Monastische
Väterliteratur und ihre Rezeption durch Makarij von Optina
Christoph
Bambauer
Mit seinem Werk "Monastische Väterliteratur und ihre Rezeption durch Makarij von Optina" hat Heinrich Michael Knechten nach seiner Studie über Theophan den Klausner aus dem Jahre 1998 seine zweite Veröffentlichung beim Spenner-Verlag vorgelegt. Wie schon der Titel vermuten lässt, besteht das Hauptziel der Arbeit in einer Darstellung und Analyse der von Makarij von Optina (1788-1860) rezipierten Autoren monastischer Provenienz. Das Werk besticht schon auf den ersten Blick durch seinen übersichtlichen und systematisch plausiblen Aufbau, welcher auch in der Einleitung zur Sprache kommt: Begonnen wird mit einer kurzen Vorstellung des Lebens und der Werke Makarijs, um dem vielleicht noch nicht so kundigen Leser diese spirituelle Persönlichkeit vor dem Hintergrund seines Lebenswerkes vertrauter zu machen. So erfährt man zum Beispiel über die konkrete Person Makarij, dass er (wie auch andere Menschen) zeitweise über seelische Dunkelheit klagte und zudem an Schlaflosigkeit litt (S. 17), sodass seine spirituellen Ausführungen über das menschliche Leiden als durchweg auf dem Boden eigener schmerzvoller Erfahrung gewachsen zu bezeichnen sind.
Nach dieser grundsätzlichen Einführung in das Leben und Denken Makarijs stellt Knechten im zweiten Kapitel die Kerngedanken derjenigen fünf Väter vor, die am häufigsten von Makarij herangezogen werden: Markos der Asket, Barsanuphios und Johannes von Gaza, Dorotheos von Gaza, Johannes Klimakos und Isaak von Ninive. Dieser Schritt dient als Vorbereitung der Darstellung der Väterrezeption durch Makarij und kann aufgrund seiner klaren Sprache und philologischen Exaktheit (man beachte die zahlreichen Anmerkungen) als konzentrierte Einführung in einige grundsätzliche Elemente des monastischen Denkens angesehen werden. Schon im Abschnitt über Markos den Asketen nennt Knechten die tragende Themenstellung der monastischen Theologie: "Buße, Demut, Ertragen von Leid, geistlicher Kampf, Gebet, geistliche Leitung" (S. 29). Diese inhaltlichen Elemente sind generell bei allen genannten Autoren thematisch und beschäftigen dementsprechend auch Makarij von Optina. In diesem Kontext ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Fragen nach authentisch empfundener und gelebter Demut und nach einem geistig-religiösen Umgang mit dem eigenen und fremden Leid nicht aufgrund von abstrakter Traditionsbefolgung, sondern aus dem praktisch-persönlichen Versuch einer Nachfolge Jesu ergeben und daher aus existentieller Ernsthaftigkeit und persönlichem Einsatz folgen. So geht es Markos wie Makarij nicht um theologische Fragen an sich, sondern um die aus der Liebe zu Christus erwachsende Erfüllung der Gebote.
Im dritten Kapitel widmet sich Knechten der Darstellung der beiden russischen Mönchsväter Nil Sorskij und Paisij Veličkovskij, die sich vor allem durch die Vermittlung monastischer Väterliteratur profiliert haben. Dabei wird sowohl deskriptiv als auch kritisch kommentierend vorgegangen, letzteres z.B., wenn Knechten Veličkovskij nachweist, dass seine Rezeption von bestimmten Väterzitaten nicht ganz wortgetreu ist und gewisse Modifikationen hinsichtlich Kontext und Deutung vorgenommen werden (S. 130). Im darauf folgenden Kapitel kommt die Väterrezeption Makarijs zur Sprache, wobei auch hier einerseits die wichtigsten Inhalte wie das Ertragen von Ungerechtigkeit, eine demutsvolle Geisteshaltung oder die Prüfung der Gedanken und Leidenschaften dargestellt werden, aber auch andererseits bemerkt wird, dass sich Makarij auf recht freie Art und Weise bestimmter Väterzitate bedient und dabei nicht selten vom ursprünglichen Wortlaut abweicht. So kann Knechten sagen: "Makarij hört offensichtlich mehr die Stimme 'der Väter' als die eines einzelnen Autoren. Er geht nicht philologisch und historisch-kritisch vor, sondern versucht ein Wort zu sagen, das er der jeweiligen Situation des Adressaten anpasst" (S. 132 f.). Die partiell selektive Lesart Makarijs merkt Knechten auch bei seiner Rezeption von Barsanuphios an, wenn Makarij z.B. nicht auf dessen Ablehnung fester Regeln beim spirituellen Leben eingeht, da es seiner persönlichen Sicht der geistigen Dinge widerspricht (S. 141).
Der nächste Arbeitsschritt besteht in einer Analyse des Verhältnisses der Bibelexegese Makarijs zu den fünf von ihm am meisten zitierten Mönchsvätern. Am Ende dieses Kapitels macht Knechten zu Recht auf die bisherige methodische Vorgehensweise der eher analytischen Aufzählung aufmerksam (S. 182), welcher Weg im darauf folgenden Kapitel verlassen wird, da dort diejenigen Themenbereiche, mit denen sich Makarij hauptsächlich beschäftigt hat, in zusammenhängender Art und Weise zur Darstellung kommen ("Monastische Väterlehre bei Makarij"). Grundsätzlich müssen diesbezüglich vor allem die Betonung der Demut im Sinne der Vermeidung von Extremen und insbesondere des Hochmuts, die Bedeutung der Offenlegung der Gedanken gegenüber einer geistlichen Führungsperson, der Kampf mit den menschlichen Leidenschaften wie Hass oder Neid, die Gefahr der Täuschung über sich selbst und das für den Menschen jeweils Zuträgliche sowie der Zusammenhang von Demut und Erlangung des Heils genannt werden. In diesem Kapitel verdeutlicht Knechten noch einmal die spirituelle Essenz Makarijs und verweist überdies an den entsprechenden Stellen auf Parallelen zu anderen spirituellen Größen wie Johannes Klimakos (S. 197), Symeon dem Neuen Theologen (S. 190) oder auch auf Makarijs kritische Stellungnahme zu Theophan dem Klausner (S. 195 f.). Der letzte Teil des Buches besteht aus eigenständigen Übersetzungen von Makarijs Originaltexten, welche umso wichtiger sind, als es nur wenige Übersetzungen von Schriften dieser geistlichen Persönlichkeit gibt. Dabei handelt es sich primär um Briefe Makarijs an Gläubige und Hilfesuchende auf dem spirituellen Weg, in denen Makarij die geistlichen Grundsätze des monastischen Lebens konkretisiert und behutsam auf die Fragen seiner Dialogpartner eingeht. Allerdings geht es in den neu übersetzten Briefen nicht nur um Religiöses, sondern auch um recht Weltliches; z. B., wenn Makarij sich zu einem ihm zugesandten Stoff äußert, der zur Verzierung des Altars dienen soll (S. 234 f.). Zudem bieten die Briefe eine Gelegenheit, die These Knechtens nachzuvollziehen, Makarij hätte sowohl die monastischen Väter als auch gewisse Bibelstellen eher frei und nicht wortgetreu ausgelegt und partiell selektiv für seine Zwecke benutzt.
Generell fällt an Heinrich Knechtens Werk die Sorgfalt und Akribie auf, mit der er sowohl systematisch als auch philologisch vorgeht. Dies schlägt sich nicht zuletzt in den zahlreichen und differenziert argumentierenden Fußnoten nieder, in denen auch immer wieder detailliert Übersetzungsprobleme spiritueller Begriffe aufgegriffen werden. Somit kann man Knechten einerseits attestieren, einen wichtigen Forschungsbeitrag auf dem Gebiet der monastischen Spiritualität erarbeitet zu haben, während seine Untersuchung zu Makarij und dessen Väterrezeption andererseits als eine klar geschriebene und sinnvoll strukturierte Einführung in Grundgedanken klösterlicher Geistigkeit dienen kann.