Offenbarung 4
Der
Sinn der Sprache (nach M.Picard), die spirituelle Dimension des Wortes (nach A.
von Speyr), die kontemplative Sicht des Zen (R.Habito), die symbolische
Erkenntnis als religiöse Sprachform (nach N.Berdjajew), die apophatische Theologie
und M.Heidegger über das "Nichts"
Hatte schon K.Hübner auf die
Sprache bzw. auf die vom Pneuma des Geistes erfüllte Wirkmächtigkeit oder
Dynamik der Worte Jesu Christi, die sich selber eine neue Wirklichkeit
schaffen, aufmerksam gemacht, so sollen seine Gedanken noch durch einige
Hinweise zum Thema aus dem Werk des Philosophen Max Picard "Der Mensch und
das Wort"30) in diesem ausführlichen Exkurs ergänzt und vertieft werden.
Dies wird uns helfen, noch besser zu verstehen, dass das schaffende Wort Jesu
Christi neue Wirklichkeit aus sich heraussetzt, zum schöpferischen Wort wird,
d.h. die Weltschöpfung jeweils neu nachvollzieht und damit auch unsere eigene
Sprache der Banalität der Nur - Zeichenhaftigkeit oder ihrer nur auf flache,
inhaltslose Kommunikation reduzierten Funktion entrissen wird.
Ähnlich wie A.J.Heschel und
N.Berdjajew sieht auch M.Picard: "Die Sprache ist keine Sammlung von
Zeichen, sonst wäre der Mensch selber Zeichen, Zahl, die sich auf nichts
bezöge, als wieder auf eine Zahl, hier gäbe es kein Schicksal, es gäbe nur
Missgeschick durch eine falsch angewendete Zahl; der Tod wäre die Ankunft bei
der Zahl Null" (S. 63). So beschreibt Picard die Sprache in ihrer Tiefe
und Dimension, indem er sagt: "Die Sprache ist mehr als Symbol, sie ist
unmittelbare Wirklichkeit, so sehr, dass die Dinge ihr gegenüber zu Symbolen
werden" (S. 64). Es sind weitreichende Feststellungen, mit denen M.Picard
für uns neue, ungeahnte Horizonte erschließt: "Der Mensch ist durch das
Wort geworden, das gibt dem Wort die Wirklichkeit. Das Wort ist
wirklicher als die Wirklichkeit, die vor ihm ist, da der Mensch durch das Wort
entstand. Christus, Mensch werdend, hätte das menschliche Wort zersprengt, wenn
das Wort Symbol wäre, aber es war Wirklichkeit, die Wirklichkeit Gottes kam in
die Wirklichkeit des Wortes. An die Wirklichkeit des Wortes kann man nur
glauben, wenn man an die Wirklichkeit und an den Wert des menschlichen Lebens
glaubt".31)
Weil Gott zum Menschen
geredet hat, nimmt – nach Picard – der Mensch an diesem Überfließen der Rede
und somit am Akt der Liebe Gottes teil, der wiederum auf sein trinitarisches
Wesen zurückgeht. "Darum ist Verstehen beglückend, es ist Teilnehmen am
göttlichen Überfluss" (S. 65). Darum gilt: "Sprache ist auch
Gedächtnis ihrer göttlichen Herkunft" (S. 65). Nicht umsonst kann dieser
Sachverhalt auch biblisch ausgesprochen werden: "Und das Wort wurde
Fleisch und nahm seine Wohnung unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit
geschaut, eine Herrlichkeit wie sie dem eingeborenen Sohne vom Vater verliehen
wird, mit Gnade und Wahrheit erfüllt" (Joh 1,14). Aber wir müssen, um die
Fülle dieser Aussage zu verstehen, noch zurückgehen bis auf die ersten Verse,
die lauten: "Im Ursprung war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und Gott
war das Wort. Dieses war im Ursprung bei Gott. Alles ist durch dasselbe
geschaffen, und ohne dasselbe ist nichts geschaffen, das geschaffen ist. In ihm
war das Leben" (Joh 1,1-4). "Wo es [dieses göttliche Wort] etwas
berührt, erzeugt es Leben" (A. von Speyr).
Wie dieses "Leben"
zu qualifizieren ist, beschreibt mit großer Anschaulichkeit und authentischer
Intensität A. von Speyr: "Solange ein Mensch über die Worte in ihm war
das Leben nachdenkt, vermeint er wohl theoretisch etwas über das Leben zu
wissen, über Gott als das Prinzip des Lebens, aus dem die verschiedenen
Lebensformen der Welt ausgehen, durch das diese Lebensformen erhalten werden;
er denkt sich dieses Lebensprinzip wie einen Behälter, eine Quelle für
weltliches Leben. Aber je mehr er darüber nachsinnt, je mehr er es in Begriffe
zu fassen sucht, umso lebloser und ausgetrockneter wird, was er zu besitzen
glaubt. Er ist wie einer, der Sprengstoff bei sich hat und dessen Wirkung
berechnen und anderen beibringen kann. Aber wenn einmal diese Kraft explodiert,
wenn er die Probe aufs Exempel macht, die Realität des ewigen Lebens sich ihm
naht, dann sprengt es alle seine Berechnungen und ihn selbst in die Luft. Wenn
Gott ihm wirklich zeigt, was Leben ist, wenn er ihm einen Zipfel dieser
Herrlichkeit enthüllt, dann wird er hinausgeschleudert und zu Boden
geschmettert von dieser alles überragenden Übergewalt. Dann wird er sich ewig
danach sehnen, dass alle seine Begriffe zerstört und vernichtet werden, diese
kleinen Tassen, in die er das Meer zu füllen gedachte. So erging es all denen,
die im Glauben Jesus Christus begegnet sind: das Beispiel des ewigen Lebens,
das er uns gibt, war so überwältigend, dass keiner, der es im Glauben gesehen
hat, je wieder daran denken kann, ihm ähnlich zu werden, sondern künftighin
weiß: Nachfolge des Lebens Gottes kann nur heißen: sich von diesem Leben
überfluten lassen, und Schau des Lebens Gottes kann nur heißen: wie vor Scham
die Blicke senken angesichts eines solchen Übermaßes an Leben".32) Die
Mystikerin A. von Speyr weiß: Das von ihr angedeutete unfassliche geschenkte
"ewige Leben" als eine geistige Erfahrung im Sinne N.Berdjajews
entzieht sich umso mehr unserem Zugriff, je mehr wir nach ihm greifen. "Je
mehr wir es analysieren, umso mehr zerfasert es sich. Nur wenn wir dieses Unfassbare
unseres Lebens zurückgeben in die einfache, klare Einheit des seinigen, wird es
lebbar und verliert seine Problematik" (S. 45).
Um das einprägsame und sehr
anschauliche Bild A. von Speyrs noch aus der östlichen Sicht zu ergänzen,
zitieren wir zwei Autoren: Ruben Habito und Kakichi Kadowaki: "Dieser
Prozess [des Leerwerdens] ist vergleichbar mit der Suche des reichen Jünglings
nach dem ewigen Leben (Mt 19). Jesus ruft ihn dazu auf, alles, was er liebt,
aufzugeben und ihm ins Unbekannte hinein zu folgen. Ein Akt völliger
Selbstentäußerung ist notwendig, um das ewige Leben, das er sucht, zu
empfangen. Der Weg zum Leben führt durch ein Nadelöhr, bei dem wir unser
überflüssiges Gepäck, unsere Anhänglichkeiten, die Vorstellungen, die wir von
uns selbst haben, die Überzeugung von unserer eigenen Wichtigkeit, unser
rationalistisches Denken u.s.w. als das zu erkennen, was sie sind: Hindernisse,
von denen wir uns lösen müssen, um das zu erreichen, was wir suchen [...] Und
diese Quelle ist ewiges Leben. Das ewige Leben ist nicht das, was wir uns
gewöhnlich darunter vorstellen: etwas von unendlicher Dauer, eine Erweiterung
der Zeit ins Unendliche oder sogar ein Zustand ewiger Unsterblichkeit. Es ist
eher ein Bereich, in dem unsere gesamten Vorstellungen von Zeit, Geburt und Tod,
Veränderung und Zerfall u.s.w. hinfällig werden, ein Bereich, in welchem alle
uns vertrauten Vorstellungen verschwinden und alle Gegensätze konvergieren oder
zur Deckung kommen. Dieses Zusammenfallen der Gegensätze ist keine bloße
Vorstellung, sondern ein Ereignis, ein Prozess, dem wir uns im Leerwerden
unterziehen"33).
An dieser Stelle hat – nach
R.Habito – das Bild vom "Reich Gottes" seinen Platz. Diese neue Welt
des "Reiches Gottes" ist kein beschreibbares Ereignis, "man kann
höchstens in Andeutungen auf seine Präsenz hinweisen". Dieses Reich Gottes
kann nur in Eigenerfahrung entdeckt werden. Jesus von Nazareth sagt:
"Seht, das Reich Gottes ist mitten unter euch" (Lk 17,21). Dennoch
bleibt es in seinem Kern zugleich versteckt und offenbar. "Es handelt sich
nicht um eine Idee oder Vorstellung, sondern um eine Tatsache, die erfasst,
erfühlt und gekostet werden will" (Habito, S. 29). Doch damit dies
geschieht, sind Voraussetzungen notwendig: "Um auf diese Weise zu sehen
und zu hören, muss man ganz leer werden und sich von allen Vorstellungen lösen,
welche den Sehenden vom Geschauten und den Hörenden vom Gehörten trennen.
Dieses völlige Leerwerden ist gleichzeitig die Erfahrung der Fülle" (S.
29). Freilich darf diese "Leere" nicht als philosophischer Ausdruck,
sondern im Sinne einer Erfahrung verstanden werden, denn erst die
völlige Umkehr des Herzens (Metanoia) lässt plötzlich die Nähe oder Präsenz des
Himmelreichs erahnen. Dieses Himmelreich ist identisch mit dem Freiwerden von
sich selbst, von seinem "Ego". Erst dort, wo die Wahrheit erkannt
wird im Freiwerden von den Fesseln des Ego-Selbst (vgl. Joh 8,32), dort
ereignet sich im menschlichen Bewusstsein das "Himmelreich" und prägt
von nun an die neue Weltsicht. Es ist weder allein im Innen noch ist es im Außen.
Es gibt nun keine Spaltung mehr zwischen Innen und Außen, weil Spaltung nur auf
dem trennenden, vom Verstand dirigierten Bewusstsein beruht. Dieses
"Himmelreich" ist ein immerwährender, ein verborgener und zugleich
offenbarer Zustand. Der Mensch muss zur Wahrnehmung dieser Weltsicht
"befreit" werden. Wo – wie in den Heilungsgeschichten des Neuen
Testaments – die Augen von der Blindheit und die Ohren von der Taubheit befreit
worden sind, ereignet sich das "Reich Gottes" als umfassende, Leib,
Seele und Geist in einer neuen Synthese zusammenschliessenden Größe. Die
"normale" Wirklichkeit als solche wird zum "Reich Gottes"
transformiert. Sie hat eine neue, transparente und diaphane (J.Gebser)
Qualität bekommen.
Erst in diesem Freiwerden vom
"Ego-Selbst", das solipsistisch auf sich verkrümmt war, wird die
Fülle der Freiheit von der Dunkelheit einer Unbewusstheit erlangt, die einer
Blindheit und Taubheit glich (vgl. Mt 11,5). Erfahrung des
"Himmelreichs" kann also mit der Heilung der Blinden und Tauben
gleichgesetzt werden, weil neue Bereiche ganzheitlicher Weltsicht erschlossen
werden. Ähnlich drückte es der Zen-Meister Dôgen aus: "Den Weg des
Erleuchteten erreichen heißt, sein wahres Selbst erlangen. Sein wahres Selbst
erlangen heißt, sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen heisst
realisieren, dass man eins ist mit dem ganzen Universum" (Habito, S. 35).
Der katholische Autor
K.Kadowaki SJ (*1926), der sich in Japan der Zen-Meditation widmete und später
als Professor für philosophische Anthropologie in Tokio lehrte, hat in seinem
Buch "Zen und die Bibel" zwischen beiden Richtungen eine
bemerkenswerte Brücke geschlagen. Zusammenfassend sei erwähnt: Die
Zen-Erfahrung ist für ihn "ein erstmaliges Gewahrwerden unseres wahren
Selbst durch eine Umkehr der ganzen Person" (S. 27), d.h. im Kontext
unserer Gesamtüberlegungen auch eine kategoriale Strukturveränderung des den
Leib, die Seele und den Geist einbeziehenden Bewusstseins. Kadowaki hatte – so
beschreibt er seinen Entwicklungsprozess – "Schwierigkeiten wegen der
mangelnden Ausgeglichenheit von intellektuellem Wissen und religiöser
Erfahrung. Zen hat mich gelehrt, dieses Problem zu lösen" (S. 27). Fassen
wir das Ergebnis zusammen: War sein Studium primär eine Anhäufung historischer
Fakten im Zusammenhang mit der Bibel, eine wissenschaftliche Erhellung dieses
Ereignisses mit den Begriffen des griechischen und modernen Denkens, das,
speziell der aristotelischen Philosophie verpflichtet, intellektuell und
abstrakt die Dinge zusammenfügte, so konnte eine Theologie dieses Zuschnitts
auch nur intellektuell und abstrakt werden "mit dem Ergebnis, dass sich
die Theologie mehr und mehr entfernt hat von den biblischen Ereignissen und zu
abstrakten Annahmen tendiert, die von der lebendigen Christuserfahrung
abgeschnitten sind. Das war die Quelle meiner Schwierigkeiten"34).
Dennoch wollen wir die
kritischen Stimmen bei aller Sympathie für die Zen-Kultur, die Deutschland in
den 70er Jahren überschwemmte, nicht überhören. Ohne dass wir uns an dieser
Stelle mit dem schwierigen und für Europäer recht abseitigen Gebiet des Zen
näher auseinandersetzen können, sei nur ergänzt, dass C.G.Jung in seiner Studie
"Zen, Erleuchtung und Psychotherapie"35) darauf hingewiesen hat, dass
Zen keine Philosophie im westlichen Sinn dieses Wortes, sondern eher genau das
Gegenteil sei. Die in unserem Aufsatz angesprochene These, dass es Stufen des
Bewusstseins gebe, spielt – nach Jung – im Gegensatz zum östlichen
Vorstellungsbereich in unserem Denken keine Rolle. Wenn er auch dem östlichen
Satori-Erlebnis die religiöse Wandlungsmystik des Westens zur Seite stellt und
Parallelen sieht, ist er schon aus psychotherapeutischen Gründen, die von ihm
breit entfaltet werden, der Überzeugung: "So groß der Wert des
Zen-Buddhismus für das Verständnis des religiösen Wandlungsprozesses ist, so
wenig wahrscheinlich ist seine Verwendbarkeit beim westlichen Menschen. Die zum
Zen nötigen, geistigen Vorbedingungen fehlen im Westen" (S. 293). Asien
geht von anderen Voraussetzungen als der Westen aus. "Das Zen und dessen
Technik [nämlich die systematische und oft jahrelang einzuübende Entleerung des
Bewusstseins von allen begrifflichen Vorstellungen durch absichtloses Sitzen
(Za-zen)] konnten nur auf dem Boden der buddhistischen Geisteskultur entstehen
und haben diese zur Voraussetzung. Es kann kein rationalistischer Intellekt
vernichtet werden, welcher nie vorhanden war" (S. 294). Die Problematik,
Zen für den Westen unbesehen zu übernehmen, liegt nach C.G.Jung auch in dem
Faktum, dass westliches Bewusstsein durch seine begriffliche und
subjektzentrierte Prägung zunächst einmal vielen Beschränkungen und
versperrenden Mauern unterliegt. "Die Aufsplitterung in Einzelnes, das
Einseitige, der fragmentarische Charakter eignet dem Wesen des
Bewusstseins" (S. 292).
Deshalb ist das westliche
Bewusstsein von einer Einseitigkeit geprägt, die notwendigerweise nur
"eine ganz kleine Anzahl simultaner Vorstellungen beherbergen" kann,
während alles andere im Schatten des Unbewussten liegt und der Sicht und
Wahrnehmung entzogen wird. "Eine Vermehrung der simultanen Inhalte erzeugt
sofort eine Bewusstseinsdämmerung, ja Verwirrung bis zur Desorientiertheit.
Bewusstsein selber verlangt nicht bloß, sondern ist, seinem Wesen gemäß,
strengste Beschränkung auf Weniges und darum Deutliches" (S. 290). Würde
das Bewusstsein von seinen Inhalten entleert, so könnten die Energien und
Vorstellungen aus dem Unbewussten hervorbrechen. "Weil nun die Entleerung
und Stilllegung des Bewusstseins keine einfache Sache ist, bedarf es eines
besonderen Trainings sowohl wie einer unbestimmt langen Zeitdauer, um jenes
Maximum an Spannung herzustellen, welche zum schließlichen Durchbruch
unbewusster Inhalte ins Bewusstsein führt" (S. 291). Ergebnis sind dann
oft einbrechende Wahnideen oder Delirien. Da uns solch eine "pathologische"
Totalschau oder anschaubare Ganzheit, die aus dem Unbewussten gespeist würde,
nicht möglich und zu raten ist, müssen wir – nach Jung – "sozusagen mit
einem Minimum simultaner Vorstellungen und Bildabfolgen auskommen", denn:
"Es ist darum vollkommen unausdenkbar, was dann geschehen würde, wenn es
einem individuellen Bewusstsein gelänge, mit einem Blick ein Simultangemälde
dessen, was es sich überhaupt vorstellen könnte, zu umfassen" (S. 291).
So ist das Ergebnis der
jungschen Überlegungen und ernsthaften Bedenken für alle Adepten westlicher
Zen-Euphorie eher ernüchternd: "Aus diesen und vielen anderen Gründen ist
daher eine direkte Übertragung des Zen auf westliche Verhältnisse weder
empfehlenswert noch überhaupt möglich" (S. 294).
Kehren wir zurück zur
Interpretation A. von Speyrs, wobei wir feststellen, wie nahe sich dennoch
östliches und westliches "Denken" auf mystischer Ebene kommen. In
ähnlicher Weise wie A. von Speyr kann Berdjajew formulieren: "Der
Rationalismus nimmt an, die Gottheit könne im Begriff erfasst werden. Diesem
steht die apofatische Theologie Dionysius’ des Areopagiten gegenüber. Die
größten religiösen Denker kommen zu der Wahrheit, die Nicolaus Cusanuszum
Ausdruck gebracht hat, zu der Wahrheit, dass die Gottheit coïncidentia oppositorum
sei. Das Zusammenfallen der Widersprüche erscheint der Vernunft antinomisch, im
Begriff nicht fassbar zu sein. Der Begriff [natürlich nicht der Begriff im
hegelschen Sinne] ist nicht für jene Wirklichkeit ausgearbeitet worden, die die
Gegensätze in sich zusammenfasst. Der Begriff ist den logischen Gesetzen der
Identität und des Widerspruchs unterworfen. Aber diese logischen Gesetze können
niemals die Natur der Gottheit zum Ausdruck bringen. Alle Dogmen des
Christentums, die mystische Tatsachen und Geschehnisse der geistigen Erfahrung
ausdrücken, tragen überlogischen und übervernünftigen Charakter, durchbrechen
das Gesetz der Identität und das Gesetz des Widerspruchs. Die religiöse
Erkenntnis war immer, entgegen aller rationalistischen Theologie und Metaphysik,
entgegen aller Scholastik, symbolisch. Wo die Kompetenz des Begriffs aufhört,
da tritt das Symbol in seine Rechte. Die Gotteserkenntnis war niemals und
konnte niemals eine abstrakt-intellektuelle, rationale Erkenntnis sein; stets
wurde sie aus einer anderen Quelle gespeist".36)