Santa Maria Antiqua
auf dem Forum Romanum
Kaiser Gaius Cæsar Augustus Germanicus (12-41), postum bekannt als „Caligula“
(Stiefelchen), erweiterte den Palast des Kaisers Tiberius auf dem Palatin bis
zum Forum Romanum hinab. Das große Wasserbecken im Vorraum der späteren Kirche
Santa Maria Antiqua gehörte zu einem Peristyl des von Caligula errichteten
Anbaues. Ein Peristyl ist ein rechteckiger Hof, der von allen Seiten von durchgehenden
Säulenhallen (Kolonnaden) umgeben ist.
Nach dem Brand Roms
im Jahre 80 nach Christus wurde die Domus
Tiberiana von Domitian wiederaufgebaut. Zu Füßen
des Palatins, auf dem Forum, baute er eine Empfangshalle, die als Eingang zum
Palast diente. Mit dieser Vorhalle war ein Gebäude verbunden, das vielleicht
als Wache für jene Mannschaft, die den Nordeingang des Palastes zu
kontrollieren hatte, diente.
Dieses Gebäude aus
der römischen Kaiserzeit auf dem Forum Romanum wurde um 525 zu einer Kirche
umgewandelt. Im 7. Jahrhundert diente sie den vom Ikonoklasmus verfolgten
Griechen als Ort für ihre Liturgie. Zur Zeit, in welcher der Osten gegen die
Bilder kämpfte (Ikonoklasmus), wurden hier bewußt
Bilder geschaffen. Nach dem Erdbeben des Jahres 847 wurde diese Kirche
aufgegeben. Als Ersatz für sie entstand Santa Maria Nova, heute Santa Francesca
Romana.
Die Kirche
Santa Maria Antiqua wurde 1702 wiederentdeckt und nach 1900 freigelegt. (Grundriß).
Es geht am Oratorium
der Vierzig Martyrer vorbei durch das quadratische
Atrium.
Ein quadratischer,
unbedeckter Vorraum mit dem großen Wasserbecken dient dem Gotteshaus als
Vorhof. An ihn schließt sich der dreischiffige Kirchenraum an und an diesen
wiederum das Presbyterium mit zwei Seitenkapellen. Dargestellt sind in den
Fresken an der Langwand des ersten Seitenschiffes der
thronende Christus, rechts von Ihm elf lateinische und links neun griechische
Heilige. In der Kapelle am Ende des ersten Seitenschiffes Christus am Kreuz,
darunter die thronende Muttergottes mit den heiligen Petrus und Paulus, mit Quiricus und seiner Mutter Julitta.
Christliche und
heidnische Motive finden sich nebeneinander. Links ist ein Segelschiff
dargestellt, rechts zwei Fischer, die ihr Netz hochziehen. Das Meeresungeheuer
(der Ketos), siehe Jonas 2, 1. Jonas, aus dem Ungeheuer errettet (Jonas 2, 11).
Jonas, schlafend in der Kürbislaube (vgl. Jonas 4, 6). All dies steht als
Symbol für Tod und Auferstehung, passend auf einem Sarkophag. Auf dem Dach der
Kürbislaube liegen Opfertiere, ein Ziegenbock und zwei Widder. Opfer werden als
Sühne für die Sünden des Verstorbenen dargebracht.
Eine Orantin
(Betende): Ihr Gesicht ist bossiert, das heißt, das Gesicht ist in der Rohform
belassen. Der Sarkophag war also vorgefertigt worden und konnte später nach den
Angaben der Käufer ausgestaltet werden. Hier geschah dies allerdings nicht.
Ein Philosoph: Sein
ursprünglich bossiertes Gesicht ist mit den Zügen des Verstorbenen ausgestaltet
worden. Zu dieser Zeit liebte man es, sich als Philosoph darstellen zu lassen,
auch wenn man keiner war.
Die Taufe des Herrn:
Christus ist als Kind und Knecht (puer) dargestellt (alte Christologie).
Darüber schwebt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube (Mt
3, 16). Daneben steht der taufende, bärtige Johannes.
Zu sehen sind
Eleazar (2 Makk 6, 18-20), der Lehrer der Kinder, Solomone, die Mutter, und ihre sieben Söhne (2 Makk 7). Von fünf sind die Gesichter erkennbar.
Hier herrscht ein
impressionistischer Stil, der an die Fresken von Pompeji erinnert. Der Meister
stammte aus Konstantinopel.
Die Figuren scheinen
von Luft umgeben, sodass sich ihre Umrisse auflösen. Körper, Gewänder und
Gesichter sind nur durch kontrastierende Farbtöne angegeben. Tiefe Schatten und
starke Glanzlichter dienen mehr dazu, die Figuren anzudeuten als sie festzulegen.
Die Pinselführung ist schwungvoll und leicht.
Der blaue Himmel im
Hintergrund teilt Solomones Nimbus in zwei Hälften.
Sie hat einen
winzigen Kopf, einen überlangen Körper sowie nur skizzenhaft angedeutete Züge.
Alles ist immateriell und transparent. Die Formen der Söhne lösen sich in Luft
und Licht auf. Der Impressionismus täuscht reale Körper vor, aber er verklärt
sie auch.
Sie befindet sich an
einem Pfeiler gegenüber den Makkabäern. Dargestellt ist ein schlanker und
graziöser Engel,
der körperlos (ἀσῶματος
asōmatos) ist. Es handelt sich um kühne,
impressionistische Malerei. Spiritualität und Jenseitigkeit werden hier
angedeutet.
Sie trägt die kleine
Maria im Arm. Tief eingefurchte Schatten und dünne,
scharfe Glanzlichter, die Seide vortäuschen. Der Kopf hat im Verhältnis zum
Körper gegenüber der Solomone an Gewicht und Substanz
gewonnen.
Sie ahmt Solomone nach, ist aber fleischiger.
Das griechische Wort
πάλιν pálin
bedeutet wieder, das Verb ψῆν psēn, ψάω psáō – abreiben, abkratzen.
Hier sind vier Malschichten
übereinander, aus der Zeit zwischen 550 und 707.
Links ist Maria als
Himmelskönigin auf dem Thron zwischen Engeln dargestellt. Frontalansicht, hart
und abstrakt. Zwischen 536 und 550 entstanden.
Rechts oben die Verkündigung
(Lk 1, 26-38). Das Gewand des schönen Engels hat
Helldunkelübergänge und Farbfeinheiten. Hellenistisch (Künstler aus
Konstantinopel). Entstanden um 600.
Der heilige
Basileios und der heilige Johannes Chrysostomos. Auf den Schriftrollen sind
Texte des Laterankonzils von 649 zu finden. Die Entstehungszeit ist also um
650.
Der heilige Gregor,
eine große und schwere Figur. Entstanden zur Zeit des Papstes Johannes VII
(705-707), der griechischer Herkunft ist.
Nach etwa zwei
Generationen wird die Verkündigungsszene im Hauptschiff mit einem anderen
Fresko gleichen Themas übermalt. Ikonographisch ist dieses Gemälde dem früheren
ähnlich, stilistisch jedoch völlig verschieden. Die impressionistische Technik,
die im früheren Werk so kühn angewandt worden war, ist immer noch deutlich zu
erkennen. Sie dient jetzt aber dazu, feste, massive Formen zu modellieren. Der
Künstler benutzt die Figur des Engels zu einer Art stummer Kritik am Werk
seines Vorgängers. Dies ist eine Engelsgestalt, die alles andere als
unkörperlich ist. Der herkömmliche Modus für Engel wird durch ein
übergeordnetes Interesse an Monumentalität und Masse in seinem Wesen und in
seiner Bedeutung vollkommen verwandelt.
Die Figuren sind
fest und schwer dargestellt. Sie schauen den Betrachter direkt an.
Diese Darstellung
befindet sich in der Kapelle des Quiricus und der
Julitta. Christus
ist mit dem syrischen Kolobion, einem ärmellosen
Rock, bekleidet. Dargestellt sind die Gottesgebärerin, der Hauptmann Longinus
mit der Lanze, die Darreichung des Essigs und der heilige Evangelist Johannes.
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© Dr. Heinrich
Michael Knechten, Stockum 2024