Die
Indoeuropäer
Früher war von Indogermanen die Rede. Diese Bezeichnung gab das Gebiet von Indien bis zu den Wohnsitzen der Germanen an und war damit ungenau; denn es fehlten zum Beispiel die romanisch geprägten
Territorien.
Heute wird der Ausdruck „Indoeuropäer“ gebraucht, welcher die Kontinente Indien und Europa angibt. Auch diese Bezeichnung trifft nicht ganz zu; denn sowohl in Indien als auch in Europa leben Völker, die nicht Indoeuropäer sind, zum Beispiel Draviden (sie sprechen Telugu, Kannada, Malayalam oder Tamil) und Basken.
Harald Haarmann wurde am 16. April 1946 in Braunschweig geboren. Er studierte Sprachwissenschaft, Philologie und Vorgeschichte in Hamburg, Bonn, Coimbra und Bangor (Wales). Er lehrte an deutschen und japanischen Universitäten. Er lebt und arbeitet in Finnland. Er beschäftigte sich unter anderem mit der Donaukultur und mit anderen untergegangenen Kulturen und Sprachen.
Harald Haarmann, Auf den Spuren der Indoeuropäer. Von den neolithischen Steppennomaden bis zu den frühen Hochkulturen, München 2016; München 22023.
Das Wort „Arier“ kommt vom altindischen arya und bezeichnet einen Freien, jemanden, welcher die vedische Religion und Kulturtradition pflegt. Wer die Rituale mit den richtigen Worten und Handlungen ausführt, bewahrt die kosmische Ordnung. (Seite 16f).
Die Urheimat der Indoeuropäer liegt in der südlichen Steppe und Waldsteppe zwischen Wolga („feucht“) und Don „Fluß“). Eine der typischen Hinterlassenschaften der frühen Steppennomaden sind Kammergräber, über denen monumentale Erdhügel aufgeschichtet wurden. Diese Hügel werden mit einem aus dem Tatarischen stammenden Wort als Kurgane bezeichnet. (Seite 24).
Der Ural-Fluß, der im Uralgebirge entspringt, markierte in prähistorischer Zeit die Wirtschaftszonen. In den kasachischen Steppen (östlich vom Uralgebirge) gab es keine Viehnomaden. (Seite 30).
Aus der Samara-Kultur, die im Tal der Samara entstand, einem Nebenfluß der Wolga, stammen die ersten Pferdeskulpturen, die siebentausend Jahre alt sind. (Seite 70).
In der südwestlichen Kontaktzone von Steppennomaden und Alteuropäern wurden die ersten Wagen mit vier Rädern gebaut, zunächst von Ochsen, dann von Pferden gezogen. (Seite 71). Die Alteuropäer sind frühe Ackerbauern. Sie sind die ersten Nicht-Indoeuropäer, mit denen die Indoeuropäer Kontakt hatten. (Seite 19).
Die ältesten Prozessionen, von denen es schriftliche Zeugnisse gibt, waren die dionysischen (zu Ehren des Weingottes Dionysos), die panathenäischen (zu Ehren der Stadtgöttin Athene) und die eleusinischen (zu Ehren der Kornmutter Demeter). Die Prozession endete mit einer Theateraufführung. In der Tragödie („Bocksgesang“; der Gott Dionysos wurde in der Prozession als Ziegenbock dargestellt) wurden die schicksalshaften Verstrickungen der Menschen thematisiert, welche mit ihrem Handeln gegen kosmische Normen verstießen und damit sich selbst und der Gesellschaft Schaden zufügten. (Seite 172).
Die drei Grundpfeiler der Athener Demokratie waren im fünften und vierten Jahrhundert vor Christus:
o ἰσηγορία isēgoría – gleiche Freiheit und gleiches Recht zu reden,
o ἰσονομία isonomía – gleiches Recht und gleiche Freiheit für alle Bürger und
o ἰσοπολιτεία isopoliteía – gleiches Bürgerrecht, Gleichheit der bürgerlichen Rechte (Seite 173).
Die Etrusker sind keine Indoeuropäer, hatten aber erheblichen Einfluß auf die Entwicklung der römischen Kultur. Die Stadt Rom war eine etruskische Gründung (S. 196). Das Rutenbündel (fasces) war das etruskische Symbol höchster richterlicher Autorität und Staatsmacht. Wenn die Priesterinnen der Vesta zum Tempel ihrer Gottheit gingen, trugen Bedienstete das Rutenbündel. Die Jungfräulichkeit der Priesterinnen verwies auf die korruptionsfreie Reinheit der Staatsgeschäfte. (Seite 199).
Ähnlich wie die Römer technisch und kulturell von den nichtindoeuropäischen Etruskern beeinflußt wurden, geschah dies durch die nichtindoeuropäischen Draviden in Indien. Die Draviden schufen im heutigen Pakistan und im Nordwesten Indiens die Induszivilisation, die Badeanlagen kannte und einheitliche Gewichte sowie Maße einführte. Sie verfügten über medizinisches Wissen. Die Arier lernten von ihnen. (Seite 290).
Die Sitte der Hindu, ein rotes Zeichen auf die Stirn zu malen, ist wohl vor fünftausend Jahren entstanden. Es bezeichnet zunächst ein Schutzsymbol und dann das geistige Auge. (Seite 300).
Loulan war die letzte Stadt vor der Wüste Lop Nor, die heute zur uigurischen Republik Xīnjīang gehört. Hier wurden von 1970 bis 2003 Mumien aufgefunden, die sich im trockenen Wüstensand gut erhalten hatten. Sie sind 3.800 Jahre alt. Es handelt sich um Indoeuropäer, die bis hierher gewandert waren. Berühmt wurde die Schöne von Loulan. (Seite 318).
© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2024