Vater
Sergij Bulgakow war 1933 in Rengsdorf
Klaus Bambauer
Es ist recht unbekannt geblieben, dass der
bekannte russisch-orthodoxe Theologe Sergij Bulgakow (1871-1944) im Jahre 1933
das Haus Hermann von Wied in Rengsdorf besuchte. Dies wird durch ein Foto im
Gästebuch des Hauses und die dazugehörige Eintragung belegt. Das Haus
beherbergt schon seit vielen Jahrzehnten das Pastoralkolleg, die
Fortbildungsstätte für rheinische Pfarrerinnen und Pfarrer. In der Zeit vom 8.
bis zum 15. März des Jahres 1933 fand dort unter der Nr. 178 eine ökumenische
Studienkonferenz statt, die bekannte Namen aufzuweisen hatte. Es gehörten u.a.
dazu außer S.Bulgakow, dem nachstehend unser besonderes Interesse gilt, Hermann
Sasse (Berlin), Eduard Heimann, späterer Professor für Sozialethik und
Mitarbeiter Tillichs in New York, Fritz Lieb, Professor der Universität Bonn
und Freund N.Berdjajews (später Basel) sowie der Neutestamentler Martin
Dibelius. Als letzter unterschrieb in der Anwesenheitsliste der
Tagungsteilnehmer Archiprêtre (Erzpriester) Prof. Serge Boulgakoff, Paris.
Da der Name Bulgakows in der Geschichte der
Theologie der russisch-orthodoxen Kirche sowohl in Russland selbst wie auch im
Ausland einen besonderen Klang hat und seine theologische Bedeutung nicht
überschätzt werden kann, seien hier seine wichtigsten Lebensdaten mitgeteilt:
Sergij Bulgakow wurde am 16. Juni 1871 als
Sohn eines orthodoxen Priester in der südrussischen Stadt Livny, Gouvernement
Orël, geboren. Im Jahre 1888 verließ er, der Priester werden sollte, das
Geistliche Seminar von Orël und schlug eine wissenschaftliche Laufbahn ein.
Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre 1890-94 in Moskau folgten
Studienaufenthalte in England und Deutschland. Von 1901-1906 war er Professor
für politische Ökonomie in Kiew, danach in Moskau, seit 1917 am Lehrstuhl für
Volkswirtschaftslehre. In dieser Zeit entstanden viele seiner
politisch-ökonomischen Schriften, u.a. sein Hauptwerk aus dieser Zeit
"Philosophie der Wirtschaft". Seine religiösen und philosophischen
Studien vertiefte er in dieser Zeit ganz wesentlich und setzte sich auch mit
westlichen Theologen wie Adolf von Harnack, Johannes Weiß, Albert Schweitzer
und Ernst Troeltsch auseinander. Im Jahre 1918 wurde er in Anwesenheit von
N.Berdjajew, L.Schestow, P.A.Florenskij und anderen Freunden zum orthodoxen
Priester geweiht, nachdem er eine innere Wendung vollzogen hatte, die ihn vom
Marxismus zum Christentum führte. Man berief ihn auch zum Mitglied der
Kirchenleitung der Russischen Kirche. Dort stieg er zum Mitarbeiter des
Patriarchen Tichon in Moskau auf. Im Jahre 1923 wurde Vater S.Bulgakow mit
anderen Vertretern der Intelligenz aus Russland ausgewiesen. Über
Konstantinopel und Prag kam er nach Paris. Dort lehrte er von 1925 bis zu
seinem Tode im Jahre 1944 als Professor für Dogmatik am Orthodoxen
Theologischen St.-Sergius-Institut. In Paris erschien seine dogmatische, bis
jetzt noch nicht ins Deutsche übersetzte Trilogie "Über die
Gottmenschheit" (Das Lamm Gottes – Der Tröster – Die Braut des Lammes).
Fachleute bewerten Bulgakows Dogmatik als die bedeutendste aus der Feder eines
orthodoxen Theologen unseres Jahrhunderts. Besonders herausragend sind seine
Thesen zur Sophiologie.
Ein Übersetzungsprojekt seines Gesamtwerkes
ist seit einigen Jahren von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg
i.Ue., unter Federführung von Frau Prof. Dr. Barbara Hallensleben
ins Auge gefasst.
Der russische Dogmatiker engagierte sich
schon früh in der ökumenischen Bewegung: Auf der Weltkonferenz für
"Glauben und Kirchenverfassung" in Lausanne (1927) hielt er einen
Vortrag über "Das geistliche Amt" und beteiligte sich ebenfalls an
der 2. Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Oxford 1937 sowie an der 2.
Weltkonferenz für "Glauben und Kirchenverfassung" in Edinburgh im
gleichen Jahr.