Pfarrer August Liedmeier

 

Pfarrer August Liedmeier, Foto von Siegfried Eggenstein

 

Er war eine Generation lang Pfarrer der Katholischen Pfarrgemeinde St. Maria Magdalena in Horneburg. Er prägte die Gemeinde, wie nur wenige seiner Vorgänger.

Geboren wurde August Liedmeier am 13. Februar 1913 in Ibbenbüren. Er studierte Philosophie und Theologie in Münster und wurde am 17. Dezember 1938 im Hohen Dom zu Münster von Clemens August Graf von Galen (1878-1946) zum Priester geweiht.

Clemens August galt als konservativ und nationalgesinnt. Er hatte den Grundsatz der Weimarer Verfassung: „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus“ als Häresie bezeichnet. Bei seiner Bischofsweihe in Münster am 28. Oktober 1933 nahmen SA-Formationen mit Hakenkreuzfahnen teil. Beim anschließenden Empfang feierten Vertreter der Regierung und der NSDAP das Einvernehmen von Staat und Kirche im Zeichen des vor wenigen Wochen abgeschlossenen Reichskonkordates.

Diese Situation änderte sich nach einigen Monaten. Bereits in seinem ersten Hirtenbrief vom 29. Januar 1934 nahm Clemens August Stellung gegen die nationalsozialistische Rassenideologie. Am 6. September 1936 erinnerte er an den kirchlichen Grundsatz, daß der Mensch allein Gott Gehorsam schulde. Wenn der Staat etwas befehle, was Gottes Gesetz widerspreche, dürfe das nicht ausgeführt werden.

Dies illustriert, in welcher geschichtlichen Situation August Liedmeier seinen Dienst begann. Er wurde 1939 Kaplan in der Gemeinde Heilig Kreuz in Gladbeck.

1948 wurde er erster Kaplan in Ahlen, St. Marien. Zu dieser Zeit gab es in der Pfarrgemeinde neben dem Pfarrer und dem ersten Kaplan noch einen Vikar und einen zweiten Kaplan. Da August Liedmeier bereits eine Kaplanstelle verwaltet hatte, konnte er an seiner zweiten Stelle erster Kaplan werden.

Am Sonntag, 7. September 1958, wurde August Liedmeier feierlich in sein Amt als Pfarrer von Horneburg eingeführt. Mitglieder des Kirchenvorstandes, Bürgermeister Heinrich Teigeler (1905-1968) und Vertreter der kirchlichen Verbände empfingen den neuen Seelsorger an der Pfarrgrenze und geleiteten ihn zur Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Die Straßen waren mit Kirchenfahnen und Birkengrün festlich geschmückt.

Die Kirche konnte die vielen Menschen nicht fassen. So blieben die Kirchentüren geöffnet und alle, die keinen Platz gefunden hatten, verfolgten das Geschehen von außen.

Ehrendechant Joseph Feldmann (1879-1966) verlas in der Kirche die Ernennungsurkunde des Münsteraner Bischofs Michael Keller (1896-1961). Dechant Emanuel Wethmar (1905-1998) führte den neuen Pfarrer nacheinander zum Taufbecken, zum Beichtstuhl, zum Chorstuhl und zur Sakristei. Damit wurden einige wesentliche Tätigkeiten angedeutet, wie zum Beispiel die Taufe zu spenden, Beichte zu hören und Eucharistie zu feiern. Danach predigte Pfarrer Liedmeier über den guten Hirten. Er bat die Anwesenden, zusammen mit ihm, dem Christentum und der Nächstenliebe zu dienen. Nach einem stillen Gebet des Pfarrers zur heiligen Maria Magdalena, der Schutzpatronin der Gemeinde, sang der Kirchenchor unter der Leitung des Lehrers Aloys Wellnitz (1921-1991) ein geistliches Lied.

Anschließend feierte Pfarrer Liedmeier die Heilige Messe auf dem Hof des Schlosses. Hoch über dem Platz ragte ein mächtiger Erntekranz, an dem ein Dutzend Grubenlampen befestigt waren. Dies wies auf die beiden Berufsfelder des Dorfes hin: Landwirtschaft und Bergbau.

Bürgermeister Teigeler, der selbst die Posaune blies, sorgte mit seinem Blasorchester für die musikalische Begleitung der Kirchengesänge. Der Gesang der Gläubigen klang feierlich und zugleich mitreißend.

 

Die neue Kirche in Horneburg, Foto von H. M. Knechten

 

Als sich Pfarrer Liedmeier die Pfarrkirche in Horneburg anschaute, sagte er zu seiner Haushälterin, Frl. Änne Brinkkötter: „Die Pastorat ist ja größer als die Kirche!“ Da er davon ausging, daß in Horneburg viele neue Wohnungen gebaut würden, plante er, eine Kirche mit 350 Sitzplätzen zu erbauen.

Am 27. Januar 1961 wurde ein Kirchbauverein gegründet, dem Pfarrer Liedmeier und der amtierende Kirchenvorstand angehörten. An die Gläubigen wurden Briefumschläge mit der Bitte um Unterstützung des Kirchbauvereins verteilt, die Pfarrer Liedmeier persönlich einsammelte.

Im September 1963 begannen die Bauarbeiten. Auf dem Grundstück „Kellers Garten“ (Im Weingarten) wurde der Kirchturm errichtet. Das Richtfest konnte am 23. Januar 1964 gefeiert werden. Kreuz und Hahn wurden in der Werkstatt des Bürgermeisters und Schlossermeisters Teigeler gefertigt. Er fuhr sie persönlich durch das Dorf und sammelte dabei Spenden für die Fortführung des Baues ein.

An der Stelle der früheren Arenberg-Grundbesitzverwaltung Recklinghausen konnte im Austausch ein Grundstück für den Weiterbau gewonnen werden.

Der Vorsitzende des Kirchbauvereins Franz Wegmann legte am 15. März 1964 den Grundstein für den Bau des Kirchenschiffes. Darauf hatte Pfarrer Liedmeier an der Außenseite schreiben lassen: „Jesus Christus – Der Grundstein + 1964.“ An der Innenseite steht: „Wir sind die Mitbürger der Heiligen und die Hausgenossen Gottes“ (Epheserbrief 2, 19-20). Er sah die Gemeinschaft der Heiligen als Grundlage der Gemeinde und als Ziel des christlichen Lebens.

 

Der Grundstein, Außenseite, Foto von H. M. Knechten

 

 

Bereits am 3. April war das Richtfest für diesen zweiten Bauabschnitt. Architekt der Kirche war Albert Franz Brenninkmeyer (1924-2019) aus Westerkappeln bei Osnabrück. Die Initialen „AB“ rechts neben dem südlichen Eingang erinnern an ihn. Er kam später mehrmals, um sein Werk zu betrachten. Dabei wies er auf die Höhe der Kirche hin, die für ein Dorf außerordentlich war.

Am 27 Juni 1965 konnte die neue Kirche durch Weihbischof Heinrich Tenhumberg (1915-1979) eingeweiht werden. Die fehlenden Fenster wurden in den nächsten Monaten eingebaut. Sie wurden von dem Ukrainer Alexander Iwschenko (1924-1997) gestaltet.

 

 

Altarraum der neuen Kirche, Foto von H. M. Knechten

 

Nicht allen gefiel das zeltförmige Gebäude, aber Pfarrer Liedmeier stand zu der Losung, mitten in dieser Welt als Christ zu leben, wie es der Essener Katholikentag im Jahre 1968 ausdrücken sollte. Das Zelt weist darauf hin, daß wir als Gläubige zu unserer bleibenden Heimat unterwegs sind. – 1976 folgten der Bau des neuen Kindergartens und 1981 der des Pfarrheims.

Pfarrer Liedmeier war Präses der Frauengemeinschaft sowie der Kolpingsfamilie Horneburg. Es gab manche Diskussion, wie die Pfarrgemeinde zu leiten sei. Er wirkte im Kirchenvorstand, in den Bauausschüssen und im Pfarrgemeinderat. Von der Freiwilligen Feuerwehr, Löschzug Horneburg, wurde er zum Ehrenbrandmeister ernannt.

Er initiierte Pfarrfeste und wurde bei den Karnevalsveranstaltungen in der Gaststätte Stratmann mit Beiträgen bedacht. Zum Fest Epiphanie schwärmten die Sternsinger aus, um Gaben für bedürftige Kinder zu sammeln. Bei der Verteilung der dabei erhaltenen Süßigkeiten gab es Differenzen. In der Karwoche schwiegen die Glocken von Gründonnerstagabend bis Samstagabend. Die Meßdiener zogen mit Kraken (Knarren) durch das Dorf, um die Zeiten des Angelus (Engel des Herrn) zu markieren.

Seine Haushälterin, Frl. Änne Brinkkötter, stand ihm bei der Arbeit zur Seite. Dabei war sie für zahlreiche Aufgabengebiete zuständig. Eigentlich wären mehrere Personen notwendig gewesen, um diese Arbeitslast zu bewältigen: Sie kaufte ein, kochte, buk, wusch und bügelte die Wäsche, putzte das große Pfarrhaus, das im Jahre 1903 erbaut worden war, pflegte den Obst-, Gemüse- und Blumengarten, tat den Dienst einer Sakristanin, wies die Meßdiener ein, half im Pfarrbüro mit, war in der Erstkommunionvorbereitung tätig, bereitete Kaffee, Kuchen und Schnittchen für die Seniorengemeinschaft, für die Sitzungen des Kirchenvorstandes sowie der Bauausschüsse und für das Konveniat der Geistlichen, auch schenkte sie manchmal einen Dujardin ein.

 

Pfarrer Liedmeier mit den Messdienern Frank Eggenstein und Björn Lücke, Foto von Siegfried Eggenstein

 

Bisher war nur von der offiziellen Seite des Dienstes in der Pfarrgemeinde die Rede. Wer August Liedmeier persönlich kennenlernen wollte, brauchte mit ihm nur Doppelkopf zu spielen. Da verwandelte sich der zurückhaltende Pfarrer in einen wilden Draufgänger. „Schonen, schonen!“, kritisierte er mich tadelnd, wenn ich vorsichtig spielte. Er setzte buchstäblich alles auf eine Karte und gewann deswegen häufig. Beim Kartenspiel entspannte er sich und schöpfte neue Kraft für seine Aufgabe.

Er war dreißig Jahre lang Pfarrer in Horneburg. Welch ein Geschenk sein Einsatz war, wird heute deutlicher als früher, da ein Pfarrer jetzt für eine verhältnismäßig große Anzahl Menschen zuständig ist und jeweils nur einige Jahre an einem Ort verbringt.

1988 verzichtete Pfarrer Liedmeier auf seine Pfarrstelle. Dies war für den Zeitpunkt der Erreichung des 75. Lebensjahres vorgeschrieben. Er starb am 7. September 1995 im Alter von 82 Jahren. Auf seinem Gedenkbild steht: „Auf Dich hin, oh Gott, hast Du uns geschaffen und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir“ (Augustinus). Er ruht auf dem Horneburger Friedhof, in der Mitte, bei den Priestergräbern.

 

Bibliographie

Bistum Münster

o   Börstings, Heinrich, Geschichte des Bistums Münster, Bielefeld 1951.

o   Damberg, Wilhelm, Moderne und Milieu. 1802-1998, Geschichte des Bistums Münster, herausgegeben von Arnold Angenendt, 5. Band, Münster 1998.

o   Schröer, Alois, Das Bistum Münster. Band I: Die Bischöfe von Münster, herausgegeben von Werner Thissen, Münster 1993.

 

August Liedmeier

o   Die neue Pfarre zu Ahlen. 1904-2004. 100 Jahre neue Marienkirche, herausgegeben vom Pfarrgemeinderat St. Marien Ahlen, Ahlen 2004, 199 (Erinnerungen: Vikare und Kapläne an der neuen Marienkirche). Herzlichen Dank an die Pfarrsekretärin Daniela Tammen für die Übermittlung dieses Informationsmateriales.

o   Knechten, Heinrich Michael, Geschichte der Kirche in Horneburg, Horneburg 2021.

o   Lücke, Heinrich (27.4.1950-30.3.2024), Als der Pastor zum Bauherrn wurde. „Neue“ Pfarrkirche wurde vor vier Jahrzehnten errichtet, in: Festschrift zum Schützenfest 2005 in der alten Freiheit Horneburg, herausgegeben vom Bürgerschützenverein Horneburg 1384 e. V., Horneburg 2005, 88-91.

o   P., G., Pfarrer August Liedmeier übernahm Gemeinde „Maria Magdalena“, in: Recklinghäuser Zeitung, 8. 9. 1958, Nr. 207.

 

 

© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2024

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