Johannes

Januar 1949

1. Januar: Nach Hungerjahren neue Hoffnung

Zu Beginn des neuen Jahres blicken die Menschen im besetzten Deutschland weit hoffnungsvoller in die Zukunft als vor Jahresfrist. Nach dem Hungerjahr 1947 hat das Jahr 1948 eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage gebracht. Auch politisch sollen die Westdeutschen wieder mehr Rechte erhalten: Die westlichen Besatzungsmächte stellen ihnen die Bildung einer Regierung in Aussicht.

Zwar sind Grundnahrungsmittel nach wie vor bewirtschaftet, die Rationen reichen inzwischen jedoch eher aus, den Kalorienbedarf zu decken. Fortschritte in der eigenen Landwirtschaft und eine Erhöhung der Agrarimporte haben außerdem dazu geführt, dass die vorgesehenen Rationen auch tatsächlich ausgegeben werden können.

Größtes Problem ist nun die Wohnungsnot in den vom Krieg zerstörten und durch Vertriebene und Flüchtlinge in ihrer Einwohnerzahl beträchtlich gewachsenen Städten. So verfügten 1948 von den rund 15 Millionen Haushalten in den Westzonen über sechs Millionen nicht über eine eigene Wohnung. Material- und Kapitalmangel führen dazu, dass zunächst nicht in ausreichendem Maße Wohnraum geschaffen werden kann.

 

Notwohnung 1949

 

Auf 2,70 x 5 m sind Küche, Wohn- und Schlafzimmer untergebracht.

 

Allgemein hat sich die wirtschaftliche Situation nach dem Tiefstand von 1947 deutlich erholt. Mit dazu beigetragen haben die Währungsreform in den Westzonen vom 21. Juni 1948, durch die wieder eine stabile Währung geschaffen wurde und der Schwarzhandel weitgehend abgebaut werden konnte, ebenso wie die Lieferungen der USA im Rahmen der Wiederaufbauhilfe für Europa (ERP; Marshallplan) und der Hilfe für die US-amerikanischen Besatzungsgebiete. Wesentlichen Anteil hat aber auch die eigene Aufbauleistung der Deutschen.

Negative Folge des industriellen Wiederaufbaus in Deutschland ist die Furcht der Besatzungsmächte Großbritannien und Frankreich vor einem Wiedererstarken des Landes. Dies hat dazu geführt, dass die Franzosen gegen die Bildung eines westdeutschen Staates Bedenken anmelden.

Getrübt wird die Aussicht auf eine Einschränkung der Besatzungsbefugnisse und einen Zuwachs an staatlicher Eigenverantwortlichkeit durch die immer deutlicher werdende Spaltung Deutschlands in die drei Westzonen einerseits und die Ostzone andererseits.

Schon am 15. Dezember 1947 machte das abrupte Ende der Londoner Außenministerkonferenz (beteiligt waren die Hauptsiegermächte über Deutschland; also Großbritannien, die USA sowie Frankreich) deutlich, dass die Bemühungen um eine gemeinsame Politik der vier Mächte in Deutschland gescheitert waren. Mit dem Auszug des sowjetischen Militärgouverneurs, Marschall Wassilij D.Sokolowskij, aus dem Alliierten Kontrollrat am 20. März 1948 wurde der Bruch auch konkret vollzogen.

Auf Grund dieser Entwicklung rechnen zu Beginn des Jahres 1949 nur noch wenige Menschen damit, dass es schon bald zu einer gesamtdeutschen Regierung kommt. Die Meisten befürworten vielmehr die Bildung eines westdeutschen Staates, allerdings mit der Maßgabe, die sowjetisch besetzte Zone solle baldmöglichst „heimgeholt“ werden.

1. Januar: Waffenstillstand in Kaschmir

Um Mitternacht tritt ein durch Vermittlung der UNO zwischen Indien und Pakistan geschlossenes Waffenstillstandsabkommen in Kraft, das die seit 14 Monaten andauernden Kämpfe im von beiden Seiten beanspruchten Kaschmir vorläufig beendet.

Der Vertrag sieht den Rückzug der Truppen beider Seiten hinter die festgesetzte Demarkationslinie vor, so dass Kaschmir de facto teils an Indien – der größere südliche Landesteil –, teils an Pakistan – das „Freie Kaschmir“ (Azad Kaschmir) – angegliedert wird. Die Konfliktparteien haben sich auch darauf geeinigt, unter internationaler Kontrolle die Bevölkerung über den Anschluss Kaschmirs an Indien bzw. Pakistan abstimmen zu lassen.

Der Kaschmirkonflikt resultiert aus der Teilung der ehemaligen britischen Kronkolonie Indien in die überwiegend von Hindus bewohnte Indische Union und den moslemischen Staat Pakistan im Jahr 1947. Das zum Zeitpunkt der Teilung des indischen Subkontinents unabhängige Kaschmir war zwar überwiegend (zu etwa 75 %) von Moslems bewohnt, wurde aber von einem hinduistischen Fürstenhaus regiert.

 

Rückkehr 1949

 

4. Januar: Deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR

Großbritannien, Frankreich und die USA fordern in Noten an die Regierung der UdSSR Auskunft über die Zahl der noch in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Deutschen und erinnern zugleich an den Beschluss der vier Großmächte, alle deutschen Kriegsgefangenen bis zum 31. Dezember 1948 freizulassen.

Nach sowjetischen Angaben befanden sich bei Abschluss der Viermächtevereinbarung über die Rückführung im April 1947 noch 890.532 deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion, von denen nach westlichen Angaben bisher etwa die Hälfte entlassen wurde.

11. Januar: Deutsche Ostgebiete polnisch

Das polnische Parlament in Warschau verabschiedet ein Gesetz, das die nach Kriegsende unter polnische Verwaltung gestellten deutschen Ostgebiete der allgemeinen polnischen Verwaltung angliedert und sie damit faktisch in den Staat integriert.

Nach dem Willen der Siegermächte über Deutschland – Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich – hatte Polen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs neue Grenzen erhalten, durch die das Land nach Westen verschoben wurde.

Als Westgrenze wurde im Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 (Frankreich trat am 7. August bei) die Oder-Neiße-Linie („von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze“) festgesetzt, so dass nun die ehemals deutschen Gebiete Pommern, Schlesien und das südliche Ostpreußen zum polnischen Staatsgebiet gehören. Im Osten musste Polen einen Teil seines Gebietes an die Sowjetunion abtreten; die Grenze verläuft nun entlang der sog. Curzon-Linie.

Die neugewonnenen Gebiete, deren bisherige deutschstämmige Bewohner das Land zu einem großen Teil verlassen mussten, sind seither mit Polen besiedelt worden.

Nach amtlichen Angaben wurden bis zum 1. Januar 1949 in Polen 9,1 Millionen Menschen umgesiedelt; 2,2 Millionen Deutsche wurden aus Polen ausgewiesen, 600.000 Ukrainer und Weißruthenen aus den östlichen Landesteilen in die Sowjetunion repatriiert. 2,2 Millionen Polen sind aus Westeuropa und Übersee, 1,5 Millionen aus den an die Sowjetunion abgetretenen polnischen Ostgebieten in ihr Mutterland gekommen. Weitere 2,6 Millionen Polen wurden innerhalb des Landes umgesiedelt, vorwiegend in die ehemals deutschen Gebiete.

11. Januar: Bertold Brechs „Mutter Courage“

Mit einer Aufführung seines Stückes „Mutter Courage und ihre Kinder“ präsentiert Bertold Brecht, der vor kurzem aus dem Exil nach Berlin (Ost) zurückgekehrt ist, im Ostberliner Deutschen Theater an der Schumannstraße erstmals das Berliner Ensemble, das er zusammen mit seiner Frau Helene Weigel aufgebaut hat.

Die Berliner „Mutter Courage“ – das Stück entstand 1939 und wurde 1946 erstmals in Deutschland aufgeführt – wird unter der Regie von Brecht und Erich Engel zu einem großen Theatererfolg. Das Berliner Ensemble macht sich vor allem als Brechtbühne schnell einen Namen.

24. Januar: SED nähert sich Moskauer Vorbild

In Berlin (Ost) wird vom SED-Parteivorstand die Bildung eines Politbüros nach dem Vorbild der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) bekanntgegeben. Damit ist die Umgestaltung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in eine „Partei neuen Typs“ abgeschlossen.

Schon 1948 wurde damit begonnen, eine Reihe ehemaliger Sozialdemokraten aus der Partei auszuschließen; das Prinzip der paritätischen Besetzung von Parteigremien durch ehemalige SPD- und KPD-Mitglieder wird auch formal aufgehoben. Anlass für die Umwandlung der SED ist der Ideologiestreit zwischen Jugoslawien und der UdSSR, der die sowjetische Führung dazu veranlasste, statt der Parole von den „unterschiedlichen Wegen zum Sozialismus“ nur noch die KPdSU als Vorbild gelten zu lassen.

25. Januar: Gründung des COMECON

Die Sowjetunion, Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und die ČSR gründen in Moskau den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW; COMECON). Durch diesen Zusammenschluss sollen Wiederaufbau und Wirtschaftsentwicklung der osteuropäischen Staaten beschleunigt werden.

Albanien schließt sich am 22. Februar dem Bündnis an; Jugoslawien war dagegen bereits von den Verhandlungen ausgeschlossen, obwohl der RGW ausdrücklich für andere Staaten, die sich mit seinen Zielen einverstanden erklären, offengehalten wird.

Die Ostblockländer schaffen mit dem RGW ein Gegengewicht zum US-amerikanischen Marshallplan, der ebenfalls den europäischen Wiederaufbau zum Ziel hat, an den sich die jetzigen RGW-Gründer auf Geheiß der Sowjetunion jedoch nicht anschließen durften.

Die ost- und südosteuropäischen Länder sind zur Beseitigung der Kriegsschäden, aber auch auf Grund der schon vor dem Zweiten Weltkrieg bestehenden Kapitalarmut auf wirtschaftliche Hilfe angewiesen, die allerdings die Sowjetunion nicht gewähren kann, da ihre eigene Wirtschaftskraft hierfür nicht ausreicht. Statt dessen soll nun eine möglichst länderübergreifende Wirtschaftsplanung die Industrieproduktion in den Ostblockstaaten steigern.

26. Januar: Entnazifizierung weitgehend abgeschlossen

Der ehemalige deutsche Reichskanzler (1932), Vizekanzler (1933/1934) und Botschafter (1936-1944) Franz von Papen wird vom Appellationsgericht des Entnazifizierungsgerichtes in Nürnberg in Gruppe II (Aktivisten) eingestuft. Er muss eine Geldstrafe von 30.000 DM bezahlen.

Von Papen – im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1946 in allen Punkten freigesprochen – wurde im ersten Verfahren von der Nürnberger Spruchkammer am 1. Februar 1947 als Hauptschuldiger zu acht Jahren Arbeitslager und Vermögensverlust verurteilt.

Insgesamt ist der Prozess der Entnazifizierung des deutschen Volkes, den die Alliierten schon auf ihrer Konferenz in Jalta im Februar 1945 im Grundsatz festgelegt hatten, im Wesentlichen abgeschlossen.

Februar 1949

2. Februar: Stalin für Friedenskonferenz

Der sowjetische Partei- und Staatschef, Josef W. Stalin, lehnt eine Einladung des US-Präsidenten Harry S. Truman, zu einem Besuch in Washington aus gesundheitlichen Gründen ab und lädt seinerseits Truman zu einem Treffen in die Sowjetunion ein.

Der US-amerikanische Außenminister Dean Acheson teilt dazu mit, dass Truman nur an einem Friedensgespräch mit dem sowjetischen Führer interessiert sei, wenn auch andere Länder daran teilnähmen. Der Präsident der Vereinigten Staaten wolle sich nur dann mit Stalin allein treffen, wenn dieser in die US-amerikanische Hauptstadt komme.

Trotz des Notenaustausches sind die Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion gespannt. Auslöser des „Kalten Krieges“ zwischen beiden Gesellschaftssystemen war die sowjetische Einflussnahme in den osteuropäischen Staaten nach 1945. Durch die Blockade der Zufahrtswege nach Berlin durch die sowjetischen Behörden seit Juni 1948 ist zusätzlicher Konfliktstoff entstanden.

4. Februar: Schah bei Attentat verletzt

Der Herrscher des Iran, Schah Mohammad Resa Pahlawi, wird in Teheran bei einem Attentat durch Schüsse in Rücken und Hüfte verletzt. Die linksgerichtete Tudeh-Partei, aus deren Reihen der Attentäter stammen soll, wird am nächsten Tag verboten.

Mohammad Resa Pahlawi regiert das Land seit der Abdankung seines Vaters, Schah Resa Pahlawi, im Jahr 1941. Unter seiner Regentschaft ist der Einfluss der Vereinigten Staaten im Iran deutlich gewachsen. Vor allem seit dem Versuch von Tudeh-Mitgliedern, 1946 mit Hilfe der Sowjetunion in Aserbeidschan und Kurdistan einen separaten Staat zu konstituieren – der Aufstand wurde von Regierungstruppen niedergeschlagen – erhofft sich der Schah von den USA und Großbritannien Unterstützung.

Die US-Amerikaner sind sowohl an der strategischen Position des Landes an der Grenze zur Sowjetunion wie an der Ausbeutung der überaus reichen iranischen Erdölvorkommen interessiert.

8. Februar: Kardinal Mindszenty verurteilt

Der Volksgerichtshof in Budapest verurteilt den Fürstprimas der katholischen Kirche in Ungarn, Kardinal József Mindszenty, wegen Hoch- und Landesverrats sowie Devisenvergehen zu lebenslanger Freiheitsstrafe, Einziehung seines Vermögens und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.

József Mindszenty (eigentl. Joseph Pehm) wurde am 29. März 1892 als Angehöriger einer deutschstämmigen Adelsfamilie in Csehimindszenty nahe der Grenze zu Österreich geboren. Im November 1944, wenige Monate nach seiner Ernennung zum Bischof von Veszprém, wurde er von dem – vom Deutschen Reich gestützten – Pfeilkreuzlerregime verhaftet.

Nach der Befreiung Ungarns durch die sowjetische Armee 1945 ernannte Papst Pius XII. Mindszenty als Nachfolger von Jusztinián Serédi zum Erzbischof von Esztergom und Primas von Ungarn; 1946 verlieh der Papst ihm im Petersdom in Rom die Kardinalswürde.

In den folgenden Jahren wandte sich der ungarische Primas gegen zahlreiche Maßnahmen der ungarischen kommunistischen Regierung in Budapest, etwa die Verringerung des kirchlichen Einflusses auf die Schulen durch Abschaffung des obligatorischen Religionsunterrichts, die Verstaatlichung der Bekenntnisschulen und die Säkularisierung kirchlicher Feiertage. Außerdem sprach Mindszenty sich mehrfach gegen die Vertreibung der Ungarndeutschen aus dem Balkanstaat aus.

24. Februar: Waffenstillstandsvertrag im Nahostkonflikt

Die seit dem 12. Januar auf Rhodos unter Vermittlung des UNO-Beauftragten Ralph J. Bunche tagenden Unterhändler Israels und Ägyptens einigen sich auf ein Waffenstillstandsabkommen, mit dem der israelisch-arabische Krieg vorläufig beendet wird. Abkommen zwischen Israel und den übrigen kriegsführenden Parteien sollen folgen.

Beide Seiten verpflichteten sich insbesondere dazu, keine agressiven Aktionen gegeneinander zu unternehmen oder vorzubereiten, gegenseitig das Recht auf Sicherheit zu respektieren, einen endgültigen Friedensschluss anzustreben sowie das vom UN-Sicherheitsrat ausgesprochene Verbot zu beachten, die Palästinenserfrage mit Waffengewalt zu lösen.

Der arabisch-israelische Krieg begann einen Tag nach der jüdischen Staatsgründung im ehemals britischen Mandatsgebiet Palästina. Am 15. Mai 1948 marschierten Truppen aus Ägypten, Irak, Syrien, Libanon und Transjordanien in Israel ein, um die Errichtung des neuen Staates, die sie als völkerrechtswidrigen Akt betrachteten, mit Gewalt zu verhindern.

Nach Anfangserfolgen gerieten die Araber zunehmend unter Druck. Isaraels Truppen drangen in die Nachbarländer ein und annektierten Gebiete mit einer Fläche von über 1.300 km2. Durch den Waffenstillstandsvertrag erhält Ägypten die Kontrolle über den Gazastreifen zurück.

Februar 1949: Kriegskinder

Vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich für viele deutsche Kinder die Lage weitgehend „normalisiert“. Jedoch gibt es immer noch eine große Zahl von „Kriegskindern“, die mehr oder weniger auf sich allein gestellt sind bzw. durch Fürsorgeeinrichtungen betreut werden, weil sie ihre Angehörigen verloren haben.

Für alle Kinder bedeutet die Normalität eine große Umstellung. Nachdem sie jahrelang sehr selbständig handeln mussten und an der teils illegalen Beschaffung von lebenswichtigen Gütern für die ganze Familie beteiligt waren, sollen sie sich nun in ein behütetes Zuhause einfügen.

März 1949

16. März: Peronismus in Argentinien

Argentiniens Staatspräsident Juan Domingo Perón leistet den Eid auf die neue Verfassung. Sie wurde am 9. März einstimmig von der Verfassunggebenden Versammlung angenommen, nachdem knapp ein Drittel der Delegierten, die Abgeordneten der oppositionellen Radikalen Partei, das Gremium unter Protest verlassen hatte.

Die neue Verfassung – sie löst die bisher gültige aus dem Jahr 1853 ab – führt die direkte Wahl des Präsidenten durch das Volk ein. Außerdem ist jetzt die Wiederwahl eines Präsidenten möglich.

Der Präsident erhält zugleich Einfluss auf die Justiz: Die Richter des Obersten Gerichts, bisher auf Lebenszeit ernannt, werden nun vom Präsidenten mit Zustimmung des Parlaments bestimmt und können unter bestimmten Bedingungen abberufen werden.

Perón, der 1943 maßgeblich am Sturz der konservativen Regierung beteiligt war und damit dem Militär zur Macht verhalf, ist seit Juni 1946 argentinischer Präsident. Mit seiner Parti do Laborista (Arbeiterpartei) und dem von ihm vertretenen Sozialprogramm hat sich der 1895 geborene General und Politiker die Unterstützung der Arbeiterschaft des Landes gesichert.

Mit diktatorischen Mitteln versucht er seither, sein Programm, den Peronismus, durchzusetzen. Seine Ziele, den Lebensstandart der verarmten Volksschichten zu heben, die Wirtschaft zu nationalisieren und die Industrialisierung des Landes zu beschleunigen, haben die Staatsfinanzen stark belastet.

17. März: Palästinensische Flüchtlinge

UN-Generalsekretär Trygve Halvdan Lie teilt mit, dass die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge etwa 750.000 betrage. Er bittet dringend um Finanzhilfe, um eine Katastrophe unter den hungernden und obdachlosen Flüchtlingen zu verhindern.

Seit der Gründung Israels im Mai 1948 ist ein Großteil der bislang in Palästina lebenden arabischen Bevölkerung aus Furcht vor Repressalien aus dem Land geflohen. Viele Palästina-Flüchtlinge leben in Lagern in den angrenzenden arabischen Ländern.

April 1949

4. April: Gründung der NATO

Die Außenminister aus zehn westeuropäischen Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und Portugal) sowie den USA und Kanada unterzeichnen in Washington den Nordatlantikpakt (NATO), einen militärischen Bündnisvertrag der westlichen Staaten.

Der NATO-Vertrag ist als Gegengewicht zur als bedrohlich empfundenen militärischen Präsenz der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in Osteuropa gedacht. Er soll vor allem die Verteidigungsfähigkeit Westeuropas stärken.

13. April: Weniger Demontage in den Westzonen

Die westlichen Besatzungsmächte Deutschlands – USA, Frankreich, Großbritannien – einigen sich auf Einschränkungen bei der Demontage von Industrieanlagen sowie die Milderung der Verbote bzw. Beschränkungen für die industrielle Produktion.

Nach der Revision sollen 159 Werke der stahl- und metallverarbeitenden sowie der chemischen Industrie, die zum Abbau vorgesehen waren, erhalten bleiben. Hierdurch erhöht sich die westdeutsche Stahlkapazität. Außerdem wird den Westdeutschen erstmals der Bau von Hochseeschiffen gestattet.

18. April: Irland unabhängig

In Dublin wird die Republik Irland (Éire) proklamiert, nachdem der Austritt Irlands aus dem britischen Commonwealth wirksam geworden ist. Das Land hat damit die letzte der seit 750 Jahren bestehenden Bindungen an die britische Krone zerrissen.

Ihren Anspruch auf das mehrheitlich von aus England und Schottland stammenden Protestanten bewohnte Nordirland, das wirtschaftlich weiter entwickelt ist als die überwiegend agrarisch strukturierte Republik, bekräftigen die Briten im Irlandgesetz vom 3. Mai, gegen das sich in Irland heftiger Protest erhebt. Der Tag der Unabhängigkeitserklärung der Republik Irland ist der 33. Jahrestag des Osteraufstandes von 1916. Er brach nach blutigen Kämpfen zusammen und führte dazu, dass die Führer der radikalnationalistischen Sinn Féin - Bewegung, die in Dublin die Republik ausgerufen hatten, erschossen wurden.

28. April: „Made in Germany“ geschätzt

In Hannover geht nach einwöchiger Dauer die Allgemeine Exportmesse zu Ende. Die 1.500 Aussteller aus den drei deutschen Westzonen zeigen sich wegen des internationalen Interesses mit dem Messeverlauf sehr zufrieden, obwohl die Exportaufträge hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.

Im Gegensatz zu den Vorjahren sind bei der Industrieausstellung diesmal keine Ersatzprodukte zu sehen; die meisten Branchen produzieren in Friedensqualität.

Wie in Hannover zeigt sich auch auf anderen Ausstellungen – auf der Deutschen Ausstellung in New York vom 9. bis 23. April –, dass deutsche Produkte wieder international Beachtung finden.

28. April: Ruhrindustrie unter internationaler Kontrolle

In London unterzeichnen Vertreter Großbritanniens, der USA, Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs das Abkommen über die Errichtung einer internationalen Ruhrkontrolle. Das am 28. Dezember 1948 von den sechs Mächten vereinbarte sog. Ruhrstatut tritt damit in Kraft.

Der Vertrag sieht die Einrichtung einer Kontrollbehörde mit Sitz in Nordrhein-Westfalen vor, die die Kohle-, Koks- und Stahlproduktion des Ruhrgebiets auf den innerdeutschen Verbrauch und den Export aufteilen soll. Mitglieder sind die sechs Signatarstaaten; außerdem sollen deutsche Vertreter zugelassen werden.

Ziel des Ruhrstatuts ist es zum einen, die für die Waffenproduktion wichtigen Ressourcen des Ruhrgebiets der ausschließlichen deutschen Kontrolle zu entziehen und deren friedliche Nutzung zu garantieren. Zum anderen streben die westeuropäischen Länder eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage der Montanindustrie an, für die das Ruhrgebiet als Kernzelle dienen soll.

Gefahr durch Blindgänger

Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs liegen unter den Trümmern in deutschen Städten noch ungezählte Bomben, die nach ihrem Abwurf nicht explodiert sind. Räumkommandos machen die Blindgänger ausfindig und entschärfen sie oder sprengen sie auf hierfür angelegten Plätzen. Viele Mitglieder der Sprengkommandos haben bei ihrer gefährlichen Arbeit das Leben verloren.

Mai 1949

5. Mai: Europarat gegründet

Im Londoner St. James Palace unterzeichnen die Außenminister von Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Irland, Luxemburg, Italien, Norwegen, Schweden und Dänemark sowie der belgische Botschafter in Großbritannien das Statut des Europarats. Im August schließen sich auch Island, Griechenland und die Türkei der Organisation an.

Der Europarat bleibt mit seinen Zielvorstellungen und Kompetenzen weit hinter den Vorschlägen zurück, die ein Jahr zuvor (8.-10. 5. 1948) auf dem ersten Paneuropakongress in Den Haag gemacht wurden. Seinerzeit hatte der frühere britische Premierminister Winston Churchill, einer der geistigen Väter der Europaidee, die Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte gefordert, um eine politische und wirtschaftliche Union mit einer gemeinsamen militärischen Verteidigung ins Leben zu rufen.

Nach seiner Auffassung sollte Europa so neben den USA und der UdSSR und deren jeweiligen Einflussbereichen zur dritten Weltmacht werden. Churchill hatte bereits 1946 in Zürich den Plan der „Vereinigten Staaten von Europa“ entworfen; am 17. Januar 1947 gründete er die Bewegung für ein Vereintes Europa.

7. Mai: Tito für Einheit Jugoslawiens

In einem Presseinterview äußert der jugoslawische Regierungschef Josip Broz Tito den Wunsch seines Volkes nach einer friedlichen Verständigung zwischen den USA und der Sowjetunion.

Tito nimmt auch zu Problemen Stellung, die Jugoslawien aus seiner Eigenschaft als Vielvölkerstaat entstehen. Er vertritt die Ansicht, dass die Völker seines Landes „viel zu viel Opfer für ihre Unabhängigkeit, für die Brüderlichkeit und Einigkeit, in einem Wort, für die neue Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ gebracht hätten, um auf einen einheitlichen Staat zu verzichten. Dies gelte auch für den jugoslawischen Teil Mazedoniens, der nicht mit dem entsprechenden griechischen Landesteil zu einem eigenen Staat zusammengefasst werden solle.

10. Mai: Bonn wird Sitz der Bundesregierung

Die Vollversammlung des Parlamentarischen Rates bestimmt in geheimer Wahl die Stadt Bonn zur vorläufigen Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Abstimmung sprechen sich 33 Delegierte für Bonn, 29 für Frankfurt am Main aus.

Die mit Spannung erwartete Entscheidung wird von einigen freudig begrüßt. Aus Berlin ist zu hören, mit der Wahl Bonns bleibe die Möglichkeit erhalten, Berlin zur Hauptstadt eines wiedervereinigten Deutschlands zu machen.

Andere halten die Absage an Frankfurt dagegen für eine politische, sachliche und organisatorische Fehlentscheidung, weil Gebäude, Verkehrswege, Telefonnetze, die in der 110.000 Einwohner zählenden Stadt Bonn erst gebaut oder erweitert werden müssen, in der Großstadt Frankfurt bereits zur Verfügung stehen.

12. Mai: Blockade Berlins beendet

Die Berliner Blockade ist nach fast elfmonatiger Dauer beendet: Mit Inkrafttreten des sog. Jessup-Malik-Abkommens sind die Zufahrtswege in die Westsektoren der geteilten Stadt ab Mitternacht wieder für den Bahn-, Auto- und Schiffsverkehr freigegeben.

Die sowjetischen Behörden hatten die Sperrung der Land- und Wasserwege nach Berlin am 24. Juni 1948 angeordnet; sie wollten damit ihre Forderung durchsetzen, in der gesamten Stadt die in der Ostzone gültige Währung einzuführen. Die UdSSR betrachtet den Westteil Berlins als wirtschaftlich bedeutsamen Teil ihrer Besatzungszone.

Die westlichen Besatzungsmächte Deutschlands reagierten auf die Blockade mit der sogenannten Luftbrücke, der Versorgung der Bevölkerung in den Westsektoren auf dem Luftweg. Seither flogen über 200.000 Mal britische und US-amerikanische Transportmaschinen nach Berlin und beförderten fast 1,8 Millionen Tonnen Güter in die blockierte Stadt. 70 Piloten und acht deutsche Hilfskräfte starben bei diesen Einsätzen.

Zusätzlich verhängten die Westalliierten am 4. Februar eine Gegenblockade, um zu verhindern, dass Waren aus Berlin (West) in den Ostsektor der Stadt oder in die Ostzone weitergeleitet wurden.

23. Mai: Grundgesetz der BRD

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird in einer Feierstunde in Bonn vor dem Plenum des Parlamentarischen Rates von dessen Präsidenten, Konrad Adenauer (CDU), verkündet. Es wird im ersten Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am 24. Mai 1949, 0 Uhr, in Kraft.

Zuvor haben 68 Abgeordnete des Parlamentarischen Rates einschließlich der Westberliner Vertreter das Grundgesetz unterzeichnet. Der kommunistische Abgeordnete Heinz Renner lehnte die Unterschrift mit den Worten ab: „Ich unterschreibe nicht die Spaltung Deutschlands“.

30. Mai: Verfassung für die DDR

Eine Woche nach der Verkündigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland billigt der am 15./16. Mai gewählte 3. Deutsche Volkskongress in Berlin (Ost) die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mit 1999 gegen eine Stimme.

Wie das westdeutsche Grundgesetz garantiert auch die Verfassung der DDR die Grundrechte der Bürger; neben individuellen Freiheitsrechten finden auch nähere Bestimmungen für die wirtschaftliche und soziale Ordnung ihren Platz. So sind in den Grundrechten das Recht auf Arbeit, Mitbestimmung am Arbeitsplatz, bezahlter Urlaub sowie Versorgung bei Krankheit und im Alter festgeschrieben.

Bezüglich der Wirtschaftsordnung heißt es, sie müsse „den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit entsprechen und allen Bürgern ein menschenwürdiges Dasein sichern“. Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen bleibt gewährleistet, Genossenschaften sollen jedoch weiter ausgebaut werden.

Zunehmend Vertriebene und Flüchtlinge

Nachdem die wirtschaftliche Lage in den Westzonen Deutschlands sich 1949 zu stabilisieren beginnt, entstehen auf dem Arbeitsmarkt neue Probleme durch die wachsende Zahl an Heimatvertriebenen, Flüchtlingen und Kriegsheimkehrern, die in den Arbeitsprozess eingegliedert werden müssen.

In der Bundesrepublik Deutschland leben 1949 etwa 7,7 Millionen Vertriebene, dies sind 1,5 Millionen mehr als drei Jahre zuvor. Auch die Zahl der Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR ist seit 1946 um 400.000 auf 1,4 Millionen gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten ist entsprechend von knapp elf Millionen 1946 auf 13,5 Millionen angewachsen. Der Anteil der Arbeitslosen hat sich mit 8,3 % im Jahresdurchschnitt gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt.

Besonders hart vom Überangebot an Arbeitskräften betroffen sind viele Heimatvertriebene sowie Flüchtlinge, die selten eine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle finden können und meist weit hinter ihrem früheren sozialen Status zurückbleiben.

Juni 1949

13. Juni: „1984“

George Orwells Roman „1984“ wird in den USA als „Buch des Jahres“ ausgezeichnet. Der Autor entwirft in „1984“ ein erschreckendes Zukunfts-Szenario: Die Welt ist in drei Supermächte (Ozeanien, Eurasien, Ostasien) aufgeteilt, die ihre Scheinauseinandersetzungen untereinander dazu nutzen, die eigene Bevölkerung zu unterdrücken. Unter der Führung eines „Großen Bruders“, der auf Bildern an allen Wänden präsent ist und den Betrachter überall zu beobachten scheint, ist in Ozeanien ein totaler Überwachungsstaat entstanden, in dem die Staatspartei die alleinige Macht hat und „Gedankenverbrechen“ das größte Vergehen sind.

Juli 1949

11. Juli: US-Wirtschaft stagniert

In seinem Halbjahresbericht an den Kongress über die Wirtschaftslage weist US-Präsident Harry S. Truman Gerüchte zurück, wonach seinem Land eine ernsthafte Wirtschaftsdepression drohe. Die gegenwärtige Stagnation sei lediglich eine Übergangsphase, die durch geeignete Maßnahmen leicht behoben werden könne.

Die Zeichen einer Krise sind in den Vereinigten Staaten unübersehbar. Zu Beginn des Monats Juli sind fast 3,8 Millionen US-Amerikaner arbeitslos. Dies ist der höchste Erwerbslosenstand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

13. Juli: Krieg in Vietnam

Bao-Ðai, der 1945 als Kaiser von Annam abgedankt hat, proklamiert in Saigon die Republik Vietnam gemäß dem Abkommen mit der Kolonialmacht Frankreich vom 23. Februar 1949.

Der Vertrag sieht vor, daß Bao-Ðai Indochina einigen und zu einem Frieden mit Frankreich führen soll. Die Franzosen hoffen, so ihre Kolonie Indochina erhalten und den Einfluss der antikolonialistischen Widerstandsbewegung Vietminh zurückdrängen zu können. Deren Führer, Ho Chi Minh, zugleich Vorsitzender der Kommunistischen Partei seines Landes, hat am 2. September 1945 in Hanoi die unabhängige Demokratische Republik Vietnam (DRV) ausgerufen.

Die Franzosen erkannten die DRV am 6. März 1946 zunächst als freien Staat innerhalb der Französischen Union an. Der französische Hochkommissar für Vietnam, Thiérry D’Archenlieu, sabotierte jedoch weitere Verhandlungen.

Danach gewannen jene Kräfte die Oberhand, die eine militärische Lösung in Indochina befürworteten. Mit politischen Mitteln, aber auch im bewaffneten Kampf, in dem sich das französische Expeditionskorps den Truppen der Vietminh bald unterlegen zeigte, versuchte Frankreich nun, die Befreiungsbewegung zu unterdrücken.

August 1949

1. August: Friedenshoffnung für Indonesien

Die Republik Indonesien und die Niederlande kommen zum Abschluss einer achttägigen Konferenz in Jakarta überein, ihre Feindseligkeiten zu beenden. Vertreter der Indonesien-Kommission der Vereinten Nationen haben vermittelt.

Der Konflikt zwischen beiden Ländern, dessen Höhepunkt zwei Polizeiaktionen der Niederländer in ihrer ehemaligen Kolonie Indonesien in den Jahren 1947 und 1948 bildeten, resultiert aus der Weigerung der Niederlande, die Unabhängigkeit Indonesiens anzuerkennen. Achmed Sukarno ist seit 1945 Staatspräsident der von ihm proklamierten Republik.

14. August: CDU/CSU stärkste Fraktion im Bundestag

In den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands finden die Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag, dem Parlament der Bundesrepublik Deutschland, statt, deren Verfassung am 23. Mai in Kraft getreten ist. Bei einer Wahlbeteiligung von 78,5 % gelingt elf der 19 zur Wahl stehenden Parteien sowie drei parteilosen Abgeordneten der Einzug in den Bundestag.

Stärkste Fraktion mit 139 der 402 Abgeordneten bzw. 31 % der abgegebenen Stimmen wird die CDU/CSU. Die SPD entsendet 131 Abgeordnete; sie wird bundesweit von 29,2 % der Wähler favorisiert. Drittstärkste Fraktion wird die FDP/DVP mit 52 Abgeordneten (11,9 %). Es folgen Bayernpartei (4,2 %) und DP (4 %) mit je 17 und KPD (5,7 %) mit 15 Abgeordneten.

16. August: Tod von Margaret Mitchell

Die US-amerikanische Schriftstellerin Margaret Mitchell stirbt in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) an den Folgen eines Autounfalls, bei dem sie vier Tage zuvor in der Nähe ihres Hauses angefahren worden ist.

Die 48jährige brachte es mit ihrem einzigen Buch „Vom Winde verweht“ zu Weltruhm. In dem zwischen 1926 und 1936 entstandenen Unterhaltungsroman schildert sie – vom Standpunkt der Südstaaten aus – den Sezessionskrieg zwischen den Nord- und Südstaaten der USA von 1861-1865. Die Auseinandersetzungen, die aus der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch aus den kontroversen Standpunkten zur Sklavenhaltung resultierte, beendeten die Nordstaaten siegreich.

Mit der Niederlage im Bürgerkrieg brachen – wie in Mitchells Roman geschildert – zugleich die überlebten feudalen Gesellschaftsstrukturen in den Südstaaten zusammen.

27. August: Apartheid in Südafrika

Eine weitere Verschärfung der Rassengesetzgebung kündigt der seit Mai 1948 amtierende Ministerpräsident der Südafrikanischen Union, Daniel F. Malan, an.

Danach soll vom Januar 1950 an die schwarze Bevölkerungsmehrheit nur noch im Senat vertreten sein; die Vertretung der Schwarzen im Unterhaus – durch drei Abgeordnete europäischer Herkunft – wird abgeschafft. Malan will so schnell wie möglich sein System der Apartheid, der Rassentrennung, umsetzen, um die Vorherrschaft der weißen Minderheit in dem britischen Dominium zu sichern.

28. August: Goethe-Jubiläum

Mit Feierlichkeiten und Gedenkreden wird weltweit des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe gedacht, der 200 Jahre zuvor in Frankfurt am Main geboren wurde. Seit Jahresbeginn gab es zahlreiche Jubiläumsinszenierungen von Goethes Dramen.

Höhepunkt der westdeutschen Goethefeierlichkeiten ist die offizielle Verleihung des diesjährigen Goethe-Preises an Thomas Mann. Der Schriftsteller, der im US-amerikanischen Exil lebt, hat den Preis anlässlich eines Deutschlandbesuchs bereits am 25. Juli entgegengenommen und ist anschließend zur Goethefeier nach Weimar gereist.

In Weimar wird Thomas Mann am 1. August mit dem Goethepreis ausgezeichnet. Zugleich erhält er das Ehrenbürgerrecht der Stadt Weimar. Seine Reise in die sowjetische Besatzungszone löst in Westdeutschland heftige Kontroversen aus.

Kortison zu wenig verfügbar

Ein Erfolg versprechendes Mittel zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen stellt der US-amerikanische Arzt Philip Shoewalter Hench 1949 der Öffentlichkeit vor. Er spritzt seinen Patienten das Nebennierenrindenhormon Kortison und lindert damit in kurzer Zeit ihre Beschwerden. Das Heilmittel kann allerdings nur mit großem Aufwand und in geringen Mengen aus der Rindergalle gewonnen werden, so dass seine Anwendung in größerem Rahmen noch nicht möglich ist.

September 1949

3. September: Saargebiet soll autonom werden

Bei einem Treffen zwischen dem französischen Außenminister Robert Schuman und dem Ministerpräsidenten des Saargebietes, Johannes Hoffmann, bekunden beide Seiten ihre Übereinstimmung in Bezug auf die völkerrechtliche Stellung des Saarlandes. Danach wird der wirtschaftliche Anschluss der Saar an Frankreich angestrebt; politisch soll das Land dagegen autonom werden.

8. September: Tod von Richard Strauß

Der deutsche Komponist und Dirigent Richard Strauß wird am 11.6.1864 in München geboren. Sein Schaffen gliedert sich in zwei Perioden: Bis zur Jahrhundertwende entstehen seine sinfonischen Tondichtungen, darunter „Don Juan“ (1887-1889), „Tod und Verklärung“ (1888/1889), „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ (1894/1895) und „Also sprach Zarathustra“ (1896).

Danach wendet er sich mehr und mehr der Oper zu. Das erste Werk, „Salome“ nach Oscar Wilde, wird 1905 in Dresden ein Sensationserfolg. Seit „Elektra“ 1909 Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal. Sein Hauptwerk ist „Der Rosenkavalier“ (1911). Seine Kompositionen werden stilbildend für das deutsche Musiktheater.

Strauß schreibt auch Sinfonien: „Sinfonia domestica“ (1903). „Eine Alpensinfonie“ (1915). Er bleibt der klassisch- romantischen Tradition verpflichtet. Die Tonalität erweitert er, verläßt sie aber nicht.

9. September: In Korea droht Krieg

Auch nach dem Abzug der US-amerikanischen Truppen aus Süd-Korea haben sich die Aussichten für eine Einigung des Landes nicht verbessert. Im Grenzgebiet zwischen dem kommunistischen Nord-Korea (Demokratische Volksrepublik Korea) und dem von Präsident Syngman Rhee autoritär regierten Süd-Korea (Republik Korea) kommt es immer häufiger zu militärischen Auseinandersetzungen, die sich zu einem Krieg ausweiten könnten.

Nach Ansicht der UN-Kommission ist das Scheitern der Einigungsbemühungen durch die Art der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR verursacht worden.

12. September: Heuss zum Bundespräsidenten gewählt

Die Bundesversammlung – die 402 Bundestagsabgeordneten sowie 402 von den Länderparlamenten bestimmte Wahlmänner – wählt in Bonn den 65jährigen FDP-Abgeordneten Theodor Heuss zum ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

Der 1884 in Württemberg geborene Heuss war von 1920 bis 1933 zunächst Studienleiter, dann Dozent an der Hochschule für Politik in Berlin. Nach Kriegsende gehörte er zu den Mitbegründern der FDP und wurde 1948 deren Vorsitzender. Als Mitglied des Parlamentarischen Rates übte Heuss entscheidenden Einfluss auf die Formulierung des Grundgesetzes aus.

15. September: Adenauer zum Bundeskanzler gewählt

Mit 202 der 402 Stimmen – exakt der erforderlichen Stimmenanzahl für die absolute Mehrheit – wird der CDU-Vorsitzende in der britischen Zone, Konrad Adenauer, vom Bundestag in Bonn zum ersten Kanzler der Bundesrepublik gewählt. Der 73jährige erhält 142 Gegenstimmen, 44 Abgeordnete enthalten sich, ein Stimmzettel ist ungültig. Die übrigen Volksvertereter sind bei der Kanzlerwahl nicht anwesend. Für Adenauer werden ohne Widerspruch des Parlaments auch drei Stimmzettel gewertet, auf denen statt „Ja“ oder „Nein“ der Name „Adenauer“ vermerkt ist.

Das Ergebnis der Kanzlerwahl löst in Bonn Erstaunen und Spekulationen darüber aus, wie sich Adenauer mit der denkbar knappsten Mehrheit – seine eigene Stimme machte ihn zum Kanzler – die Regierungsfähigkeit erhalten kann. Adenauer will am 20. September sein Kabinett vorstellen, dem auch Mitglieder der FDP und der Deutschen Partei angehören sollen.

Der erste Kanzler der Bundesrepublik wurde 1876 in Köln geboren. Er studierte Jura und Volkswirtschaft, war von 1902 bis 1904 Assessor und in den folgenden zwei Jahren Rechtsanwaltsvertreter.  1906 schloss sich Adenauer der Zentrumspartei an und wurde zwei Jahre später 1. Beigeordneter seiner Heimatstadt. Von 1917 an war er Kölner Oberbürgermeister, bis er 1933 von den Nationalsozialisten aus allen Ämtern entlassen wurde. In seine Regierungszeit als Stadtoberhaupt fallen ein wirtschaftlicher Aufschwung Kölns sowie die Gründung der Universität im Jahr 1919. Die Zeit des Nationalsozialismus verbrachte Adenauer als Pensionär, 1944 wurde er im Zusammenhang mit dem missglückten Bombenattentat auf Adolf Hitler vorübergehend inhaftiert. Nach dem Krieg trat er der neugegründeten CDU bei und wurde 1946 deren Vorsitzender in der britischen Zone. Dem Parlamentarischen Rat stand er als Präsident vor.

20. September: USA möchten ihre Lebensart wahren

Der Glaube an den Wert des Einzelmenschen und die Erhaltung der US-amerikanischen Lebensart – ohne den Versuch, sie anderen aufzudrängen – zählen zu den Punkten, an denen sich die US-amerikanische Politik gegenüber der westlichen Hemisphäre orientiert. Dies erklärt US-Außenminister Dean Acheson in New York.

25. September: UdSSR Atommacht

Die sowjetische Regierung veröffentlicht eine Erklärung, wonach das Land schon seit 1947 im Besitz des Atombombengeheimnisses sei.

Die Nachricht, dass die UdSSR ebenfalls eine Atommacht ist, löst weltweit Erleichterung aus. Der deutsche Atomforscher Otto Hahn formuliert das vorherrschende Gefühl so: „Das ist eine gute Nachricht! Ich glaube, dem Frieden ist mehr gedient, wenn die Russen auch Atomwaffen haben; dann haben beide Seiten so viel Angst voreinander, dass keiner anfangen wird“.

Oktober 1949

1. Oktober: Mao proklamiert Volksrepublik

Mao Tse-tung, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, proklamiert auf einer Massenkundgebung vor dem Kaiserpalast in Peking die Volksrepublik China und gibt die Bildung einer Zentralen Volksregierung bekannt. Mao selbst wird Vorsitzender des Volksregierungsrates.

Damit endet der seit fast vier Jahren andauernde Bürgerkrieg in China mit einem Sieg der Kommunisten, während sich der Führer der Kuo-mintang (Nationalpartei), Chiang Kai-shek, mit seinen Anhängern auf die Insel Taiwan zurückziehen muss.

7. Oktober: Gründung der DDR

Auf seiner neunten Tagung im großen Sitzungssaal der Deutschen Wirtschaftskommission in Berlin (Ost) proklamiert der Deutsche Volksrat die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Grundlage für den neuen Staat auf dem Gebiet der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (SBZ) ist die Verfassung vom 30. Mai.

11. Oktober: Pieck und Grotewohl an der DDR-Spitze

Per Akklamation wählen Volkskammer und Länderkammer der DDR in einer gemeinsamen Sitzung im ehemaligen Luftfahrtministerium in Berlin (Ost) den 73jährigen SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck einstimmig zum ersten Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik. Wilhelm Pieck, geboren 1876, ist ab 1895 SPD-Mitglied. 1919 zählt er zu den Mitbegründern der KPD. Von 1928-1933 Reichtagsabgeordneter, muss er vor den Nationalsozialisten fliehen und lebt in Paris und in der Sowjetunion.

Am 12. Oktober bestätigt die provisorische Volkskammer der DDR die von Otto Grotewohl (SED) vorgelegte Kabinettsliste und damit zugleich die Ernennung Grotewohls zum Ministerpräsidenten. Otto Grotewohl, geboren 1894, wird 1912 SPD-Mitglied. Von 1918 bis 1922 schließt er sich der aus Protest gegen die Kriegsunterstützung der SPD-Führung entstandenen USPD an. Von 1921 bis 1924 ist er Minister in Braunschweig, von 1925 bis 1933 Reichstagsabgeordneter.

Walter Ulbricht, geboren 1893, ist ab 1912 SPD-Mitglied. 1919 tritt er der KPD bei. Von 1928 bis 1933 ist er Mitglied des Reichstags. 1933 muss er emigrieren. Ab 1946 ist er stellvertretender Vorsitzender der SED. Am 12. Oktober 1949 wird er Stellvertreter des Ministerpräsidenten Grotewohl.

 

Mecki

 

14. Oktober: Mecki in „Hör zu“

Die Rundfunkzeitschrift „Hör zu“ präsentiert auf der Titelseite den Igel Mecki, der die redaktionelle Arbeit der Zeitschrift mit Kommentaren begleiten soll.

Die von Reinhold Escher gezeichnete Figur, die als „Redaktionsigel“ fungiert, mischt sich von nun an regelmäßig mit Worten, aber auch durch gezeichnete Veränderungen an Fotos kommentierend in die Berichte des Blattes ein.

Mecki selbst macht einen recht zerlumpten Eindruck: Seine Hosen sind zerrissen und teilweise geflickt; am Bund werden sie durch eine Schnur zusammengehalten.

15. Oktober: Kürzere Wartezeit bei Ferngesprächen

In München wird in Anwesenheit von Bundespostminister Hans Schuberth (CSU) das bislang modernste Fernamt der Bundesrepublik eröffnet. Das Amt – Bau und technische Einrichtungen haben 2,5 Millionen DM gekostet – ist für die sofortige Vermittlung von Ferngesprächen eingerichtet.

Nach der Beseitigung letzter technischer Schwierigkeiten soll es dann auch möglich sein, dass der Telefonteilnehmer Ferngespräche selbst wählen kann. In der Bundesrepublik  warten 335.000 Menschen auf einen Telefonanschluss. Verzögerungen entstehen jedoch, weil der Post für die notwendigen Investitionen das Geld fehlt.

16. Oktober: Ende des griechischen Bürgerkriegs

Nach sieben Jahren endet der Bürgerkrieg in Griechenland mit dem Sieg der Royalisten. Die unterlegenen Kommunisten kündigen zwar an, sie wollten die Waffen nur vorübergehend ruhen lassen, faktisch kommt ihr Schritt aber einer Kapitulation gleich.

Die kommunistisch kontrollierte Nationale Befreiungsarmee (ELAS) und ihre politische Organisation (EAM) haben den Kampf gegen die Truppen der Regierung aufgegeben, nachdem ihnen Jugoslawien die Unterstützung entzogen hat. Die jugoslawische Regierung hat sich zu dem Schritt entschlossen, weil die griechischen Kommunisten sich im ideologischen Streit mit der UdSSR auf die Seite der Sowjets gestellt haben.

Die EAM/ELAS entstand 1940/1941 zunächst als Widerstandsorganisation gegen die deutschen, italienischen und bulgarischen Besatzer. Schon bald trat aber die Auseinandersetzung mit dem innenpolitischen Gegner, den Verfechtern der Monarchie und Anhängern des 1944 aus dem Exil nach Griechenland zurückgekehrten Königs Georg II., in den Vordergrund.

Auch nach dessen Tod und der Inthronisierung seines Bruders als Paul I. 1947 dauerte der Bürgerkrieg an, der in sieben Jahren etwa 45.000 Tote forderte. Die siegreichen Royalisten erhielten weitgehende Unterstützung der USA, die nach der Truman-Doktrin von 1947 vom Kommunismus bedrohten Ländern beistehen wollen.

21. Oktober: Haftstrafen gegen US-Kommunisten

Ein New Yorker Gericht verurteilt den Generalsekretär der Kommunistischen Partei der USA, Eugene Dennis, und zehn weitere Parteifunktionäre zu je fünf bzw. drei Jahren Haft und 10.000 US-Dollar (42.000 DM) Geldstrafe.

Die Angeklagten wurden für schuldig befunden, den Sturz der US-Regierung propagiert und vorbereitet zu haben.

In den Vereinigten Staaten geht schon seit geraumer Zeit die Angst vor dem Kommunismus um; immer wieder werden Mitglieder der KP wegen angeblicher staatsfeindlicher Handlungen vor Gericht gebracht und verurteilt.

21. Oktober: Kranke setzen auf „Wunderheiler“ Gröning

In den drei größten Münchener Kinos, in Essen und Gelsenkirchen läuft ein Film an über den sog. Wunderheiler Bruno Gröning (* 1906 in Danzig, † 1959 in Paris). Der frühere Gelegenheitsarbeiter begann seine Tätigkeit in Gütersloh. Nach eigenen Angaben kann er Menschen durch Suggestion, Handauflegen oder durch Hilfsmittel von Krankheiten heilen.

Nachdem ihm in Nordrhein-Westfalen seine Tätigkeit untersagt worden ist, hat sich Gröning auf dem „Traberhof“ bei Rosenheim niedergelassen. Dorthin pilgern nun täglich Hunderte kranker Menschen, die sich – zumeist nachdem herkömmliche Behandlungsmethoden keinen Erfolg gezeigt haben – von ihm Linderung versprechen.

In mehreren Bundesländern wird gegen Gröning wegen Betrugs ermittelt. Viele Mediziner bezeichnen ihn als psychopathischen Scharlatan. Eine Gruppe Heidelberger Psychologen urteilt im August 1949, Gröning sei ein durchaus „begabter nicht-ärztlicher Psychotherapeut“. Er selbst bezeichnet sich als „Messias“.

22. Oktober: Zatopek läuft Weltbestzeit

Mit sensationellen 29:21,2 min über 10.000 m unterbietet der tschechoslowakische Langstreckenläufer Emil Zatopek in Ostrau den erst am 1. September von dem Finnen Viljo Heino aufgestellten Weltrekord um 6 sec.

Der 27jährige Zatopek, der bei den Olympischen Spielen 1948 in London die Goldmedaille über 10.000 m und die Silbermedaille im 5.000-m-Lauf gewonnen hat, holt sich damit zum zweiten Mal in diesem Jahr den Weltrekord von Heino: Am 11. Juni hatte er dessen Bestzeit von 1944 auf 29:28,2 min verbessert.

24. Oktober: Grundsteinlegung für Zentrale der UNO

UN-Generalsekretär Trygve Halvdan Lie legt in New York den Grundstein für das neue Hauptquartier der Vereinten Nationen. Vor dem Rohbau des Gebäudes wohnen die Delegationen der 59 Mitgliedsstaaten der feierlichen Zeremonie bei.

Der Präsident der derzeit in Flushing Meadows tagenden UN-Vollversammlung, General Carlos P. Romulo (Philippinen), bezeichnet die Vereinten Nationen in seiner anschließenden Festrede als letzten heiligen Tempel für die Wiederentdeckung der menschlichen Gemeinschaft. Romulo schließt mit den Worten: „Wir müssen Frieden halten oder sterben“.

27. Oktober: Spaniens Diktator besucht Portugal

Nach sechstägiger Dauer beendet der spanische Diktator Francisco Franco Bahamonde seinen Staatsbesuch in Portugal, das ebenfalls – von Ministerpräsident António de Oliveira Salazar – diktatorisch regiert wird.

Vier Tage zuvor haben beide Länder vereinbart, sich im Falle eines Angriffs von dritter Seite gegenseitig militärische Hilfe zu leisten.

Die beiden Diktaturen in Südwesteuropa haben seit Mitte der 30er Jahre Bestand. Sie behaupten von sich, sie verteidigten die abendländische Kultur vor dem Kommunismus: So hat Franco während seines Portugalbesuchs erklärt, er sei entschlossen, „die Freiheit dieses Kontinents zu gewährleisten, der teilweise versklavt und teilweise bedroht ist“.

Wegen der Unterdrückung der bürgerlichen Rechte im eigenen Land gerät Spaniens Diktator selbst unter Druck von außen. Vor allem die britische Labour-Regierung ist bemüht, jede internationale Anerkennung des Franco-Regimes zu verhindern.

Oktober: Nachkriegsliteratur

Die deutsche Literatur des Jahres 1949 ist von Verunsicherung gekennzeichnet. Angst, Zerstörung, Not: Das sind die Alltagserfahrungen im Faschismus und in den ersten Nachkriegsjahren; Wertsysteme haben ihre Gültigkeit verloren, für viele Menschen geht es ums bloße Überleben.

Der Eindruck des Krieges ist Thema in der Erzählung „Der Zug war pünktlich“ von Heinrich Böll, der selbst während des Zweiten Weltkriegs Soldat war. Der Kölner Autor beschreibt den inneren Zustand eines jungen Soldaten vor seinem Tod in der Ukraine.

November 1949

1. November: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die erste Nummer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint. Sie möchte „sich bemühen, nicht an der Oberfläche der Dinge stehenzubleiben, sondern ihre geistigen Hintergründe aufzusuchen“. Da Deutschland keinen Außenminister hat, will sie „eine Stimme Deutschlands in der Welt sein“. Die Zeitung wird herausgegeben von Hans Baumgarten, Erich Dombrowski, Karl Korn, Paul Sethe und Erich Welter.

16. November: Test für neue Nationalelf

Vor 20.000 Besuchern im Dortmunder Stadion „Rote Erde“ schlägt im Testspiel zweier bundesdeutscher Auswahlteams die B-Elf die stärker eingeschätzte A-Mannschaft 3:1.

Für das Trainingslager in Duisburg vom 14. bis 19. November hatte Bundestrainer Sepp Herberger 30 Spieler geladen, darunter je vier von Borussia Dortmund und dem 1. FC Nürnberg. Der Lehrgang soll Aufschluss darüber geben, wie eine künftige Nationalelf aussehen könnte.

19. November: Tod von James Ensor

Belgischer Maler und Radierer, * 13.4.1860 Ostende, gestorben ebenda. Bedeutendster Vertreter des Symbolismus in der Malerei. „Der Einzug Christi in Brüssel im Jahre 1888“: Eine gespenstische Vision maskierter Menschenmassen und Soldaten, sozialer Gegensätze, Hass- und Gewaltausbrüche auf dem Brüsseler Marktplatz. „Die Kathedrale“ (1891): Auflauf entindividualisierter Menschen, die einem dem Verfall preisgegebenen gotischen Dom den Rücken zugekehrt haben.

Fernsehgeräte

Auch wenn die meisten Europäer und auch viele US-Amerikaner Fernsehen bislang nur vom Hörensagen kennen, besteht ein lebhaftes Interesse an den neuen Apparaten, die Bilder aus weit entfernten Studios in die Wohnstuben bringen.

Als Clou der diesjährigen Radio- und Fernsehausstellungen – etwa der Radiolympia in London – gilt eine Kombination, die Fernsehapparat und Rundfunkgerät in einem Gerät vereinigt. Mit rund 1.200 DM ist der Apparat allerdings erheblich teurer als ein normaler Fernseher, der durchschnittlich etwa 750 DM kostet.

Dezember 1949

1. Dezember: Sauerbruch in Ruhestand

Wegen einer Verordnung der DDR-Gesundheitsbehörden, wonach alle über 70jährigen Ärzte nicht länger in der Berliner Charité beschäftigt werden sollen, gibt der 74jährige Ferdinand Sauerbruch seinen Posten als Direktor der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses auf. Sauerbruch, der 1928 in die Charité eintrat, entwickelte wegweisende Operationsverfahren vor allem in der Brustkorbchirurgie.

3. Dezember: Diskussion um Wiederaufrüstung

Mit Äußerungen über eine mögliche Beteiligung westdeutscher Soldaten an einer europäischen Armee gegenüber der in Cleveland (US-Bundesstaat Ohio) erscheinenden Zeitung „The Plain Dealer“ löst Bundeskanzler Konrad Adenauer eine Diskussion über die Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland aus.

Am folgenden Tag dementiert der Kanzler den Bericht der Zeitung, wonach er die deutsche Teilnahme an einer europäischen Armee unter europäischem Oberkommando und die Aufstellung eines autonomen deutschen Armeekorps gefordert haben soll. Adenauer erklärt, dass er grundsätzlich gegen eine Wiederaufrüstung der Bundesrepublik und damit auch gegen die Errichtung einer neuen deutschen Streitmacht sei.

Wenige Tage später nimmt Adenauer vor dem CDU-Vorstand seine Erklärung größtenteils zurück. Er vertritt die Ansicht, dass die Deutschen in einer europäischen Streitmacht mit denselben Rechten vertreten sein sollten wie die anderen Nationen, und fährt fort: „Welches ist die größere Gefahr, die russische Bedrohung der westlichen Welt oder das Bestehen eines deutschen Truppenkontingents im Verband mit den Streitkräften der übrigen Nationen?“

Nach den widersprüchlichen Äußerungen des Kanzlers kommt es am 16. Dezember im Bundestag zu einer Debatte über die Wiederaufrüstung. Darin sprechen sich alle Parteien einhellig gegen eine Remilitarisierung der Bundesrepublik aus. Der SPD-Abgeordnete Erich Ollenhauer erklärt, es sei bedauerlich, dass Adenauer sich in einem Presseinterview zur Frage der Wiederaufrüstung geäußert habe. Eine Stellungnahme zu diesem Thema gehöre zunächst in den Bundestag.

Die Entmilitarisierung Deutschlands ist im Potsdamer Abkommen von 1945 von den Siegermächten festgelegt worden. Im Zuge des Kalten Krieges sowie angesichts der Aufstellung paramilitärischer Einheiten in der DDR mehren sich jedoch im westlichen Ausland die Stimmen, die eine Einbeziehung der Bundesrepublik in das Militärbündnis der NATO bzw. eine westdeutsche Beteiligung an einer europäischen Armee für bedenkenswert halten.

9. Dezember: Notopfer für Berlin

Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz, das die Erhebung des im April durch den Wirtschaftsrat für die Bizone beschlossenen „Notopfers Berlin“ auf das Bundesgebiet ausdehnt. Es soll zunächst bis Ende 1950 gelten.

Die Sonderabgabe wird in Form von Abzügen bei der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftssteuer sowie durch eine Briefmarke erhoben. Mit den Marken im Wert von zwei Pfennig mit dem Aufdruck „Notopfer Berlin“ werden alle Postsendungen versehen, die im Bundesgebiet aufgegegeben werden.

Die wirtschaftliche und finanzielle Lage Berlins (West) hat sich durch die Währungsreform 1948 und die Blockade sehr verschlechtert.

10. Dezember: Teilung Jerusalems

Die UN-Vollversammlung verabschiedet eine Resolution, die vorsieht, die Stadt Jerusalem und die dort liegenden heiligen Stätten verschiedener Religionsgemeinschaften unter internationale Verwaltung zu stellen.

Unter Missachtung der neuerlichen UN-Resolution einigen sich Jordanien und Israel jedoch am 12. Dezember auf die Fixierung einer Demarkationslinie in Jerusalem und beschließen, das bislang als Niemandsland betrachtete Gebiet unter sich aufzuteilen: Die Neustadt soll Teil des israelischen Territoriums werden, die Altstadt wird Jordanien zugesprochen.

15. Dezember: Camus’ „Die Gerechten“

Im Pariser Théâtre Hébertot wird das Schauspiel „Les Justes“ (Die Gerechten) des 36jährigen französischen Schriftstellers Albert Camus uraufgeführt.

Anhand eines historischen Stoffes, dem Attentat auf den russischen Großfürsten Sergej im Jahr 1905, diskutiert Camus Sinn und Rechtfertigung des politischen Mordes an einem Diktator.

Camus wurde 1913 in Algerien geboren. Vor allem sein 1947 erschienener Roman „Die Pest“ erregte große Aufmerksamkeit.

21. Dezember: Zyperngriechen für Anschluss

Der Erzbischof von Zypern, Makarios II., fordert in einem Brief an den britischen Gouverneur der Insel, Sir Andrew Wright, die Durchführung einer Volksbefragung über den Anschluss an Griechenland und teilt mit, dass bei einer Ablehnung dieses Begehrens die zypriotische Kirche selbst eine Befragung vornehmen werde.

Wright weist das Ansinnen zurück und erklärt, dass die britische Regierung das Thema als abgeschlossen betrachte. Zypern, das im Lauf seiner Geschichte immer wieder unter fremder Herrschaft stand, ist seit 1925 britische Kronkolonie.

Für die Briten ist die Insel ihr letzter stabiler Stützpunkt im östlichen Mittelmeer und im Vorderen Orient, nachdem sie 1948 ihr Mandatsgebiet Palästina aufgeben mussten und ihr Einfluss in Ägypten und anderen Staaten des Nahen Ostens deutlich abgenommen hat. Entsprechend haben sie ihre militärische Präsenz auf Zypern von etwa 1.000 Soldaten im Jahr 1939 auf fast 20.000 in diesem Jahr verstärkt.

Die zypriotische Bevölkerung ist in der Frage der Zukunft der Insel gespalten. Während die überwiegende Zahl der etwa 80.000 Türken den Status quo erhalten möchte, befürworten die meisten der 320.000 griechischen Zyprioten den Anschluss ihrer Insel an Griechenland.

24. Dezember: Heiliges Jahr eröffnet

Mit einem feierlichen Zeremoniell eröffnet Papst Pius XII. in Rom das Heilige Jahr 1950. Das Oberhaupt der katholischen Kirche wird auf einem Purpurthron zum Petersdom getragen; mit einem Silberhammer schlägt er dreimal an die Heilige Pforte, die nur in den gewöhnlich alle 25 Jahre begangenen Heiligen Jahren geöffnet wird. Im Innern des Petersdoms, der Grabkirche des Apostels Petrus, stimmen beim Eintritt des Papstes die rund 50.000 versammelten Gläubigen den Lobgesang „Te Deum“ an. Es wird damit gerechnet, dass im Laufe des Jahres 1950 etwa drei Millionen Pilger nach Rom kommen.

27. Dezember: Einstein stellt Gravitationstheorie auf

Nach über 30jähriger Forschungsarbeit hat Albert Einstein eine allgemeine Gravitationstheorie aufgestellt. Der 70jährige Physiker, der 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aus Deutschland in die USA emigrierte und seither in Princeton lebt und arbeitet, nennt die neue Theorie eine „sehr überzeugende“ Erweiterung seiner Relativitätstheorie. Einsteins Gravitationstheorie soll die Strukturen des Universums von den kleinsten Teilchen bis zu den Grenzen des Kosmos nach einheitlichen Prinzipien erklären.

 

Computer 1949

 

Computer leistungsfähiger

Etwa zur selben Zeit werden an der Universität von Manchester und bei der Firma IBM in New York die ersten speicherprogrammierbaren Rechner in Betrieb genommen, die eine sehr viel schnellere Datenverarbeitung als bisher ermöglichen. Bei diesen Computern, dem EDSAC in Manchester und dem SSEC in New York, werden Programmablauf und zu verarbeitende Daten kodiert im Rechner gespeichert. Das Programm enthält bedingte Befehle, die erstmals Vorwärts- und Rückwärtsverzweigungen ermöglichen, und jeder Programmbefehl mit Operations-Adressteil kann vom Rechner selbst geändert werden. Dadurch kann der Computer umfassendere Programme ausführen, ohne dass der Benutzer nach jedem Schritt erneut Befehle eingeben muss.

Jahresübersichten

1949: Löhne und Preise

Bruttostundenverdienst eines Arbeiters: 1,30 DM, einer Arbeiterin: 0,83 DM. Brutto-Wochenverdienst eines Arbeiters: 61,58 DM, einer Arbeiterin: 36,26 DM.

1 kg Butter: 5,12 DM; 1 kg Weizenmehl: 0,53 DM; 1 kg Schweinefleisch: 4,47 DM; 1 kg Rindfleisch: 3,21 DM; 1 Ei: 0,43 DM; 5 kg Kartoffeln: 0,74 DM; 1 l Vollmilch: 0,36 DM; 1 kg Zucker: 1,18 DM.

1949: Schlager

In Deutschland werden 1949 etwa sechs Millionen Schallplatten verkauft. Schlager des Jahres ist der Karnevalshit: „Wer soll das bezahlen? / Wer hat so viel Geld? / Wer hat so viel Pinke-Pinke? / Wer hat so viel Geld?“ Dies ist eine Frage, die sich nicht nur in Privathaushalten, sondern auch im Hinblick auf den Wiederaufbau des Landes stellt.

Dass ein echter Karnevalist von Alltagssorgen nicht zu erschüttern ist, verkündet dagegen das Lied: „Heute blau und morgen blau, und übermorgen wieder, und wenn wir dann mal nüchtern sind, besaufen wir uns wieder“.

1949: Bücher

Einen internationalen Erfolg erringt C.W.Ceram (eigentl. Kurt W. Marek; 1915-1972) mit: „Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie“. Dieses Buch wird in viele Sprachen übersetzt. Ceram berichtet fesselnd und anschaulich über die archäologischen Forschungen der letzten 200 Jahre.

Anna Seghers (1900-1983), Die Toten bleiben jung. Roman. Eine Bilanz der Epoche deutscher Geschichte zwischen der Novemberrevolution und dem Zusammenbruch des NS-Regimes. Der Kommunismus ist – so zeigt der Roman – der einzig mögliche Weg zur Überwindung der Klassengesellschaft. Seine Idee wird überleben, die Toten bleiben jung.

Simone de Beauvoir (1908-1986), Das andere Geschlecht (Le Deuxième Sexe). Essay. Freiheit, Verantwortung und Tätigkeit sind die obersten Werte im Leben jedes Menschen, ob Mann oder Frau. Es bedarf radikaler Reformen, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erreichen. Frauen sollen die gleichen Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung haben wie Männer.

Nikolaj A. Berdjajew (1874-1948), Selbsterkenntnis. Versuch einer philosophischen Autobiographie (Самопознание. Опыт фило­софс­кой автобиографии). Posthum in Paris erschienen. Nicht das Kollektiv, sondern – im Sinne einer religiösen Erneuerung der Welt – der Mensch als freie Persönlichkeit spielt eine zentrale Rolle.

1949: Theater und Film

Arthur Miller (* 1915), Der Tod des Handlungsreisenden (Death of a Salesman). Zwei Akte und ein Requiem. Uraufführung am 10. Februar im New Yorker Morosco Theatre. Der nicht sehr erfolgreiche Handlungsreisende erkennt schließlich, dass er „Dutzendware“ ist. Den neuen Start, der ihm nicht gelingt, versucht er seinen Söhnen durch die nach seinem Selbstmord ausgezahlte Lebensversicherung zu ermöglichen. Dieses Stück wird als „ein Schlag ins Gesicht des Kapitalismus“ empfunden.

Ingmar Bergmann (* 1918), Gefängnis (Fängelse): Film über die Auflehnung von Jugendlichen. Auch hier ist das Ende Selbstmord.

Vertriebene

 

 

Wohngebiete

Zahl der Deutschen 1945 (in 1.000)

Davon bis 1950
im Westen eingetroffen
(in 1.000)

Ostgebiete

8.690

6.700

Übriges Reichsgebiet einschließlich Österreich

510

422

Danzig

363

279

Polen

1.064

661

Tschechoslowakei

3.406

2.911

Baltikum

208

165

Sowjetunion

620

90

Ungarn

518

199

Rumänien

621

228

Jugoslawien

430

271

Zusammen

16.430

11.926

 

 

1,44 Millionen Menschen starben bei der Vertreibung.

Asperden

Aus den Steinen, die beim Umbau der Wohnung verwendet werden, bauen sich die Kinder „Häuser“, mit einer kleinen Eingangstür, mit einem noch kleineren Fenster und mit einem Brett, das als Sitzbank dient. Es sind also Wohnungen mit allem Komfort. In einem solchen Haus ist ein Gefühl der Geborgenheit.

In der Schule das Alphabet lernen, ist eine interessante Sache. Jeden Tag wird ein neuer Buchstabe im „ABC-Haus“ aufgesucht. Rechnen dagegen ist weniger aufregend. Die Hausaufgaben werden mit dem Griffel auf eine Schiefertafel geschrieben. Mit dem daran befestigten Schwamm kann ein Fehler leicht gelöscht werden.

 

Wo spielen wir nicht?

Wir spielen nicht auf der Straße.
Wir spielen nicht in den Trümmern.

 

Im Besitz der Familie befindet sich eine „Katholische Bilder-Bibel“. Selbst zur Zeit, als das Lesen noch nicht so gut geht, ist es spannend, die Bilder zu betrachten. Da die Bibel ein großes Format hat, setzt sich Johannes längs auf das Sofa und legt sie auf die Beine. Es gibt in ihr viel zu entdecken: Engel, orientalisch gekleidete Gestalten, fremdartige Landschaften. Streit, Zorn und Trauer. Geburt und Tod. Nie gesehene Tiere und seltsame Pflanzen. Samson mit den Säulen im Arm, die feurige Himmelfahrt des Elias, der Wiederaufbau des Tempels. Eine Welt, die die kindliche Phantasie anregt.

 

Asperden

 

Tante Hedi trägt den Kindern das Wintermärchen „Hans Wundersam“ vor. Diese können gar nicht genug davon hören und quälen die gute Tante, die Geschichte immer wieder zu erzählen.

In der Kirche darf nicht gesprochen werden. Von der Orgelbühne aus, weit hinter dem Rücken der Kinder, die in der ersten Reihe knien, wird manchmal die Lesung vorgetragen. Johannes meint, der liebe Gott spricht. Er darf sich ja auch nicht umschauen.

Frau Buff lädt Johannes eines Tages zum Tee ins Schloss ein. Zu Hause gibt es keine Teestunde, daher erfüllt ihn bereits diese Einladung mit einem Gefühl der Vornehmheit. In der alten Küche des Schlosses darf er dann mit seiner neu erworbenen Lesefähigkeit ein Gedicht vortragen, das die Tochter von Frau Buff, Ingeborg, in einer Zeitschrift veröffentlicht hat. Johannes hat keine Ahnung, was „Veröffentlichen“ bedeutet.

 

Emmerich 1956

 

An der Rheinfähre, Nähe Oraniendeich in Kleve, Winter 1956. Gegenüber die katholische Kirche St. Martini in Emmerich. In den Jahren danach wurde der Turmhelm aufgesetzt. Die Wintersonne blendet, daher haben die Kinder Probleme mit dem Sehen.

 

Am Asperberg können die Kinder im Winter mit einem Schlitten hinunterbrausen. Auch im Sommer bietet sich dieses Gelände zu wilden Geländespielen an. Heute ist dort nicht mehr viel los. Der Eingang ist von Bromberranken zugewuchert. Die Kinder spielen wohl an anderen Stellen.

Bei der Großmutter in Goch gibt es gutes Essen. Johannes ist von der Buchstaben-Suppe fasziniert. Mit diesen Nudeln legt er am Tellerrand Wörter zusammen. Oma ist davon nicht begeistert: „Die Suppe wird ja kalt“, mahnt sie. Und dann der Vanille-Pudding! Ihn gibt es zwar auch zu Hause, aber Oma reicht dazu roten Himbeersyrup. Damit könnte man kleine Kinder fangen, so gut schmeckt es!

Zu Hause gibt es das Grauen aller Kinder: Lebertran, alias Oleum Jecoris aselli, Fischleberöl mit (angeblich!) hohem Gehalt an Vitamin A und D. Dass sich Amnesty International nicht für diese Foltermethode interessiert hat…

Doch auch die Mutter verfügt über eine Spezialität: Schokolade machen. „Die kann man doch für wenig Geld kaufen!“, werden manche sagen. Ja, aber wo denn? Im Asperden der Nachkriegszeit jedenfalls nicht. So wird holländisches Kakao-Pulver gekauft (Bensdorp), mit Milch angerührt und mit Schnee schockgefrostet. „Ginge das nicht im Gefrierschrank besser?“ – Wahrscheinlich, so etwas hat die Familie aber nicht.

In der freien Natur werden Kamille, Pfefferminze, Lindenblüten, Holunder und Ebereschen gesucht und in der Küche gezielt eingesetzt. Schlehen sind seltener begehrt. Es gibt „Kriegsgemüse“: Junge Brennnesseln als Spinatersatz, Löwenzahn-Salat und Sauerampfer (eine Delikatesse). Brombeeren und Pilze sind natürlich beliebt. Bucheckern werden für die Ölgewinnung gesammelt. Kartoffeln gibt es jede Menge, Fleisch seltener. Heringe kann man eingelegt „aus der Tonne“ kaufen. Das Rezept der Mutter lautet: „Man nehme das, was man hat“. So hat sie denn meist improvisiert.

Der Vater findet eine neue Arbeitsstelle bei Rogmann in Kevelaer. Er sieht in dieser Stadt bessere Chancen für die Kinder. Von nun an liegt Johannes abends so lange wach, bis er das wohlvertraute Motorengeräusch des Fahrrads mit Rex-Hilfsmotor und das Quietschen der Bremse hört.

Vor dem Schlafengehen betet die Mutter mit den Kindern:

Müde bin ich, geh’ zur Ruh,
Schließe meine Augen zu.
Vater, lass die Augen Dein
Über meinem Bette sein!
Was ich unrecht heut’ getan,
Sieh, o guter Gott, nicht an:
Deine Gnade, Jesu Blut
Macht ja allen Schaden gut.
Alle, die mir sind verwandt,
Gott, lass ruh’n in Deiner Hand.
Alle Menschen, groß und klein,
Sollen Dir befohlen sein.
Kranken Herzen sende Ruh’.
Nasse Augen schließe zu;
Kürz der armen Seelen Pein,
Lass sie bald im Himmel sein! Amen.

Goldenes Priesterjubiläum von Pfarrer Mott

 

Rheinische Post vom 3. Juni 1952: Der Jubilar wurde am 24.6.1887 in Kervenheim, heute Stadt Keve­laer, geboren. Am 1. Juni 1912 wurde er im Hohen Dom zu Münster zum Priester geweiht. Er war nach seiner Primiz sieben Jahre als Seelsorger in Grieth tätig. Von dort führte der Weg über Kaldenkirchen, St. Hubert bei Krefeld, Hamborn und schließlich Rees nach Asperden.

 

Pfr. Mott

 

Johannes Mott wirkte seit 1936 in Asperden. Er übte sein verantwortungsvolles Amt in einer Zeit, da Kirche, katholische Schule und katholisches Vereinsleben unter stärkstem Druck standen und bald der Krieg mit all seinen Bedrängnissen und Schrecken folgen sollte, aus. Im Krieg wurde unsere Kirche stark beschädigt. Die Umfassungsmauern und die sechs tragenden Monolithsäulen waren stehen geblieben. Der Seelsorger war maßgeblich am Wiederaufbau des Gotteshauses beteiligt, in dem ab August 1949 wieder die Heilige Messe gefeiert werden konnte. Bis dahin wurden Notgottesdienste im Pfarrhauszimmer, in der Schule oder im Jugendheim gefeiert.

Pfarrer Mott legte den festlich geschmückten Weg vom Pfarrhaus zur Kirche in Begleitung einer Abordnung zurück. Der Jubilar trug dabei den Hirtenstab.

Zu den Gratulanten gehörten neben den Gemeindemitgliedern, Dechant Haverkamp, Vertreter der Schule und der Vereine, Amtsdirektor Kleinen und Bürgermeister Langenberg und die Confratres, die an dem Tag die Volksmission in Asperden beendeten.

An diesem Pfingssonntag wurde die Heilige Messe zu Ehren des Jubilars mit Unterstützung des Kirchenchores unter Leitung von Hauptlehrer Tenberken gestaltet.

Die Pfarrgemeinde Asperden ermöglichte aus Anlass des Jubeltages die Beschaffung von drei neuen, in der Glasmalerei Menke, Goch, angefertigten Chorfenstern, eines neuen Missionskreuzes und zweier Heiligenbilder. Damit wurde dem Priester eine große Freude gemacht. – Er starb am 29. August 1959.

 

Kevelaer

In Kevelaer besucht Johannes zunächst die St.-Hubertus-Volksschule „auf Key­lar“. Hier wird er auf die Erste Heilige Kommunion vorbereitet. Es gilt, ein langes Gebet auswendig zu lernen:

O mein Heiland, großer König,
Du bist bei mir eingekehrt.
Freudig trag’ ich Dich im Herzen,
Dem die ganze Welt gehört.

Sieh, nun sollst Du alles haben,
Was in meinem Herzen ist;
Alles leg’ ich Dir zu Füßen,
Weil Du ja mein König bist.

Lieber Herr, Du kamst vom Himmel
Auf die Erde einst herab,
Lebtest für uns Menschenkinder,
Starbst am Kreuz und lagst im Grab.

Glorreich bist Du auferstanden,
Fuhrst empor zum Firmament;
Doch als Denkmal Deiner Liebe
Gabst Du uns dies Sakrament.

Schenke mir nun Deine Gnade,
Hilf mir durch Dein Fleisch und Blut,
Dass ich deiner würdig werde,
Heilig lebe, fromm und gut.

Lehr mich glauben, lehr mich lieben,
Lehr mich kämpfen für Dein Reich,
Dass mein armes Menschenleben
Deinem Leben werde gleich.

Deine Wahrheit sei die Rüstung,
Deine Reinheit sei die Kraft,
Deine Liebe sei mein Leben,
Treu in Deiner Ritterschaft.

Christus, König aller Länder,
Aller Völker, aller Zeit,
Froh soll alle Welt Dir singen:
Hochgelobt in Ewigkeit. Amen.

 

Vorher wird der feierliche Einzug in die Kirche geübt. Hauptpunkt in der Heiligen Messe ist, nach der Kommunion in die Bank zurückzuschreiten, hinzuknien, die Hände vor das Gesicht zu schlagen und das auswendig gelernte Gebet zu sprechen. Dadurch wird verhindert, dass die Kommunionkinder sich nach der Kommunion unterhalten oder die anderen Kommunizierenden beobachten.

Mit Vater macht Johannes einen Bittbesuch bei Frau Cleve in der Friedensstraße. Sie stiftet ihm einen Kommunionanzug mit kurzer Hose, ein „Myrtensträußlein“ aus Kunststoff, ein weißes Hemd, eine schwarze Fliege, weiße Socken und Lackschuhe. Johannes friert am Erstkommuniontag, da es noch April ist. Er beneidet andere Kommunionkinder, die wie Erwachsene eine lange Hose tragen dürfen.

 

Erstkommunion 1958

 

Mittags, zurückgekehrt zur Notwohnung im Wasserturm an der Kroatenstraße, schenkt ihm seine Patentante Margret ein Laudate mit Goldschnitt und Ledereinband sowie eine Sammeltasse. Nachmittags spielt Johannes am Betriebshof der Stadt, welcher hinter dem Wasserturm untergebracht ist. Er verdirbt dabei seinen teuren Kommunionanzug mit Asphalt.

 

Später besucht Johannes die Antonius-Schule am Marktplatz, gleich hinter dem großen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem der Neubau der Schule am Kreuzweg fertiggestellt ist, übernimmt Lehrer Jaschke, genannt Cäsar, das Ruder. Johannes wird gebeten, vor der Klasse ein Lied zu singen. Er beginnt ohne Zögern und auswendig:

Droben stehet die Kapelle,
Schauet still in’s Tal hinab;

Drunten singt bei Wies’ und Quelle

Froh und hell der Hirtenknab’.

 

Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich der Leichenchor;
Stille sind die frohen Lieder
Und der Knabe lauscht empor.

Droben bringt man sie zu Grabe,

Die sich freuten in dem Tal.

Hirtenknabe, Hirtenknabe,

Dir auch singt man dort einmal.

 

Seine Mitschüler wissen nicht, ob sie lachen oder weinen sollen. Jedenfalls kommt Johannes in den Chor und singt von nun an Knabensopran.

 

Gegen Ende des vierten Schuljahres ereignen sich seltsame Dinge: Die Arzt- und Rechtsanwaltssöhne werden immer wieder aufgerufen, eine mathematische Aufgabe zu lösen. Johannes kommt in dieser Zeit nicht zum Zuge, so oft er auch aufzeigt. Zu Beginn des neuen Schuljahres fehlen diese Schüler. Sie sind zum Gymnasium gegangen, für das sie individuell vorbereitet wurden.

Der Steinmetz vom Kölner Dom

Nicht jeder wird es wissen, daß die alten Dome nirgendwo von ihren Fundamenten bis zum First ein Pfuschwerk zeigen. Selbst das, was in versteckten Winkeln, in dunklen Nischen oder hoch in den Spitzen der Türme eines Menschen Auge niemals sieht, ist werkgerecht und ohne Fehl, edel, stark und schön.

Das wußte auch ein reicher Kölner Kaufherr nicht. Darum staunte er, als einst beim Bau des Domes Erzbischof Konrad von Hochstaden ihm einen Steinmetzmeister bei der Arbeit zeigte.

Der war seit Tagen freudig und mit allem Fleiß dabei, als Schlußstein für die Spitze eines Turmes die Kreuzblume auszumeißeln. Der Quaderstein lag umgestülpt. Die Unterseite der Blume war bis auf ein paar feine Meißelstiche fertig, die der Meister, ohne aufzuschauen, voller Sorgfalt tat. Nun schliff und schabte er, blies den Staub aus der geschlagenen Form, streichelte mit der Hand darüber und schien zufrieden. Dann wandte er sich den beiden Herren zu und grüßte sie. Sie hatten ihm schon eine Weile zugesehen, und der Bischof, der ihn kannte, lobte ihn.

Der Kaufherr aber konnte nicht begreifen, daß sich der Meister so viel Mühe machte um eine Ding – wie er sagte –, das man auf dem hohen Turme nur ungenau betrachten könne und dessen Schönheit niemals einer loben werde.

Der Meister sagte nichts. Er drehte mit Hilfe der Gesellen das Steinwerk um, den fertigen Teil der Blume zur Erde hin. Gleich begann er, nun die Blüte auch von oben auszumeißeln, zu schaben und zu glätten.

„Wie?“ fragte der erstaunte Kaufherr, „wird denn jemals einer sehen, ob die Blume auch zum leeren Raum der Wolken hin in gleicher Art vollendet ist, wie die Schauseite es nach Eurer Ansicht nötig braucht? Spart Euch doch den Fleiß, die Zeit, und unserm hohen Bauherrn hier die Kosten!“

Der Meister hielt den Schlag, zu dem er eben angesetzt, bedenklich an und sprach: „Ja, freilich, Menschen werden nur von unten her, nur die der Erde zugekehrte Seite sehen; aber da, wohin ihr Blick nicht reicht, muß ich mich doppelt mühen, denn dahin sieht Gott.“ Sprach’s und setzte seinen Meißel wieder an. Fürst und Kaufherr, so belehrt, grüßten still, bedankten sich und gingen weiter.


Die Familie zieht zur Römerstraße 27 um. Hier geht es morgens täglich in die Heilige Messe im Klarissenkloster. Abends Rosenkranzgebet auf den Knien in der Küche vor dem Herrgottswinkel: Das alte Familienkreuz und ein selbstgeschnitzter Kerzenleuchter bilden hier den Mittelpunkt.

 

Onkel Hermann schenkt eine Messgarnitur: Officium Missæ ad usum puerorum, Messbuchständer (pulpitum), Kännchen (urceoli) für Wein (vinum) und Wasser (aqua) nebst Untersatz (repositorium), Monstranz und Weihrauchfass (thuribulum) – alles im Kleinformat. Die Kinder finden Leuchter (candelabrum), Kelch (calix), Patene und einen Hostienbehälter (pyxis), dessen Deckel historisch ist. Prüfstein jedes Ministranten ist dasSuscipiat:

 

Suscipiat Dominus sacrificium de manibus tuis
ad laudem et gloriam nominis sui,
ad utilitatem quoque nostram,
totiusque Ecclesiæ suæ sanctæ.

 

Die Spiritaner senden einen Werbeprospekt mit dem Slogan:

„Ist doch klar
Ich werd’ Missionar!“

Dann tauchen zwei „Reisebrüder“ aus den Niederlanden auf. Sogleich steht fest, dass Johannes dorthin gehen wird. Seine Eltern senden ihn zur Erholung nach Königsfeld im Schwarzwald. Damit erweisen sie ihm einen Bärendienst; denn Lehrer Jaschke eröffnet ihm nach seiner Rückkehr, er habe nicht gewusst, welche Noten er ihm schreiben solle, da er zu allen wichtigen Klassenarbeiten gefehlt habe.

Zunächst muss Johannes sich vorstellen. Als der Rektor des Missionshauses sein Zeugnis sieht, fragt er, ob er sich diese Sache denn zutraue. Johannes fühlt sich ernst genommen und bejaht die Frage.

Bei der letzten Kirmes in Kevelaer heißt es in gewissem Sinne, von der Welt Abschied zu nehmen. Noch lange ist Johannes der beliebteste Schlager dieser Zeit im Ohr, der Colonel Bogey March aus dem Film „Die Brücke am Kwai“, mit seiner schmissigen gepfiffenen Melodie.

The Bridge on the River Kwai

Pierre Boulle, * 20.2.1912 in Avignon, † 31.1.1994 in Paris, französischer Erzähler. Er ist 1936 Ingenieur in Malaya. 1944 flieht Boulle aus japanischer Kriegsgefangenschaft. Er verfasst spannende Romane, besonders aus dem malaiischen Dschungel, dann auch phantastische Novellen und Science-Fiction-Romane. Apotheose fingierter Helden, bei welcher der Leib-Seele-Dualismus eine Rolle spielt. Sein berühmtester Roman ist: Le pont de la rivière Kwaï, 1952 (deutsch 1956).

David Lean führt die Regie in dem 1957 in Ceylon gedrehten Film „The Bridge on the River Kwai“. Britische Kriegsgefangene der Japaner und ihr Kommandant Colonel Nicholson werden gezwungen, in Burma eine Eisenbahnbrücke über den Fluss Kwai zu bauen. Gegen die unmenschliche Behandlung durch den brutalen Colonel Saito setzt Nicholson außergewöhnlichen Mut und Einfallsreichtum. Die Brücke wird für ihn und die Soldaten zum Symbol des Widerstandes und des Überlebens. Zwischenzeitlich hat das britische Oberkommando einen Trupp beauftragt, diese Lebensader des Feindes zu zerstören, doch Oberst Nicholson ist so stolz auf sein Werk, dass er die Sprengung der Brücke verhindern will.

Die Brücke wird von Husband & Co., Sheffield, England, entworfen und von Equipment & Construction Comp., Ceylon, gebaut. Tausend einheimische Arbeiter fällen für den Bau mit Hilfe von 35 Arbeitselefanten rund 1.200 Bäume. Die Brücke ist mit 35 m Höhe und 130 m Länge die größte Brückenkulisse der Filmgeschichte. Acht Monate dauert ihr Bau – am Ende wird sie gesprengt.

Der Film erhält sieben Oscars. Sir David Lean, * 25.3.1908 Croydon (London), † 16.4.1991 London, ist einer der erfolgreichsten Regisseure von monumentalen Historienfilmen und Roman-Adaptionen.

Sir Alec Guinness, * 2.4.1914 in Marylebone (London), † 5.8.2000 in Midhurst (Sussex, England), englischer Schauspieler und Autor. Berühmt für seine Wandlungsfähigkeit. Er drückt die innere Widersprüchlichkeit des Colonel Nicholson überzeugend aus.

Sir Malcolm Arnold wird am 21.10.1921 in Northampton geboren. Nach seinem Studium am Royal College of Music in London schließt er sich dem London Philharmonic Orchestra an. 1942 wird er Erster Trompeter. 1948 gewinnt er das Mendelssohn Scholarship und verbringt ein Studienjahr in Italien. Er schreibt seither Musik jeder Art. Die Tragik ist, dass nur seine Filmmusik zur „Brücke am Kwai“ einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht. Von seinen übrigen Werken wird die Fünfte Symphonie, op. 74 (1961), am meisten gespielt.

Niederlande

Ich wachse langsam. Meine Zeit
Ist eine lange Geduldigkeit.
An jedem wuchs ich, was mir ward,
Kein Reif zu jäh, kein Frost zu hart.
Ich wachs am Dunkel, daraus ich stieg,
Ich wachs am Licht, darin ich mich wieg,
Ich wachs am Wurm, der an mir nagt,
Ich wachs am Sturm, der durch mich jagt.
Verwandelnd zwing ich jede Kraft,
Hinauf zu dehnen meinen Schaft.
Ich dulde Blitz und Glut und Guß,
Ich weiß nur, daß ich wachsen muß.
Und schau ich hoch auf alle Welt,
Und kommt die Stunde, die mich fällt,
Schmück Tempel ich und Paradies
Des Gottes, der mich wachsen hieß.

 

Der Ernst des Lebens beginnt am Mittwoch, 27. April 1960. Johannes ist zehn Jahre alt. P. Wilhelm Bruns, durch chinesische Tröpchenfolter etwas verwirrt, heißt ihn, mitten auf der Straße niederknien, damit er ihm seinen Segen spenden könne. Johannes erhält einen sogenannten Führer, der ihm das Gebäude zeigt und ihn in seine Pflichten einführt.

Es beginnt mit einem Gebet und einer Ansprache des Rektors in der Oberkirche (die Unterkirche ist für die Brüder bestimmt). Danach geht es in den Speisesaal, der im Lichthof des Hauses angelegt ist. Die Tischlesung besteht aus einem Abschnitt der Schülerregel, dann folgt ein Kapitel aus einem Abenteuerbuch mit missionarischer Tendenz. Der Präfekt, welcher den Vorsitz führt, sagt schließlich: „Soweit“.

Nun dürfen sich die Schüler unterhalten. Es gibt Erbsensuppe. Senior und Vizesenior sorgen an jedem Tisch für eine gerechte Verteilung der Speise und für Anstand. Da es in den Speisesaal einige Stufen hinunter geht, kommt es allerdings manchmal vor, dass jemand mit einem Suppentopf fällt. Dann werden Abzieher und Aufnehmer geholt und die Reinigungsaktion mit Getöse durchgeführt.

Mucksmäuschenstill ist es, wenn die Post verteilt wird. Enttäuschung macht sich breit, wenn nichts ankommt. Johannes erhält von einigen Verwandten wenig Rückmeldung. Sie scheuen wohl das Schreiben der fremden Adresse.

Die Tagesordnung

An Werktagen

 

 5.45 h

Wecken

 6.15

Morgengebet, Hl. Messe. Anschließend Frühstück.

 8.00

Schulstunden

12.30

Partikularexamen und „Engel des Herrn“ (Angelus). Anschließend Mittagessen.

14.00

Ballspiele oder Spaziergang im Freien

15.00

Studium. Silentium.

16.00

Kaffee

16.30

Studium. Silentium.

18.00

Freistudium.

19.00

Abendessen. Anschließend Freizeit.

20.30

Komplet

An Feiertagen

 

6.30 h

Wecken

7.00

Morgengebet und Stille Messe. Anschließend Frühstück.

10.00

Hochamt mit Chor. Anschließend Aussetzung der Monstranz.

12.00

Partikularexamen und Engel des Herrn. Anschließend Mittagessen.

15.00

Anbetung

16.00

Kaffee

18.00

Schlussandacht

19.00

Abendessen

20.30

Komplet

 

Im Park gibt es verschiedene Grotten, die an und für sich der frommen Betrachtung bestimmt sind. Johannes widmet sie um. In der Ölbergsgrotte entdeckt er einen Gang hinter den Figuren. So dient dieser düstere Ort der kindlichen Abenteuerlust.

Abends, im Schlafsaal, hört er das Tuckern der Fähre. Der Fährmann heißt bei den Schülern Ponte-Max. Sie deuten nämlich den Hinweis: „Max. Asdruk 3 ton“ als sein Namensschild. – Bei Nebel warnen sich die Schiffe gegenseitig durch Tuten. Bei einem Gottesdienst tutet es verhältnismäßig häufig. Seltsam, dass an diesem Tag überhaupt kein Nebel ist!

Im botanischen Garten arbeitet er bei P. Eugen Jochum. Dort gibt es für viele Regionen Abteilungen mit der für sie typischen Flora. Johannes hilft, den Steingarten von Unkraut zu säubern. In seinem eigenen Labor widmet er sich der Anatomie der Phanerogamen. Beim Kosmos-Verlag hat er Präparate, Chemikalien und ein kleines Mikroskop erhalten.

In seiner Freizeit spielt er Tasteninstrumente.

Die Klais-Orgel

 

Im Jahre 1930 errichtet die Bonner Orgelfirma Klais in der Oberkirche eine stattliche Pfeifenorgel mit der Opuszahl 811. Das zweimanualige Werk mit Hauptwerk, Schwellwerk und Pedalwerk umfasst 37 Register und ist von der Intonation her hochromantisch disponiert.

Der Klang der Orgel wirkt räumlich. Sie verfügt über hoch zinnhaltige Pfeifen im Schwellwerk, die den Klang weich und ausgewogen werden lassen. Fünf Zungenstimmen, die von der Mensur und Stimmung her farbenreich und kräftig angelegt sind, bilden eine satte Klangbasis für romantische Orgelliteratur, die im akustisch ansprechenden Kirchenraum hervorragend klingt.

Die Orgel hat elektropneumatische Traktur. Es gibt Super- und Suboktav-Kopplungsmöglichkeiten für Manuale und Pedal. Es ist ein „Pedalakzent“ vorhanden, d.h., die Pedalregister lassen sich auch auf dem unteren Hauptmanual spielen.

Ein Quintregister erzeugt akustische 32′-Lage. Das Hauptwerk baut sich auf einem 16′-Nachthorngedackt auf. Zart intonierte Schwebungen (Vox cœlestis und Æoline), charakteristische Flötenstimmen in allen Werken und interessante Aliquotstimmen runden das Profil des beeindruckenden Werkes ab.

Einige Register sind in der Balgkammer aufgestellt. Dies ermöglicht einen „Fernwerk-Effekt“; denn das Gehäuse dämmt gut den Klang.

Diese Orgel steht in der niederländischen Orgelwelt einzigartig da.

Einmal im Jahr ist Familienfest. Dabei besteht die Möglichkeit, am „Hau den Lukas“ seine Kraft zu erproben. Ältere Schüler dürfen Amstel-Bier trinken. Da Steyl ein Mekka vertriebener China-Missionare ist, gibt es Weiße Mäuse (Potsticker dumplings):

 

Bāozi

 

150 g Mehl mit 100 ml heißem Wasser vermengen; dabei 150 ml kaltes Wasser nach Bedarf hinzugeben und alles sorgfältig glätten, bis ein handtrockener Teig entstanden ist. Dieser muss einige Minuten lang gut geknetet werden, bis er weich und geschmeidig ist. Anschließend mit einem feuchten Tuch abdecken und etwa 20 Minuten ruhen lassen.

Währenddessen 250 g Gehacktes, 100 g feingehackten Chinakohl, 1 Teelöffel feingehackten frischen Ingwer, 1 Esslöffel Reiswein, ½ Teelöffel Salz, 1 Esslöffel feingehackte Frühlingszwiebeln, 1 Teelöffel Sesamöl, 1 Teelöffel Zucker und 1 Esslöffel Hühnerbrühe gründlich miteinander zu einer lockeren Paste verrühren und bereitstellen.

Den Teig nach der Ruhezeit nochmals 5 Minuten lang durchkneten, dabei eventuell mit mehr Mehl einstäuben, bis er nicht mehr klebt. Zu einer Rolle von ca. 20 cm Länge und 2-3 cm Durchmesser formen und in 16 Abschnitte zerteilen. Diese dann zu kleinen, knapp handtellergroßen Fladen ausrollen und auf ein Blech legen. Danach jeden Fladen mit 1 Teelöffel der Paste belegen und zu einer Tasche falten.

2-3 l Wasser erhitzen und die Taschen auf einem Rost oder Tuch im Dampf bei geschlossenem Deckel garen, bis der Teig weich ist.

Es wird eine Mischung aus Reisessig, Tabasco und heller Sojasauce verwendet, um die Taschen einzustippen.

Philoktet

 

Hier auf der menschenvergessenen Insel
Wird mir das Herz vor Freuden weit!
Hier, wie der Wässer schwaches Gerinnsel,
Silbern, lautlos, verrinnt die Zeit.
Haltet sie nicht! Sie möge verrinnen!
Da unser Schiff hier Anker warf,
Hier will ich bleiben und alles gewinnen,
Was ich zu glücklichem Leben bedarf.

 

Erläuterungen

 

 

Bibliographie

 

 

 


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