Absurda Comica
oder Herr Peter Squenz
Schimpff-Spiel
Der
Bearbeiter
Andreas Greif, latinisiert Gryphius, wurde am 2.
Oktober 1616 in Glogau als Sohn eines evangelischen Archidiakons, Paul Greif (†
1621), geboren. 1633 entstand seine erste lateinische Dichtung: Herodis furiæ et Rachelis lachrymæ, erschienen
1634 in Glogau. Er hielt 1638 bis 1644 Vorlesungen an der Leidener Universität.
1649 heiratete er Rosina Deutschländer. 1650 wurde er Jurist bei den Glogauer
Ständen. Am 16, Juli 1664 starb er in Glogau. Er war der bedeutendste Lyriker
des deutschen Barocks.
Der
Stoff
Ovid, bietet in den Metamorphosen IV, 55-166, die Sage von Pyramus
und Thisbe.
Sie waren ein Liebespaar in Babylon, das sich aufgrund
der Feindschaft ihrer Eltern nicht sehen durfte. Sie konnten aber durch einen
Spalt in einer Wand miteinander sprechen. Nachdem sie ein nächtliches Treffen
unter einem Maulbeerfeigenbaum miteinander vereinbart hatten, traf Thisbe früher ein, floh aber vor einer Löwin. Sie verlor
dabei ihren Schleier, der von der Löwin, die an einer Quelle soff, mit ihrem
vom Fressen noch blutigen Maul mit Blut getränkt wurde. Als Pyramus
kam, nahm er an, Thisbe sei von einem wilden Tier
getötet worden, und stürzte sich in sein Schwert. Als Thisbe
ihn tot fand, tötete sie sich ebenfalls mit seinem Schwert. Sterbend, bat sie
den Maulbeerfeigenbaum, seine Früchte mögen die blutrote Farbe behalten. Ihre
Eltern bestatteten die Asche der beiden in derselben Urne.
Shakespeare
Im Sommernachtstraum (1595/1596) war das Rüpelspiel um Peter Squenzʼ
Schauspieltruppe einer der drei Handlungsstränge.
Schwenter
Der Altdorfer Professor Daniel Schwenter
(1585-1636) verfasste dieses Stück und ließ es aufführen. Gryphius
überarbeitete es und fügte dabei weitere Personen hinzu.
Umschlag
der Ausgabe Berlin 2016.
Das Bild stammt von Diego Velázquez, Hofnarr Pablo de Valladolid, 1637.
Die
Handlung bei Gryphius
Der Schulmeister Peter Squenz
schlägt Handwerkern vor, vor dem König Theodorus, der Königin Cassandra und dem
Hofgesinde ein Theaterstück aufzuführen.
Für die Aufführung ist kein Löwenfell vorhanden, daher
muss ein grüner Rock dafür herhalten. Die Wand, der Brunnen, der Mond, der
seinen Schein beim Tode Thisbes verliert, werden
jeweils von Handwerkern dargestellt.
Als Piramus die Wand
beschimpft, weil sie ihn von seiner Geliebten trennt, wird die Wand
handgreiflich, doch Piramus beschädigt sie erheblich.
Ebenso gibt es eine große Auseinandersetzung zwischen Mond und Löwe, wobei der
Krug des Brunnens zerbricht.
König, Königin und Hofgesinde fühlen sich so gut
unterhalten, dass sie ein großzügiges Entgelt geben.
Gryphius ironisierte den Stoff, indem er ein Spiel im
Spiel schrieb: Alle Vorbereitungen, die Patzer („Säue“), der Zorn des
Schulmeisters über sie und die Wirkung auf die Zuschauer wurden dargestellt.
Die hohe Sprache eines Dramas wurde derb; die Tragödie geriet zur Komödie.
Dieses Stück stellte die Bildungsferne der
Schauspieler durch den Kontrast zu den Kommentaren der höfischen Zuschauer
heraus.
Zitate
„Der heilige
alte kirchen-lehrer Ovidius schreibet in seinem schönen buch Memorium phosis, das Piramus die Thisbe zu einem brunnen bestellet habe; inmittelst
sey ein abscheulicher hässlicher löwe
kommen, vor welchem sie aus furcht entlauffen und ihren mantel
hinterlassen, darauf der löwe jungen ausgehecket. Als
er aber weggegangen, findet Piramus die blutige schaube und meinet, der löwe habe
Thisben gefressen; darumb
ersticht er sich aus verzweiffelung. Thisbe kommet wieder und findet Piramum
todt; derowegen ersticht sie sich ihm zu trotz.“
(Berlin 2016, 7).
„Lasset euch unterdessen die nägel
fein lang wachsen und den bart nicht abscheren, so
sehet ihr einem löwen desto ähnlicher! Nun ist einer difficultet abgeholffen; aber
hier wil mir das wasser des
verstandes schier die mühlräder
des gehirnes nicht mehr treiben. Der kirchen-lehrer
Ovidius schreibet, dass der monden geschienen habe;
nun wissen wir nicht, ob der monde auch scheinen
werde, wenn wir das spiel tragiren
werden.“ (Berlin 2016, 9).
„Gleich wie die küh-blum auff dem acker / Verwelckt, die frühʼ
gestanden wacker, / So trucknet aus der liebesschmertz / Der Menschen ihr gar junges hertz.“ (Berlin 2016, 27).
„Ich bin so heiß als mertzen-schnee.
/ Die liebe macht mir wunderliche possen, / Sie hat
mich gar ins hertz geschossen.“ (Berlin 2016, 30).
Einige
Ausgaben
o
Absurda Comica oder Herr Peter Squenz. Schimpff-Spiel, Breslau 1658; München 1663.
o
Herr Peter Squenz.
Nach Daniel Schwenter von Andreas Gryphius,
eingerichtet und in die Sprache unserer Zeit gebracht von Georg Gustav Wieszner (1893-1969), Bärenreiter-Laienspiele, Nr. 298,
Kassel 1957; Kassel 1963.
o
Absurda Comica oder Herr Peter Squenz. Schimpff-Spiel, herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin,
zweite Auflage 2016.
Literatur
o
Bodesohn,
Frank, Die Rolle der Rüpelszene aus Shakespeares „A Midsummer Nightʼs Dream“ im
deutschen Barock am Beispiel von Gryphiusʼ „Absurda Comica“, München 2008.
o
Nitschke, Sarah, Die komischen Elemente im
Lustspiel „Absurda Comica
oder Herr Peter Squenz“ von Andreas Gryphius, München
2010.
o
Wels, Volkhart, Der theologische Horizont
von Andreas Gryphiusʼ „Absurda
Comica“, in: Anthropologie und Medialität des
Komischen im 17. Jahrhundert (1580-1730), herausgegeben von Stefanie Arend,
Amsterdam und New York 2008, 371-402.
© Dr. Heinrich Michael Knechten, Düsseldorf 2022