Sumpfburgen
Hermann Grochtmann
Aufstieg der Sumpfburgen
Was wir von Dale, Ahsen und
Horneburg annehmen möchten, daß nämlich ihre Burgen und die Adelsgeschlechter, die
dort ursprünglich gesessen haben, zurückreichten über das Hochmittelalter
hinaus, vielleicht bis in die Karolingische Zeit, das kann nicht gelten von
Löringhof, Gutacker, Peveling, Möcklinghof, Schwakenburg, Wildaue, Malenburg
und Vogelsang. Der Adel, der sich diese „Burgen“ errichtete, war hervorgegangen
teils aus Bauerngeschlechtern (Großbauern), teils aus ursprünglich unfreien
Waffenknechten: Armiger (Waffenträger) nennt sich 1381 Dietrich von Wildaue wie
auch im folgenden Jahre Goswin von Gutacker. Jene Herrensitze wurden erst
erbaut, als der niedere Adel von seinen Gütern in Sümpfe und Niederungen
hinabstieg, wo er sich vor Angriffen in Fehde oder Krieg ziemlich sicher
glaubte. Die Bauernhöfe, die das Pastoratsregister von 1526 aufzählt, sind darum
zum größten Teil älter als jene Sumpfburgen. Das gilt allerdings nicht für den
Grundbesitz dieser Herren: So ein Adelsgut war meistens nichts anderes als ein
großer und alter Hof, mochte nun das betreffende Geschlecht ihn von Anfang an
oder doch schon sehr lange besessen oder ihn irgendwann vom Landesherren für
einen Dienst zu Lehen erhalten haben. Eine Besonderheit unter den Dattelner
Adelssitzen bildete das Haus Klostern: Hier war der Gutsherr nicht in den Sumpf
hinabgestiegen, sondern auf seiner alten Hofstätte geblieben.
Niedergang der Sumpfburgen
Wenn man die Dattelner
Herrensitze und adligen Geschlechter, die uns aus dem Ende des Mittelalters
bekannt sind, aufzählt, dann muß man staunen, wieviele es gewesen sind. Die
Blütezeit dieses Bauernadels fällt zusammen mit der Blütezeit der Städte.
Während in diesen, soweit sie sich von der Vormundschaft des Stadtherrn
freigemacht hatten, die bürgerlichen meist aus dem Kaufmannsstande
hervorgegangenen Patriziergeschlechter die erste Rolle spielten, geboten auf
dem Lande jene „adligen“ Herren, deren wirtschaftliche und soziale
Sonderstellung auf ihrem bäuerlichen Grundbesitz beruhte. Der Stadt, die damals
so manchen in ihren Bann zog, blieben sie bewußt fern, errichteten sich
vielmehr auf dem Lande ihre „Burgen“ und umgaben diese mit Wall und Graben. Ein
Stück alter Bauernkriegerkultur hatte sich hier erhalten und behauptete sich
neben der feineren bürgerlichen Kultur der Städte.
Freilich war dieser
landsässige Adel durch die Art, wie er sich sein Leben und Wohnen gestaltete,
zeitbedingter und darum in seinem Bestehen viel anfälliger als das Bauerntum,
aus dem er doch hervorgegangen war und mit dem er sich immer noch eng verbunden
fühlte. Darum bestehen heute jene Adelsgeschlechter, ihre Güter und Herrensitze
meist nicht mehr; zum Teil sind sie bereits im Mittelalter verschwunden. Die
alten Bauernhöfe dagegen haben sich mit einigen Ausnahmen bis auf den heutigen
Tag gehalten und sind um nicht wenige vermehrt worden.
In dem Kirchspiel Datteln,
das gegen Ende des Mittelalters etwa 2000 Einwohner und nicht viel mehr als 100
Bauernhöfe zählte, gab es um die Zeit ohne Zweifel zuviele hohe Herren: Sie
konnten sich nicht alle auf die Dauer halten. Manche von ihnen mögen auf zu
großem Fuß gelebt haben. Die Errichtung und Unterhaltung der „Burgen“ kostete
viel Geld. Der Gutsbetrieb mußte von fremden Leuten, Bediensteten und hörigen
Bauern aufrechterhalten werden: Es fehlten die beständigen und zuverlässigen
Arbeiter, die der Bauer in der eigenen Familie hatte. So ist es wohl zu
erklären, daß manche der Gustbesitzer in Schulden gerieten, sie nicht los
wurden und ihr Anwesen verkaufen mußten. Besaß dann der Käufer schon ein Gut,
so sank das hinzuerworbene zu einem Anhängsel des alten Besitztums herab,
dessen Herrensitz man abbrechen und verfallen ließ. Zudem widersprach es alter,
wohlbegründeter bäuerlicher Überlieferung, sich im Sumpf niederzulassen. Denn
dort lebt und wirtschaftet es sich unbequem und ungesund. Die Sumpfburgen waren
ja nur errichtet worden, weil man sich auf dem offenen Lande nicht mehr sicher
genug fühlte. Jedes noch so gut angelegte Festungswerk wird aber nach einiger
Zeit unmodern. So ist es auch manchem Adelssitz ergangen, der vorsorglich und
kostspielig dort angelegt worden, wo sich der Mensch im allgemeinen nicht
niederläßt.
Quelle
H.Grochtmann,
Vor- und Frühgeschichte mit einer erdkundlichen Einführung, Schriftenreihe zur
Geschichte der Gemeinden Datteln, Oer-Erkenschwick, Ahsen und Flaesheim, Bd.
II, Datteln 1955, 216-218.
Haus Vogelsang
Verweise
o
Haus Vogelsang
(Wikipedia)
o
Schlösser
in Datteln