Die
Dillenburg
Sie lag auf einem Hügelrücken oberhalb des
Steinrapener Tales. Von ihr aus konnte man bis zum Schloß Gutacker und dem
Horneburger Busch blicken. Früher gab es hier einen Schäferkotten des adligen
Hauses Gutacker. Franz-Anton Bracht errichtete in den Jahren 1806 bis 1818 ein
Gutsgebäude, das er in Anlehnung an die Diller Mark als Dillenburg bezeichnete.
Das Gut Dillenburg erstreckte sich vom Steinrapener Bach bis zur Straße nach
Ahsen und von der Bauerschaftsgrenze bis über die Holtgarde hinaus.
Die Familie Bracht
Der Familie Bracht, die
zuerst 1567 in Dorsten erwähnt wurde,
entstammten Erzbischöfe, Reichsfürsten, Priester, Richter, Ratsherren
und Rechtsanwälte. Franz-Anton wurde am 22.12.1773 in Recklinghausen geboren.
Nach seinem Studium stand er im Jahr 1796 „wegen jakobinischer Umtriebe“ unter
Polizeiaufsicht. Er heiratete am 3.11.1798 die zu dieser Zeit 24 Jahre alte
Karoline Leibmann.Er begann 1797 seinen Dienst im Kurfürstentum Köln.
Enteignung kirchlichen Besitzes
Nach dem Lunéviller
Frieden 1801 wurden das Erzbistum Köln und alle Klöster enteignet. Die
linksrheinischen Besitzungen der weltlichen Herrscher übernahm Frankreich. Die
weltlichen Herrscher wurden mit geistlichem Enteignungsgut entschädigt. Der
Herzog von Arenberg, der vormals große Besitzungen in der Eifel sein eigen
nannte, erhielt als Entschädigung das Vest Recklinghausen und den emsländischen
Kreis Meppen. Ihm wurde der neue Besitz 1803 in Regensburg zugesprochen
(Reichsdeputationshauptschluß; Hauptschluß
– Abschlußbericht). Franz-Anton Bracht war der einzige, welcher dem
Herzog Prosper-Ludwig von Arenberg im Jahre 1804 einen Bericht über die
Situation im Vest Recklinghausen lieferte. Alle anderen Befragten hatten sich
mit Unkenntnis entschuldigt. Die Arenberger stellten ihn als Polizeidirektor
ein. Er war zuständig für den Bericht der Statistik (Bevölkerungsaufnahme), der
alle drei Jahre vorzulegen war, für die Aufsicht über die Kirchen- und
Armenkassen, das Ausbesserungswesen der Wege sowie die Ernennung der
Nachtwächter und Kaminfeger (Schornsteinfeger). 1806 kaufte Bracht das
Rittergut Gutacker von Friedrich-Wilhelm von der Lippe. Er teilte sich das Gut
mit Amtmann Funke und Rentmeister Reif.
Napoleon
Die arenbergische
Herrschaft endete 1811. Napoleon vereinigte das Vest als Kanton Recklinghausen
mit dem französisch besetzten Großherzogtum Berg. Franz-Anton Bracht wurde
zuständig für die Steuerverwaltung des Vestes.
Preußen
1815 übertrug der Wiener
Kongreß das Vest Recklinghausen dem Königreich Preußen. Unter der Regierung
dees preußischen Königs Wilhelm III. war Bracht Anwalt beim Land- und
Stadtgericht. Bis 1818 war er weiterhin als Steuereinnehmer tätig.
„Er vertritt demokratische Ideen“
In diesem Jahr wurde
Bracht verdächtigt, demokratische Ideen zu vertreten. Er verließ den
Staatsdienst mit 45 Jahren als Regierungsrat. Bis zu seinem Lebensende im 89.
Lebensjahr betrieb er auf seinem Gut Dillenburg Landwirtschaft. Er bezog vom
preußischen Staat eine Pension. Er entwickelte auf den sandigen Heideböden
Äcker, forstete seinen Teil der Diller Mark auf und legte Schonungen an, welche
er durch aufgeschüttete Umwallungen mit aufgepflanztem Buschwerk schützen ließ.
300 Morgen Heide bepflanzte er mit Nadelbäumen, Felder und Wiesen machte er
urbar. Er förderte den Obstbau und richtete eine Dörranlage ein, machte ausländische
Geflügelrassen heimisch und pflanzte zahme Kastanien, Perückenbäume,
Muskatblütensträucher, Trompetenbäume sowie Rhododendron. Verdiente Arbeiter
siedelte er in eigenen Häusern an. Von seinem Arbeitszimmerfenster aus
dirigierte er seine Landarbeiter mit einem Schalltrichter. Er trug eine spitze
Samtmütze und hatte hellblaue Augen mit einem abweisenden Blick.
Parlamentarier
1829 wurde Bracht
Bauernvertreter im Westfälischen Provinzlandtag, der in Münster tagte. 1830
forderte er vom preußischen König eine Verfassungsurkunde. Freiherr vom Stein
(† 1831) forderte daraufhin eine Ermittlung darüber, „welche unbekannte,
geheime Macht die Stände bedrohe“. Seit 1847 war Bracht Mitglied des
vereinigten Landtages in Berlin. Als Alterspräsident eröffnete der 75jährige
Bracht in Berlin die erste Sitzung. Weil die Regierung eine von oben
aufgezwungene Verfassung durch Erlaß in Kraft setzte. Legte er sein Mandat im
Jahre 1849 nieder. Seine Frau Karoline starb am 31.12.1849 in Rapen.
Franz-Anton Bracht starb am 14. September 1862 auf der Dillenburg.
Die
Dillenburg um 1865
1863 bis 1977
1863 wurde die Dillenburg
an den Herzog von Arenberg verkauft. Pächter des Gutes waren eine Familie
Brüning aus Münster und danach Wilhelm Buerstedde sowie sein Sohn Josef. Im
Jahre 1908 verkaufte der Herzog von Arenberg 400 Morgen des Gutes Dillenburg an
die Zeche Ewald-Fortsetzung. Engelbert Leppelmann heiratete 1922 Josef
Buersteddes Tochter Maria und folgte seinem Schwiegervater als Betriebsinhaber.
Er lebte bis 1962 auf der Dillenburg. Sein Sohn Wilhelm bewirtschaftete danach
diejenigen Ländereien, welche nicht für die Industriegebiete Rapen-Nord und
Rapen-Winkelfeld abgetrennt worden waren. Die Dillenburg wurde im Dezember 1977
abgerissen. Eine Scheune auf dem Hügel An der Dillenburg ist noch vorhanden.
Ansonsten bedecken junge Bäume und Buschwerk den ehemaligen Gutshof.
Bibliographie
· Bracht,
W., Ministerialdirektor, Familiengeschichte, Stadtarchiv, Recklinghausen, G
72.
· Eiseler,
Peter, Chronik der Stadt Oer-Erkenschwick, Oer-Erkenschwick 1989.
· Geschichte
der Bergwerke Ewald-Fortsetzung und Haard 1899-1992, Dortmund 1992.
· Kiesekamp,
Hedwig, Die Müse, in: Vestisches Jahrbuch 1954, 94-123.
· Kollmann,
Karl, Hg., Festschrift. Erkenschwick 800 Jahre. 25 Jahre Gemeinde
Oer-Erkenschwick, Oer-Erkenschwick 1951.
· Müter,
Ulrich, Rapen. 850 Jahre Historische Bauerschaft. 190 Jahre Schützengilde,
Oer-Erkenschwick 1994, 39-45 (Franz-Anton Bracht und die Dillenburg).
· Wallthor,
A.-H. von, Auftakt zum Vormärz in Preußen, Münster 1988.
© Heinrich Michael
Knechten, Horneburg 2019