Semen
L.Frank und G.W.F.Hegel: Das transrationale Unergründliche und das Absolute als
logischer Begriff
Christoph Bambauer
In der Juliausgabe der Zeitschrift "Put'" aus dem Jahre 1932 hat Semen Frank eine Würdigung der Philosophie Hegels anlässlich des 100. Todestages des deutschen Philosophen (14. November 1931) veröffentlicht. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, der, philosophiegeschichtlich betrachtet, einer fairen Betrachtung Hegels nicht unbedingt förderlich war: Abgesehen von der großen Popularität der Naturwissenschaften waren eher Zurückhaltung gegenüber spekulativer Philosophie im Sinne des sich dezidiert wissenschaftlich gebenden Neukantianismus in seinen verschiedenen Spielarten sowie des logischen Positivismus der philosophische common sense. Auf der anderen Seite stand die Strömung des Vitalismus und der Lebensphilosophie, deren wichtigster und einflussreichster Vertreter H.Bergson war, sowie die phänomenologisch fundierten Ansätze eines E.Husserl, M.Scheler und M.Heidegger (freilich ging Heidegger schon spätestens 1927 mit "Sein und Zeit" über Husserls Phänomenologie hinaus, indem er eine existenzialontologische Philosophie entwarf). Zwar wurden genuin geltungstheoretische Fragen z.B. noch von der Marburger Schule in einer Art und Weise aufgegriffen, die an das Niveau der transzendentalen Reflexionen des Deutschen Idealismus heranreichten, doch wurde das Denken – anders noch als bei Fichte, Schelling und Hegel – nicht mehr in der Intensität über seine gewohnten Grenzen hinausgeführt, was wohl seine Ursache nicht zuletzt in der Tatsache hatte, dass der Neukantianismus (zumindest in seiner wissenschaftstheoretisch orientierten Variante) lieber in der Nähe der Naturwissenschaften als der spekulativen Philosophie gesehen werden wollte.
Die Rezeption Hegels in der russischen Philosophie von religiös inspirierten Denkern und Theologen wie z.B. S.Bulgakow, N.Berdjajew oder I.Iljin zeichnet sich allgemein vor allem durch zwei signifikante Elemente aus: Einerseits kommt Hegel mit seiner Betonung der Relevanz des Ganzen und des Absoluten als oberstem Maßstab für den Menschen dem holistisch orientierten Geist der Russen recht nahe und empfiehlt sich gegenüber Descartes oder Kant aufgrund seines Dranges zur Versöhnung der Gegensätze der Wirklichkeit, andererseits besteht ein klassischer – nicht nur, aber doch auch russischer – Vorwurf gegenüber seiner Philosophie entweder im Pantheismus oder im Panlogismus. So kann man etwa bei Sergej Bulgakow auf Seite 80 seines Werkes "Die Tragödie der Philosophie" (Darmstadt 1927) zu Hegel lesen: "Die Philosophie Hegels ist die klassische und vollendete Lehre des kriegerischen Panlogismus, der reinen Prädikativität, des sich selbst denkenden Denkens. In ihr hat die philosophische Anmaßung die Säulen des Herkules erreicht, bis zu denen das verzückte, von seiner eigenen Kraft berauschte Denken vorzudringen imstande ist. Sie ist eine Ekstase des Denkens und zugleich eine menschgöttliche Verzückung, ein idealistisches ‚Chlystentum’." Da die Selbsterfassung Gottes bei Hegel eine sich im sich selbst denkenden absoluten Begriff, im absoluten Selbstbewusstsein vollziehende ist, existiert auch Gott gewissermaßen nicht außerhalb des Denkens und ist somit neben der gesamten Welt durch sich selbst im Begriff als absolutes Denken begreifbar. Insofern wird in der Philosophie Hegels die Grenze des menschlichen (endlichen) Denkens aufgehoben, und das menschliche Denken ist nur ein Teil des absoluten, göttlichen Sichselbstdenkens und dadurch Sichselbstbegründens. Der aus dieser Konzeption resultierende Umstand, dass jeder Mensch primär als ein Teil des Absoluten und nicht als vollkommen eigenständige Entität begriffen wird, stellt einen weiteren Hauptkritikpunkt an Hegel dar, wobei sich dieser Aspekt besonders hinsichtlich einer religiösen Bewertung als virulent erweist, da die Gott gegenüberstehende einzelne Person mit ihrer Hoffnung auf Erlösung die religiöse Grundsituation und somit das Gebet die grundlegende religiöse Praxis ausmacht.
Im Folgenden soll nun untersucht werden, inwieweit S.Frank sich den genannten Kritikpunkten anschließt und wodurch sich seine eigene Philosophie des Unergründlichen von der Absolutheit des Begriffs der Hegelschen Philosophie abhebt. Zu diesem Zweck wird zuerst die Würdigung Franks zu Hegels 100. Todestag in ihren Grundzügen zur Darstellung kommen (1.), darauf wird in einem zweiten Schritt eine allgemeine Skizzierung der Grundgedanken Hegels erfolgen (2.), sodass auf der dritten Untersuchungsstufe eine Metakritik von Franks Behandlung Hegels unter Rückgriff auf die Grundlagen der Hegelschen Argumentation stattfinden kann (3.).
(1.) S.Franks Würdigung und Kritik der Hegelschen Philosophie
Franks Betrachtung der Philosophie Hegels anlässlich seines 100. Todesjahres ist über weite Strecken von einer gewissen Wehmut durchzogen: Schon in den ersten Zeilen betont Frank die Tatsache, dass der Niedergang der Hegelschen Philosophie nicht durch systematische Argumente und damit aufgrund der objektiv erwiesenen Unhaltbarkeit seines Systems, sondern primär durch historisch bedingte Prozesse der wissenschaftlichen Meinungsbildung verursacht worden sei. In diesem Zusammenhang wird zudem der nach Hegel einsetzende Verfall des denkerischen Niveaus im philosophischen Bereich betont, wobei Frank u.a. die historischen Nachfolger Hegels in Gestalt des dialektischen Materialismus nennt, der von Frank als eine Karikatur Hegels aufgefasst wird. Zugleich hebt Frank die Unmöglichkeit eines einfachen Anschlusses an vergangene philosophische Moden mit dem Argument hervor, dass sich auch die seit Hegel entstandenen Entwicklungen durch einen gewissen Sinn auszeichnen und diese philosophischen Bewegungen in ihren Stärken in eine umfassende Theorie von heute aufgenommen werden müssen. Seine Kritik an der nachhegelschen Philosophie darf also nicht als retroromantische Verklärung der Situation missverstanden werden.
Die generelle Bewertung der Hegelschen Philosophie fällt bei Frank durchaus positiv aus. Als besondere Leistung nennt Frank die Idee der Dialektik, die über weite Strecken in der Lage ist, der Hauptgefahr des platonischen Idealismus, dem Frank Hegels Denken zuordnet, zu entgehen: Der Erstarrung eines begrifflichen Schemas, das aufgrund eines essentiellen Mangels an immanenter Dynamik der pulsierenden und sich selbst modifizierenden Realität nicht gerecht werden kann. Die Wahrheit bei Hegel bestehe in der Allgemeinheit, im Zusammendenken von A und Nicht-A, sodass der hegelsche Seinsbegriff nicht statisch und unveränderlich, sondern als der sich dynamisch neukonfigurierende und selbstschaffende Geist verstanden werden muss. Die dialektische Bewegung zeichnet sich durch ihre Unendlichkeit aus:
"Jeder gedachte Inhalt von A
erzeugt seine Antithese Nicht-A und steigt durch die Verbindung mit ihr zu dem
höheren Prinzip, zur Synthese auf. Diese Bewegung ist unendlich: Die Synthese
erzeugt in der Eigenschaft einer neuen These eine neue Antithese und durch sie
eine neue Synthese. [...]. Der dialektische Gang des Denkens, seine ständige
Vervollkommnung, Selbstüberwindung und Verbesserung ist (...) die unablässige
Selbstentwicklung und Erhöhung des weltlichen Seins." (1)
Frank führt Hegels Philosophie darüber hinaus auf die vor allem von Parmenides begründete Erkenntnis der Identität von Denken und Sein zurück; er nennt diesen Ansatz "ontologischen Idealismus". Im Zusammenhang mit der von Hegel angestrebten Synthese von Idealismus und Dynamismus zeichnet sich sein System nach Frank insbesondere durch ein entwickeltes Geschichtsbewusstsein aus, wobei Hegel die Geschichte nicht nur als irdische (also evolutionär im natürlichen oder kulturellen Sinne)), sondern zugleich als die Geschichte des in ihr zu sich selbst kommenden Absoluten, also metaphysisch versteht und sie somit in eine direkte Beziehung zum Überzeitlichen gesetzt wird. Die wahre Dialektik ist auf diese Weise unmöglich von ontologischen Implikationen zu trennen und kann als eine Reflexion des Absoluten als Welt über sich selbst bezeichnet werden.
Mit scharfem Blick sieht Frank zwei grundsätzlich entgegengesetzte Aspekte des Hegelschen Denkens in seinem Zentrum: Einerseits besitzt Hegels Philosophie einen stark konservativen Zug, da das Bestehende, die Wirklichkeit letztlich als vernünftig bezeichnet und dadurch gewissermaßen gerechtfertigt wird. Auf der anderen Seite ist Hegels Denken revolutionär: Nicht nur wendet er sich gegen den vor allem theologisch verankerten Dualismus von Gott und Welt, er hinterfragt zudem auf grundsätzliche Weise die primäre Geltung der formalen Logik ineins mit der Behauptung der Absolutheit der Vernunft und ruft nach Frank zu einer Entwicklung neuer und höherer Lebensformen auf. Insofern treffen sich in Hegel zwei geistige Aspekte, die aufgrund ihrer elementaren Verschiedenheit das Eigentümliche Hegels ausmachen. Darüber hinaus betont Frank die Konkretheit des Seins, die in der Hegelschen Dialektik ihren Ausdruck findet, indem die existierenden begrifflichen Gegensatzpaare nicht durch den Verstand abstrakt voneinander isoliert, sondern synthetisch zusammengedacht und insofern der Bedeutung des Begriffs "concrescere" (= Zusammenwachsen) gerecht werden. Unter diesen Gesichtspunkten erblickt Frank in Hegels System die Spitze des ontologischen Idealismus, macht jedoch zugleich darauf aufmerksam, dass man anhand der Philosophie Hegels auch die Grenzen dieses Ansatzes sehen kann. Als eine konstitutive Grenze der Hegelschen Philosophie nennt Frank vor allem fünf Punkte: 1. Die Irrationalität der Empirie, 2. Seinen Hang zum Pantheismus, 3. Die optimistische Vermischung von Ideal und Wirklichkeit, 4. Die Verkennung der Unableitbarkeit und Individualität der Person, sowie 5. Die Identifikation von Absolutem und Subjekt. Auf diese fünf Punkte soll nun etwas ausführlicher eingegangen werden, bevor das System Hegels in den Grundzügen zur Darstellung kommt.
Zu 1. Die Irrationalität der Empirie: Nach Frank hat Hegels absoluter oder objektiver Idealismus eine fundamentale Grenze an der logisch nicht einholbaren tatsächlichen Wirklichkeit (2), d.h. an den unzähligen Ereignissen und menschlichen Handlungen, die weder logisch oder rational vorhersagbar, noch im nachhinein rational und somit sinnvoll rekonstruierbar sind. Als konkrete Beispiele könnte man z.B. verheerende Kriege ohne irgendein im weitesten Sinne positiv zu bezeichnendes Resultat oder auch den frühen Tod eines Säuglings nennen: In beiden Fällen scheint es fast unmöglich, den jeweiligen erschreckenden Tatsachen noch einen Sinn oder einen rationalen Zweck zuzuschreiben. Frank macht insbesondere auf den Umstand aufmerksam, dass es gerade diese Sphäre des Irrationalen ist, welche den Menschen normalerweise vorrangig berührt und auch bedrängt. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang notwendig stellt, lautet folgendermaßen: Wenn alles Wirkliche vernünftig bzw. logisch ist, muss auch das Böse, Falsche und Irrationale vernünftig sein, da es offenbar existiert. Wie aber soll man sich diesen Umstand denken, ohne sich in unaufhebbare Widersprüche zu verwickeln, da doch schon im Begriff des Irrationalen und Bösen die wesenhafte Unvernünftigkeit explizit mitgemeint ist? Wie kann es angesichts der behaupteten Absolutheit des Logischen die irrationale Empirie überhaupt geben?
Zu 2. Hang zum Pantheismus: Hegels Philosophie ist eine monistische Philosophie, d.h. sie führt alles Existierende auf ein Prinzip zurück. Die gesamte Welt mit all ihrer ihr immanenten Mannigfaltigkeit ist letztlich nur ein Moment im Absoluten und somit ontologisch nicht wirklich autonom. Insofern ist die Welt gewissermaßen identisch mit dem Absoluten, was einen Grundzug der Lehre des Pantheismus ausmacht und dementsprechend Franks folgende Äußerung motiviert: "Die gewaltige Idee der Philosophie Hegels ist von der Einseitigkeit des Pantheismus verdorben; sie zerbricht an dem bitteren Faktum des Sündenfalls." (3) Das phänomenal Böse geht in der Göttlichkeit der ganzen Wirklichkeit auf und kann, von dem skizzierten kritischen Standpunkt her betrachtet, somit nicht mehr in seiner Macht und seiner Realität gefasst werden.
Zu 3. Die optimistische Vermischung von Ideal und Wirklichkeit: Als direkt mit dieser Kritik zusammenhängend ist der Vorwurf der Vermischung von Idealität und Realität eine Vertiefung ihres kritischen Potentials: Frank sieht in Hegels Denken den Ausdruck einer unzulässigen Idealisierung der Welt, da das Vernünftige (Idealität) mit dem Wirklichen (Realität) gleichgesetzt und so als vernünftig gerechtfertigt wird:
"Hegels Idealismus wird bei
all seiner Tiefe und Breite dennoch als ‚Idealismus’ im schlechten Sinne des
Wortes, d.h. als falsche Idealisierung der Welt entlarvt, als ungleichmäßige,
optimistische Vermischung des ‚Ideals’, des Traums des menschlichen Geistes
(freilich in diesem Traum die Realität des ihm zugrunde liegenden göttlichen
Prinzips bezeugend) mit der unvollkommenen faktischen Realität des weltlichen
Seins." (4)
Zu 4. Die Verkennung der Unableitbarkeit und Individualität der Person: Ein wichtiger und für eine substanzvolle Hegelkritik unerlässlicher Punkt ist die Frage, ob nicht durch die absolute begriffliche Determination das Wesen der individuellen Person systematisch verkannt bzw. missverstanden werden muss, da der logische Begriff stets von allgemeinem Charakter ist und schon durch seine Struktur das Persönliche, das Besondere und Nicht-Allgemeine nicht umfassen kann. So wie die Welt als besondere nur als Moment im Absoluten gedacht wird, sieht die Philosophie Hegels den einzelnen Menschen primär als Medium für die höheren Kräfte dieses Absoluten und verweist damit nur auf das Universale. In diesem Kontext stellt Frank die These dagegen, dass eine echte All-Einheit sich immer nur im Kulminationspunkt der unwiederholbaren und einzigartigen Person in ihrer wahren Vollkommenheit ausdrücken kann. Allerdings stimmt Frank Hegel insofern zu, als auch er eine sich von dem Ganzen absondernde Subjektivität ablehnt, da die entfesselte Partikularität als sich fälschlicherweise absolut setzende relative Struktur das Prinzip des Sündenfalls ist. Trotzdem bleibt festzuhalten: "Obwohl die Idee bei Hegel die Gestalt des konkreten Geistes annimmt, dringt sie nicht zur letzten Tiefe jener Realität durch, die wir Person nennen." (5)
Zu 5. Die Identifikation von Absolutem und Subjekt: Der fünfte Hauptpunkt von Franks Hegel-Kritik besteht in dessen Gleichsetzung von Absolutem und Subjekt, wobei Frank statt dem Subjekt dem Leben als wahrer Synthese von Rationalem und Irrationalem die Absolutheit zusprechen würde. Frank fasst diesen Aspekt der Gesamtproblematik in folgende Worte:
"(...) die Realität ist das
Leben; es stützt sich auf das irrationale Geheimnis des Seins, genauer gesagt
auf das Unergründliche, auf jenes letzte Prinzip, das philosophisch nicht in
den Begriffen Idee und Geist zu fassen ist, sondern nur in dem Begriff des
Unergründlichen, durch das wir darüber Rechenschaft ablegen, dass wir selbst
sind, das wir aber nicht verstehen, d.h. in Begriffen wiedergeben können."
(6)
Während bei Hegel aus der Absolutheit des Logischen bzw. des Begriffs als Sich-selbst-denkendes-Denken das Absolute als die allumfassende, göttliche Subjektivität mit Notwendigkeit folgt, besitzt in der Sicht Franks das transzendental-logische Denken seine Grenze und Quelle im Unergründlichen, welches selber das Logische transzendiert, indem es über die Dualitäten und Einseitigkeiten des Begrifflichen hinausführt in das überlogische Kontinuum des sich ewig neu vollziehenden Lebens. Dementsprechend sieht Frank den Mangel einer eingehenden philosophischen Analyse des Lebens als den diesbezüglichen Hauptfehler von Hegels Philosophie an und macht Hegel indirekt für die Welle des Irrationalismus verantwortlich, die sich nach Hegel in der Philosophie ausgebreitet hat.
Nach dieser kurzen Darstellung der konstitutiven Kritikpunkte Franks an Hegels absolutem Idealismus wird nun eine Darstellung der für unsere Zwecke entscheidenden Aspekte des Hegelschen Systems erfolgen, wobei besonders auf dessen begründungstheoretische und logische Implikationen eingegangen werden soll, da diese sich als konstitutiv für eine Beantwortung der Frankschen Kritikpunkte erweisen werden.
(2.) Die Philosophie Hegels in ihren wichtigsten Grundzügen
Es ist kein Geheimnis, dass Hegel und mit ihm seine dialektische Methode seit jeher ein umstrittenes und polarisierendes Thema der Geistes- und insbesondere der Philosophiegeschichte gewesen ist und immer noch als ein solches bezeichnet werden muss. Kein Philosoph vor oder nach ihm hat bezüglich der Wirklichkeitserkenntnis einen solch selbstbewussten und radikalen Wahrheitsanspruch erhoben (7), und nur wenige Denker sind so leidenschaftlich abgelehnt worden wie Hegel. Es steht außer Frage, dass die immensen Verständnisschwierigkeiten der zahlreichen Hegel-Interpreten größtenteils aus Hegels meist schwieriger und komplexer Ausdrucksweise und einem scheinbar weitgehenden Fehlen reflexiven Methodenbewusstseins bezüglich seiner dialektischen Vorgehensweise resultieren. So muten einige Gedankengänge in Werken wie "Phänomenologie des Geistes" und "Wissenschaft der Logik" eher wie Zauberei an, als dass sie rational begründet sind (abgesehen von der Problematik, die Hauptbegriffe hegelscher Philosophie adäquat definieren und dementsprechend verstehen und benutzen zu können).
Zwar kann an dieser Stelle keineswegs ein umfassendes Bild von Hegels Denken entworfen werden – dies wäre angesichts der Komplexität des Systems ein unmögliches Unterfangen –, doch ist eine allgemeine Skizzierung der Grundlagen Hegels notwendig, um die Frankschen Anfragen an Hegel in einem angemessenen systematischen Rahmen beantworten zu können. Dabei ist es sachdienlich, sich eng am Text zu orientieren.
Einen wichtigen Aufschluss über grundlegende Prinzipien einer Philosophie kann man über die Betrachtung der von der jeweiligen Position postulierten Relation von Natur und Geist bzw. einem etwaigen beiden Sphären zugrunde liegenden Substrat gewinnen. Im Falle Hegels lässt sich tatsächlich solch eine Art Substrat oder Grundprinzip finden: Das Logische. Das Logische liegt sowohl der Natur als auch dem Geist zugrunde und ist beiden Manifestationsweisen gegenüber ontologisch primär. Nun stellt sich das erste und vielleicht wichtigste terminologische Problem: Was genau ist das Logische? Während man heute unter Logik meist nur die formale Logik versteht, die größtenteils von metaphysischen (8) und vollständig von theologischen Implikationen befreit ist, hat Hegel etwas davon strikt zu Unterscheidendes im Sinn gehabt:
"Die Logik ist (...) als das
System der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens zu fassen.
Dieses Reich ist die Wahrheit, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist.
Man kann sich deswegen ausdrücken, dass dieser Inhalt die Darstellung Gottes
ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines
endlichen Geistes ist." (9)
Dieses (die reine Selbsterkenntnis des Denkens im Denken und als Denken des Denkens) ist jedoch nur der eine Aspekt der Rolle, die Hegel der Logik zumisst, denn andererseits ist das Logische auch die prinzipiierende Essenz der Einzelwissenschaften. Hegel führt weiter aus, dass das Logische durch zwei grundlegende Strukturmomente konstituiert wird: "Das Sein als reiner Begriff an sich selbst" und 2. "Der reine Begriff als das wahrhafte Sein". Dieses allein wäre wohl noch nicht besonders originell, doch die Pointe der Hegelschen Fassung des Logischen offenbart sich in folgender Ergänzung:
"Aber sie werden nun als
untrennbar seiend gewusst, nicht wie im Bewusstsein jedes auch als für sich
seiend; dadurch allein, dass sie zugleich als unterschiedene (jedoch nicht für
sich seiende) gewusst werden, ist ihre Einheit nicht abstrakt, tot, unbewegend,
sondern konkret." (10)
Hier zeigt sich das genuin dialektische (11) Moment, wenn Hegel im Anschluss
an seine frühere Bestimmung des Absoluten als die Identität von Identität und
Nicht-Identität (12) durch diese Ausführungen den Grund für die Bewegung des
logischen Denkens als des Selbstdenkens des Absoluten benennt. Da die
dialektische Relation beider Elemente dem Logischen gegenüber nicht
transzendent sein kann, muss man von einer Selbstbewegung des Logischen oder
von einer Selbstbewegung des Begriffs (13) sprechen. Hegel begreift das
Logische als absolute Vernunft, die kein subjektives Prinzip ist, sondern im
Anschluss an Platon objektiv-ontologische Implikationen besitzt (14). Es ist vor allem die Auffassung der
Logik als seinsbegründendes Prinzip, was den objektiven vom subjektiven
Idealismus unterscheidet (15).
Ähnlich wie mit dem Logischen verhält es sich mit dem Terminus "Begriff". Schon Michelet und Haring erkannten, dass der hegelsche "Begriff" das Schlüsselmoment zum Verständnis des dialektischen Verfahrens ist, ohne dessen Durchdringung Hegels Vorgehen wie "unheilige Zauberkünste" (16) anmuten kann. Allerdings muss man aufgrund der inneren Verwobenheit und strukturellen Interdependenz der konstitutiven Elemente der Hegelschen Philosophie (z.B. Begriff, Negation/ Negativität, Widerspruch/ Antinomie, Kreisform der Begründung, Selbstbewegung des Begriffs, objektiver Idealismus etc.) mehrere Schlüsselmomente oder Kernbegriffe als geeignete Zugangsweisen zu Hegel anerkennen, da eine Isolation und Absolutsetzung eines Einzelbegriffs die organische Einheit der Dialektik zerstören und Hegel dadurch abstrakt verfremden würde (17).
Im umgangssprachlichen Gebrauch bedeutet "Begriff" etwa "Wort", "Ausdruck" oder "Zeichen"; in erkenntnistheoretischer Hinsicht werden Begriffe als Allgemeinvorstellungen verstanden, unter die konkrete Anschauungen oder Einzelvorstellungen subsumiert sind, wobei sie in Abgrenzung zur konkreten Anschauung als Abstrakta aufgefasst werden. Im formallogischen Sinne werden Begriffe als diejenigen Ausdrücke bezeichnet, die sich (anders als Eigennamen) nicht eindeutig auf einen bestimmten Gegenstand beziehen, sondern sich in der Art und Weise auf mehrere Gegenstände beziehen, dass sie Eigenschaften benennen, die solchen Gegenständen zugeschrieben werden. Diese in der formalen Logik moderner Prägung übliche Fassung nimmt Bezug auf die elementare Aussage, in der der Nominator einen Gegenstand und der Prädikator eine Eigenschaft vertritt. Alles, was von dem durch den Nominator vertretenen Gegenstand ausgesagt wird, ist sein Begriff. Dabei ist der Unterschied der wesensverschiedenen Beziehungen des Fallens eines Gegenstandes unter einen Begriff und der Subsumtion eines Begriffs unter einen anderen Begriff zu beachten: Die Subsumtion eines Begriffs unter Begriffe ist evidentermaßen transitiv, während das für das Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff nicht gilt (eine Beziehung ist transitiv, wenn daraus, dass sie zwischen a und b sowie zwischen b und c besteht, folgt, dass sie auch zwischen a und c besteht) (18). Weitaus komplexer und vielschichtiger zeigt sich jedoch die hegelsche Begriffsauffassung, und das nicht zuletzt deswegen, weil Hegel vor einem subjektivitätstheoretisch-idealistischen Hintergrund argumentiert:
"Diese Substanz aber, die der
Geist ist, ist das Werden seiner zu dem, was er an sich ist; und erst als dies
in sich reflektierende Werden ist er an sich in Wahrheit der Geist. Er ist an
sich die Bewegung, die das Erkennen ist, – die Verwandlung jenes Ansichs in das
Fürsich, der Substanz in das Subjekt, des Gegenstands des Bewusstseins in
Gegenstand des Selbstbewusstseins, d.h. in ebenso sehr aufgehobenen Gegenstand
oder in den Begriff." (19)
Schon aus diesem kurzen Zitat kann man von der Verwendungsweise her die bewusstseinstheoretische Prägung des Hegelschen Begriffsverständnisses entnehmen: "Begriff" bedeutet hier in erster Linie und konsequent idealistisch "das sich selbst Begreifende" – also das Selbstbewusstsein. Dabei meint Hegel nicht das einzelne, empirische und rein subjektive Selbstbewusstsein, sondern der Begriff ist das absolute und objektive Selbstbewusstsein, das alle Ideen in sich birgt und dessen Prinzipien über objektive Geltung verfügen. Dem empirischen Selbstbewusstsein liegt der absolute Begriff als absolutes Prinzip, als absolute Form (20) und in gewissem Sinne als absolute Methode zugrunde, denn der Begriff ist das Absolute, das Denken des Denkens (der aristotelische Nous), dasjenige, was keinen Gegensatz außer sich hat, sondern alle Gegensätzlichkeit als ein immanentes Wesensmerkmal selbst aus sich hervorbringt und sich somit sich selbst entgegensetzt, um sich im Anderen seiner selbst als mit sich identisch zu erkennen (21). Der Begriff ist laut Hegel die höchste Weise, die absolute Idee als die absolute Vernunft zu erfassen, wobei sich die absolute Idee auf diese Weise selbst als solche denkt und erkennt:
"Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reine sich entwickelnde Selbstbewusstsein und hat die Gestalt des Selbsts, dass das an und für sich Seiende gewusster Begriff, der Begriff als solcher aber das an und für sich Seiende ist." (22)
Man könnte auch einfacher sagen, dass die Absolutheit des Begriffs die Absolutheit des spekulativ-logischen Denkens ist, dem in der Tat nichts entkommen kann. Denn wenn etwas ist, dann muss es als etwas (als es selbst) gedacht werden – auch wenn es als bewusstseinsunabhängig oder undenkbar gedacht wird, d.h. es muss (zumindest rein formal) im Denken stattfinden und somit zumindest potentiell begrifflich strukturiert sein, da es schon in der Form des Begriffs (= gedacht) existiert. Alles, was sich denken lässt, lässt sich eben denken.
Diese in Hegel einführende Reflexionen sollen im Hinblick auf die Kritik Franks an Hegels Panlogismus von einer Diskussion über die Absolutheit der Logik im Rückgriff auf Forschungen der aktuellen Philosophie bzw. Begründungstheorie (vor allem von Dieter Wandschneider und Vittorio Hösle) vertieft werden, damit eine genaue Vorbereitung auf die systematische Diskussion der Einwände Franks gegen Hegels objektiven Idealismus geleistet wird.
Auf den ersten Blick scheint es wohl vermessen, von einer Unbedingtheit der Logik oder von einer Absolutheit des Logischen sprechen zu wollen, wo es doch gerade in dem vergangenen Jahrhundert eine Art kreativer Explosion auf dem Gebiet der formalen Logik in Form von diversen Logik- und Sprachsystemen gegeben hat und insofern eher eine Relativierung der Geltungsansprüche der verschiedenen Systeme nahe zu liegen scheint. Bei der Durchführung des Projekts einer Infragestellung der Logik zeigt sich nun, dass man alle konventionellen Elemente und Strukturen der diversen Logiksysteme wiederum konventionell ändern könnte, ohne sich in einen unaufhebbaren Widerspruch zu verwickeln. Dies gilt jedoch nicht für gewisse Basisstrukturen logischer Argumentation, die absolut notwendig für ein sinnvolles Gespräch bzw. für eine argumentative Sprachhandlung sind, wie z.B. der Satz vom Widerspruch oder grundlegende Denkkategorien, ohne die gar nichts gedacht werden könnte (23). Die grundlegende Einsicht besteht in dem Sachverhalt, dass eine Negation der Gültigkeit der Logik im Sinne einer Fundamentallogik, welche die basalen argumentationslogischen Bedingungen der Möglichkeit von sinnhafter (logischer) Rede und Argumentation umfasst, Strukturmomente eben jener zu negierenden Logik als Voraussetzung impliziert (24) und insofern notwendig auf einen performativen Widerspruch hinauslaufen muss. Ein performativer Widerspruch setzt im Akt der Behauptung eines Sachverhalts oder einer Tatsache dasjenige (in diesem Fall die Geltung von rationalen Standards der Argumentation in Form der logischen Operation der Negation) formal voraus, was er auf semantischer Ebene negiert (die Geltung der Negation als logischer Operation) und erweist sich dadurch als logisch inkonsistent und somit inakzeptabel. Ein konkretes Beispiel wäre etwa der ausgesprochene Satz: "Ich spreche jetzt gerade nicht." Der Inhalt dieser Aussage widerspricht offenbar der Tätigkeit, die zugleich stattfindet, sofern der Satz ausgesprochen und nicht nur aufgeschrieben wird. Wenn man also die Logik negiert, kann man dies nur auf inhaltlicher Ebene, nicht aber auf praktischer bzw. performativer Ebene tun, da man durch die Benutzung der Negation bereits Logik in Anspruch nimmt und sie somit indirekt durch sein Tun in ihrer Geltung bestätigt. Dementsprechend kann Wandschneider die Fundamentallogik als negationsresistent bezeichnen:
"Damit ist so etwas wie ein
Kernbestand unaufhebbarer fundamentaler logischer Strukturen sichtbar geworden,
die argumentativ prinzipiell nicht ausgehebelt werden können, insofern durch
sie Argumentation überhaupt erst ermöglicht ist." (25)
Im Gegensatz zu den konventionellen Elementen der einzelnen Systeme muss also den Bedingungen der Möglichkeit von Argumentation und Geltung kategorische und nicht nur hypothetische Geltung zugeschrieben werden: Konstruierte Kalküle wie z.B. mehrwertige Logiken setzen eine zweiwertige Fundamentallogik als Idee eines Systems der Gesamtheit transzendentaler Sinnbedingungen auf einer Metaebene voraus (26). Kategorische Geltung impliziert jedoch eine logische Unbedingtheit in dem Sinne, dass die Logik von nichts anderem als sich selbst abhängig sein darf – sonst wäre sie nur hypothetisch, da zur Aktualisierung ihrer Geltung bestimmte externe Bedingungen (Akzeptierung einer Prämisse oder eines Axioms) erfüllt werden müssten. Doch wenn die Logik nur hypothetisch gelten würde, könnte man sie auch nicht anwenden und sie damit implizit oder explizit negieren – dies jedoch würde, wie wir eben gesehen haben, die logische Geltung der Operation der Negation voraussetzen und somit die Geltung der Logik selbst in ihrer Negation affirmieren.
Dieser Gedankengang impliziert also eine Form der Selbstbegründung, und eine solche ist evidentermaßen eine Letztbegründung (27), da etwas, das sich selbst begründet, keiner weiteren Begründung mehr bedarf (28). Die Differenz zwischen einer Selbstbegründung und einer petitio principii, in der das zu Beweisende zu Unrecht schon in den Prämissen vorausgesetzt wird, besteht in dem Umstand, dass die prinzipielle Notwendigkeit der Selbstbegründung fundamentallogisch aufgewiesen werden kann, während bei einer petitio principii das zu Beweisende ohne Notwendigkeit, also kontingenterweise angenommen wird. Um den universalen Anspruch der darauf aufbauenden Hegelschen Dialektik rechtfertigen zu können, ist ein Verständnis der Differenz des begründungstheoretischen Rationalitätsstandards verletzenden Zirkelschlusses und der reflexiv notwendigen Selbstbegründung der sich logisch selbst voraussetzenden Fundamentallogik von besonderer Wichtigkeit (29). Eine Plausibilisierung der Unbedingtheit der Logik ist möglich, sofern man unter Unbedingtheit oder Absolutheit notwendige Selbstvoraussetzung versteht: Die Forderung nach einer Begründung der Logik verlässt die logische Immanenzsphäre nicht, sondern demonstriert vielmehr ihren allumfassenden Charakter, da sich jedwede Art der Begründung "innerhalb" (30) der Logik ereignen muss. Die Logik zeichnet sich also nicht nur dadurch aus, dass sie sich selbst begründet, sondern ebenso durch die Tatsache, dass sie prinzipiell durch nichts anderes begründet werden kann: "Einen außerlogischen Standort, von dem her die Logik logikunabhängig begründet werden könnte, kann es prinzipiell nicht geben." (32) Doch selbst wenn man dies zugeben würde, könnte man theoretisch immer noch auf den Umstand verweisen, dass sich die Logik vielleicht selbst begründen könne (oder sogar müsse), sie deswegen jedoch bei weitem nicht auf alles Existierende Zugriff habe und daher nicht absolut sei (33). Die Vorstellung, dass tatsächlich alles logisch und dadurch erkennbar sei und es nichts gebe, was sich nicht auf irgendeine Weise als intelligibel erweisen würde, ist gerade heute im Zeitalter der Vernunftkritik mehr als befremdlich. Doch kann man sich natürlich nicht auf vergängliche Befindlichkeiten verlassen und ihnen einen geltungstheoretischen Status einräumen. Wenn man Logik als (im Falle Hegels ontologisch konstituierende) fundamentallogische Sinnbedingungen versteht, muss man erkennen, dass auch Begriffe wie "absurd", "alogisch" oder "denkfremd" schlicht und einfach sinnvolle und verständliche Ausdrücke sind und daher als logisch in genanntem Sinne bezeichnet (34) werden müssen. Hier greift letztlich die gleiche Grundeinsicht wie schon bei der Forderung einer Begründung der Logik, dass die Negation bereits eine logische Operation ist. Die Reflexion teilt das ursprüngliche, absolute Leben in Reflexion und Nicht-Reflexion, in Denken und Nicht-Denken, doch gerade diese Trennung ist Resultat eines Reflexionsaktes, sodass es sich z.B. bei dem Begriff des dem Denken Unzugänglichen nicht um einen wirklichen ontologischen Graben, sondern vielmehr um eine extreme Abstraktion des absoluten Denkens von sich selbst handelt und dadurch dem Denken nicht transzendent sein kann.
Hegels Philosophie zeichnet sich also konstitutiv durch die Behauptung der Absolutheit der Vernunft und deren ontologischen Beschaffenheit aus, wobei diese Grundposition natürlich weitreichende Implikationen z.B. für die Natur- und Geschichtsphilosophie besitzt: Die Natur ist das Andere der Idee und daher auch in ihrem Innersten (was immer dies auch genau sein mag) von logischen Strukturen bestimmt. Durch diesen Umstand greift Hegel (wie vor ihm Schelling) das Projekt einer apriorischen Naturphilosophie auf, was ihn z.B. von Fichte grundlegend unterscheidet, bei dem die Natur primär ein Produkt der Einbildungskraft des absoluten Subjekts (in seiner Frühphase) bzw. des Absoluten und damit keine "echte" Manifestation der Idee ist. Doch auch wenn die Natur partiell logisch strukturiert ist, stellt sie nicht die Idee in ihrem Ansich, sondern in ihrem Anderssein dar und enthält als Negation der logischen Idee Zufälliges und Kontingentes, welches keiner wirklichen Rationalisierung zugeführt und nur als empirisch existent konstatiert werden kann. Da allerdings die Natur als das Andere der absoluten Idee auf dialektische Weise die Idee ist, befindet sie sich ontologisch nicht in einer anderen Sphäre oder Welt als die Idee, sondern muss als die Idee in ihrer Äußerlichkeit bezeichnet werden:
"Indem die Idee sich (...) als absolute Einheit des reinen Begriffs und seiner Realität setzt, somit in die Unmittelbarkeit des Seins zusammennimmt, so ist sie als die Totalität in dieser Form – Natur. (...). Dieser nächste Entschluß der reinen Idee, sich als äußerliche Idee zu bestimmen, setzt sich aber damit nur die Vermittlung, aus welcher sich der Begriff als freie, aus der Äußerlichkeit in sich gegangene Existenz emporhebt, in der Wissenschaft des Geistes seine Befreiung durch sich vollendet und den höchsten Begriff seiner selbst in der logischen Wissenschaft als dem sich begreifenden reinen Begriff findet." (35)
Im von der Natur genetisch hervorgebrachten Geist, der das realphilosophische Pendant zur absoluten Idee ist, kehrt die Idee zu sich zurück, womit sich das Absolute als das sich vollendende Werden zu sich selbst expliziert und zugleich verwirklicht hat. Diese Verwirklichung des Absoluten vollzieht sich jedoch nicht allein in der Natur, sondern nach Hegel insbesondere in der Geschichte: In seiner Philosophie der Geschichte erläutert Hegel den Gang des Geistes im Prozess seiner Selbsterkenntnis durch die verschiedenen Kulturen zur höchsten Erfassung des Absoluten als Geist in der Philosophie, spezieller: In seiner eigenen Philosophie. Auch die Geschichte ist von einer vernünftigen Grundstruktur getragen, doch ist dem menschlichen Verstand dieser Zusammenhang aufgrund der enormen Komplexität des Weltgeschehens meist nicht transparent, aufgrund seiner rationalen Beschaffenheit jedoch nicht prinzipiell verschlossen. Die Weltgeschichte zeigt sich in Hegels Philosophie als eine zunehmende Verwirklichung der Freiheit dergestalt, dass sich in Form des Staates (Hegel dachte wohl insbesondere an denjenigen Preußens) die höchste Ausprägung der absoluten Idee finden lässt, welchen er sogar noch der religiösen Lebensform überordnet (36). Die absolute Idee, das in sich differenzierte Logische als ontologisches Prinzip der Erschaffung und Strukturierung des Kosmos gilt also auch für Natur und Geschichte und kehrt nach seiner dialektischen Entäußerung zum Anderen seiner selbst (als veräußerlichte Idee bzw. als Natur) in Form der geistigen Selbsterfassung des Menschen zu sich zurück:
"Jede neue Stufe des Außersichgehens, d.h. der weiteren Bestimmung, ist auch ein Insichgehen, und die größere Ausdehnung [ist] ebensosehr höhere Intensität. Das Reichste ist daher das Konkreteste und Subjektivste, und das sich in die einfachste Tiefe Zurücknehmende das Mächtigste und Übergreifendste. Die höchste, zugeschärfteste Spitze ist die reine Persönlichkeit, die allein durch die absolute Dialektik, die ihre Natur ist, ebenso sehr alles in sich befasst und hält, weil sie sich zum Freisten macht, - zur Einfachheit, welche die erste Unmittelbarkeit und Allgemeinheit ist." (37)
Diese letztlich unzulänglichen, aber für unseren Zweck hinreichenden Ausführungen sollen nun als Grundlage dafür dienen, die genannten Kritikpunkte Franks an Hegels Philosophie vor einem gewissen systematischen Hintergrund zu analysieren und sie hinsichtlich ihrer Berechtigung zu prüfen. Dies soll nun im folgenden Kapitel geschehen.
(2.) Franks Kritik an Hegel: Eine berechtigte Korrektur oder doch ein
Missverständnis?
Wir haben im letzten Kapitel einen stellenweise zwar etwas abstrakten, doch zugleich auf diesem logischen Niveau notwendigen Überblick über die argumentativen Grundlagen des Hegelschen Denkens gegeben und wollen nun unter Rückgriff auf die konkreten Frankschen Kritikpunkte sehen, inwieweit sie sich im Hinblick auf das Hegelsche System bewähren können. Dabei gehen wir in den folgenden Ausführungen nacheinander auf die im ersten Kapitel skizzierten Punkte ein.
1. Die Irrationalität der Empirie als Grenze des Hegelschen Idealismus
Wie wir im Darstellungsteil von Hegels Philosophie gesehen haben, beansprucht Hegel zwar, mit seiner Naturphilosophie die Geschichte des dialektischen Absoluten kontinuierlich fortzuschreiben, d.h. die Natur als entäußerte absolute Idee begreifen zu können, doch meint er keineswegs, dass alle einzelnen empirischen Vorkommnisse oder Ereignisse direkt aus dem absoluten Logos ableitbar sind. Solowjow hat dies in seinem Brockhaus-Artikel zu Hegel (s.: W.Solowjow - Philosophie, Theologie, Mystik (Werke Bd. VI, hsrg. v. W.Szylkarski u.a.), Freiburg 1956, S. 73-102, S. 101 f.) deutlich ausgesprochen: "Man durfte natürlich von Hegel, obwohl er auch das ‚absolute Wissen’ für sich beanspruchte, keine Voraussage von künftigen historischen Begebenheiten verlangen, ebenso wie man ja nur im Scherz fordern konnte, er solle a priori wissen, wie viel Grad das Thermometer am jeweiligen Tag zeigen werde. Mit Recht durfte man jedoch erwarten, dass die Hegelsche Philosophie der Geschichte wenigstens Raum für das Zukünftige offen lasse, besonders für die künftige Entwicklung von Erscheinungen, deren Bedeutsamkeit zum Teil schon zu Lebzeiten des Philosophen bemerkbar geworden war". Hier verteidigt Solowjow ganz richtig den von Hegel erhobenen Anspruch der logischen Durchdringung der Wirklichkeit gegen falsche Unterstellungen und weist zugleich auf den teilweise herrschenden, der dynamischen Empirie nicht gerecht werdenden Determinismus der Hegelschen Geschichtsphilosophie hin, der keinen Raum für wirkmächtige Ereignisse in der Zukunft der Welt lässt, sondern sich durch eine prinzipielle Rückwärtsgewandtheit auszeichnet.
Die Natur gehört zwar ontologisch betrachtet zur Idee, doch stellt sie mit den ihr eigenen Momenten der Zufälligkeit und Kontingenz, die sie gerade als besonderes Merkmal aufgrund ihrer Beschaffenheit als das Andere der binnendifferenzierten Idee (aber eben der Idee!) kennzeichnen, auch eine partiell eigenständige Sphäre der Wirklichkeit dar, in welcher sich die Idee als das sich selbst begreifende Denken erst noch behaupten, d.h. in der Geschichte verwirklichen und auf diese Weise nach dem Kampf der Realisation zu sich selbst kommen muss. Dabei ist zu beachten, dass die Entäußerung der Idee nicht stattfindet, weil die logische Idee noch unvollkommen und daher ergänzungsbedürftig ist, sondern vielmehr gerade aufgrund ihrer Vollkommenheit und Selbstbegründetheit: "Die Selbstbestimmung der Idee als dialektisch verlangt (...) einerseits Anwendung des dialektischen Prinzips auf sie selbst. Auf der anderen Seite ist die logische Entwicklung hiermit abgeschlossen, so dass jene Selbstanwendung der Idee auf sich keine weitere logische Entfaltung bedeuten kann. So ergibt sich das scheinbare Paradox, dass die Idee, eben weil und insofern sie in sich vollendet ist, aus sich herausführen, in eine ‚andere Sphäre’ eintreten muss, wie Hegel sagt" (38). Recht besehen, ist die franksche Betonung der logischen Unableitbarkeit der konkreten Empirie als Kritikpunkt an Hegel also nur zum Teil wahr: Wenn man darunter die logische Unableitbarkeit von einzelnen Ereignissen in Raum und Zeit meint, hat Frank sicher recht – andererseits hat Hegel ebenfalls nie etwas anderes vertreten. Im Gegenteil: Hegel ist sogar einer der wenigen Philosophen, der eine Theorie über den ontologischen, also nicht nur durch die Begrenztheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit bedingten Zufall entwickelt hat. Im Hinblick auf die Empirie im Sinne von Welt oder geschaffener Natur überhaupt jedoch meint Hegel sehr wohl, dass diese logisch notwendig aus der absoluten Idee gefolgert werden muss und kann, da es zum Absoluten a priori (d.h. vernunftnotwendig) gehört, sich zu entäußern, d.h. zum Anderen seiner selbst zu werden, um in diesem Medium sich selbst zu erfassen und mittels dieses dynamischen Vorgangs zu vollenden: " Indem sich das Logische in seiner Vollendung als absolute Idee selbst als logisch bestimmt, kann es dies, seiner eigenen dialektischen Natur zufolge, nur in der Entgegensetzung gegen ein Nicht-Logisches sein. Das heißt, aus dem dialektischen Charakter des Logischen folgt, daß es, mit dem Logischen, notwendig auch ein Nicht-Logisches geben muß. Ist das Logische begrifflich, so muß das Nicht-Logische begrifflos sein. Ist der Begriff wesentlich Inbegriff, Einheit, so muß das Begrifflose Außeinandersein, Vereinzelung sein: Eben dies macht nach Hegels Auffassung den Begriff der Natur aus. Die logische Idee muß, ihrer eigenen dialektischen Verfasstheit entsprechend, aus sich heraustreten, sich ihr Anderes entgegensetzen, sich als Äußerlichkeit, als Natur setzen. Indem sich das Logische zum System schließt, entschließt, entäußert es sich zugleich in die Vereinzelung der Natur" (39). Es ergibt sich also im Falle Hegels eine gewisse Grundintelligibilität der Natur, die zwar auch Zufälle beinhaltet und zulässt, zugleich jedoch nicht in reine Kontingenz im Sinne von totaler Irrationalität und Gesetzlosigkeit auflösbar ist. Man könnte sich hier z.B. fragen, wie es andernfalls möglich sein sollte, die Natur (wie die Naturwissenschaften es praktizieren) mit idealen, also geistigen Relationen (nämlich der Mathematik) in Verbindung zu bringen und dabei auch noch zu so verlässlichen Aussagen z.B. in prognostischer Hinsicht zu kommen. Der praktische Erfolg der mathematischen Naturwissenschaften ist neben der dialektischen Kohärenz des Hegelschen Absoluten ein gewisser Hinweis darauf, dass die Natur in der Tat ein bestimmtes Maß an Idealität oder Geistigkeit und somit auch Logifizierbarkeit im Sinne Hegels innehat.
Allerdings weist Frank mit der Nennung der Empirie als Grenze der totalen logischen Durchdringung auf einen wichtigen Punkt bezüglich eines adäquaten Hegel-Verständnisses hin, da die Rede vom Hegelschen Panlogismus vielleicht nahe legt, Hegel würde jegliche Kontingenz leugnen und wolle jedes Einzelereignis und jede Entität unmittelbar aus der logischen Idee ableiten. Und tatsächlich muss man dies und andere Fehler Hegel an manchen Stellen seiner Naturphilosophie vorwerfen (40). Doch muss zugleich die eigentliche Intention und Konzeption Hegels im Auge behalten werden, die sich keinesfalls in seinen naturphilosophischen Irrtümern erschöpft, sondern vielmehr substantielle Denkanstöße gerade auch für ein Denken bereit hält, das von der intrinsischen Werthaftigkeit des Natürlichen als Manifestation des Vernünftigen und Achtungswürdigen überzeugt ist.
Als ein die Faktizität der Welt in ihrer Irrationalität und detaillierten Unableitbarkeit in besonderem Maße charakterisierendes Phänomen nennt Frank das Böse. In diesem Zusammenhang stellt er an Hegel die Frage, wie es denn möglich sei, dass das Böse existiere, wenn doch alles letztlich logisch (also nach Hegel auch gut) sei. Wir haben zwar in den eben getätigten Ausführungen bereits die Grundstruktur von Hegels Antwort skizziert, wollen diesen Punkt jedoch im Kontext des nächsten Kritikpunktes, des Vorwurfs des Pantheismus, aufgreifen.
2. Hegels Hang zum Pantheismus
Zu Frage des Pantheismus hat Hegel sich nicht zuletzt in seinen "Vorlesungen über die Philosophie der Religion" geäußert, wobei er insbesondere den Spinozismus als gemeinhin pantheistisch genanntes System unter dieser Hinsicht untersucht. Als pantheistisch werden generell verschiedene religiöse und religionsphilosophische Positionen bezeichnet, die ihren inhaltlichen Konvergenzpunkt in der Ansicht haben, dass – allgemein ausgedrückt - Gott und Welt identisch sind, also Gott der Welt nicht als absolut transzendentes Wesen dualistisch gegenüber steht. In der abendländischen Geistesgeschichte lassen sich insgesamt drei Typen pantheistischer Ansätze unterscheiden: 1. Ein Pantheismus, der von Gott ausgeht: Pantheismus bedeutet dann die Welt als Ausfluss des Göttlichen. Als der bekannteste Vertreter dieser Art des Pantheismus ist Plotin zu nennen (allerdings nicht nach jeder zulässigen Lesart; auch ein Panentheismus kann mit Plotin assoziiert werden), der mit seiner kontemplativ-spekulativen Lehre vom nicht-denkenden, überfließenden Einen ja auch von immensem Einfluss auf Franks Denken war. Diese Spielart des Pantheismus zeitigt deutliche Folgen nicht nur in der christlichen Modifikation bei Dionysius Areopagita und dessen "mystischer Theologie", sondern auch (zumindest akzidentell) in der Lehre des Eriugena von der Einteilung der Natur in vier Formen, wobei Gott am Anfang und am Ende steht (41), oder auch bei Giordano Brunos All-Einheits-Philosophie, die besagt, dass einerseits in der All-Einheit alles eingefaltet ist, und dass andererseits die existierenden Einzeldinge als Entfaltung dieser Einheit gelten. 2. Ein Pantheismus, der von der Welt ausgeht: Diese Art des Pantheismus findet man z.B. in der stoischen Lehre vom alles durchwaltenden Logos und in einer gewissen Variation bei Spinoza, für den alles Attribute der unendlichen göttlichen Substanz sind (dem Menschen nur unter den Modi von Ausdehnung und Denken zugänglich). 3. Ein Pantheismus, der schlichtweg Gott auf die Natur reduziert, d.h. mit der sichtbaren Fülle des Seienden identifiziert und keine weiteren Differenzierungen mehr konstatiert (zu finden z.B. bei manchen Naturreligionen).
Unter der Hinsicht, dass Frank selber sich gegen den Vorwurf des Pantheismus seines Kollegen Berdjajew gewehrt hat, stellt sich die Pantheismus-Debatte vor allem in der Diskussion der klassischen russischen Religionsphilosophie so dar, als ob Pantheismus eine Art "schwarzer Peter" sei, den niemand haben möchte, der aber gerne als eindrucksvoller Kritikpunkt herumgereicht und anderen Denkern zugeschrieben wird. Überhaupt ist es interessant zu sehen, wie sich die von bedeutenden russischen Philosophen und Theologen wie z.B. Berdjajew, Solowjow, Bulgakow oder eben auch Frank gegen Hegel erhobenen Kritikpunkte des Pantheismus und Panlogismus partiell in nur leicht modifizierter Form z.B. von Berdjajew auch gegen Frank (z.B. im Falle des Pantheismus – Vorwurfs) in Anschlag gebracht wurden. In diesem Umstand kann man m.E. plausiblerweise den trotz aller philosophischen Durchdringung der Gottesproblematik bestehenden Einfluss genuin theologischer Vorstellungen der göttlichen Transzendenz gegenüber der geschaffenen Welt und damit einhergehend die zumindest tendenzielle Ablehnung eines radikal gedachten Immanenzprinzips in der russischen Religionsphilosophie manifestiert sehen, obwohl andererseits das theologische Konzept der "Theosis" (der möglichen ontologischen Vergöttlichung des Menschen), welches ohne eine Art der göttlichen Immanenz im Geschaffenen (dem Menschen) nicht auskommt, ebenfalls in dieser russisch-orthodoxen Denktradition aufgenommen wird (42). Insofern ist im russischen Denken an dieser Stelle eine gewisse Dynamik oder Spannung innerhalb der Bipolarität von göttlicher Transzendenz (da strikte Negation des pantheistischen Prinzips) und göttlicher Immanenz (da Lehre von der Theosis des Menschen) festzuhalten (43). Doch nun wieder zurück zu Frank.
Seine Kritik an Hegel hinsichtlich einer grundsätzlich pantheistischen Ausrichtung muss zuerst einmal dahingehend kritisiert werden, als sie den Begriff des Pantheismus nicht mehr weiter differenziert und somit eine notwendige Unterteilung in bestimmte Unterarten unterlässt. Abgesehen von diesem Aspekt verbindet Frank seinen Pantheismus-Vorwurf mit der Folgerung, dass, wenn die Welt nur einen Moment in der Geschichte der Selbsterkenntnis Gottes als dessen Selbstverwirklichung darstellt, sie nicht wirklich als eigenständiges bzw. autonomes Wesen zu bezeichnen sei. Frank erblickt hier offenbar eine gewisse Entwertung der Welt, da sie in der Philosophie Hegels quasi in Gott untergeht bzw. nur als Mittel zum Zweck der göttlichen Selbstexplikation dient. An diesem Punkt hat Frank Hegel ganz richtig verstanden: In der Tat kann man keinesfalls von einer vom Absoluten ontologisch unabhängigen Struktur der Welt reden, da sie ja als geschaffene Natur in ihrem Auseinandersein in Form von Zeit und Raum "nur" das Andere der absoluten logischen Idee, ihr dialektisches Gegenstück ausmacht, in dem das Absolute sich zwar als absolute Reflexion in Form von selbstbewusstem Geist reflektiert, das jedoch sachzugleich nicht als von diesem Selbsterkenntnisprozess des absoluten Begriffs isoliert betrachtet werden darf, ohne seine Wert- und Sinnhaftigkeit zu verlieren. Die Welt ist bei Hegel also sozusagen dadurch geheiligt, dass sie logisch-dialektisch notwendig ist, da sie zum Wesen des Absoluten gehört und in ihrer Faktizität (nicht in ihrer konkreten Essentialität) aus ihm abzuleiten ist und nicht durch eine Eigenständigkeit im strengen Sinne. Entscheidend hierbei ist letztlich, dass Hegels absolute Idee nicht ganz in der Welt aufgeht bzw. sich nicht in ihr erschöpft, sondern diese nur eines ihrer Entwicklungsmomente (wenn auch ein unverzichtbares) ist. Im Gegensatz zu einem einfachen Pantheismus müsste man also wohl von einer Art Panentheismus sprechen, in dem die Welt zwar eine Manifestation des Göttlichen bzw. Absoluten ist, dieses Absolute jedoch zugleich in seinem Wesen über die Welt hinaus geht und auch einen ihr transzendenten Aspekt aufweist.
Franks Kritik an pantheistischen Tendenzen der Hegelschen Ontologie erschöpft sich jedoch nicht in den genannten Punkten, sondern besitzt darüber hinaus auch noch die bereits erwähnte und durchaus wichtige ethische Komponente, die nun endlich zur Sprache kommen soll: Hegel wird vor dem Hintergrund der Identität von Welt und Gott bzw. logischer Idee vorgeworfen, das Faktum des Sündenfalls als Entstehungsbedingung des Bösen im Sinne einer Abspaltung von Gott bzw. dem Guten nicht adäquat fassen zu können und durch seine Betonung der durchgängigen Idealität alles Seienden das Böse somit zu verharmlosen, da ja auch das existierende Böse als göttlich bzw. der absoluten logischen Idee teilhaftig zu denken sein müsste, was einen Widerspruch zu implizieren scheint, da Gott oder das Absolute doch gut und nicht böse sein soll bzw. traditionell als der Inbegriff des Guten verstanden wird (44). Der Kernpunkt ist hier nicht zuletzt die genauere Bestimmung des Bösen bzw. der erkenntnistheoretische Standpunkt, von dem aus man zur Konstatierung des Bösen als existierendem Phänomen in der Welt kommt. Das Böse im Sinne Hegels muss als die sich bewusst vom Absoluten absetzende und sich fälschlicherweise selbst verabsolutierende Partikularität bzw. Subjektivität oder das reine Fürsichsein verstanden werden, als die Behauptung und Beharrung des Individuellen gegenüber der vernünftigen Allgemeinheit Gottes bzw. des Absoluten: "Gott gegenüber, dieser versöhnten Einheit des Ansichseins und Fürsichseins, tritt der Unterschied auf: die Welt als das positive Bestehen und in ihr Zerstörung und Widerspruch, und da fallen die Fragen herein, die allen Religionen mit mehr oder weniger entwickeltem Bewusstsein angehören, wie das Übel mit der absoluten Einheit Gottes zu vereinigen sei und worin der Ursprung des Bösen liege. Dieses Negative erscheint zunächst als das Übel an der Welt; aber es nimmt sich auch zurück zur Identität mit sich, in welcher es das Fürsichsein des Selbstbewusstseins, der endliche Geist ist. [...]. In diesem Selbstbewusstsein und in seiner inneren Bewegung selbst tut sich die Endlichkeit hervor, und in es fällt der Widerspruch mit sich selbst. So ist in ihm die Störung; das Böse kommt in ihm zum Vorschein, und dies ist das Böse des Willens." (45)
Insofern existiert durchaus eine gewisse Entsprechung zur Frankschen Formulierung des Sündenfalls: Die sich gegen das Absolute als Inbegriff vernünftiger Allgemeinheit behauptende Subjektivität ist nur möglich aufgrund einer zuvor statthabenden Absetzung vom bzw. Ausdifferenzierung des Absoluten, was in genuin theologischer Terminologie (welche in Bezug auf das hegelsche Denken natürlich nur in gewissen, explizit zu machenden Grenzen ihre sinnvolle, d.h. im hegelschen Sinne praktikable Anwendung besitzt) letztlich nichts anderes bezeichnet als den Abfall des individuellen Menschen oder auch des gesamten Menschengeschlechts von Gott. Allerdings existiert neben dieser Übereinstimmung in der Sache auch ein bedeutender Unterschied, der das hegelsche Verständnis des Bösen bzw. des Abfalls vom Logischen deutlich und m.E. entscheidend vom Frankschen Sündenfall abhebt: Während die theologische Rede vom Abfall des Menschen von Gott diesen gemeinhin als einen letztlich unableitbaren Akt der menschlichen Willkür, des überheblichen und eher zu vermeidenden (also auch theoretisch vermeidbaren) Selbstbehauptungswillens der menschlichen Natur versteht, ist bei Hegel klar, dass das Unlogische oder Böse im Sinne von Unvernünftigkeit und Irrationalität (bzw. die das Absolute negierende Subjektivität) nicht unableitbar ist, sondern in ihrer reinen Existenz und Faktizität von der dialektischen Struktur der absoluten Idee selbst als notwendig existent gefordert wird. Mit anderen Worten: Das Böse als das Gegenteil des Absoluten ist ein logisch notwendiges Moment dieses Absoluten selbst, da das Absolute andernfalls gar nicht absolut, also nicht es selbst wäre. Damit steht aber zugleich fest, dass der Sündenfall, wenn er (wie bei Hegel) gar nicht vermeidbar, sondern vielmehr sogar vom Absoluten von seiner strukturellen Beschaffenheit aus als logisch zwingend geboten ist, streng genommen nicht vollends böse sein kann, da logische Notwendigkeit ein Merkmal des Guten ist. Im systematischen Anschluss an die privatio boni – Lehre des Augustinus sieht Hegel also das Böse nicht als eine eigene Substanz oder als ein eigenständiges Wesen, sondern als eine notwendige Verfremdung oder Perversion des an sich Guten an. Auch Frank bestreitet in seiner eigenen Philosophie die Eigenständigkeit des Bösen und fasst es als einen Mangel an Sein bzw. an Gutem auf – daher kann das Böse nicht absolut sein. Allerdings ist das Böse im antinomistischen Monodualismus Franks nicht logisch notwendig aus dem Unergründlichen zu deduzieren, sondern stellt eine gewisse Grenze der menschlichen Erkenntnis dar. Daher ist seine Kritik an Hegel nicht ganz unberechtigt, dass eine Einordnung des Bösen als notwendig dessen zumindest implizite Rechtfertigung und damit auch eine gewisse Verharmlosung bedeuten würde. Andererseits muss auch Frank zugeben, dass das Böse zur All-Einheit gehört, da es ja auch ist, also am Sein teilhat. Insofern muss man Frank zugestehen, dass die hegelsche Qualifizierung des Bösen als dialektisch aus dem Absoluten folgend nicht unmittelbar der phänomenalen Erscheinungsweise des Bösen und des Übels in der vom Menschen konkret erfahrenen Welt gerecht wird, sogar oft als in einem direkten Gegensatz dazu stehend erscheint.
Doch ist auf der anderen Seite zu beachten, dass Hegels Philosophie gute Gründe für die Vorgehensweise bereit hält, nicht von den bloßen Phänomenen, sondern vielmehr von der immer schon in Anspruch genommenen Wirk- und Geltungsmacht der Vernunft auszugehen, sodass die Erscheinungen samt ihrer Wirkung auf das Gemüt des Menschen in philosophischer Hinsicht nicht ausschlaggebend für eine ontologische Bestimmung des Bösen sein dürfen. Zudem muss man auch die weiteren Implikationen betrachten, die eine Theorie des Bösen im Sinne Hegels besitzt: Erstens ist mit der Zugehörigkeit des Bösen zum Logischen (d.h. zur absoluten Idee) und durch die damit einhergehende Negation von dessen Substantialität logisch die Möglichkeit einer existentiell-ethischen Umkehr prinzipiell zu jedem denkbaren Zeitpunkt gesichert, da das Böse oder der Böse ja niemals vollständig vom Guten abfallen können. Zweitens kann die Einsicht in die Notwendigkeit des Bösen dem Menschen das durch das Böse verursachte Leid bedeutend erleichtern, da dieses dann ja wenigstens als im Prinzip (natürlich nicht immer im Einzelfall) sinnvoll (nämlich als im Wesen der Ganzheit des Absoluten gründend) betrachtet werden kann.
Zum Schluss der Analyse dieses Kritikpunktes sei noch auf den ebenfalls nicht zu vergessenden Umstand hinzuweisen, dass ja das Böse trotz seiner an sich guten Quelle (dem Absoluten) nicht für gut befunden wird, sondern sozusagen innerhalb des Guten den Gegensatz zum Guten darstellt – ob nun notwendig oder nicht. Man kann also mit Hegel keineswegs das Böse nur deswegen für gut halten, weil es die Immanenz der logischen Idee nicht durchbricht, sondern auch von diesem Standpunkt aus gilt es, das sich dem Vernünftigen und Vereinheitlichenden Verschließende und gegen das Allumfassende egoistisch Opponierende zu überwinden. Dass dieser Weg der Überwindung des Bösen zum Absoluten bzw. Guten wesenhaft dazugehört, ist zwar eine partielle Relativierung, nicht jedoch eine einfache Verharmlosung des Bösen. Das Böse ist auch böse, wenn es in einen es bändigenden Seinszusammenhang eingebettet ist. Zumindest in diesem Punkt sind Frank und Hegel sich einig.
3. Die optimistische Vermischung von Ideal und Wirklichkeit
Der Vorwurf eines ungerechtfertigten Optimismus schließt inhaltlich direkt an die soeben besprochene Problematik an. Nach Frank unternimmt Hegel, indem er die Welt als Moment in der metaphysischen Geschichte der Selbsterkenntnis interpretiert, eine unzulässige Idealisierung vor. Letztlich fallen bei Hegel Idealität und Realität zusammen, die grundlegenden Ideen sind die höchste objektive Realität, und auch der konkrete Gang der Weltgeschichte muss nach Hegel als eine Art metaphysische Erfolgsgeschichte verstanden werden, da für ihn feststeht, dass das Absolute über die Vermittlung der Welt bzw. über ihr Anderes zu sich zurückkehrt. Wie wir gesehen haben, sieht Hegel vor allem im Staat und in seiner eigenen Philosophie diesen Prozess des Zusichkommens als vollendet an. Frank bezieht sich an diesem Punkt insbesondere auf Hegels Aussage, dass das Vernünftige wirklich und das Wirkliche vernünftig sei – eine These, die Hegel oft vorgeworfen wurde, obwohl sie dabei nicht immer zur richtigen, d.h. im Sinne Hegels vollzogenen Auslegung kam.
Gegen Hegels optimistische Geschichtsmetaphysik hat nicht zuletzt Hans Jonas anphilosophiert, obwohl auch in seinem kosmogonischen Modell die Welt als Selbstentäußerung Gottes angesehen wird: "Da erinnern wir uns der einen Lehre, die ebenfalls das Weltgeschehen mit der äußersten Selbstentfremdung des Geistes beginnen lässt (...): Hegels universale Dialektik, die, über immer wiederholte These, Antithese und Synthese notwendig, mächtig, mit unbeirrbarer List der Vernunft fortschreitend, zuletzt im Reiche der zu sich gekommenden Vernunft und Freiheit gipfelt. Der erste Schritt in diesem angeblichen Prozess, der stiftende Urakt des Weltdramas, ist genau das, wozu wir uns in unserem kosmogonischen Vermuten mehr und mehr gedrängt sehen: die extreme Selbstentäußerung des Schöpfergeistes im Anfang der Dinge. Die Fortsetzung jedoch – Hegels majestätische Entwicklung allen Werdens Schritt für dialektischen Schritt auf uns hin und durch uns hindurch zur Vollendung, überhaupt die ganze erbauliche Idee einer intelligiblen Gesetzlichkeit eines Gesamtprozesses, der von vornherein seines Erfolges versichert ist müssen wir ernüchterten Zuschauer des großen und des kleinen Welttheaters – der Natur und der Geschichte – verneinen. Zu erdrückend ist das Gegenzeugnis." (46) Dieses längere Zitat von Jonas bringt die franksche Kritik an Hegels Geschichtsoptimismus auf den Punkt: Selbst wenn man mit Hegel von der Objektivität und der universalen Geltung der absoluten logischen Idee und bestimmter logischer Kategorien ausgeht, ist es noch etwas anderes und impliziert eine viel stärkere These, diese logische Idee als auch in der Andersheit, in der zum guten Teil auch durch unableitbare Zufälle und irrationale Begebenheiten und Ereignisse geprägten Welt der Natur und Geschichte konkret wiederfinden zu wollen. Dabei hat Hegel vielleicht nicht gänzlich Unrecht damit, dass man von gewissen Prinzipien der Vernunft aus die Grundstruktur oder zumindest die Idee des Staates als das soziale Leben von freien Individuen regelnde und sichernde vernünftige Allgemeinheit deduzieren könnte, doch geht er ja noch weiter und identifiziert bestimmte Staatsformen (s. Preußen) und sogar Personen (s. Napoleon) mit höchsten Entwicklungsstadien des "Weltgeistes". Andererseits verurteilt er z.B. die indische Kultur und Religion als rein phantastisch und chaotisch, weil sie seinen wenigen, ausnahmslos rationalistischen Beurteilungskriterien nicht genügen. Insofern ist die franksche Hegelkritik an dieser Stelle m.E. durchaus berechtigt, weil sie den Finger auf eine systematische Wunde des Hegelschen Systems legt: Zwar ist einerseits zu bewundern, mit welcher Mühe und auch anhand welch reichhaltiger Kenntnisse Hegel versucht hat, die idealen dialektischen Entwicklungsstrukturen in der realen Welt wiederzufinden, doch muss man andererseits auch monieren, dass Hegel zumindest partiell (sowohl in der Natur- als auch in der Geschichtsphilosophie) der Versuchung erlegen ist, rein ideale teleologische Entitäten oder Begriffe fast schon krampfhaft (d.h. ohne zwingende Argumente) in die real existierende Welt hineinzudeuten. Zwar soll hiermit nicht ein enger Konnex von Idealität und Realität im Sinne eines objektiven Idealismus bestritten werden (auch wenn dieser noch einer detaillierteren Ausarbeitung in allen Bereichen harrt), doch sind Hegels Identifizierungen z.B. von absoluter Idee und Staat nur unzureichend begründet. Ein grundlegender Mangel etwa besteht in dem Fehlen einer Theorie, die quasi logisch bestimmte Übergangsregeln oder Manifestationsgesetzlichkeiten an die Hand gibt, welche die Realisation der logischen Ideen oder der idealen Relationen strukturiert, sodass man überhaupt in einem strengeren Sinn von einer prinzipiellen Intelligibilität des oft benutzen Begriffs der "Verwirklichung" oder "Verkörperung" des Geistes oder des Logischen sprechen kann.
4. Die Verkennung der Unableitbarkeit und Individualität der Person
Abgesehen von den bereits genannten Problemen der Hegelschen Philosophie einer absoluten, die Wirklichkeit in ihrer Entwicklung grundlegend bestimmenden Vernunft, wird von Frank als viertes großes Diskussionsthema die unzulässige Unterordnung des Prinzips der individuellen Person unter das logische (und damit bei Hegel zugleich ontologisch!) Absolute, das vernünftige Allgemeine angesprochen. Nach Frank ist Hegels auf idealen Vernunftbegriffen basierende Philosophie prinzipiell nicht in der Lage, das Wesen des Einzelmenschen als unwiederhol- und nicht-verallgemeinerbare und zudem historische Entität begreifen und dementsprechend würdigen zu können, da der vernünftig-logische Begriff eben a priori immer nur das Allgemeine und Kommunizierbare der Wirklichkeit benennen und transportieren kann. Evident ist hier das Bestehen einer Voraussetzung, die Frank nicht zuletzt auf der Grundlage seines christlichen Glaubens macht, nämlich derjenigen der Dignität der einzelnen menschlichen Person. Allerdings unterscheidet er sich generell in seinen christlichen Grundlagen keinesfalls von Hegel, der ebenfalls schon von früher Jugend an eine christlich geprägte Geisteshaltung besaß. Zuzugeben ist jedoch, dass Hegel sich mit fortschreitender Ausarbeitung seines Systems von theologischen Begriffen entfernte und verstärkt eine totale Logifizierung der christlichen Vorstellungen anstrebte (47).
Um zum Punkt der Individualität bei Hegel zu kommen: Grundlegend ist Frank wohl zuzustimmen, wenn er moniert, dass Hegel die einzelne, faktisch und empirisch existierende Person nicht durch den logischen Begriff allein erfassen oder in ihrer Substanz ergründen kann, da das Begriffliche (vor allem im Hegelschen Sinne) gerade auf das vernünftige Allgemeine, also eigentlich auf das Über-Individuelle abzielt. Doch ist zugleich gegen Frank auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass das Denken überhaupt (egal ob logisch oder nicht) so strukturiert ist, das Explizierbare, also das prinzipiell Mitteilbare zu behandeln. Dies zeigt sich schon an demjenigen Begriff, um den es Frank hier geht: Auch der Begriff des Individuellen ist ein allgemeiner Begriff – nicht nur ich, sondern alle Menschen (und bei Annahme von bestimmten Prämissen auch Tiere und Pflanzen) sind unwiederholbar und individuell. "Das Individuelle" fasst also auch eine potentiell unbegrenzte Menge von Entitäten unter sich, es ist ein allgemeines Prädikat, das nicht nur einem einzigen Wesen zugeschrieben wird. Insofern könnte man vielleicht sagen, dass das, was man eigentlich mit "individuell" meint, nicht ohne weiteres auszudrücken ist, ohne wieder Begriffe oder Ausdrücke benutzen zu müssen, die eben nicht nur auf einen Menschen etc. zutreffend gebraucht werden können.
Abgesehen jedoch von dieser grundlegenden Einschränkung, die jeden Denker ohne Ausnahme betrifft, ist Frank zuzustimmen, wenn er die Tatsache hervorhebt, dass die empirisch existierende Person bei Hegel nicht der Mittelpunkt des Weltgeschehens, sondern vielmehr ein Funktionär des Absoluten, ein Medium für die ihn transzendierenden Mächte des absoluten Geistes bzw. für den in der Welt wirkenden Weltgeist darstellt. Keji Nishitani fasst diesen Punkt auf folgende Weise zusammen: "Hegel’s notion is well known: when a great personality fixes on a particular goal and pursues it with passion, the will of the World Spirit is at work within that passion. This will – the creative dynamism of world history – constitutes the basic stuff (das Substantielle) of the particular goal that is being pursued. When one devotes one’s entire life to the pursuit of a particular goal, what happens is that the World Reason has taken over one’s passions for its own aims, sacrificing the individual in order to actualize itself. As soon as the aim in question is satisfied, the individual falls to the ground like an empty shell left behind by a ripened seed." (48) Trotzdem muss diesbezüglich festgehalten werden, dass Hegel versucht, diese Sicht des Individuums innerhalb seines aufwändigen und komplexen Systems zu begründen und nicht einfach dogmatisch zu behaupten. Zudem ist es auch immer von nicht zu unterschätzender Relevanz, als was sich das jeweilige Individuum selbst sieht, d.h. womit es sich selbst identifiziert: Das Absolute erscheint nicht nur, aber doch wohl primär demjenigen als eine äußere, vielleicht sogar bedrohliche Macht, der sich ihm bewusstseinsmäßig versperrt – in vielen, auf bestimmten Einheits- oder Identitätserfahrungen des Menschlichen und Göttlichen beruhenden Strömungen der Mystik ist es ja eher eine Ehre und der Höhepunkt der individuellen Entwicklung, über seine Vereinzelung und Begrenzung hinausgehoben zu werden. Andererseits gibt es genug Stellen vor allem in der Hegelschen Geschichtsphilosophie, die recht herzlos und lakonisch über den Niedergang von bestimmten Kulturen (und damit auch von Individuen) urteilen, sodass man sich schon ernsthaft fragen sollte, ob dem objektiven Idealismus Hegels nicht doch die Einsichten des genuin personalistischen Denkens zumindest partiell (z.B. in phänomenologischer Hinsicht) zu einer gewissen Vervollständigung gereichen würden.
Als nicht überzeugend muss jedoch die Erwähnung der Unableitbarkeit der Person als Kritik an Hegel gewertet werden, da er – wie schon vorher in diesem Aufsatz erwähnt – niemals eine solche logische Ableitbarkeit behauptet hat. Allenfalls das Prinzip der Person als empirisch existierende Geistigkeit könnte als logisch notwendig aus dem Begriff des dialektischen Absoluten gewonnen werden, nicht jedoch der einzelne Mensch.
5. Die Identifikation von Absolutem und Subjekt
Schon in den Philosophien von Kant und Fichte spielte der Begriff des Subjekts eine konstitutive Rolle – bei Kant sind bestimmte, im menschlichen Subjekt vorfindliche Kategorien des Verstandes für das Zustandekommen von Erfahrung verantwortlich, in der Philosophie Fichtes stellt das Ich den archimedischen Punkt des philosophischen Denkens dar, von dem aus alles weitere zu deduzieren ist. Mit "Subjekt" ist im Deutschen Idealismus, ganz generell ausgedrückt, das denkende Sich-selbst-Erfassen bzw. Sich-selbst-Denken gemeint (49). Im Falle Hegels, der ja (wie schon erwähnt wurde) für eine Absolutheit des Logischen bzw. des logischen Denkens in einem objektiven Sinne argumentierte, ist aus seinen ursprünglichen philosophischen Prinzipien heraus klar, dass Gott letztlich mit dem aristotelischen "Nous", dem sich selbst denkenden Denken zusammenfallen muss. Dagegen wendet Frank ein, dass das Absolute das Unergründliche ist, welches näher als unendliches, transrationales und kreatives Urleben bestimmt werden muss. Franks konkreter Einwand gegen Hegel besteht in der einseitigen Verabsolutierung des Rationalen unter Ausschluss des Irrationalen, während in seiner Philosophie das Unergründliche als überlogische Synthese aus Rationalem und Transrationalem gedacht wird. Ganz richtig macht Frank auf die philosophiegeschichtliche Einordnung Hegels als eines letztlich dem parmenideischen Grundsatz der Identität von Denken und Sein verpflichteten Denkers aufmerksam. Dies ist insofern wichtig, als Frank selber u.a. im systematischen Anschluss an den Neuplatonismus betont, dass der unergründliche Urgrund über das Sein und somit auch über das Denken hinausgeht: "Der Urgrund ist mehr als Sein, er ist die Urrealität, der gegenüber alles Sein schon etwas Abgeleitetes, zu Begründendes und zu Verwirklichendes ist" (50). Zwar ist auch bei Frank das Subjekt eine Manifestationsweise des Unergründlichen, doch wird dadurch nach ihm noch keine erschöpfende Annäherung an das letzte Geheimnis aller Realität geleistet. Die grundsätzliche Differenz zwischen Franks und Hegels Bestimmung des Absoluten kann also im Kern in der Diskussion zwischen einer wesenhaft positiven (Hegel) und einer der negativen Theologie entsprechenden Bestimmung bzw. Nicht-Bestimmung (Frank) gefunden werden.
Die hier angesprochene Problematik kann in dem für diesen kurzen Aufsatz gesteckten Rahmen zwar nicht adäquat behandelt werden, doch soll zum Schluss ein Hinweis auf zwei Punkte erfolgen: Hegels Konzept der Bestimmung des Absoluten als absolute Vernunft, als das universale bzw. göttliche Selbstdenken kann einige gute transzendentallogische Gründe anführen, es ist begründungstheoretisch recht aufwändig und durchdacht. Trotzdem ist es in der Hegel-Forschung noch keineswegs endgültig geklärt, inwieweit die hegelsche Dialektik wirklich so rational ist, wie Hegel selber annahm. Oft wird Hegel ja sogar der reinste Irrationalismus vorgeworfen, da seine Begründingsschritte nicht selten die Standards der heute gültigen formalen Logik (bzw. bestimmter Formalkalküle) zu verletzen scheinen. Zumindest reichen die von Hegel selbst im Methodenkapitel der "Wissenschaft der Logik" dargelegten Analysen seiner dialektischen Vorgehensweise nicht aus, um sie ausreichend begründen zu können. Andererseits hat Frank nicht das Problem, eine solch starke These von der Absolutheit der Vernunft (wohlgemerkt nicht der endlich-menschlichen) verteidigen zu müssen. Er muss jedoch mit den Schwierigkeiten kämpfen, die der negativen Theologie inhärieren. So ist zwar über bestimmte Erfahrungen sowie über spekulatives Denken, das die radikale Transzendenz Gottes betont, eine gewisse Untermauerung von Franks Ansatz möglich, doch bleibt fraglich, inwiefern damit das Grundproblem jeder negativen Theologie, nämlich das philosophisch oder theologisch verbindliche und als sinnvoll zu bezeichnende Reden über etwas, das gerade nicht dem menschlichen oder überhaupt irgendeinem Zugriff offenstehen soll, aus dem Weg geräumt ist.
Dabei ist die genuin religionsphilosophische Problematik weitaus größer als die genuin theologische, da man im Falle einer auf bestimmten Bibelstellen aufbauenden Theologie nicht die Frage nach der Erkennbarkeit im Mittelpunkt sehen muss – der Mensch braucht ja nur die jeweilige göttliche Offenbarung aufnehmen zu können, nicht jedoch den Inhalt dieser Offenbarung rational zu durchleuchten (auch wenn dies nicht zum Nachteil der Verbindlichkeit dieses Inhalts gereichen sollte). Frank als Religionsphilosoph steht dagegen immer in der Spannung zwischen einem möglichst umfangreichen Logifizieren seiner Aussagen mittels logischer Argumente einerseits und der durch seine mystische Intuition begründeten und einige transzendentallogische Einsichten untermauerten Religiosität andererseits. Beide Denker haben somit trotz ihrer beachtlichen philosophischen Leitungen immer noch ungelöste Probleme hinterlassen, was die sowohl einer tiefsinnigen Religiosität als auch einem scharfsinnigen logischen Denken adäquaten Fassung des Absoluten betrifft.
(3.) Zusammenfassung
Wir haben in der freilich nur sporadisch durchgeführten Erläuterung und Prüfung der Frankschen Kritik an Hegels Philosophie gesehen, dass diese teilweise in der Tat virulente Probleme des Hegelschen Idealismus anspricht, teilweise jedoch auch über ihr Ziel hinausschießt, wenn sie Hegel Thesen in den Mund legt, die in dieser Form gar nicht von Hegel vertreten worden sind. So ist z.B. durchaus zutreffend, dass Hegels Geschichtsphilosophie streckenweise von einer Verkennung (wenn nicht sogar Verachtung) des Individuums geprägt ist; auf der anderen Seite ist es falsch, Hegel zu unterstellen, er hätte für sich in Anspruch genommen, die Empirie im Detail aus der absoluten Idee samt ihrer komplexen Binnendifferenzierung ableiten zu können. Die systematische Schwierigkeit, deren philosophische Behandlung Hegel von Frank trotz einiger Gemeinsamkeiten trennt, besteht in der Frage nach der definitiven Reichweite und damit der ontologischen Relevanz des Denkens bzw. des (transzendental-) logischen Denkens. Während bei Hegel das Gesamt der Wirklichkeit durch Ontologie erfasst werden kann, sieht Frank noch eine über das Sein hinausgehende Sphäre, in der letztlich alles gründet, die selbst jedoch nicht mehr begründbar ist. Auch wenn beide Positionen, oberflächlich betrachtet, entgegengesetzt zu sein scheinen, ist damit nicht gesagt, dass es keine Art von Religionsphilosophie geben könnte, welche die jeweiligen Einseitigkeiten oder erkenntnistheoretischen Probleme zu vermeiden und die Stärken von Frank und Hegel auf gewisse Art und Weise zu bewahren in der Lage wäre. Die Ausarbeitung eines solchen Konzeptes bleibt eine wichtige Aufgabe für künftige menschliche Anstrengungen, die versuchen, göttliche Absolutheit und menschliche Relativität sowohl auf phänomenologischer als auch auf logischer Grundlage in ein angemessenes Verhältnis zu bringen und eine dementsprechende Sicht der Welt zu explizieren. Die klassische russische Religionsphilosophie hat dies mit dem Deutschen Idealismus gemeinsam, einen solchen Versuch in vielfältigen Erscheinungsformen vorgelegt zu haben, der einer weiteren Ausarbeitung – dem erschreckend niedrigen Niveau der heutigen Philosophie und dem an den Universitäten herrschenden common sense zum Trotz – in jeder Hinsicht würdig ist.
Anmerkungen
(1) S.: S.Frank – Die Philosophie Hegels (Zum 100. Todestag Hegels), in: Put' Nr. 34 (1932), S. 45-52, S. 45.
(2) Die generelle Kritik Franks am ontologischen Idealismus besteht in dem Verweis auf dessen Unfähigkeit, das zeitliche Sein adäquat, d.h. als Vergängliches erfassen zu können; vgl.: S.Frank – Der Gegenstand des Wissens, Freiburg/München 2000, S. 413.
(3) S.: Ders. - a.a.O.
(1932), S. 48.
(4) S.: A.a.O., S. 47 f.
(5) S.: A.a.O., S. 49.
(6) S.: A.a.O., S. 49.
(7) Vgl. z.B.: G.W.F.Hegel – Wissenschaft der Logik Bd. 2, 2.- 4. A. Frankfurt 1996, S. 549. Hegels philosophischer Anspruch wurde besonders von seinem früheren Freund Schelling argwöhnisch betrachtet; vgl.: F.W.J.Schelling – Zur Geschichte der neueren Philosophie, Darmstadt 1975, S. 112 f.
(8) Wandschneider macht zu Recht auf die der formalen Logik als implizite Prämisse inhärierende Gültigkeitsbehauptung der Abstraktion von inhaltlichen Komponenten der jeweiligen logischen Entität aufmerksam, welche nicht nur sich selbst hinterfragt, sondern darüber hinaus nicht jeden Inhalt ausschließen kann; vgl.: D.Wandschneider – Grundzüge einer Theorie der Dialektik, Stuttgart 1995, S. 22 f. Dieser Aspekt ist insofern von einer gewissen logischen Bedeutsamkeit, als die formale Logik ihre Identität aus dem reinen Formalismus gewinnt, aber gerade dadurch nie ihre unbewiesene Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des für sie identitätsstiftenden Vorgangs der Abstraktion von Inhaltlichem argumentativ einholen kann. Einen strukturanalogen Punkt spricht Kulenkampff an, wenn er bezüglich der tarskischen Wahrheitstheorie feststellt, dass der Unterschied von Meta- und Objektsprache notwendig unbestimmt bleibt, da das implizit vorausgesetzte Sprachganze innerhalb dieser Distinktion prinzipiell nicht darstellbar ist; vgl.: A.Kulenkampff – Antinomie und Dialektik, Stuttgart 1970, S. 49 ff. Es ist nicht unplausibel, in dieser Tatsache den Grund für das Auftreten einer "schlechten Unendlichkeit" (s. Hegel) von Tarski-Hierarchien zu sehen: Zwar ist es ein nachvollziehbares, sowohl philosophisches als auch metamathematisches Anliegen, die Relation von formaler Objektsprache und informeller Metasprache zu explizieren und zu diesem Zweck die Metasprache oder zumindest Teile davon zu formalisieren. Allerdings findet die Formalisierung der Metasprache wieder in einer informellen Meta-Metasprache statt, die ihrerseits formalisierbar ist, sodass man analog zum überabzählbaren Kontinuum Cantors auf der höchsten vorgestellten Stufe alle vorhergehenden Sprachen zu einer Sprache zusammenfassen kann und nur ein Wahrheitsprädikat hinzufügen muss, um eine Super-Metasprache für sämtliche Stufen der Hierarchie bilden und die Hierarchie auf diese Weise ins Transfinite fortsetzen zu können; vgl.: V.Halbach – Axiomatische Wahrheitstheorien, Berlin 1996, S.101.
(9) S.: G.W.F.Hegel – Wissenschaft der Logik Bd. 1, 4. A. Frankfurt 1996, S. 44.
(10) S.: A.a.O., S. 57; vgl. dazu: D.Henrich – Hegels Logik der Reflexion, in: Ders. – Hegel im Kontext, Frankfurt 1967, S. 95-156, S. 98.
(11) Der Begriff der Dialektik ist ursprünglich eng mit dem Begriff des Logos verbunden gewesen; Dialektik hieß die Unterredungskunst, die besonders wichtig für den philosophischen Disput war; vgl.: J.M.Bocheński – Formale Logik, München 1996, S. 37. Bei Sokrates und Platon wurde durch sie mit Rede und Widerspruch versucht, das Wesen der Dinge zu erhellen, um auf diese Weise ihren Ort im Logos eindeutig definieren zu können. Nach Aristoteles war Zenon von Elea der erste Dialektiker, was aufgrund seiner bekannten Antinomien eine gewisse Plausibilität für sich in Anspruch nehmen kann; vgl.: A.a.O., S. 35; vgl. ebenso: P.Stekeler-Weithofer – Grundprobleme der Logik, Berlin/New York 1986, S. 32 ff.
(12) Vgl.: G.W.F.Hegel – Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie (1801), in: Ders. – Jenaer Schriften 1801-1807, 3. A. Frankfurt 1996, S. 9-138, S. 96.
(13) Die Selbstbewegung des Begriffs ist einer der meistkritisierten Aspekte des Hegelschen Systems. So sieht z.B. Rohs keinerlei Begründung dieser Bewegung innerhalb der reinen Logik; er wirft Hegel vor, dass die Bewegung des Begriffs von außen induziert werden müsse und die Dialektik deswegen auf die Anschauung angewiesen sei; vgl.: P.Rohs – Der Grund der Bewegung des Begriffs, in: D.Henrich (Hrsg.) – Die Wissenschaft der Logik und die Logik der Reflexion (Hegel Studien Beiheft 18), Bonn 1978, S. 43-62, S. 55 ff. und 61. Rohs scheint der Anschauung einen außerlogischen Charakter zu unterstellen, ohne zu beweisen, dass es etwas Außerlogisches überhaupt geben kann – allein der Begriff des Außerlogischen ist logisch bzw. sinnvoll und verstehbar, und Hegels Anschauung ist zumindest in seinen späteren systematischen Werken eine eher denkende oder vernünftige Anschauung, da die übliche streng dichotomische Sichtweise dieser Relation bei Hegel keinen Bestand mehr hat. Auch Röttges sieht im Logischen als Kategorialem keine ausreichende Basis für begriffliche Selbstbewegung und bezeichnet den selbstbewegenden Begriff als das zentrale Methodenproblem Hegels; vgl.: H.Röttges – Der Begriff der Methode in der Philosophie Hegels, Meisenheim 1967, S. 92 und 241-244. Ebenso Maluschke in: G.Maluschke – Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik, Bonn 1974, S. 163 ff.; vgl. auch: E.Tugendhat – Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, 2. A. Frankfurt 1981, S. 307; vgl. darüber hinaus: R.Bubner – Zur Sache der Dialektik, Stuttgart 1980, S. 57 ff; als auch: W.Marx – Hegels Theorie logischer Vermittlung, Stuttgart/Bad Cannstatt 1972, S. 50. J. v. Stenglin vertritt die sprachanalytische These, dass in Hegels Logik keine Selbstbewegung des Begriffs, sondern eine Explikation der semantischen Struktur metaphysischer Prädikate stattfinde; vgl.: J. v. Stenglin – Denken der Wirklichkeit, Würzburg 1990, S. 40 ff.
(14) Vgl.: D.Wandschneider – a.a.O. (1995), S. 13 f.; vgl. auch : Ders. – Raum, Zeit, Relativität, Frankfurt 1982, S. 14 f.; vgl. ebenso: V.Hösle – Hegels System, Hamburg 1998, S. 207 f. Dieser ontologische Anspruch wird jedoch meist zurückgewiesen ; vgl.: H.F.Fulda – Unzulängliche Bemerkungen zur Dialektik, in: R.-P.Horstmann (Hrsg.) – Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels, 2. A. Frankfurt 1989, S. 33-69, S. 41 und 61; vgl. auch: P.Stekeler-Weithofer – Verstand und Vernunft. Zu den Grundbegriffen der Hegelschen Logik, in: C.Demmerling/F.Kambartel (Hrsg.) – Vernunftkritik nach Hegel, Frankfurt 1992, S. 139-197, S. 186; sowie: Ders. – Hegels analytische Philosophie, Paderborn 1992, S. 428; vgl. zur historisch-systematischen Inadäquatheit einer gänzlich unmetaphysischen Hegel-Interpretation: W.Beierwaltes – Differenz, Negation, Identität, in: Ders. – Identität und Differenz, Frankfurt 1980, S. 241-268, bes. 243 Anm. 4; vgl. ebenso: M.Theunissen – Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat, Berlin 1970, S. IX ff.
(15) Vgl. auch: V.Hösle – a.a.O. (1987), S: 242 ff. Hösle betont weiterhin
die Bedeutung synthetischer Sätze a priori: "Als entscheidendes Charakteristikum des objektiven Idealismus gegenüber
Realismus und subjektivem Idealismus ergibt sich (...) die Anerkennung einer
eigenen Sphäre gegenüber natürlichem Sein und Bewusstsein, die nicht auf diese
beiden Seinsbereiche zurückführbar ist – eben der apriorischen Wahrheiten in
einer absoluten Vernunft." S.: A.a.O., S. 243.
(16) S.: C.L.Michelet/G.H.Haring – Historisch-kritische Darstellung der dialektischen Methode Hegels, Hildesheim 1980, S. 125.
(17) Vgl.: A.Sarlemjin – Hegelsche Dialektik, Berlin/New York 1971, S. 4.
(18) Vgl.: G.Frege – Funktion, Begriff, Bedeutung, Göttingen 1962, S. 73.
(19) S.: G.W.F.Hegel – Phänomenologie des Geistes, Frankfurt 1973, S. 585.
(20) Vgl.: G.W.F.Hegel – a.a.O. Bd. 2, S. 568; sowie: P.Rohs – a.a.O., S. 4;
ebenso: W.Salomon – Urteil und Selbstverhältnis, Frankfurt 1982, S. 114.
(21) Vgl.: R.Kroner – Von Kant bis Hegel Bd. 2, Tübingen 1977, S. 270 f. Freilich ist Hegel oft anders (z.B. marxistisch) interpretiert worden.
(22) S.: G.W.F.Hegel – a.a.O. Bd. 1 (1996), S. 43. Interessanterweise hat schon der Cusaner das für den Verstand Unbegreifliche "Begriff" genannt; vgl.: R.Kroner – a.a.O., S. 270 Anm. 1.
(23) Wandschneider, der dieses Projekt einer fundamentallogischen Grundlegung der Philosophie am engagiertesten zu verfolgen scheint, nennt z.B. Identität und Differenz; vgl.: D.Wandschneider – a.a.O. (1995), S. 16.
(24) Vgl.: V.Hösle – a.a.O. (1998), S. 184 ff.
(25) S.: D.Wandschneider – a.a.O. (1995), S. 18.
(26) Hier wird ein Problem vor allem von irreflexiven Pluralisten virulent: je umfangreicher der Pluralismus, desto größer ist die Notwendigkeit für eindeutige Ordnungsstrukturen dieser Mannigfaltigkeit – eine rationale Einsicht, die man bei zahlreichen Vertretern der sogenannten "Postmoderne" vergeblich sucht.
(27) Dieser Ausdruck ist in die aktuellen Diskussion von Werner Flach eingebracht worden; vgl.: D.Wandschneider – a.a.O. (1995), S. 19 Anm. 9. Der Begriff der Letztbegründung ist der logisch-begründungstheoretische Ausdruck für die metaphysische Frage nach dem Absoluten; vgl.: V.Hösle – Moralische Reflexion und Institutionenzerfall. Zur Dialektik von Aufklärung und Gegenaufklärung, in: Ders. – Praktische Philosophie in der modernen Welt, 2. erw. A. München 1995, S. 46-58, S. 58. Recht seltsam ist daher die Kritik von Kreß an Kesselrings Aussage von einer Reduzibilität des Absoluten auf das Denken; vgl.: A.Kreß – Reflexion als Erfahrung, Würzburg 1996, S. 26 Anm. 2. Der überzeugte Aristoteliker (und Platoniker) Hegel ist wie sein griechisches Vorbild vom Absoluten als dem Denken des Denkens ausgegangen, sodass eine Selbsterkenntnis des Denkens dasselbe ist wie die Selbsterkenntnis des Absoluten; vgl. zur Aussage Kesselrings: T.Kesselring – Produktivität der Antinomie, Frankfurt 1984, S. 72; vgl. zum Denken des Denkens als dem grundlegenden Prinzip aller idealistischen Philosophie: V.Hösle – Hegels "Naturphilosophie" und Platons "Timaios" – ein Strukturvergleich, in: Ders. – Philosophiegeschichte und objektiver Idealismus, München 1996, S. 37-74, S. 40 ff.
(28) Da Selbst- und Letztbegründung einen transzendentallogischen Konnex miteinander aufweisen, kann ein letztbegründetes Prinzip nicht ohne Selbstwiderspruch bestritten werden; vgl.: D.Wandschneider – Letztbegründung und Logik, in: H.-D.Klein (Hrsg.) – Letztbegründung als System ?, Bonn 1994, S. 84-103, S. 85.
(29) Vgl. dazu Wandschneiders dezidierte Ausführung dieses Gedankens: "Entscheidend ist, dass auch noch die Form der Selbstbegründung eine Begründung ist, insofern sie eben nicht auf willkürlichen Annahmen beruht, sondern logisch zwingenden Charakter besitzt. Zirkelschluss und Selbstbegründung sind nicht dasselbe." S.: D.Wandschneider – a.a.O. (1995), S. 19. Wichtig und zugleich vielleicht problematisch ist dabei die Differenz, die diese Form der Selbstvoraussetzung im Gegensatz zur normalen Form der Voraussetzung auszeichnet; vgl. dazu die Aussage Konrad Cramers in Bezug auf Spinozas "causa sui"-Konzept: "Eine Wirkung ist nicht identisch mit ihrer Ursache. Und was Ursache seiner selbst ist, setzt sich nicht auf die Weise voraus, wie eine Wirkung ihre Ursache voraussetzt." S.: K.Cramer – Gedanken über Spinozas Lehre der All-Einheit, in: D.Henrich (Hrsg.) – All-Einheit, Stuttgart 1985, S. 151-179, S. 177.
(30) Evident ist hier die manifeste Problematik einer räumlich-gegenständlichen Sprechweise bezüglich der Extension (!) der Geltung der Logik.
(31) S.: D.Wandschneider, a.a.O. (1995), S. 17; vgl. auch: Ders., a.a.O. (1994), S. 85. Die begründungstheoretische Struktur der Selbst-Voraussetzung hat die Logik vielleicht nicht von ungefähr mit dem sich selbst setzenden Ich als Selbstbewusstsein gemeinsam (daher auch Hegels Konzept von der Logik als der Selbstexplikation des Begriffs).
(33) Ein Verweis auf die zahllosen Sinnlosigkeiten bzw. Absurditäten des Weltgeschehens auf alltäglich-empirischer Ebene und auf prälogische Intuitionen auf philosophisch-phänomenologischer Ebene wird in diesem Argumentationskontext nicht nur regelmäßig praktiziert, sondern kann sich einer baldigen, wenn nicht sofortigen Überzeugungskraft sicher sein. Psychologisch kann man dahinter neben einer gewissen rationalen Evidenz ein nachvollziehbares Bedürfnis nach etwas Geheimnisvollem und Unerklärlichem vermuten, das sich dem menschlichen Denken entzieht. Doch muss man die dieser Einstellung implizite Voraussetzung einer dichotomisch-exklusivistischen Relation von absolutem Rationalismus und Mystik freilegen und deren unbewiesenen Charakter herausstreichen. Auch wenn ein Postulat eines Koinzidenzpunktes beider Erkenntnisweisen ebenso wenig redlich ist, verbietet sich ein dogmatischer oder ignoranter Ausschluss dieser Möglichkeit vor einer adäquaten (also sowohl phänomenologisch wie auch logisch bzw. transzendentallogisch geführten) Analyse dieser schwierigen Thematik. Dass sich Mystik und tiefgehende Spiritualität auf der einen Seite und logisches Denken in klar definierten Begriffen auf der anderen Seite gegenseitig nicht ausschließen, haben immer wieder große Gestalten der Philosophiegeschichte wie z.B. Plotin, Nikolaus von Kues und Wladimir Solowjow auf eindrucksvolle Art und Weise demonstriert. Im Falle des genialen Kurt Gödel findet sich sogar eine exotische Liaison von tiefer Religiosität und bahnbrechender mathematischer Begabung (so auch bei Pavel Florenskij).
(34) Vgl.: D.Wandschneider – a.a.O. (1995), S. 20. Wandschneider betont darüber hinaus die Tatsache, dass auch eine willkürliche Dezision gegen die Logik als eine Folge irgendwie gearteter Denkprozesse angesehen werden muss und deshalb ebenfalls nicht außerhalb der Logik stehen kann (a.a.O., S. 19); vgl. dazu die radikale Aussage Hösles: "Irrationales ist in diesem Sinne nichts als die Verabsolutierung einer defizienten rationalen Struktur." S.: V.Hösle – a.a.O. (1987), S.232. In diesem Licht erscheinen die Argumentationen, die Hegel und dem absoluten Idealismus extralogische Erkenntnisquellen als notwendige Begriffsbewegungsmotoren unterschieben wollen, als den Hegelschen Begriff des Logischen verstandesmäßig einschränkend und daher unzutreffend, wobei damit noch nicht über die letztlich relevante Leistung Hegels entschieden ist; so z.B.: G.Maluschke – a.a.O., S. 163; sowie: H.F.Fulda – Beansprucht die Hegelsche Logik, die Universalmethode aller Wissenschaften zu sein?, in: P. Koslowski (Hrsg.) – Die Folgen des Hegelianismus, München 1998, S. 13-27, S. 23 ff.
(35) S.: G.W.F.Hegel – a.a.O. Bd. 2 (1996), S. 573.
(36) So spielt Hegel z.B. in seiner Religionsphilosophie Staat und Philosophie gegen die Religion aus; vgl. dazu die kritischen Bemerkungen Hösles in: V.Hösle – a.a.O. (1998), S. 440.
(37) S.: G.W.F.Hegel – a.a.O. Bd. 2 (1996), S. 570; vgl. dazu ebenfalls: B.Falkenburg – Die Form der Materie, Frankfurt 1987, S. 132 ff.
(38) S.: D.Wandschneider/ V.Hösle – Die Entäußerung der Idee zur Natur und ihre zeitliche Entfaltung als Geist bei Hegel, in: F.Nicolin/ O.Pöggeler (Hsrg.) – Hegel- Studien Bd. 18, S. 173-199, S. 176.
(39) S.: D.Wandschneider – Die Stellung der Natur im Gesamtentwurf der Hegelschen Philosophie, in: M.J.Petry (Hrsg.) – Hegel und die Naturwissenschaften, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, S. 33-64, S. 42 f.
(40) Vgl. dazu die Ausführungen Wandschneiders: "Sicher hat Hegel nicht immer der Versuchung widerstanden, noch unzureichend erforschtes empirisches Material systematisch zu vereinnahmen und vorschnell als aus ‚dem Begriff’ deduzierbar zu erklären. Doch ist dies für Hegel keineswegs die Regel." S.: A.a.O., S. 37.
(41) Beierwaltes äußert sich eher kritisch zur Anwendung des Pantheismus-Begriffs auf die Philosophie Eriugenas, doch scheint auch er zumindest eine pantheistische Lesart Eriugenas nicht als ganz unsinnig oder vollkommen unbegründet ausschließen zu wollen; vgl.: W.Beierwaltes – Eriugena (Grundzüge seines Denkens), Frankfurt 1994, S. 103 ff.
(42) Vgl. zum Gedanken der Theosis in der russisch-orthodoxen Theologie und bei Maximus Confessor: Priestermönch Irineos – Die Vergottung des Menschen (Theosis), in: Theosis (Die Vergottung des Menschen), Frankfurt 1988; S. 124-128; sowie: K.Savvidis – Die Lehre von der Vergöttlichung des Menschen bei Maximos dem Bekenner und ihre Rezeption durch Gregor Palamas St. Ottilien 1997, bes. S. 124 ff.
(43) Eine gewisse Bestätigung dieser Vermutung kann man in den (natürlich nur als bedingt stellvertretend anzusehenden) Ausführungen Berdjajews erblicken, dass er eigentlich ein (mystischer) Monist sei und daher auch gewisse Sympathien für eine radikale Einheitssicht pflege, doch praktisch einen grundlegenden Dualismus von Gott und Welt nicht aufgeben könne, da der Weg zur Einheit über die Zerrissenheit und Dualität führt: "Ich weiß, dass man mir einen grundlegenden Widerspruch vorwerfen kann, der mein ganzes Weltempfinden und mein ganzes Weltbewußtsein spaltet. Man wird mir widerspruchsvolle Zusammenfassung von extrem religiösem Dualismus mit extrem religiösem Monismus zum Vorwurf machen. Ich nehme diese Angriffe vorweg. [...]. Das religiöse Bewusstsein ist seinem Wesen nach antinomisch. Im Bewusstsein gibt es seinem Wesen nach keinen Ausweg aus der ewigen Antinomie von Transzendentem und Immanentem, von Dualismus und Monismus. [...]. Indem ich [...] ‚Monist’ und ‚Immanentist’ in der letzten Tiefe der mystischen Erfahrung bin, an die Göttlichkeit der Welt, an die innere Göttlichkeit des Weltenprozesses, an das Himmlische alles Irdischen, an das Göttliche des menschlichen Antlitzes glaube, behaupte ich auf dem Weg dahin - Splitterung, Dualismus der Freiheit und Notwendigkeit, Gottes, des göttlichen Lebens und der ‚Welt’, der Weltgegebenheit, des Guten und Bösen, des Transzendenten und des Immanenten: Ein derartiger radikaler, unversöhnlicher Dualismus führt zum äußersten Monismus des göttlichen Lebens, zur Göttlichkeit des Menschen hin." S.: N.Berdjajew – Der Sinn des Schaffens, Tübingen 1927, S. 6 ff.
(44) Die Verharmlosung des Bösen ist auch einer der Kritikpunkte, die Berdjajew dauerhaft gegen Frank erhoben hat.
(45) S.: G.W.F.Hegel – Vorlesungen über die Philosophie der Religion I, Frankfurt 1969, S. 76 f.
(46) S.: H.Jonas – Materie, Geist und Schöpfung, in: Ders. – Gedanken über Gott, Frankfurt 1994, S. 51-104, S. 89.
(47) In gewisser Weise kann man sogar von der geltungstheoretischen Überflüssigkeit der Religion bei Hegel sprechen; vgl.: S.Grätzel/ A.Kreiner – Religionsphilosophie, Stuttgart/ Weimer 1999, S. 66.
(48) S.: K.Nishitani – Nishida Kitaro, Berkeley, Los Angeles u. Oxford 1991, S. 192.
(49) Der Terminus "Subjekt" ist ursprünglich vom griechischen "hypokeimenon" abgeleitet, was soviel heißt wie "das Zugrundeliegende".
(50) S.: S.Frank – Das Unergründliche, Freiburg 1995, S. 337.