Die Grundhaltung der Liturgie
Heinrich Michael Knechten
In Notzeiten oder als Ausdruck
monastischer Spiritualität wird die Liturgie manchmal in einer einfachen Form
begangen, die an jenes Abendmahl erinnert, welches Jesus Christus mit Seinen
Jüngern in einem Obergemach Jerusalems hielt (vgl. Mk 14,15).
Üblicherweise aber wird die
Byzantinische Liturgie so gefeiert, dass die Schönheit der himmlischen
Wohnungen ahnbar wird. Heilige Ikonen, Gewänder, Weihrauch, Gesang, liturgische
Dichtung und kirchliche Architektur machen das Mysterium sichtbar, hörbar und
begreifbar.
1. Einige Einwände
Hier soll zunächst e contrario
ausgegangen werden, also von Einwänden, die ab und an erhoben werden.
In der Byzantinischen Liturgie
sind die Menschen passiv
Das Gegenteil ist der Fall! Beim
Großen Einzug heißt es:
"Wir, die wir mystisch die
Cherubim darstellen und der lebendigmachenden Dreieinigkeit als Loblied das
dreimalige 'Heilig' singen, legen nun alle Sorgen des Lebens ab."
Nicht nur einige, sondern alle
("wir") stellen die Cherubim dar. Die Szene ist der Berufungsvision
des Propheten Isaias entnommen (Is 7; vgl. Ez 10). Die Engel rufen vor dem
Throne Gottes: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr Sabaoth, alle Lande
sind Seiner Ehre voll!"
Alle Gläubigen feiern zusammen
mit den Engeln die Göttliche Liturgie! Gibt es eine höhere Aufgabe?
"Liturgie" bedeutet ja öffentlicher Dienst der ganzen Gemeinschaft.
Die Byzantinische Liturgie ist
zu lang
Dazu lässt sich sagen: Bei einer
"Feier", welche nur kurz dauert, kann keine Stimmung aufkommen. Zudem
geht diese Kritik am Wesen des Menschen vorbei. Der rumänische Theologe Dumitru
Staniloae spricht von der verwandelnden Kraft der Eucharistie. Jeder, der mit
Erziehung (auch mit Selbsterziehung!) zu tun hat, weiß aber, dass eine Umwandlung
des Menschen Zeit erfordert, sehr viel Zeit sogar. Am Schluss der Liturgie wird
gesungen:
"Gesehen haben wir das wahre
Licht, Geist vom Himmel empfangen, den rechten Glauben haben wir gefunden, die
ungeteilte Dreieinigkeit beten wir an; denn sie hat uns erlöst."
Hier werden die Wirkungen der
Liturgie genannt: Schau des Taborlichtes (vgl. Lk 9,29.32), Empfang des
Heiligen Geistes ("Pfingsten"), Finden des rechten Glaubens. Wer kann
von sich sagen, dass all dies schon zur Vollendung gekommen wäre? Braucht es da
nicht Zeit?
Die Byzantinische Liturgie
spiegelt eine heile Welt vor
In der Byzantinischen Liturgie
werden "wieder und wieder" Fürbitten für die unheile Welt
ausgesprochen. Alle Nöte, Gefahren und Abhängigkeiten dieser Erde kommen in ihr
vor: Krieg und Gewalt, Unfrieden, Missernte und Hungersnot, Gefährdung der
Reisenden, Krankheiten und Leiden aller Art, Trübsal, Zorn, Schuldgefühle.
Gebetet wird für "alle und alles". Auch die Verstorbenen werden nicht
vergessen. Gerade sie sind im Gebet immer wieder gegenwärtig.
Die Byzantinische Liturgie ist
starr und leblos
Hier zeigt sich ein Mentalitätsunterschied. Manche Menschen akzeptieren nur, was ihnen neu, interessant und abwechslungsreich erscheint. Die Frage sei aber gestattet: Können Unterhaltungskünstler eine solche Erwartungshaltung nicht besser erfüllen als ein Gottesdienst? Kann es andererseits nicht vorkommen, dass eine "Veranstaltung zum Zeitvertreib" schal erscheint, weil sie an den tiefsten Bedürfnissen des Menschen vorbeigeht? Ständiger Wechsel ermüdet, während der Mensch Glück empfindet, wenn er Bekanntes erleben kann, wenn er an einem Ritual teilnehmen darf, das alle Bereiche des Lebens und der religiösen Welt berührt.
Überlieferung im positiven Sinne bedeutet Verbindung mit dem Ursprung durch den Glauben, der von Generation zu Generation
weitergegeben wird. Byzantinische Liturgie preist Gott in Formen, welche auf
die hll. Johannes Chrysostomos und Basilius den Großen zurückgehen. Zugleich
ist darauf hinzuweisen, dass die heutige Liturgieform in vielen Jahrhunderten
langsam gewachsen ist. Es handelt sich um eine lebendige Liturgie, die Sinn hat
für das ausgewogene Ganze.
2. Zur Deutung der Liturgie
Nach der Besprechung einiger Einwände
nun zur Frage: Was ist das Ziel der Byzantinischen Liturgie? In ihr geht
es um die Erkenntnis, die Schau Gottes, die Verklärung, Vergöttlichung des
Menschen. Kurz gesagt: In der Liturgie kommt der Mensch Gott näher. Nicht das
Wort, die Predigt, steht im Mittelpunkt Byzantinischer Liturgie (obwohl es
einen Johannes Chrysostomos gegeben hat), sondern das Mysterium, das Drama der
Erlösung des Menschen durch Gott, das Mithandeln und Miterleben der Liturgie,
mit dem Ziel der Vergöttlichung.
Das Auffälligste im Kirchenraum
sind die heiligen Ikonen: Der Gläubige fühlt sich von ihnen erwartet,
schon bevor er das Heiligtum betritt. Er weiß sich angenommen, wenn er danach die
Augen Christi und der Heiligen auf sich gerichtet sieht. Dies erleichtert ihm
die Sammlung, das Beten und das Vertrauen zu Gott. Er geht von Ikone zu Ikone,
verweilt bei "seinen" Heiligen, stellt sich erneut unter ihren
Schutz, vertraut sich ihnen an, trägt seine Nöte zu ihnen hin. Der einzelne
Mensch stellt sich damit bewusst in die Gemeinschaft der Heiligen.
"Herr, erbarme Dich":
Dieses Gebet durchzieht die ganze Liturgie. Alle, auch die Geistlichen, wenden
sich zu Gott, verneigen sich, bekreuzigen sich. Alle sind sich ihrer
Sündhaftigkeit, ihrer Fehler bewusst.
Hat dies aber eine Auswirkung auf
den Alltag? In der heiligen Osternacht heißt es: "Lasset uns 'Bruder'
sagen auch denen, die uns hassen; lasset uns alles verzeihen um der
Auferstehung willen". Diese "Allverzeihung", ein typisches
Merkmal russischer Spiritualität, findet ihren Ausdruck im dreimaligen Osterkuss.
Nun sollen einige Betrachtungen
zur Göttlichen Liturgie folgen, die sich an Ausführungen des Schriftstellers Nikolaj
V.Gogol' anschließen.
Die heilige Handlung beginnt mit der
Zurüstung des zum Gottesdienst Erforderlichen: Aus den Gaben, den Prosphoren,
wird jenes Brot ausgeschnitten, das zunächst den Leib Christi versinnbildlicht,
danach aber in diesen verwandelt wird. Die Kirche will zugleich an die ersten
Lebensjahre Christi erinnern, welche die Vorbereitung zu Seiner späteren
Wirksamkeit bildeten. Die Proskomidie wird im Altarraum bei
geschlossenen Türen, zugezogenem Vorhang und der Gemeinde verborgen vollzogen -
wie ja auch die ersten Lebensjahre Christi im Verborgenen vergingen, vom Volk
nicht beachtet.
Der Priester nimmt eine der Prosphoren, um
diesem Brot den mittleren Teil zu entnehmen, der mit dem Namen Jesu Christi
geprägt ist. Hierdurch wird die Menschwerdung Christi aus der Jungfrau
versinnbildlicht. So denkt der Priester an die Geburt dessen, der sich der
ganzen Welt zum Opfer hingab. Er sieht in diesem Brot gleichsam das Lamm, das
zum Opfer gebracht wird. Das Messer, mit dem er das mittlere Brotstück
herausschneidet, hat die Form eines Speeres und erinnert damit an die Lanze,
mit der am Kreuze der Körper des Erlösers durchbohrt wurde.
Der Diakon gießt Wein und Wasser in den
Kelch. Hierauf nimmt der Priester, wie es dem alten heiligen Brauch und der
Ordnung der Urkirche entspricht, von den anderen Prosphoren Teile heraus zur
Erinnerung an diejenigen, die Christi Herzen nah waren durch die Erfüllung der
Gebote und die Heiligkeit ihres Lebens. Er legt diese auf den Diskos, in die
Nähe des zentralen Teils, der Christus versinnbildlicht, damit die Heiligen
gleichsam demjenigen immer nahe seien, dessen Nähe sie allezeit gesucht haben.
All dieses vollzieht der Priester im Gedenken an die Zeit der Geburt Christi.
Er setzt damit die Vergangenheit gegenwärtig.
Der folgende Teil der Liturgie entspricht dem
Leben Christi in der Welt inmitten der Menschen, denen Er in aller Öffentlichkeit
das Wort der Wahrheit verkündete. In der ersten Zeit des Christentums waren
auch jene zu diesem Teil der Liturgie zugelassen, die sich darauf
vorbereiteten, Christen zu werden, die also die Taufe noch nicht empfangen
hatten und der Zahl der Katechumenen angehörten. Hier geht es ja um
Verkündigung: Der Lektor liest aus dem Brief eines heiligen Apostels, der
Diakon verkündet das Heilige Evangelium.
Beim Kleinen Einzug blicken die
Gläubigen auf das Evangeliar wie auf den Erlöser selbst, als Er den Weg Seines
Predigens begann. Der Priester betet darum, dass das Licht der Gotteserkenntnis
in unserem Herzen aufstrahle und dass unsere geistigen Augen sich öffnen zum
Verständnis der Verkündigung des Evangeliums. Um das Leuchten dieses Lichtes
betet innerlich auch die Versammlung der Betenden, indem sie sich auf das Hören
vorbereitet. Jeder Gläubige ist bestrebt, zugleich Hörer und Vollbringer des
Wortes zu sein, der vom Erlöser mit einem weisen Menschen verglichen wird,
welcher sein Haus nicht auf Sand, sondern auf Fels gebaut hat (vgl. Mt 7,24).
Der Priester breitet auf dem Altar das
Antimension aus, das die Grablegung des Erlösers abbildet. Antimension bedeutet
"anstelle eines Altares". Sein Gebrauch weist auf die Verfolgungszeit
der frühen Christen hin. Es war damals ja nicht möglich, an jeden Ort, an dem
Liturgie gefeiert wurde, einen Altar mitzunehmen. Heute erinnert uns der
Gebrauch des Antimensions daran, dass die Kirche nicht an einen bestimmten Ort
gebunden ist, sondern wie ein Schiff über die Wellen dieser Welt hingleitet;
der Hafen, in dem sie "ankert", ist im Himmel.
Der Priester betet: "Niemand ist würdig,
zu Dir zu kommen, König der Herrlichkeit. Darum rufe ich Dich an: Mache mich
würdig, Dir diese Gaben darzubringen". Währenddessen singt der Chor den
Cherubinischen Lobgesang: "Wir, die wir mystisch die Cherubim darstellen
und der lebendigmachenden Dreieinigkeit als Loblied das dreimalige 'Heilig'
singen, legen nun alle Sorgen des Lebens ab; denn wir empfangen den König des
Alls, der von Engelscharen unsichtbar auf Speeren getragen wird". Bei den
Römern war es Sitte, den neuerwählten Kaiser vor dem Volk inmitten der Legionen
auf einem Schild einherzutragen, der durch Speere emporgehoben wurde.
Der Diakon trägt nun den Diskos mit dem Lamm
und der Priester den Kelch. Es folgt der Große Einzug. Beim Anblick des
Königs des Alls beugen alle das Haupt. Priester und Diakon gedenken aller
Christen und der Priester schließt mit den Worten: "Euer und aller
orthodoxen Christen gedenke Gott der Herr in Seinem Reich allezeit, jetzt und
immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit."
Der Chor schließt den Gesang mit dem
dreimaligen Alleluja. Priester und Diakon stellen Kelch und Diskos auf den
Altar. Die Königliche Pforte wird geschlossen und erinnert damit an das Grab
des Herrn. Der Vorhang wird zugezogen gleich einer Wache, die vor das Grab
gestellt wird.
Nach dem Großen Einzug ermahnt der Diakon
alle zu gegenseitiger Liebe mit den Worten: "Lasset uns einander lieben,
damit wir einmütig bekennen...". Der Chor setzt diesen Ruf fort:
"...den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, die wesensgleiche und
unteilbare Dreieinigkeit!" Wenn wir nämlich einander nicht lieben, ist es
unmöglich, den zu lieben, der die umfassende und vollkommene Liebe selbst ist.
Der Priester verbeugt sich dreimal vor dem
Altar und spricht dabei die Psalmworte: "Ich will dich lieben, Herr, meine
Stärke, Du mein Fels, meine Burg, mein Retter" (vgl. Ps 17,2f). Er küsst
Diskos und Kelch, die noch bedeckt sind, und den Altar. Die mitzelebrierenden
Priester vollziehen das gleiche. Dann geben sie sich gegenseitig den
Friedenskuss. Der erste Priester spricht: "Christus ist mitten unter
uns!" Man antwortet ihm: "Er ist es, und Er wird es sein!"
Nun singen alle das Glaubensbekenntnis.
Währenddessen bewegt der Priester die Decke, die Diskos und Kelch verborgen
hat, auf und nieder, um damit das Wehen des Heiligen Geistes anzudeuten.
Der Diakon singt: "Geziemend und in
Ehrfurcht wollen wir stehen; gesammelt lasset uns das Heilige Opfer in Frieden
darbringen". Dies bedeutet: Lasset uns stehen, wie es Menschen geziemt,
vor Gott zu stehen: mit Ehrfurcht und zugleich mit Zuversicht. Auf diese Weise
preisen wir Gott und beten zu ihm mit Frieden im Herzen; denn anders können wir
nicht unseren Geist zu Ihm erheben. Alle Gläubigen bringen Lob dar: "Die
Gabe des Friedens, das Opfer des Lobes". Der Priester entbietet den
Gläubigen den apostolischen Gruß: "Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch
allen" (2 Kor 13,13). Dann singt er: "Erheben wir die Herzen!"
Jeder, der im Gotteshaus steht, denkt an das, was vollzogen werden soll, und
dass alle Himmelskräfte jetzt bei der Liturgie zugegen sind. Dabei strebt er
von der Erde zum Himmel und ruft: "Wir haben sie beim Herrn!"
Zusammen mit den Seraphim singt der Chor:
"Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten". Daran
fügt sich der Gesang, mit dem der himmlische König auf Erden empfangen wurde,
als Er Seinen Einzug in Jerusalem hielt, um sich zum Opfer darzubringen:
"Hosanna in der Höhe" (Mt 21,9).
Der Priester spricht die Worte des Erlösers:
"Das ist mein Leib ... das ist mein Blut ... zur Vergebung der
Sünden". Brot und Wein, dem Schöpfer zum Opfer dargebracht, werden zu dem
Opfer, das der Erlöser auf Golgotha für alle Menschen brachte. Bisher nur
Abbilder des Leibes und Blutes Christi, sind sie jetzt durch die Anrufung
des Heiligen Geistes Leib und Blut Christi selbst. Es ist die Anrufung des
gleichen Geistes, durch den sich die Menschwerdung Christi, Sein Tod und Seine
Auferweckung vollzogen.
Die Gläubigen sprechen nicht wie Diener, die
von Furcht erfüllt sind, sondern wie Kinder zu Gott, ihrem gütigen Vater: Vater
unser im Himmel. Zu wem wird gebetet? Zum Vater der Weisheit! Hier beten
wir nicht in Furcht zu unserem Schöpfer, sondern reden Ihn vertrauensvoll als
unseren Vater an. Geheiligt werde Dein Name weist uns auf die Grundlage jeder Liturgie und das Ziel unseres
christlichen Lebens hin. Dieses Gebet umfasst und enthält ja alles, was für uns
notwendig ist. Mit den Worten: Dein Reich komme wird das Reich der
Gerechtigkeit auf die Erde gerufen; denn ohne das Kommen Gottes gibt es keine
Gerechtigkeit. Er selber ist ja die Gerechtigkeit. Glaube und Vernunft führen
den Menschen zu dem Wort: Dein Wille geschehe. Welcher Wille kann
schöner und heiliger sein als der Wille Gottes? Wer kann besser wissen, als
Gott der Schöpfer, was zum Besten Seiner Schöpfung dient? Wem kann man mehr
vertrauen als dem, der die Güte und Vollkommenheit selber ist? Mit den Worten: Unser
tägliches Brot gib uns heute bitten wir um alles, was zum täglichen Leben
für Leib und Seele notwendig ist. Unser geistliches Brot aber ist Gottes
Weisheit, ist Christus selbst, der gesagt hat: "Ich bin das Brot, das vom
Himmel gekommen ist; wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit" (Joh
6,51). Mit den Worten: und vergib uns unsere Schuld beten wir um
Verzeihung all unserer Sünden, die auf uns lasten. Wir bitten, uns alles zu
verzeihen, wodurch wir gegenüber Ihm selbst schuldig geworden sind in Gestalt
unserer Schwestern und Brüder, gegenüber dem Schöpfer, der uns täglich und
stündlich in ihrer Gestalt Seine Hand entgegenstreckt und um Gnade und Erbarmen
bittet. Mit den Worten: und führe uns nicht in Versuchung bitten wir, uns
zu erlösen von allem, was unser Herz in Unruhe versetzt und den inneren Frieden
stört. Mit den Worten: sondern erlöse uns von dem Bösen bitten wir um
die Freude des Himmels. Denn sobald das Böse von uns weicht, zieht Freude in
unsere Seele ein, und wir sind auf Erden wie im Himmel. So schließt dieses
Gebet, das uns die Weisheit Gottes selbst zu beten gelehrt hat, alles in sich
und umfasst alles.
Die Stimme des Priesters ertönt aus dem
Altarraum: "Das Heilige den Heiligen". Dies bedeutet, dass man zum
Empfang des Heiligen heilig sein müsse. Daher antwortet der Chor: "Einer
ist heilig, einer ist Herr, Jesus Christus, zur Ehre Gottes des Vaters".
Im ersten Teil der Göttlichen Liturgie hatte der Chor ja Troparien zum Gedenken
der Tagesheiligen gesungen. Die Heiligen sind aber nicht aus sich selbst heraus
heilig; sie sind es vielmehr durch die Heiligkeit Christi. Der Mensch wird
heilig, wenn er in Christus bleibt (vgl. Joh 6,56). So nimmt auch Eisen die
Natur des Feuers an.
Wer die Hl. Kommunion empfängt, tritt nun
heran, die Hände kreuzweise auf der Brust gefaltet, eingedenk des Gebetes:
"Herr, ich glaube und bekenne, dass Du wirklich Christus, der Sohn des
lebendigen Gottes bist. Du bist in die Welt gekommen, um die Sünder zu erlösen,
von denen ich der erste bin" (vgl. 1 Tim 1,15). So bereitet sich jeder
innerlich darauf vor, den Heiligen Leib und das Heilige Blut des Herrn zu
empfangen, wie der Prophet Isaias die glühende Kohle empfing, die ihn von
Sünden reinigte und ihn selber gleichsam zu einem glühenden Seraph umgestaltete
(vgl. Is 6,6f). Dies ist ein Augenblick naher Begegnung mit dem Herrn, von
Angesicht zu Angesicht (vgl. 1 Kor 13,12); außerhalb der Zeit, da im Menschen
Jener weilt, welcher die Ewigkeit selber ist.
Nach der Kommunion dankt der Priester dem
Herrn, dass Er die Menschen gewürdigt hat, an Seinen himmlischen und
unsterblichen Geheimnissen teilzunehmen. Er schließt mit der Bitte, dass Gott
unseren Weg lenke, uns erhalten möge in Ehrfurcht, unser Leben bewahre und
unseren Schritten Festigkeit verleihe.
Der Chor singt in geistlicher Freude:
"Gesehen haben wir das wahre Licht, den himmlischen Geist empfangen, den
wahren Glauben gefunden. Die ungeteilte Dreieinigkeit beten wir an; denn Sie hat
uns erlöst." Die ganze Gemeinde vereinigt sich innerlich mit dem Gesang
des Chores: "Voll sei unser Mund Deines Lobes, Herr. Besingen wollen wir
Deine Herrlichkeit. Denn Du hast uns gewürdigt, Anteil zu haben an Deinen
göttlichen, unsterblichen und Leben spendenden Geheimnissen. Bewahre uns in
Deiner Heiligkeit, dass wir den ganzen Tag von Deiner Gerechtigkeit belehrt
werden." Danach singt der Chor dreimal "Alleluja". Dies bringt
das niemals endende Wirken und die Allgegenwart Gottes zum Ausdruck.
Der Priester segnet die Gemeinde mit den
Worten: "Der Segen des Herrn komme auf euch herab durch Seine Gnade und
Menschenliebe, allezeit, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu
Ewigkeit." Nun teilt er das Antidoron aus im Gedenken an das Liebesmahl,
welches von den ersten Christen gehalten wurde.
Große Vesper am Fest Verklärung
Christi, Litija, 5. Ton
"Kommt, lasst uns den Berg
des Herrn besteigen, in das Haus unseres Gottes gehen und die Herrlichkeit
Seiner Verklärung betrachten, die der eingeborene Sohn Gottes vom Vater erhält.
In ihrem Lichte lasst uns das Licht erlangen und, vom Geiste emporgehoben,
wollen wir der wesensgleichen Dreieinigkeit Hymnen singen in alle
Ewigkeit."
Literaturhinweise