Der Altenberger Dom
Ist das Bergische Land nach der hügeligen Gegend benannt?
Nein, sondern nach dem Territorium der Grafen von Berg.
Adolf III. von Deutz (um 1025 - 1081/1083) erbaute um 1060
die Burg Berge, daher wurde er in einer Urkunde von 1068 als Adolfus advocatus de Monte (Adolf
[I.] genannt von Berg) bezeichnet.
1122 erbaute Graf Adolf II. von Berg (1106 - 1160) hoch über
der Wupper eine Burg im heutigen Solingen, die er Neuenberge
nannte zur Unterscheidung von Altenberge im heutigen Odenthal. Im Jahre 1386
bezogen Herzog Wilhelm I. von Berg (um 1348 - 1408) und seine Gemahlin Anna von
der Pfalz (1346-1415) ihre neue Residenz in Düsseldorf, eine Burg am Rhein, sodaß die Bedeutung von Berge allmählich sank. Um 1500
wurde es allmählich zu einem Schloß umgebaut, sodaß die Bezeichnung Schloß Burg üblich wurde. Es erlitt schwere Schäden im Dreißigjährigen
Krieg und wurde 1648 niedergelegt. Ab 1890 erfolgte der Wiederaufbau. Heute ist
Schloß Burg die größte rekonstruierte Burganlage in
Nordrhein-Westfalen.
1133 verschenkte Adolf II. Altenberge an die Zisterzienser
von Morimond. In deutschen Quellen hieß diese
Gründung: Kloster zum alten Berge, und in lateinischen: Monasterium sanctæ Mariæ de Berge.
Es bestanden bereits familiäre Bindungen zum
Zisterzienserorden durch Adolfs Bruder Everhard von Berg (um 1100 - 1145/1152),
der zwischen 1120 und 1124 in Marimord dem Orden
beigetreten war. Adolfs zweiter Bruder Bruno II. von Berg (um 1100 - 1137) war
seit 1131 Erzbischof von Köln.
Die Mönche wohnten ein Jahr lang in der Burg Berge und zogen
dann in das Tal um. Der Grund war die Nähe zum Fluß Dhünn. Wasser war notwendig als Trink-, Spül- und
Waschwasser, außerdem, um die Kornmühle anzutreiben und den Unrat
wegzuschwemmen. Im Übrigen war es Sitte der Benediktiner, Klöster auf Bergen zu
gründen, da dieser Orden zur unruhigen Zeit der Völkerwanderung gegründet
wurde, also Schutz und Sicherheit vonnöten waren, während die Zisterzienser
Täler bevorzugten, da sie im Grunde fromme Gärtner und zugleich Lehrende und
Lernende waren.
Woher kommt die Bezeichnung Zisterzienser? 1098 wurde in Cîteaux
(altfranzösisch cistels
– Röhricht) ein Kloster gegründet. Der Ort liegt 25 km südlich von Dijon in der
Region Burgund. Das Ziel war, die benediktinische Regel wörtlich zu befolgen.
Als Bernhard von Clairvaux (1090-1153) im Jahr 1113 zusammen mit dreißig
Freunden in den Orden eintrat, setzte eine Blüte ein, sodaß
viele weitere Klöster gegründet wurden. Das Kloster Morimond,
gegründet 1115 in Parnoy-en-Bassigny
(40 km ostsüdöstlich von Chaumont, Département Haute-Marne) von Stephan
Harding, dem dritten Abt von Cîteaux (um 1059 -
1134), sandte Abt Berno (1135-1151 urkundlich erwähnt) und zwölf Mönche nach
Altenberg, welche dort am 25. August 1133 eintrafen und ein Kloster gründeten.
Der
Altenberger
Dom
Sie erbauten im Tal eine romanische Kirche, die um 1160
geweiht wurde. Im Jahr 1198 gab es im Kloster bereits 107 Mönche, drei Novizen
und 338 Konversen (Laienbrüder). 1222 stürzte die Kirche bei einem Erdbeben
ein.
Die
Markuskapelle
Zur Überbrückung wurde 1225 die Markuskapelle erbaut. Dies
ist das älteste original erhaltene Gebäude Altenbergs.
Der
Altarraum
der Markuskapelle
Für das Jahr 1225 ist ein Ereignis zu verzeichnen, das die
Zeitgenossen erschütterte. Beginnen wir mit einigen Angaben zur Person, um die
es hier geht!
Engelbert II. von Berg wurde 1185/1186 auf der Burg Neuenberge geboren. 1199 wurde er zum Kölner Dompropst
gewählt. Sein Gegenkandidat, Dietrich von Hengebach (um 1150 - 1224) stritt mit
ihm vier Jahre lang bei der Kurie um die Rechtmäßigkeit der Wahl, bis die
römische Behörde 1204 eine Neuwahl anordnete, bei welcher Dietrich verlor.
Dompropst Engelbert gab seinem Onkel, Adolf von Altena (um 1157 - 1220), Güter
des Kölner Domstiftes in die Hand. Dieser war als Adolf I. von 1193 bis 1205
Erzbischof von Köln, während er von 1212 bis 1216 dieses Amt nur provisorisch
verwaltete.
Wer geduldig bis zu diesem Abschnitt gelesen hat, mag wohl
ob der Fülle der Daten einen Seufzer gen Himmel gesandt haben. Diese Geschichte
ist wahrlich kompliziert! Immerhin gehört sie zu den Verwicklungen, in welche
die Grafen von Berg gerieten, und so soll jetzt gefragt werden, warum Adolf I.
1205 sein Amt verlor.
Er hatte 1198 den Welfen
Otto von Braunschweig in Aachen zum deutschen König gekrönt. Dies gefiel Papst
Innozenz III., da hiermit die Macht der Staufer
in Italien geschwächt wurde. Das Auftreten Ottos führte allerdings zu einer
Distanzierung. Adolf I. wandte sich nun dem Staufer Philipp von Schwaben zu,
der ihn dafür reich belohnte. Adolf krönte Philipp 1205 zum König, obwohl sich
der Papst die Entscheidung, wer als König regieren wird, selbst vorbehalten
hatte.
Durch dieses Doppelkönigtum entstand ein Bürgerkrieg, der
unter anderem auch dem Kölner Domkapitel Schaden zufügte.
Innozenz III. war über den Seitenwechsel Adolfs irritiert
und bat ihn um eine Stellungnahme, die Adolf verweigerte, da er sein mühsam
erkämpftes Recht der ausschlaggebenden Stimme bei der Königswahl nicht von
einer päpstlichen Entscheidung abhängig machen wollte. Mit dieser Einstellung
hatte Adolf seine eigene Bedeutung bei weitem überschätzt; er wurde vom Papst
seines Amtes enthoben und gebannt.
Das waren aufregende Zeiten; es kommt aber noch ärger.
Papst Innozenz III. (1161-1216) setzte im Jahre 1206 auch
Engelbert wegen seiner Unterstützung der prostaufischen Position Adolfs als
Dompropst ab, bannte und exkommunizierte ihn. 1208 wurde er begnadigt.
1212 nahm Engelbert mit seinem Bruder Graf Adolf III. von
Berg (1175-1218) für 60 Tage am Albigenserkreuzzug
teil, der insgesamt von 1209 bis 1229 dauerte. Die Katharer (die Reinen)
wirkten in der französischen Stadt Albi und wurden daher Albigenser genannt.
Durch den Sieg über diese Glaubensgemeinschaft, welche ein asketisches, armes
und klerikerfreies Christentum angestrebt hatte,
wurde Okzitanien in den Herrschaftsbereich der französischen Könige
eingegliedert.
Von 1212 bis 1216 hatte sein Onkel Adolf I. die
provisorische Leitung des Erzbistums Köln inne. Sein Kontrahent, Dietrich von
Hengebach, der mit Engelbert von 1199 bis 1204 vor der Kurie um das Amt des
Dompropstes gestritten hatte und dann als Dietrich I. von 1208 bis 1212
Erzbischof von Köln war, verlor dieses Amt und wurde exkommuniziert, weil er
sich geweigert hatte, die Exkommunikation des Kaisers Otto IV. zu verkünden,
doch er stritt drei Jahre vor der Kurie um sein Recht, weiterhin Erzbischof von
Köln sein zu können. 1215 ordnete die Kurie eine Neuwahl in Köln an, bei
welcher das Votum auf den Neffen Adolfs fiel.
1216 wurde er als Engelbert I. Erzbischof von Köln, da er
sich in der voraufgehenden Zeit sowohl gegen Welfen wie auch gegen Staufer
neutral verhalten hatte. Nachdem Engelbert dem Kölner Domkapitel die Schäden
ersetzt hatte, die ihm während des Bürgerkrieges entstanden waren, erhielt er
von Papst Honorius III. (um 1148 - 1227) im Jahre 1218 das Pallium als Zeichen
der Metropolitenwürde. (Das Pallium ist eine Art
Stola, die über dem Meßgewand getragen wird und sechs
schwarze Seidenkreuze aufweist.)
Als Adolf III. von Berg im Jahre 1218 auf einem Kreuzzug in
Damiette (Ägypten) starb, beanspruchte Engelbert das Erbe der Grafschaft von
Berg für sich, obwohl Irmgard von Berg (1204-1248/1249), die Frau des Herzogs
Heinrich IV. von Limburg (1200-1246), erbberechtigt gewesen wäre. Engelbert
setzte sich aber militärisch durch.
1222 krönte Engelbert Heinrich VII. (1211-1242) in Aachen
zum König. Zu dieser Zeit war Engelbert als Leiter und Provisor des Deutschen
Reiches (gubernator et provisor
regni teutonici) sowie als
Vormund Heinrichs die politisch einflußreichste
Person des Heiligen Römischen Reiches. Er war Herzog von Niederlothringen,
Herzog von Westfalen und Graf von Berg. Er war an der Ausprägung des
kurfürstlichen Wahlkönigtums sowie der territorialen Landesherrschaft mit
Markt-, Münz- und Befestigungsrecht maßgeblich beteiligt. Er verlieh 13mal das
Stadtrecht und stärkte sein Herrschaftsgebiet zwischen Maas und Weser sowie im
Herzogtum Westfalen. Mit den Burgen und Städten Attendorn, Bochum, Brilon,
Geseke, Helmarshausen, Herford, Medebach,
Obermarsberg, Padberg, Rütten, Siegen, Volkmarsen, Werl, Wiedenbrück und
Wipperfürth verfügte er über Herrschaftsinseln, die in der Zukunft zu einem
geschlossenen Herrschaftsgebiet zusammenwachsen sollten. Engelbert legte damit
die Grundlage für das Kölnische Territorium, indem er personenbezogene in
flächenbezogene, pluriforme und diffuse in uniforme und geschlossene
Organisationsstrukturen wandelte. Dafür folgt ein Beispiel: 1223
übertrug Engelbert die mächtige Vogtei Siegburg von der Grafschaft Berg auf die
Erzdiözese Köln. Er war außerdem Vogt von Deutz, Cappenberg und Werden.
Sowohl der Erzbischof von Köln als auch Friedrich von
Isenberg (1193-1226) versuchten, ihr Territorium ins Münsterland hinein
auszudehnen.
Friedrichs Herrschaft beruhte hauptsächlich auf
Kirchenvogteien. Er war Vogt bedeutender Klöster und Stifte, wie die Kleine und
Große Vogteirolle belegen. Engelbert betrieb eine Entvogtungspolitik,
welche Friedrichs Einkommen schmälerte.
Engelbert hatte sich im Laufe der Zeit mächtige Feinde
geschaffen: Er hatte den Herzog von Limburg (heute Provinz Lüttich) in seinem
Recht auf die Grafschaft Berg übergangen, den Bischof von Münster durch sein
territoriales Vordringen bedroht, die Domherren von Paderborn durch seine
Einmischung in eine Bischofswahl und durch seine Einkreisungspolitik vor den
Kopf gestoßen, den Aufstand der Ministerialen von Utrecht gegen ihren Bischof
unterstützt und versucht, Friedrich von Isenberg zu schwächen. Außerdem zählten
zu Engelberts Gegnern die Herren von Arnsberg, Kleve, Schwalenberg (Oldenburg
bei Marienmünster) und Tecklenburg sowie der Grafschaft Lippe. Die erwähnten
Adligen waren nicht länger bereit, dies hinzunehmen, und fanden sich zu einer
Fronde (Adelsverschwörung) zusammen. Dies ist die Ursache für das folgende
Ereignis.
Adelheid, die etwa von 1216 bis 1227 Äbtissin und von 1228
bis 1237 Fürstäbtissin des Stiftes Essen war, hatte sich wiederholt bei
Engelbert beklagt, daß ihr Vogt, Friedrich von
Isenberg, die Abtei und ihre Besitzungen nicht schütze, wie es seine Aufgabe
gewesen wäre, sondern sie rücksichtslos finanziell auspresse.
Am 6. November 1225 traf sich Engelbert mit Friedrich von
Isenberg zu einer Verhandlung in Soest, bei der Engelbert durchzusetzen
versuchte, daß Friedrich die Vogtei Essen dem
Erzbistum Köln überlasse. Als Gegenleistung solle Friedrich eine Pension
erhalten, doch er lehnte dies ab, sodaß die
Verhandlung ergebnislos abgebrochen wurde. Dies ist der Anlaß
für das, was jetzt folgt.
Engelbert machte sich auf den Weg, um in Schwelm eine neu
erbaute Kirche zu weihen. Am 7. November 1225 wurde er in einem Hohlweg in der
Nähe des heutigen Gevelsberg von Dienstleuten des
Grafen Friedrich von Isenberg erschlagen. Friedrich hatte möglicherweise
Engelbert nur gefangen nehmen wollen, um ein Lösegeld zu erpressen, was zu
dieser Zeit häufig geschah. Da sich der 1,80 m große Bischof aber heftig
wehrte, gelang dies nicht.
Sein geflohenes Gefolge kehrte an den Ort seiner Ermordung
zurück und versuchte, seinen Leichnam in Schwelm aufzubahren, doch der dortige
Pfarrer ließ dies nicht zu, damit die neu erbaute, noch ungeweihte Kirche nicht
durch einen Ermordeten für kultische Zwecke untauglich werde. Außerdem
fürchtete er die Rache Friedrichs von Isenberg.
Selbst die Tore seines Geburtsortes Neuenberge
schlossen sich; denn Engelbert hatte die Herzöge von Limburg düpiert, indem er
ihnen die Herrschaft über die Grafschaft Berg verweigerte. Außerdem fürchtete
die Burgbesatzung den Nachfolger auf dem erzbischöflichen Stuhle, Heinrich von Müllenark (um 1190 - 1238), der ein erbitterter Gegner
Engelberts war.
Schließlich erklärten sich Mönche des Zisterzienserklosters
Altenberg bereit, den Leichnam zu waschen und für die Bestattung vorzubereiten.
In der Scheitelkapelle (der mittleren Kapelle des Kapellenkranzes
um den Altarraum, am Scheitel der Apsis) des Altenberger Doms ist das Herz
Engelberts in einem rechteckigen Reliquiar hinter der Mitte des Altares, das in
seiner heutigen Gestalt von Ernst Riegel im Jahre 1939 gefertigt wurde, während
seine Gebeine in den Turm des alten Domes von Köln verbracht wurden; heute
ruhen sie in einem barocken Schrein im Domschatz.
Friedrich von Isenberg wurde für den Tod seines Onkels
zweiten Grades verantwortlich gemacht. Der neue Erzbischof von Köln, Heinrich
I. von Müllenark, der das Erzbistum von 1225 bis 1238
regierte, und Graf Adolf I. von der Mark (vor 1182 - 1249) belagerten im Winter
1225/1226 die Isenburg (beim heutigen Hattingen) und zerstörten sie.
Am 13. November 1226 wurden Friedrich am Severinstor
zu Köln Arme und Beine gebrochen, dann wurde er auf ein Rad geflochten, das auf
einer Steinsäule befestigt wurde, sodaß das qualvolle
Sterben des Delinquenten allen gut sichtbar war. Er starb am folgenden Tage.
Sein Leichnam wurde den Vögeln zum Fraß überlassen.
Und wenn das Rad der Bürger sieht,
Dann läßt er rasch sein Rößlein
traben,
Doch eine bleiche Frau die kniet,
Und scheucht mit ihrem Tuch die Raben:
Um sie mied er die Schlinge nicht,
Er war ihr Held, er war ihr Licht –
Und ach, der Vater ihrer Knaben!
(Annette von Droste Hülshoff, Der Tod des Erzbischofs
Engelbert von Cöln, in: Das malerische und
romantische Westphalen, herausgegeben von Ferdinand Freiligrath und Levin
Schücking, Barmen und Leipzig 1841, 226-230, hier 230.)
In der Folgezeit erlangten die Gegner Engelberts eine gewisse
Selbständigkeit. Sie erhielten das Recht zum Burgenbau und zur Stadterhebung,
blieben aber dem Erzbistum Köln gegenüber loyal.
Dies kann man nicht von einem weit gefährlicheren Gegner des
Erzbistums Köln sagen, dies war der Graf von der Mark. Seine Machtposition war
nach 1225 deutlich gestärkt.
Der jetzige Altenberger Dom wurde 1259-1379 erbaut.
Auffällig sind die Strebepfeiler, welche ein erneutes Einstürzen verhindert
haben, da sie die Scherkräfte der Strebebögen aufnehmen.
Der Dom besteht aus Drachenfelser Trachyt, der schwieriger
hierhin zu transportieren war als zum Kölner Dombau, der elf Jahre zuvor,
nämlich im Jahre 1248, begonnen worden war. Der Altenberger Dom ist eine der
größten Kostbarkeiten gotischer Baukunst in Deutschland.
Im 13. Jahrhundert
hatten die Priestermönche einen eigenen Kreuzgang, der im Osten lag. Der
kleinere und ältere Kreuzgang im Westen diente den Konversen.
Infolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 wurde der
Dom säkularisiert und das Inventar verkauft. Im Kloster wurde eine Chemiefabrik
für Berliner Blau eingerichtet. Nach einer Explosion in der Nacht vom 6. auf
den 7. November 1815 im Bereich des Kapitelsaales brach ein Feuer aus, das die
Klostergebäude zerstörte und auf das Dach des Domes übergriff. In der Folgezeit
stürzten Teile des Mauerwerkes ein. Die Gebäude dienten danach als Steinbruch.
1835-1846 wurde der Dom restauriert und 1895 vollständig
wiederhergestellt.
Aufgrund einer Kabinettsorder des Königs Friedrich Wilhelm
IV. ( 1795-1861) dient der Dom seit 1857 zugleich der
evangelischen wie auch der katholischen Gemeinde Altenbergs.
Es handelt sich um eine dreischiffige Basilika mit
Querschiff. Ein Dachreiter ersetzt den Kirchturm. Einfache Säulen tragen die
Obergaden. Auf jeden überflüssigen Schmuck wurde verzichtet: Nichts soll vom
Gebet ablenken. Erst in den folgenden Jahrhunderten vermehrten sich die
Kunstwerke sowie die Grabstätten Adliger.
Altenberger
Dom, Gesamtansicht,
Photographie von H. M. Knechten
Vor 1397 entstand das größte in Deutschland erhaltene
mittelalterliche Kirchenfenster (8 x 18 m). Es befindet sich an der
Eingangsseite im Westen und stellt das Himmlische
Jerusalem dar: „Er zeigte mir die heilige Stadt
Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der
Herrlichkeit Gottes“ (Offb 21, 10f).
Westfenster,
Mitte, Photographie von H. M. Knechten
Oben ist Christus dargestellt, umgeben von vier Engeln.
Darunter Maria, der ein Schwert in der Brust steckt (Lk
2, 35: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“) und ein
nachsinnender, betroffener Johannes der Evangelist, dann die großen
lateinischen Kirchenlehrer Gregor der Große, Hieronymus, Augustinus und
Ambrosius, darunter musizierende Engel. Es folgen eine Reihe Heiliger:
Katharina von Alexandrien mit dem Attribut des Rades, Gereon, Johannes der
Täufer, Elisabeth mit Stifterin, Heilige Familie, Maria mit Stifter, Stephanus
und Barbara. In der unteren Reihe sind dargestellt: Alban, Bernhard von
Clairvaux, Andreas, Johannes der Evangelist, Benedikt, Petrus, Paulus und
Norbert von Xanten.
Elisabeth
von Thüringen, Rosenwunder, musizierende Engel, Stifterin Anna von der Pfalz /
Anna von Berg (1346-1415)
Das Lettnergitter von 1644 trennte
ursprünglich den Mönchschor ab; heute steht es im Eingangsbereich des Domes.
Links ist Moses, rechts Bernhard von Clairvaux, Mitte des 17. Jahrhunderts.
Im südlichen Seitenschiff Maria Immaculata und Märtyrerinnen
vom barocken Hochaltar, 1655. Nördlich der Kanzelkorb von 1602 aus der
Michaeliskapelle Oberwesel.
In der Dreikönigenkapelle ist die
Darstellung der Anbetung der Drei Könige zu sehen, die um 1570 entstanden war.
Außen an der Kapelle befinden sich Glasmalereien aus dem zerstörten Kreuzgang
des Klosters, um 1510 - 1530, mit Szenen aus dem Leben des heiligen Bernhard
von Clairvaux: die Krankenheilung in Lüttich und die Darstellung seines Todes.
Ursprünglich waren es 115 Scheiben in 11 Fenstern. An der Säule befindet sich
ein Christophorus vom Ende des 16. Jahrhunderts.
In der Taufkapelle über dem Altar ist die Verkündigung an
Maria, Ende des 14. Jahrhunderts, ursprünglich am Westportal.
Im Herzogenchor ist die Grablege
von Graf Adolf II. († 1160/1170), dem Stifter des Klosters Altenberg.
Im Chorumgang ist ein Tafelbild mit der Kreuzigung Christi,
um 1570. Die Grablege des Kölner Erzbischofs Friedrich II. († 1163). Im Chor
sind Grisaillefenster.
Strahlenkranzmadonna
um 1530
Über den Stufen hängt die Altenberger Madonna im
Strahlenkranz als Doppelfigur, um 1530. Sie bekrönte früher einen
Marienleuchter.
Im Chor gab es ursprünglich hundert Sitze. Das Chorgestühl
war reich mit Figuren und Blattwerk versehen. Die wenigen Originalfragmente,
die nach der Säkularisation erhalten sind, befinden sich im Kunstgewerbemuseum
Berlin. Bei dem heutigen Chorgestühl handelt es sich um eine Nachbildung.
Nur die Kapitelle im Chor sind mit Blattwerk verziert.
Im Hohen Chor ist das Sakramentshaus von Walter Schlebusch
aus dem Jahre 1490 aus Flötenstein (Phonolit-Lava aus
der Eifel). In der Höhe der Gittertürchen finden sich kleine Apostelfiguren.
Eine Kreuzblume bekrönt das Sakramentshaus; auf ihr ist die Skulptur eines
Pelikans, der sich die Brust aufreißt, um seine Jungen zu nähren. Dies ist ein
Symbol für den Erlöser, der sein Leben hingab, um uns zur Auferstehung zu
führen. In Wirklichkeit holen sich die Jungen ihr Futter tief aus dem Kehlsack
der Eltern, was den Eindruck hervorruft, sie würden sich von deren Fleisch
ernähren.
Über dem Hochaltar hängt das Triumphkreuz aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts; das Leiden des Gekreuzigten ist nur verhalten
dargestellt, während der Sieg über den Tod überwiegt.
Rechts steht der Osterleuchter aus dem 13. Jahrhundert.
Die Orgel der Firma Klais wurde 1980 erbaut, 2005 renoviert
und erweitert. Sie verfügt über 85 Register, die sich auf Rückpositiv,
Hauptwerk, Schwellwerk, Brustwerk, Trompeteria und
Pedal verteilen.
Spieltisch
und Orgel
Hier war ursprünglich der Zugang zum östlichen Kreuzgangsflügel mit Kapitelsaal, Refektorium und
Dormitorium. Seit 2012 wurden Ausgrabungen durchgeführt.
Altenberger
Dom und Haus Altenberg
1925
1863 errichtete das Erzbistum Köln ein Pfarrhaus, die
Erzbischöfliche Villa. 1922 pachtete der Generalpräses
des Katholischen Jungmännerverbandes, Carl Mosterts (1874-1926), das Gelände
und die Aufbauten um den Dom. Er wollte ein Erholungs- und Ferienheim für
ehemalige Soldaten des Ersten Weltkrieges gründen, doch es brach in dem Konversenflügel neben dem Haupteingang des Domes ein Brand
aus. Eine Werkschar Ehrenamtlicher ging an den Wiederaufbau, der sich an die
früheren Abteigebäude anlehnte. In den fertiggestellten Räumen trafen sich
Jugendgruppen zur Erholung und Fortbildung. So entstand Haus Altenberg, das
1933 fertiggestellt wurde.
Carl Mosterts starb am 25. August 1926. Seit dem 9. November
1926 leitete Ludwig Wolker (1887-1955) dieses Haus. Es ging ihm um eine
Verknüpfung von Jugendseelsorge und Ausbildung zur Gruppenleitung. Seit 1935
wurde nur noch eine rein religiöse Betätigung geduldet. Nun entwickelte sich
Altenberg noch stärker zum Wallfahrtsort. Lichterprozessionen und Feierstunden
prägten diese Zeit. 1935 dichtete Georg Thurmair
(1909-1984) das Altenberger Lied, das von Adolf Lohmann (1907-1983) vertont
wurde: „Nun, Brüder, sind wir frohgemut“. Zwölfmal durchsuchte die Geheime
Staatspolizei das Haus und 1942 wurde es beschlagnahmt.
1946 gründete Ludwig Wolker den Verlag Haus Altenberg, 1947
den Bund der deutschen katholischen Jugend und 1948
das Altenberger Singewerk. Der Christophorusverlag
veröffentlichte in diesem Jahr das Altenberger Singebuch,
getreu nach dem Motto: Eine singende Bewegung ist eine siegende Bewegung.
Altenberger
Singebuch, Freiburg im Breisgau 1948
Winfried Pilz, der von 1972 bis 1990 Haus Altenberg leitete,
schuf Pfingsten 1975 auf der Textgrundlage des Sonnengesanges Franziskusʼ von Assisi und mit einer italienischen
Melodie das Lied Laudato si (Gelobt
sei), das in den folgenden Jahrzehnten viel gesungen wurde. Als im Jahre 2022 Mißbrauchsvorwürfe gegen Pilz bekannt wurden, erhob sich
die Forderung, dieses Lied nicht mehr zu singen.
Das Altenberger Licht ist eine Lichtstafette des Friedens,
die seit 1950 jährlich am 1. Mai im Altenberger Dom beginnt. Anlass war der
Wunsch nach Versöhnung.
Was macht Altenberg so anziehend? Es handelt sich um einen
kleinen Ort, der abgeschieden liegt. Die hügelige Landschaft hat ihren Reiz. Es
ist möglich, die zahlreichen Kunstwerke im Dom in aller Stille zu betrachten
und in sich aufzunehmen. Hier kommt die Seele zur Ruhe.
Unternimm es und schenke dich dir selbst, ich will nicht
sagen, immer oder häufig, aber doch wenigstens ab und zu. Wenn viele Menschen
etwas von dir mitnehmen, so sollst du auch zwischendurch etwas von dir selbst
haben. Widme dich nicht ständig deinen zahlreichen Aufgaben, lasse dich von
deinen Sorgen nicht auffressen, sondern besinne dich auf dich selbst. (Bernhard
von Clairvaux, Über die Selbstbesinnung an Papst Eugen [III.; um 1080 - 1153],
S. Bernardi opera, herausgegeben von Jacques Leclercq, Band 3, Rom 1963, Buch I, Kapitel 5).
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o Die kleine, ältereVogteirolle der Grafen Isenberg-Altena, vor 1220. Einführung und Beschreibung, Abschrift der Pergamentrolle, Ortsregister, Tabellen, herausgegeben von Moritz Graf zu Bentheim Tecklenburg Rheda, Veröffentlichung aus dem Fürstlichen Archiv zu Rheda, Rheda 1957.
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herausgegeben von Adolf Lohmann (1907-1983), Johannes Theissing
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© Dr. Heinrich Michael Knechten, Stockum 2024