Die
Oberkirche
Engel
und Heilige
Arnold Janßen gründete am 8. September 1875 in Steijl
ein Missionshaus. Er war Priester des Bistums Münster, konnte aber in Deutschland
aufgrund des Kulturkampfes nicht seine Ideen in die Tat umsetzen. Bei dem
Gebäude in Steyl, das ihm angeboten wurde, handelte es sich um ein ehemaliges
Gasthaus für Fuhrleute, die an der Maas ihre Waren abgeholt hatten.
1876 begann der Stifter mit einem Neubau. Die Kapelle,
die dem heiligen Erzengel Michael geweiht ist, wurde 1877 vollendet. Steijl
sollte ein Gnadenort für die Verehrung der heiligen Engel werden. Bald war die
Kapelle zu klein. Nach dem Vorbild der Kirche in Schwarz-Rheindorf bei Bonn,
die Arnolf Janßen besucht hatte, wurde
eine Doppelkirche ausgeführt, deren Oberkirche am 8. September 1884 konsekriert
wurde.
Vom unteren Stockwerk des Missionshauses aus führt
eine Treppe zur Oberkirche. Vor dem rechten Eingang zur Kirche steht auf den
Bodenfliesen: Porta cœli. Dies erinnert an den Patriarchen Jakob, der nachts
Engel auf- und niedersteigen sah und rief: „Hier ist nichts anderes als Beth El
(das Haus Gottes) und die Pforte des Himmels!“ (Gen 28,17). Am linken Eingang
steht: Domus Regis – Haus des Königs. Über den beiden seitlichen Eingangstüren
sind Hirsche dargestellt, die aus einem Brunnen trinken, der mit Alpha und
Omega (Anfang und Ende) sowie zwei Kreuzen gekennzeichnet ist. Dies ist ein
Hinweis auf den Psalmvers: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so
schreit meine Seele, Gott, zu Dir“ (Ps 41,2) sowie auf die Aussage: „Ich bin
das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der da ist und der da war und
der da kommt, der Allmächtige“ (Offb 1,8).
In den Fenstern oberhalb des Altares sind Engel,
Heilige und Selige der verschiedenen Kontinente dargestellt:
§ St.
Bertrande, St. Solane, orate pro America!
Ludwig Beltrán OP (Bertrán, Bertrandus; 1526-1581), Seelsorger in Kolumbien,
Gedenktag 12. Oktober.
Francisco Solano OFM (1549-1610), Seelsorger in Argentinien und Perú, Gedenktag
24. Juli.
§ St.
Xaveri, St. Gabriel, B.Perboyre, orate pro Asia!
Franz Xaver SJ (1506-1552), Missionar in Indien, China und Japan, Gedenktag 3.
Dezember.
Gabriel, Erzengel, Gedenktag 29. September.
Jean-Gabriel Perboyre CM (Congregatio Missionis, Lazarist; 1802-1840), Märtyrer
in China, Gedenktag 11. September.
§ St.
Petre, St. Michael, St. Bonifaci, orate pro Europa!
Petrus, Apostel, Gedenktag 29. Juni.
Michael, Erzengel, Gedenktag 29. September.
Winfried Bonifatius OSB (672/673-754), Glaubensbote, Gedenktag 5. Juni.
§ St.
Augustine, St. Raphael, St. Claver, orate pro Africa!
Aurelius Augustinus von Hippo (354-430), Bischof und Kirchenvater, Gedenktag
28. August.
Raphael, Erzengel, Gedenktag 29. September.
Petrus Claver SJ (1580-1654), Seelsorge an afrikanischen Sklaven in Kolumbien,
Gedenktag 9. September.
§ B.Gutiérrez,
B.Chanel, orate pro Oceania!
Bartolomé Gutiérrez Rodríguez OSA, * 1580 in Mexico City, Märtyrer in Nagasaki
am 9.3.1632. Er wurde am 7.7.1867 seliggesprochen. Sein Gedenktag ist der 5.
Februar. Vgl. A.Hartmann, in: New Catholic Encyclopedia, Bd. 6, New York u.a.
1967, 868.
Pierre-Louis-Marie Chanel SM (Societas Mariæ, Marist; 1803-1841), Märtyrer auf
Futuna, Gedenktag 28. April. Die Inschrift in der Oberkirche zeigt an, dass er
seliggesprochen wurde. Dies geschah 1889. Im Jahre 1954 wurde er
heiliggesprochen.
Der Hochaltar stammt aus Sittard und wird dem Künstler
Raymakers zugeschrieben. Die Frontseite der Mensa zeigt in der Mitte die Bundeslade,
über ihr zwei knieende Cherubim und dahinter den Siebenarmigen Leuchter mit dem
Vorhang zum Allerheiligsten des Tempels. Der linke Flügel des Altars stellt
Melchisedek dar, der Brot und Wein darbringt (Gen 14,18), der rechte das Opfer
Abrahams (Gen 22,12), die Tabernakeltür den Gnadenstuhl: Gott Vater, über Ihm
im Symbol der Taube der Heilige Geist, hält den vom Kreuz abgenommenen Leib
Jesu Christi. Rechts und links neben dem Gnadenstuhl sind je zwei Engel.
Über dem Tabernakel ist die Anbetung des Lammes
dargestellt (Offb 5,14). Zu beiden Seiten sind Statuen der Apostel Petrus und
Paulus. Über dem Hochaltar tragen sechs Engel die Leidenswerkzeuge: Hammer,
Kelch, Schwamm, Lanze, Dornenkrone und Kreuz. St. Michael steht in ihrer Mitte.
Auf den Wänden des Chorraums sind Engel dargestellt:
Einer bläst die Fanfare, einer musiziert auf der Harfe, einer trägt eine Lilie
und ein Buch, das mit Jesus und Maria gekennzeichnet ist,
einer spendet Weihrauch.
Um den Hochaltar herum sind Seitenaltäre, hinter denen
sich Kirchenfenster befinden, die den Engeln geweiht sind. Die neun Chöre sind
einzeln dargestellt, jeweils mit einem Sinnspruch versehen, der sich auf ihren
Dienst bezieht: Seraphim, Cherubim, Throne, Herrschaften, Kräfte, Mächte,
Fürstentümer, Erzengel (Michael, Gabriel, Raphael), Engel (vgl. Gen 3,24; Jes
30,6; Dan 10,21; Röm 8,3.8f; Kol 1,16; Eph 1,21).
Im ersten Fenster der Gabrielskapelle ist
ein Seraph mit lilarotem Gewand
abgebildet, eine Krone mit Kranz und Sternen auf dem Haupt. In der rechten Hand
trägt er einen Lorbeerzweig, in der linken einen von Flammen umgebenen Kelch.
Auf der Brust trägt er die Aufschrift: Caritas – Liebe (vgl. 1 Joh 4,8.16)
Darüber ist der Doctor seraphicus abgebildet, Bonaventura († 1274).
Worte
der Seraphim:
Uns beglückt die Liebe,
Euch beglückt sie, Menschen,
Wenn als Gotteskinder
Gott ihr folgsam dienet.
Im zweiten Fenster sehen wir einen Cherub im weißen Gewande, der auf dem
Haupt eine Krone trägt. Seine Flügel sind von blauer Farbe. Er hält ein
goldenes Kreuz mit der Aufschrift: Sapientia – Weisheit (vgl. 1 Kor 1,24:
Das Wort vom Kreuz ist Gottes Weisheit). Im Maßwerk ist das Bild des Doctor
angelicus, Thomas von Aquin († 1274).
Sprache
der Cherubim:
Jesus ist die Weisheit,
Jesu Kreuz und Lehre.
Folget diesem Zeichen,
Liebt die wahre Weisheit!
Im dritten Fenster ist ein Engel aus dem Chor der Thronen mit blauem Gewande und mit
Krone dargestellt. In der rechten Hand hält er eine Lilie, in der linken ein
Spruchband: Humiles exaltabit et castos – Demütige und Reine wird er erhöhen
(vgl. Lk 1,52). Im Maßwerk ist der Doctor egregius abgebildet, Bernhard von
Clairvaux († 1153).
Rede der Thronen:
Reinheit zart und Demut
Führt zu Gottes Throne,
Bringt euch Menschenkinder
Hin auf ewge Thronen.
Im ersten Fenster der Michaelskapelle ist
ein Engel aus dem Chor der Herrschaften mit
lichtrotem Gewande und mit goldenem Stirndiadem abgebildet. Das Gefäß in seiner
linken Hand deutet auf das Öl der Sanftmut, mit der rechten weist er auf den
Saum am Hals hin: Dominare in te ipsum – Herrsche über dich selbst. Im Maßwerk
sehen wir die heilige Maria Margareta Alacoque († 1690), welche die
Herz-Jesu-Verehrung förderte.
Mahnung
der Herrschaften:
Sei dir selber Herrscher,
Sohn der ewgen Liebe!
Das führt dich zur Herrschaft.
Salböl reicht dir Jesus.
Im zweiten Fenster sehen wir einen Engel aus dem Chor
der Kräfte mit rotem Kleid und einem
Goldlorbeerenkranz mit Sternen darüber. In der rechten Hand hält er ein Gefäß
mit einem Naturheilmittel, in der linken Heilkräuter. Auf dem Kollar steht: In
Deo faciamus – In Gott wollen wir handeln! Im Maßwerk ist die heilige Gertrud
von Nivelles sichtbar († 659), auf ihrem Buch Mäuse; diese Schädlinge
vertreibt sie. Sie ist außerdem die Patronin der Krankenhäuser.
Salbung
der Kräfte:
Gott gibt Kraft den Pflanzen,
Tugend den Geschöpfen.
Mit Maria heilen
Wir die armen Kranken.
Das dritte Fenster zeigt einen Engel aus dem Chor der Mächte. Er ist braun gekleidet, trägt
eine goldene Krone und hält ein Flammenschwert in der Rechten. Auf dem Kollar
steht: Resisto malæ potestati – Ich widerstehe böser Macht. Im Maßwerk ist die
heilige Teresa von Ávila dargestellt († 1582).
Tröstung
der Mächte:
Gottes Schwert führen wir,
Satan wir bekämpfen;
Wir, die Krieger Josephs,
Streiten für die Kirche.
Im ersten Fenster der Raphaelskapelle ist
ein Engel aus dem Chor der Fürsten
mit dunkelviolettem Gewand und silbernem Stirndiadem dargestellt. Auf dem Spruchband
steht: Obœdiens Deo princeps eris – Gott gehorchend, wirst du ein Fürst sein.
Im Maßwerk ist der heilige Aloisius von Gonzaga († 1591) sichtbar.
Predigt
der Fürstentümer:
Gott ist Fürst der Fürsten;
Folgt ihm, Menschenkinder!
Und ihr findet mit uns
Ewge Fürstentümer!
Das zweite Fenster zeigt einen Vertreter aus dem Chor
der Erzengel mit grauweißem Gewand
und silbernem Stirndiadem. In der rechten Hand hält er eine Waage, in der
linken einen Stab. Auf seiner gekreuzten Stola steht: Iudicia tua Deus
misericordia et veritas – Deine Gerichte, o Gott, sind Barmherzigkeit und
Wahrheit (Tob 3,2). Im Maßwerk ist die heilige Francesca Romana († 1440)
abgebildet, links davon ihr Schutzengel, zu dem sie eine große Verehrung hatte.
Sie ist Patronin der Autofahrer.
Mahnrede
der Erzengel:
Gottes Waage wäget
Aller Menschen Werke.
Seinen Zorn befürchtet,
Sucht bei Ihm Vergebung!
Im dritten Fenster ist ein Schutzengel mit grünem Kleid und silbernem Stirndiadem dargestellt.
An der linken Hand führt er ein Kind, mit der rechten weist er eine
aufschießende Schlange zurück. Auf seinem Kollar steht: Præ te angelus meus –
Mein Engel steht vor dir (Ex 23,23). Im Maßwerk ist der heilige Isidor von
Madrid abgebildet († 1130), mit einem Rebmesser im Gürtel. Er war von Beruf
Landwirt. Sein Leib ruht in der Isidorkathedrale in Madrid. Er ist Patron der
Landwirte.
Lehrworte
der Engel:
Wir als Boten Gottes
Dienen Menschenkindern.
Wehrt mit uns dem Bösen,
Fördert stets das Gute!
Hinter dem Hochaltar sind drei Engelsaltäre, die zur
Ehre der drei Erzengel Michael,
Gabriel und Raphael errichtet wurden.
Links des Hochaltars befindet sich der
Herz-Jesu-Altar, rechts der Marienaltar.
Im nördlichen Turm ist eine Kapelle zu Ehren der
heiligen Theresia vom Kinde Jesu und vom heiligen Antlitz OCD, Karmelitin
(† 1897). 1925 wurde sie heiliggesprochen und zur Patronin der Mission
erhoben.
Vorne rechts befindet sich ein Schrein mit den
Reliquien des heiligen Felix.
Dieser war nach der Überlieferung Diakon des heiligen Narcissus, des Apostels
Augsburgs (Fest am 18. März und am 29. Oktober). Martyrium mit diesem zusammen
um 307 in Gerona.
Vorne links ist der Schrein des heiligen
Märtyrers Modestinus. Er soll
unter Diokletian gelitten haben. Sein Gedenktag ist der 14. Februar. (Vgl. Johann
Evangelist Stadler, Hg., Vollständiges Heiligen-Lexikon oder Lebensgeschichten
aller Heiligen, Seligen, Bd. 4, Augsburg 1875, 473f).
Mit ihm darf nicht verwechselt werden der Jurist
Herennius Modestinus (er wirkte zwischen 224 und 244 in Rom), der durch seine
Interpretation der römischen Gesetze zur Christenverfolgung unter dem Kaiser L.
Septimus Severus (201) beitrug.
An den Seitenwänden hängen je sieben Kreuzwegstationen.
Der Kreuzweg wurde vor der Frühmesse gebetet sowie während der Fastenzeit in
eigenen Andachten. Hier sind Tod am Kreuz, Kreuzabnahme und Grablegung
dargestellt. Die Seitenwände sind farbig bemalt. Es sieht aus, als wären
Vorhänge angebracht.
Weiterführende
Literatur
§ Höing,
Josef, Die Mutterkirche aller Steyler Missionskirchen, in: Michaelskalender
1984, 46-53.
§ Kraus,
Johann, Kirchen und Andachtsstätten in St. Michael zu Steyl, in: Otto Miss,
Heinrich Hopster u. Johann Kraus, Zur Geschichte von St. Michael in Steyl, Rom
1980, 99-150.
§ Rehbein
SSpS, Franziska Carolina, Das Geheimnis der Liebe Gottes in der Symbolik der Oberkirche
von St. Michael – Steyl, Steyler Quellen 5, Steyl 2007.
§ Rohner,
Albert, Die Engelverehrung unseres seligen Stifters, in: Verbum SVD 1 (1959),
241-259.
© Pfr. Dr. Heinrich Michael Knechten, Horneburg 2021