Die Krise der Kunst
Heinrich Michael Knechten
Nikolaj
A. Berdjaev beschäftigt sich während des Ersten Weltkrieges mit der Analyse
zeitgenössischer Kunst, Musik und Literatur. Stellvertretend seien die Namen
M.K.Čiurlionis, A.N.Skrjabin und A.Belyj genannt sowie die Stilrichtungen
Symbolismus, Futurismus und Kubismus.
Berdjaev
stellt zunächst fest: Die Künstler wollen eine neue Welt darstellen. Sie
möchten mit ihrem Blick die Oberfläche der Gegenstände durchdringen, ihr hinter
dieser Oberfläche liegendes Wesen offenbaren.
In
Wirklichkeit geschehe aber folgendes: Die Grenzen der Dinge lösen sich auf, die
Gegenstände gehen ineinander über, es erhebt sich ein Wirbelsturm, welcher dem
Zeitgefühl äußerster Beschleunigung entspricht. (Es sei daran erinnert, dass
diese Analyse 1914-1917 geschrieben wurde!)
Berdjaev
schließt: Die Künstler möchten zu neuen Welten vorstoßen, lösen aber nur die
alte Welt auf. Daher bezeichnet er die Futuristen als "Passeïsten"
(vgl. passé). Sie negieren die Schönheit des Menschen, der nach dem
Abbild und Gleichnis Gottes erschaffen wurde. Durch ihre Oberflächlichkeit
verstellen sie sich den Weg zum Geistlichen. Letztlich blockieren solche
Künstler die schöpferischen Kräfte des Menschen. Sie verleiten zur Passivität.
Vgl. Nikolaj A.Berdjaev, Krizis iskusstva. Pikasso.
Astral'nyj roman (Razmyšlenie po povodu romana A.Belago "Peterburg"),
geschrieben 1914-1917, Moskau 1918, in: Ders., Krizis iskusstva, Moskau 1990,
3-47.