Lehrbücher der
biblisch-hebräischen Sprache
August Bertsch, Kurzgefaßte hebräische Sprachlehre, Stuttgart 1951, Titelseite
Es war eine große Gnade, daß ich an einem humanistischen Gymnasium lernen konnte: Latein wurde von Sexta bis Oberprima unterrichtet, Griechisch von Quarta bis Oberprima; nur fehlte leider Hebräisch. Daher machte ich mich selbst auf den Weg und besorgte mir ein Lehrbuch (Bertsch) und die hebräische Bibel (Kittel). Im Grunde genommen, kam ich mit meinem Lehrbuch ganz gut zurecht, aber die Erklärung des Verbums fand ich nicht eingängig.
Als ich dann auf der Hochschule ein anderes Lehrbuch hatte (Hollenberg-Budde), verstand ich sofort, worum es ging und wie anders als in den indoeuropäischen Sprachen die Struktur des semitischen Verbums war.
Bertsch, Paradigmen, Seite 136f
Das Wort semitisch soll hier erklärt werden. Noaḥ hatte drei Söhne: Sem, Cham (Ḥam) und Japheth. Diese drei Namen wurden zu Bezeichnungen für Sprachfamilien.
Semitische Sprachen sind Akkadisch (Babylonisch-Assyrisch), Altsüdarabisch (Sabäisch), Arabisch, Aramäisch (mit Mandäisch), Äthiopisch, Kanaanäisch (Ammonitisch, Deir ʽAlla, Edomitisch, Hebräisch sowie Phönizisch-Punisch), Syrisch und Ugaritisch.
Hamitische Sprachen sind Altägyptisch (auch als hamito-semitisch bezeichnet), Berberisch, Tschadisch und Kuschitisch.
Mit den Nachkommen Japheths werden Bewohner der Mittelmeerinseln und Kleinasiens bezeichnet, also wohl Griechen und andere indoeuropäische Völker.
Hollenberg-Budde-Baumgartner, Basel 1951, Titelseite
August Bertsch beginnt seine hebräische Sprachlehre mit einer Einleitung, in welcher der Unterschied zwischen Alt- und Neuhebräisch erklärt wird, sowie die Zweige des semitischen Sprachstammes dargelegt werden. Es folgt die Schriftlehre, an die sich eine verhältnismäßig ausführliche Grammatik anschließt (Seite 36 bis 120). Paradigmen legen die Struktur der suffigierten Nomina (status absolutus und constructus sowie Possessivpronomina) und die Verbalflexion dar.
Gleichsam als Anhang erscheinen Übungsstücke (Seite 143 bis 167). Es handelt sich also um den Aufbau eines akademischen Buches.
Verdienstvoll ist, daß in allen sechzig Lektionen auch unpunktierte (unvokalisierte) Texte vorkommen. Auch gibt es Übersetzungsübungen vom Deutschen ins Hebräische. Dadurch ist die Brücke zur Lektüre neuhebräischer Texte geschlagen.
Für das Selbststudium ist förderlich, daß die Fundstellen zu den Übungen angegeben werden. So kann der Studierende seine Übersetzung überprüfen.
Der Hauptmangel des Buches aber ist, daß es sich um einzelne Sätze und Worte handelt, die aus dem Zusammenhang herausgegriffen wurden. Beispielsweise stehen in Lektion I Stellen aus Jesaja, Leviticus, Hosea, den Psalmen, Genesis, Sacharja, den Sprüchen und dem 1. Samuelbuch unverbunden nebeneinander.
Viel einprägsamer für das Lernen des Vokabuilars und der Grammatik wäre es, fortlaufende erzählende Passagen auszuwählen.
Auch Hollenberg-Budde beginnt mit Grammatischem (Seite 1 bis 103), läßt dann Übungsstücke mit unverbundenen Ausdrücken folgen, auch mit deutsch-hebräischen Übersetzungsübungen (Seite 104 bis 136), wobei er keinen Schlüssel zu den jeweiligen Fundstellen gibt, aber dann folgen dankenswerterweise zusammenhängende Prosastücke, poetische und prophetische sowie unpunktierte Stücke (Seite 137-179), bei denen jeweils die Fundstelle angegeben ist.
Der Vorteil dieses Buches zeigt sich außerdem in der grammatischen Erklärung des Verbums.
Hollenberg-Budde-Baumgartner, Seite 160f, Psalm 2; 8; 13 und 15.
Bertsch erklärt Seite 77 zunächst die Entstehung des
hebräischen Verbums: Die ältesten Flexionsformen entwickelten sich aus der
Zusammensetzung eines Nomens oder Adjektivs mit einem Personalpronomen. Das
Nomen qӑṭāl – Mörder, eigentlich Töter,
ergab mit dem Personalpronomen tā – du qӑṭáltā> qӑṭắltā
(mit ursemitischer Kürzung des ā in geschlossener Silbe) das ist
Mörder-du.
Danach
(Seite 77f) legt Bertsch die Stammformen der Verba dar: Qal
– Grundstamm, Nifʽal – Reflexiv zum Qal, Piʽel – Intensivstamm, Puʽal – Passiv zum Intensivstamm, Hithpaʽel
– Reflexiv zum Intensivstamm, Hifʽil –
Kausativstamm und Hofʽal – Passiv zum
Kausativstamm. Es folgt eine kurze Erklärung des jeweiligen Stammes.
Ich
verstand damals (1965) überhaupt nichts.
Hollenberg-Budde
geht ganz anders vor:
„Die
starken Verbalstämme haben drei Konsonanten (Wurzelbuchstaben, Radikale). Die
Flexion beginnt mit der dritten Person als der einfachsten Form. Bei jedem
Verbum unterscheidet man den einfachen Grundstamm (קל, leicht, d. h. nicht durch Verdoppelung oder Bildungszusätze
beschwert) und die daraus durch innere Umbildung und äußere Zusätze abgeleitete
Stammbildungen (genera verbi), für
welche auch der Name Konjugationen (in einem ganz anderen Sinn als in anderen
Sprachen) üblich ist. Durch diese abgeleiteten Stämme wird die Bedeutung des
Grundstamms in bestimmter Weise verändert, vgl. fugere, fugare, fugitare;
fallen, fällen; stechen, stecken; schneiden, schnitzen, schneiteln, schnitzeln
usw.“ (Seite 22).
Da
diese Beschreibung praktischer Art ist, begriff ich das System sofort.
Vosen-Kaulen, Anleitung,
Freiburg 1914, Titelseite
Die
Bemerkung zu den Konjugationen entspricht der folgender Ausführung in der
Sprachlehre von Vosen-Kaulen (S. 20):
„Das Verbum hat im Hebräischen wie in allen semitischen Sprachen die Eigentümlichkeit, daß für die einzelnen Kategorien der Bedeutung durch regelmäßige Ableitung verschiedene Stammformen gebildet werden. Es gibt vier Hauptarten von Stammformen: Grund-, Reflexiv-, Steigerungs-, Kausativstämme. Nach dem Vorgange der alten Grammatiker werden sie (in einem ganz anderen Sinne wie bei den indogermanischen Sprachen) Konjugationen genannt.“
Bibliographie
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© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2024