Berdjaev zur Verteidigung A.Bloks
Heinrich Michael Knechten
In einem Artikel des Jahres
1931 nimmt Berdjaev den Dichter Aleksandr Aleksandrovič Blok (1880-1921) in
Schutz gegen die Vorwürfe eines Theologen (1), der versucht, ihn moralisch und
theologisch zu beurteilen. Berdjaev stellt zunächst fest, dass Blok ein rein
lyrisches Talent habe. Ihm liegen Erörterungen oder diskursive Überlegungen
fern. Nicht der Logos steht bei ihm im Mittelpunkt, sondern der Kosmos, dem er
sich gleichsam schutzlos verbunden weiß.
Das Chaos, welches ihn
umgibt, versucht er dichterisch zu bewältigen. Dass er auf diesem Wege
scheitern muss, ist vorauszusehen. Berdjaev hebt das Allumfassende, die
Universalität seiner Lyrik hervor.
Wer versucht, ihn vom
Religiösen her zu beurteilen, hat den falschen Ansatzpunkt. Schöpferische
Menschen gehen mit Engeln, Menschen und Dämonen um. Unruhe und das Gefühl des
Ungenügens treiben sie um. Dennoch ist ihr innerlicher Reichtum und ihre
Selbsthingabe ein Geschenk an die Menschheit.
Vgl. Nikolaj A.Berdjaev, V zaščitu A.Bloka, in: Put',
Nr. 26, Februar 1931, 106-113 (Nachdruck in: Ders., Filosofija tvorčestva,
kul'tury i iskusstva, Bd. 2, Moskau 1994, 483-487).
Небесное умом не измеримо,
Лазурное сокрыто от умов.
Лишь изредка приносят серафимы
Священный сон избранникам миров.
Das
Himmlische ist vom Intellekt nicht zu ermessen,
Das Azurblaue ist ihm verborgen.
Nur manchmal bringen Seraphim
Einen heiligen Traum den Erwählten der Welten.
(A.A.Blok, 1901, Erstveröffentlichung 1911)
Ein Diskussionsforum
"Theologie" hat diese Verse aufgegriffen. Hier einige Zusammenfassungen:
o
Der gewöhnliche
blaue Himmel, den jeder sieht, kann nicht gemeint sein; denn der ist nicht
"verborgen". Was ist also das verborgene Azurblaue, für dessen
Erkenntnis man gar einen Seraphim braucht?
o
Dieses Gedicht
zeigt den Unterschied zwischen reiner Diskussion auf Verstandesebene und
wirklicher spiritueller Erfahrung mit dem Hl. Geist. Wahre spirituelle
Erfahrung geht über den Verstand hinaus. Den Weg "in den Himmel" habe
ich ernsthaft begonnen zu gehen, wenn ich direkt mit dem Hl. Geist verbunden
bin, also direkte Erfahrungen habe mit ihm.
o
Friedrich Weinreb
(2) erwähnt in seinem Buch "Vor Babel" das Himmelsblau, das nach der
jüdischen Überlieferung alle Farben enthält.
o
Das Blau soll für
das höchste Bewusstsein stehen.
o
Ikonen der Theophanie
(Gotteserscheinung, Taufe Christi) stellen das Blau des Jordan dar, in welchem
sich das Himmelsblau spiegelt.
o
The Master said: "The business of laying on the
colors follows the preparation of the plain ground".
Anmerkungen
(1) Berdjaev hat P.A.Florenskij
im Blick. Allerdings ist seine Autorschaft dieses Artikels umstritten. Vgl.
E.Ivanova, Florenskij podlinnyj ili mnimyj?, in: Literaturnaja učeba, Moskau
1990, Nr. 6, 106-114; A.Šiškin, in: Russkaja mysl', Paris 1991,
Literaturbeilage.
(2) Friedrich Weinreb
wird 1910 in Lemberg geboren. Er stirbt 1988 in den Niederlanden. Sein
Hauptwerk ist: Schöpfung im Wort. Die Struktur der Bibel in jüdischer
Überlieferung, Weiler im Allgäu 1994 (Thauros-Verlag) (Roots of the Bible. An ancient View for
a new Outlook, Weiler im Allgäu 1986, Nachdruck 1999; Ha tora ketochnit
laiekum). Ein weiteres bedeutendes Werk von ihm ist: De letters van het leven.
Het wezen van het hebreeuwse alfabet. Ankh-Hermes, 1981 (Vor Babel. Die Welt
der Ursprache, Weiler im Allgäu 1995: Einführungskurs in das biblische
Hebräisch aus den Jahren 1966/1967).