukunft dieses Landes, über den Kommunismus...Wir meditierten und beteten. Schwester Marija vertiefte unser Wissen über die Heilige Schrift...Diese Diskussionen und geistlichen Gespräche waren für uns ein Schritt aus der uns umgebenden Hölle in einen Bereich des Friedens, der Geborgenheit, der Liebe" (Bachmann, S. 37). Am Karfreitag, 31. März 1945, als das Gewehrfeuer der nahenden russischen Truppen in der Ferne hörbar war, nahm Mutter Marija den Platz einer jüdischen Gefangenen ein, die in die Gaskammer geschickt werden sollte und starb an ihrer Stelle. Über die näheren Umstände erfahren wir: "Eines Tages sortierte die Lagerleitung eine junge Mutter für das Jugendlager aus. Irgendwo außerhalb lebte ihr kleines Kind, das auf sie wartete. Vor Entsetzen über ihren sicheren Tod brach sie in Tränen aus. Da tauschte Schwester Marija mit der Gefährtin unauffällig den Platz und reihte sich selbst in die Gruppe der Todgeweihten ein" (Bachmann, S. 37).

Sie hat uns die Worte hinterlassen: "Der Weg zu Gott führt über die Liebe zum Menschen – es gibt keinen anderen Weg. Beim jüngsten Gericht wird man nicht fragen, ob ich in meinen asketischen Übungen erfolgreich gewesen bin..., man wird mich fragen, ob ich die Hungrigen gespeist, die Nackten bekleidet, die Kranken und die Gefangenen besucht habe – nur danach wird man mich fragen. Der Heiland sagt von jedem armen, kranken, hungrigen, gefangenen Menschen: ‚Ich bin es’. ‚Ich war hungrig und durstig, ich war krank und im Gefängnis’. Wenn man bedenkt, dass Er Sich mit jedem Menschen identifiziert, der in Not ist! Ich habe es immer gewusst, aber gerade jetzt erlebe ich es in voller Schärfe. Es ist furchterregend" (vgl. Bachmann, S. 36). "Ihr letztes Vermächtnis ist ein Gebet, das sie kurz vor ihrem Tode auf ein Stück Packpapier schrieb: "O Herr, gedenke nicht nur der Menschen guten Willens, sondern auch der Menschen bösen Willens. Und gedenke nicht nur aller Leiden, die sie über uns gebracht haben, sondern gedenke auch der Früchte, die wir dank dieser Leiden getragen haben: unsere Kameradschaft, unsere Loyalität, unsere Demut, unseren Mut, unsere Großherzigkeit. Gedenke der Größe des Herzens, die daraus erwuchs. Und wenn wir vor das Jüngste Gericht treten, so lass all die Früchte, die wir getragen haben, ihnen die Vergebung erlangen. Amen" (Bachmann, S. 37).

Bibliographie

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