Restaurierung
als Detektivarbeit
Gemälde
aus Datteln-Horneburg ist Denkmal des Monats März 2021
Das
Gemälde der Heiligen Maria Magdalena nach der Restaurierung.
Foto: HfBK-Dresden/Riße
Detailaufnahme
vor der Restaurierung: die Nagelungslöcher der ursprünglichen Fixierung an der
Retabelrückseite sind gut zu erkennen.
Foto: LWL/Dick
Altarretabel der Alten Kirche Horneburg vor 1886/1888.
Foto: LWL-Archiv
Gemälde der Heiligen Maria Magdalena vor der Übermalung der 1880er-Jahre.
Foto: LWL-Archiv
Heilige Maria Magdalena, Zustand vor der Restaurierung.
Foto: LWL/Dick
Eine Leinwand ohne Keilrahmen – das Gemälde der Heiligen Maria Magdalena im
Altaraufsatz der Alten Kirche in Datteln-Horneburg ist eine kunsttechnologische
Besonderheit. Für seine Restaurierung leisteten die Studierenden der Hochschule
für Bildende Künste Dresden (HfBK) echte Detektivarbeit. Vermittelt durch den
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), hatten sie das über 300 Jahre alte
Kunstwerk untersucht und bearbeitet. Zum Abschluss der Maßnahme hat der LWL das
Gemälde von unbekannter Hand zum Denkmal des Monats März gekürt.
„Die Restaurierung war ein echter Erfolg angesichts des problematischen
Ausgangszustandes“, so Helena Dick, Restauratorin der LWL-Denkmalpflege. „Der
textile Untergrund war deformiert und versteift, wies zwei größere Rissbereiche
und viele ausgerissene Löcher entlang der Ränder auf, darüber hinaus noch vier
ältere Rückseitenanstriche. Die Bildoberfläche war stumpf, verschmutzt und bis
zur Unkenntlichkeit verdunkelt.“
An der HfBK Dresden haben Studierende die Ölmalerei im Rahmen einer
Diplomarbeit und in der Fachklasse umfassend untersucht. „In der rund
300-jährigen Geschichte des Gemäldes waren zwei Restaurierungen objektprägend.
Zuletzt wurde der fragile Bildträger 1987 auf eine Hartfaserplatte fixiert. Der
Umfang der ersten großen Restaurierung erwies sich mit einer vollflächigen
Übermalung allerdings größer als vermutet“, sagt Dick, die das Projekt eng
begleitete. Anhand einer bei der Reinigung entdeckten Signatur gelang es der
Diplomandin, die Übermalung in die 1880er-Jahre zu datieren und dem
Recklinghäuser Kunstmaler Felix Schröder (1865 - 1949) zuzuschreiben.
Eine Röntgenaufnahme des Gemäldes bestätigte, dass sich die Übermalungen an der
Form der ursprünglichen Malerei orientieren. „Außerdem sind sogenannte
Pentimenti zu sehen“, erklärt Dick. „Das sind Veränderungen der ursprünglichen
Motivanlage von Künstlerhand – hier bei der Handhaltung der Heiligen und im Faltenwurf
des Gewandes.“ Auch ein Blick ins Bildarchiv der LWL-Denkmalpflege half dabei,
die Geschichte des Gemäldes zu rekonstruieren: „Der Vergleich mit der ältesten
erhaltenen Fotografie des Altarretabels legt nahe, dass die schwarzen Konturen,
die graphischen Schraffuren, sowie die markanten goldenen Akzentuierungen der
Gewandsäume, des Heiligenscheins und der Strahlen des Heiligen Geistes neue
Zutaten sind“, so Helena Dick.
Die Konservierung des Gemäldes erfolgte in enger Abstimmung mit der LWL-Restauratorin.
Die Studierenden haben die Hartfaserplatte und alle Rückseitenanstriche
entfernt, die Risse verklebt, die Fehlstellen ergänzt, die alten
Nagelungslöcher durch Flicken stabilisiert und die Deformationen planiert.
Außerdem haben sie die Oberfläche des Bildes gereinigt, Fehlstellen gekittet
und retuschiert. „Die Restauratorinnen haben die Übermalung aus den 1880er
Jahren nicht abgenommen, da wir mit flächigen Schäden der Originalmalerei
rechnen mussten,“ erklärt Dick. Besonderer Erfindungsreichtum war aufgrund des
fehlenden Keilrahmens gefragt: „Der Diplomandin gelang die Entwicklung einer
innovativen Sandwich-Konstruktion, mithilfe derer das Gemälde mit Magneten
aufgespannt wird“, so Dick.
Mit dem Ergebnis ist die Restauratorin sehr zufrieden: „Nach der Beendigung der
umfangreichen Maßnahmen präsentiert sich das Gemälde der Heiligen Maria
Magdalena in einem gepflegten, historisch gewachsenen Zustand. Bildprägend ist
nach wie vor die Übermalung der 1880er-Jahre, die nun kontrastreicher und
brillanter erscheint. Die innovative Stützkonstruktion bietet dem Gemälde den
notwendigen Halt und einen adäquaten Rückseitenschutz, sie ermöglicht sein
sicheres Handling und bewahrt gleichermaßen die Authentizität einer
ursprünglich direkt auf das Altarretabel montierten Leinwandmalerei.“
Hintergrund:
Die Ölmalerei entstand von Hand eines unbekannten Künstlers zeitgleich mit dem
Altarretabel kurz vor 1717 und zeigt in einem ovalen Bildausschnitt (89 x 63
cm) die Heilige Maria Magdalena als Büßerin. Die in ein Gewand gekleidete
Heilige verehrt ein Kruzifix, vor ihr liegen ein aufgeschlagenes Buch sowie
ihre Attribute: ein Salbgefäß und eine Geißel
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit
mehr als 18.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der
LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei
Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen
mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der
Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die
sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für
eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien
Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen
und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 116
Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
LWL-Pressestelle
<presse@lwl.org>, Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235,
presse@lwl.org, Mitteilung vom 03.03.2021, LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und
Baukultur in Westfalen, Fürstenbergstr. 15, 48147 Münster