Das Kreuz
Wir
sehen andere Menschen und staunen: Sie leben scheinbar glücklich und harmonisch
miteinander, haben keine Sorgen und können sich alles erlauben, was sie sich nur
wünschen. Wenn wir sie aber näher kennen lernen, stellen wir fest, dass es bei
ihnen ein gehäuftes Maß an Sorgen gibt, Probleme und Schwierigkeiten und sogar
abgrundtiefe Ängste.
Jedes
Hüsken häff sin Krüsken, sagt der Volksmund.
Eines
Tages erhielt jemand sein Kreuz. Er ging um es herum, betrachtete es von allen
Seiten und es schien ihm, als sei es größer und schwerer als das aller anderen.
Er hatte einen regelrechten Horror davor.
In
der Nacht hatte er einen Traum: Er befand sich auf einer langen Wanderung. Die
Hitze war drückend, sein Kreuz war schwer und er hatte den Eindruck, seine
Schultern seien bereits wund gerieben. Da kam er in ein Dorf, fragte, ob eine
Säge vorhanden sei, und schnitt mit ihr ein beträchtliches Stück von seinem
Kreuz ab.
Nun
hatte er ein bequemes Kreuz, ganz niedlich war es, leicht lag es auf ihm und er
schritt erleichtert und geschwind aus. Da kam er an einen Abgrund. Die anderen
Wanderer stutzten kurz und legten dann jeweils ihr Kreuz über die Felsspalte.
Danach schritten sie leichten Fußes hinüber. Unser Freund wollte das Gleiche
tun, fand aber, dass sein Kreuz hierfür zu kurz war. Er musste seine Reise
infolgedessen abbrechen.
Er
wachte auf und hatte infolge des Traums einen schweren Kopf. Da stand er mühsam
auf und fand, dass sein Kreuz noch genauso lang war wie am Abend vorher.
Bisher
hatte er das Kreuz als eine überflüssige Quälerei angesehen. Er erkannte nun,
dass es durchaus nützlich war. Durch das Kreuz wurde er reifer und weiser. Er
dachte nach und kam zu dem Ergebnis, dass das Kreuz zwar wichtig sei, aber sein
eigentliches Ziel war die Auferstehung.