Gedanken zur
christlichen Spiritualität aus östlicher und westlicher Sicht im Kontext der
Religionsphilosophie Nikolaj Berdjajews*
von Klaus Bambauer
Phänomenologie des Schaffens
Der russische Denker und Religionsphilosoph
N.Berdjajew (1874-1948), dessen ganzes Philosophieren dem geistigen Schaffen,
dem schöpferischen Prozess und der geistigen Erfahrung zugewandt war – in einem
seiner Hauptwerke "Der Sinn des Schaffens" wird dies unter Beweis
gestellt–, interpretiert die ewige Gott-Mensch-Beziehung – er hat es auch
"Gott-Menschtum" (Theoandrie) genannt – sehr anschaulich und
lebendig: "In der Tiefe des Göttlichen Lebens ruht, von Ewigkeit her
gegeben, das Menschliche, das Drama der Beziehungen Gottes und seines
‚Anderen‘, des Göttlichen und des Menschlichen zugleich. Und dieses erschließt
sich in der geistigen Erfahrung des Menschen, nicht etwa in einem theologischen
Erkenntnisakt"1).
Berdjajew verstand das Schaffen des Menschen als dessen
Antwort auf den göttlichen Anruf, und er sah das Gottesreich im Schaffen des
Menschen herbeikommen und formulierte: "Im Tiefsten ist es ein
Bewusstseinswagnis von der Not Gottes beim schöpferischen Akt des Menschen, von
der Sehnsucht Gottes nach dem schöpferischen Menschen zu sprechen. Das Schaffen
ist Fortsetzung der Weltschöpfung, Fortsetzung und Vollendung der
Weltschöpfung, ist ein gottmenschliches Werk, ein Schaffen Gottes mit dem
Menschen, ein menschliches Schaffen mit Gott"2).
Von Interesse mag es in diesem Zusammenhang auch sein,
dass Berdjajew sagen konnte: "Ich erschaffe keine Objekte [...]. Das, was
ich liebe, ist nur der sich in mir vollziehende schöpferische Aufschwung, der
die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt aufhebt […]. Der schöpferische
Akt vollzieht sich außerhalb der Zeit. In der Zeit findet man nichts außer den
Erzeugnissen des Schaffens, nichts als Objektivierung. Die Erzeugnisse des
Schaffens vermögen den Schöpfer nicht zu befriedigen. Doch der durchlebte
schöpferische Aufflug, die Ekstase, die Unterscheidung von Subjekt und Objekt
hinter sich lässt, der Übergang in die Ewigkeit – das ist es"3).
Suchen wir an dieser Stelle, wo es um die Beziehung
zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf geht, das schon ewig in Gott ist,
nach einem biblischen Beleg für diese Sicht Berdjajews, so stellen wir fest:
Gerade dieses Erwähltsein des Menschen in Gott von Ewigkeit her spricht etwa
der Brief des Paulus an die Epheser aus: "Denn in ihm [in Christus] hat er
uns ja schon vor der Grundlegung der Welt dazu erwählt, dass wir heilig und
unsträflich vor seinem Angesicht dastehen sollten, und hat uns in Liebe durch
Jesus Christus zu Söhnen, die ihm angehören sollten, vorherbestimmt nach dem
Wohlgefallen seines Willens, zum Lobpreis der Herrlichkeit seiner Gnade, die er
uns in dem Geliebten erwiesen hat" (Eph 1,4-6).
Auf diese Stelle verweist R.Habito, wenn er schreibt:
"Die Erleuchtungserfahrung des Zen wird auch 'sein ursprüngliches Wesen
schauen' genannt. Die zeitlose und in räumlicher Hinsicht grenzenlose Dimension
unseres 'ursprünglichen Wesens' – man wird an das Paulus-Wort erinnert: 'Denn
in ihm hat er uns erwählt' (Eph 1,4) – wird im Hier und Jetzt lebendig
erfahren" (Barmherzigkeit aus der Stille, München 1990, S. 19).
Die Auferstehung des
Fleisches und das Reich Gottes
In der Ergriffenheit und Transformation der
"geistigen Erfahrung" hört der Mensch auf, eine in sich
abgeschlossene, taub-blinde seelisch-leibliche Monade zu sein, ganz im
Gegenteil: Gegen allen leibfeindlichen Gnosisverdacht betont Berdjajew, dass
das Eingehen des Geistes in das Leben keineswegs eine (asketische) Abtötung von
Leib und Seele bedeute, sondern vielmehr "deren Umgestaltung und
Durchlichtung, deren Vergeistigung und Aufnahme in das höhere Leben des Geistes".
Wenn der Geist – hier der göttliche Geist in der Gestalt des lebenschaffenden
Wortes Christi, des fleischgewordenen Logos – den Menschen umschafft (vgl. 2
Kor 5,17), ihn zu einer neuen Kreatur umwandelt, so lehrt das Christentum die
"Auferstehung des Fleisches" bzw. in neuerer Formulierung die
"Auferstehung der Toten". Dabei ist nicht nur an ein Ereignis
jenseits der Todesgrenze zu denken (also in der Ewigkeit-Zeitlosigkeit),
sondern im Sinne einer johanneisch geprägten präsentischen Eschatologie schon
ansatzweise in dieser Weltzeit. Berdjajew sieht in dieser Glaubensaussage ein
Mysterium und damit "das Fleisch" nicht als eine naturalistische,
sondern als eine religiös-geistige Kategorie, weil es eben zusammen mit der
geistigen Erfahrung einer ganzheitlichen Metarmorphose unterzogen und
vergeistigt wird. "Das Mysterium der Auferstehung des Fleisches ist ein
Mysterium geistiger Konkretheit, und es lässt sich nur in der Sprache des
Lebens, d.h. der geistigen Offenbarung zum Ausdruck bringen"4).
An anderer Stelle präzisiert Berdjajew: "Die
Inkarnation Gottes in der Welt, das Erscheinen des Sohnes Gottes im Leibe
dieser Welt ist zugleich ein Auftun, nicht ein Verschließen des Fleisches, ist
ein Hindurchleuchten des Unendlichen im Endlichen, nicht aber 'Verleibeigenschaftung'
des Endlichen"5).
Unter diesem Aspekt lassen sich die
Auferstehungsgeschichten der Osterzeit verstehen. Christus begegnet als der
Auferstandene, er begegnet zum Beispiel den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus
leiblich (Lk 24,13-35). Er begegnet zwar als der Auferstandene, aber nicht in
seiner sofort identifizierbaren Gestalt. Erst als der Auferstandene sich selbst
bezeugt, wird er erkannt. Die Jünger sind nun selber in ihrer eigenen
"geistigen Erfahrung" zu Zeugen des Auferstandenen geworden, ja, in
ihnen selbst hat sich so etwas wie "Auferweckung aus dem Tode"
vollzogen. Sie sind "neue Kreaturen" geworden (2 Kor 5,17). Darum
nehmen sie ihn – den Auferstandenen – nicht mehr nur als ein "Objekt"
in der Außenwelt wahr, sondern ihr Bewusstsein selbst unterliegt nun dem
Transformationsprozess. Als Verwandelte sind sie nicht mehr darauf angewiesen,
was ihnen gleichsam "von außen" gesagt wird, sondern sie bezeugen
selbst, was der Geist des Auferstandenen in ihnen zum Leben erweckt hat. Sie
schauen also die Welt mit neuen Augen, mit einem verwandelten, erneuerten und
"auferweckten" Bewusstsein an.
Dass diese Dimension einer durch den Geist des
Auferstandenen verwandelten Leiblichkeit von weitreichender metaphysischer
Bedeutung ist, belegt Berdjajews hier heranzuziehende Interpretation: "Der
Umstand, dass der Sohn Gottes im natürlichen Leib geweilt hat, ist auch
Ursprung unserer Hoffnung, dass der natürliche Leib in seinem grauenhaften
Realismus [der Hinfälligkeit und Sterblichkeit] überwunden, von der anderen
Welt durchlichtet und in einen geistigen Leib umgestaltet werden kann. Der
ganze Leib der Welt ist ein Symbol des Geistes, Spiegelung und Darstellung,
Zeichen einer anderen Realität, von etwas, das unendlich viel entfernter und
tiefer liegt [...]. Die im irdischen Leben des Sohnes Gottes in Erscheinung
getretene Durchleuchtung des Leibes ist Wahrzeichen dafür, was sich in der
geistigen Welt der Erhöhung und des Aufstiegs vollzogen hat"6).
Da Berdjajew nichts daran liegt, im dualistischen
Sinne die "natürliche Welt" als eine völlig außer Gott liegende und
von ihm losgelöste zu betrachten, um so dem Entstehen eines materialistischen,
positivistischen Naturalismus Vorschub zu leisten, "demzufolge Gott von
der natürlichen Welt endgültig entfernt und der Geist ganz erstickt worden
war", sieht er sehr deutlich, dass dieser dualistische Theismus, der den
symbolischen Zusammenhang von der göttlichen Welt und der natürlichen Welt
leugnet, "in folgerichtiger Entwicklung der naturalistischen Metaphysik
erst zum Atheismus im Hinblick auf die Welt, dann aber auch zum Atheismus im
Hinblick auf Gott" führt. Berdjajew lag also sehr viel daran, Gott und
Welt nicht auseinander zu reißen. Er interpretiert diese gott-menschliche,
theandrische Welt folgendermaßen: "Im offiziell theistischen Bewusstsein
liegt eine gefährliche Neigung zu vernichtendem Deismus, der Gott und Welt
endgültig trennt. Gott übertrifft die Welt, aber die Welt ist göttlich, die
göttliche Energie fließt in die Welt über. Das theistische Bewusstsein, das nur
einen transzendenten, fernen und äußeren Gott anerkennt, ist unreifes
Bewusstsein, das religiöse Angst gebiert. Das reife, männliche Bewusstsein
kennt den immanenten, den nahen und inneren Gott. Die Verneinung einer Bewegung
ist ebenfalls Abweichung zum Deismus hin"7).
In ähnlicher Weise konnte auch Hegel formulieren,
dessen Bemühungen bei der Versöhnung von Religion und Philosophie dahin gingen,
nicht eine gottlose Welt bzw. einen weltlosen Gott einander gegenüber zu
setzen, wenn er von Gott als dem Absoluten sprach, das die Welt als sein
"Anderes" einschloss. Den Vorwurf des Pantheismus, den man ihm dabei
gemacht hat, hat er scharf zurückgewiesen8). So lag Hegel sehr viel daran, dass
Gott als Geist nicht ein vom Menschen getrennter Geist sein konnte. "Gott
als derart getrennt zu betrachten, ist gleichbedeutend dem Paradigma des
unglücklichen Bewusstseins […]. Gott muss sein Leben durch die Menschen
leben" (Taylor, Hegel). Ebenso wie bei Berdjajew und Heschel (Gott sucht
den Menschen, Neukirchen 1995), so entdecken wir auch bei Hegel die Tendenz,
Gott und Mensch – auch im Bild der Inkarnation – eng zusammen zu schauen:
"Weil die Inkarnation den Bedürfnissen beider Parteien, Gottes und des
Menschen, entspricht, wird sie als aus der Zusammenarbeit von Gott und Menschheit
(durch Maria) hervorgegangen betrachtet" (Taylor).
In das Mysterium der geistigen Konkretheit, vom Geist
durchlichtet, sind die Auferstehungszeugen mit ihrer ganzen, d.h. auch
leiblich-sinnenhaften Existenz einbezogen. Wo der lebenschaffende Geist wirkt,
da entfaltet er seine synthetische Kraft und löst die Gespaltenheit des
Menschen, der solipsistisch auf sich in seiner Ego-Struktur verkrümmt war
(Luther), in eine Ganzheit auf, die Geist, Seele und Leib umfasst. Der Geist
schafft sich in Seele und Leib, durch das Sehen und durch das neue
qualifizierte Hören neue Wahrnehmungsorgane.
Geistige Erneuerung als Wiedergeburt von oben (Joh
3,3) umfasst nicht nur ein gewandeltes Bewusstsein, sondern ebenso ein neues
Hören und Sehen im Sinne eines Erkennens. Neue Organe bilden sich heraus, sagt
Berdjajew. Wir werden erinnert an das Jesajawort: "Jeden Morgen weckt er
mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger. Gott der Herr hat mir das Ohr
geöffnet" (Jes 50,4f).
Wo sich geistige Erneuerung vollzieht, geschieht sie
in Ganzheit, und dabei werden alle Kräfte des Menschen, die geistigen, die
seelischen und die sinnenhaft-leiblichen einer Erneuerung und Neuschöpfung
unterzogen. Der so in und durch den Geist Christi Lebende ist als ganzer Mensch
eine neue Kreatur geworden, "ein Neues" ist entstanden (2 Kor 5,17).
Die Natur ist – so Berdjajew – in den Geist aufgenommen und somit verklärt
worden, freilich nicht im phänomenologisch-anschaubaren, beobachtbaren Sinne
wie ein feststellbares Objekt in der Außenwelt, sondern in dem Sinne,
dass die Spaltung innerhalb des Menschen selbst und damit auch in seiner
Beziehung zur Außenwelt überwunden und geheilt wurde. Auch die Natur kann mit
Jakob Böhme, Franz von Baader und Schelling als inneres Leben des Geistes
gesehen werden, in das hinein sich der Geist als in sein Anderes entäußert hat.
Auch die Materie ist nun spiritualisiert und durchgeistigt worden, weil eben
die spiritualisierte Leiblichkeit "das Ziel aller Werke Gottes ist"
(F.C.Oetinger)9), oder um es mit Berdjajew zu beschreiben: "Der Kosmos
wird als eine Stufe des Geistes, als Symbolik seines inneren Lebens
geschaut". "Mikrokosmos und Makrokosmos erschließen sich im geistigen
Leben nicht in Gespaltenheit und im Außerhalbsein, sondern in Einheit und gegenseitiger
Durchdringung".
Zu diesem Kosmos gehört der Mensch, der mit
gewandeltem Bewusstsein gleichsam der Schöpfer einer neuen Welt wird. Die Welt
bleibt, wie sie ist, und wird dennoch in einem anderen Licht geschaut. Es kommt
zu einer neuen Konkretheit, zu einem Zusammenwachsen (Hegel hat auf dieses con-crescere
hingewiesen) in einem vereinheitlichenden Gestaltungsprozess. Biblische
Bilder kommen bei diesen Phänomenbeschreibungen in Erinnerung. Ob wir nun die
paulinischen Aussagen hören, dass in Schwachheit und Hinfälligkeit ein seelischer
Leib gesät und ein geistlicher Leib auferweckt wird (1 Kor 15,44), dass Fleisch
und Blut, d.h. der natürliche, unverwandelte Mensch das Reich Gottes nicht
ererben könne (l Kor 15,50) oder dass der in Christus lebende Mensch in
eine neue geistige Dimension hinein transformiert wird (2 Kor 5,17), stets ist
davon die Rede, dass es in dieser Geisterfahrung zu einem inneren Umbruch
kommt, der durch gewandeltes Bewusstsein stets das Äußere – gleichsam eine neue
Welt schaffend – mit einbezieht. Der neue Himmel und die neue Erde (Offb 21,1),
das Reich Gottes, – all dies sind Bilder oder Symbole für eine verändert
geschaute oder wahrgenommene Wirklichkeit. Doch nicht das Äußere wurde einer
objektiv und von allen erfassbaren Umwandlung unterzogen, sondern es gilt
vielmehr, um mit Nishitani zu sprechen: "Dieser Ort liegt nicht irgendwo
jenseits 'dieser Welt' oder 'dieses irdischen Lebens'. Er ist nicht einfach
bloß 'transzendent'. Im Gegenteil: Er muss in Wahrheit radikal diesseitig
sein, noch diesseitiger, als wir uns unser Leben und uns selber hier und jetzt
gemeinhin vorstellen" (Nishitani, S. 161).
Die Bedeutung des
"Nichts"
"Tritt der Große Tod ein, werden Himmel und Erde
neu". Damit wird die Auferweckung des Selbst oder der Bewusstseinswandel
beschrieben. K.Nishitani interpretiert dies noch näher, indem er den
"Großen Tod" mit śūnyatā [shūnyatā], dem buddhistischen
"Nichts" oder der "Leere" identifiziert, wo sich "der
konkrete und ganze Mensch realisiert, der er ist, was nicht nur seine
Persönlichkeit mit einschließt, sondern auch seinen Leib; und dies ist zugleich
der Ort, wo alle Dinge, die uns umgeben, sich in ihrer eigentlichen Realität
und Soheit vergegenwärtigen"10). Nishitani erinnert daran, dass diese
"Leere" im Sinne von śūnyatā nur dann wirklich Leere ist, "wenn
sie sich auch noch des Gedankens entäußert, als gäbe es etwas, was die Leere
'ist'. Deshalb kann diese Leere nach Nishitani nicht als etwas vorgestellt
werden, auf das man sich zubewegt, weil sie zu absolut diesseitig ist,
"diesseitiger als das, was jeder Mensch gemeinhin für sein eigenes
'Selbst' hält". Also ist die Leere nicht etwas, was man gleichsam als
einen gegenständlichen Raum vorfindet. "Allgemein gesprochen, kann sie
nicht gegenständlich vorgestellt werden. Sobald wir uns ihr mit einer
derartigen Einstellung nähern, entzieht sie sich schon" (S. 171).
Später
kann Nishitani sagen: "Etwas, das als Leere vorgestellt oder als Leere
gesetzt wird, ist nicht die wahre Leere" (S. 183). Betrachten wir einmal
die buddhistische Leere vom philosophischen westlichen Standpunkt, so
kommentiert Karl Albert hilfreich in seinen Studien zu "Mystik und
Philosophie" den Zusammenhang: ”Der Begriff der ‚Leere’ (śūnyatā) kann
vielleicht eine Hilfe zum Verständnis dieser Erfahrung [die Albert zuvor eine
'über-ichliche Erfahrung' genannt hat] sein. Im Zen-Buddhismus hat der Begriff
der Leere keineswegs etwas mit Nihilismus zu tun. Suzuki berichtet folgende
Antwort eines Zenmeisters auf die Frage, wie man immer mit Buddha zusammen sein
könne: "Lass dein Gemüt ohne Regungen sein, sei völlig gelassen gegenüber
der Außenwelt. Allezeit in solcher Leerheit und Stille zu verharren, ist der
Weg der Vereinigung mit dem Buddha". Was wird in der Erfahrung der Leere
erfahren? "In der Leere des Buddhimus gibt es weder Zeit noch Raum, noch
Werden, noch Nicht-Sein. Sie ist das, was alle Dinge möglich macht [westlich
gesprochen: das Sein des Seienden]. Sie ist ein Nichts voll unbegrenzter
Möglichkeiten, eine Leere voll unerschöpflicher Inhalte. So scheint der Begriff
der Leere dem Seinsbegriff der abendländischen Philosophie zu entsprechen, die
Erfahrung der Leere der Erfahrung des Seins. Die Erfahrung der Lehre ist
jedenfalls die Erfahrung einer Fülle. Gegenüber der Fülle dieser Erfahrung muss
die menschliche Sprache versagen"11). Wenn das Problem der Vermittlung vor
allem ein sprachliches Problem ist, wenn im Zen die "Tyrannei von Namen
und Logik" gebrochen werden soll, so muss man sich auf den mystischen
Charakter der östlichen Weisheit zurückziehen und sich mit D.T.Suzuki darauf
einlassen, "dass in dem Wirken des östlichen Geistes etwas Ruhiges,
Stilles, Schweigendes und Unzerstörbares ist, ein ständiger Blick in die
Ewigkeit"12).