Gedanken zur
christlichen Spiritualität aus östlicher und westlicher Sicht
(Berdjaev/Bambauer) 4
Berdjajew ergänzt, diesen Vorgang phänomenologisch in
Worte fassend, sehr prägnant: "Im Lichte der Offenbarung werden die
Grenzen des Bewusstseins gesprengt; im Feuer der Offenbarung schmilzt die
Verhärtung und Versteintheit des Bewusstseins. Das Bewusstsein weitet sich
unendlich aus und vertieft sich; es geht ins Überbewusstsein über. Die
abgeschlossene psycho-physische Monade tut sich auf; es erwacht der
schlummernde Geist. Offenbarung bedeutet immer ein Erwachen des Geistes,
begleitet ist es von einem Hingewandtsein zu der anderen Welt"29).
Freilich setzt diese Ausweitung des Bewusstseins voraus, dass seine
"Grenzen" dynamisch sind. Unter der Annahme einer statischen
Auffassung der Natur des Bewusstseins wären Offenbarungsereignisse nicht
möglich, m.a.W. es gibt keine absolut statischen, unveränderlichen und
unbeweglichen Grenzen zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten. Nur ein
ständiges Fließen vom einen (unauslotbaren und unbewussten) in den anderen
Bereich des Bewusstseins macht es möglich, dass neue schöpferische Ereignisse
sich vollziehen, Gedanken entstehen und – im Sinne Hegels – sich selber denken,
Kunstwerke geschaffen und – häufig genug auch auf intuitivem Wege –
Entdeckungen gemacht werden. Eine Streitfrage ist es – und sowohl Teilhard de
Chardin als auch Sri Aurobindo haben es so gesehen –, dass dies alles dem
evolutionären Impuls des Geistes zu verdanken ist. Gegenüber diesem geistigen
Transformationsprozess unterlagen der Positivismus, der Materialismus, der
Rationalismus ebenso wie die Richtung des Kantianertums einer Sicht, die die
Unendlichkeit der geistigen Welt abschloss. Demgegenüber argumentierte
Berdjajew: "Das [kantianische] Transzendentalbewusstsein ist schon ein
ausweglos abgeschlossenes Bewusstsein. Ihm wird das Sein [üblicher
philosophischer Terminus für Gott seit der Antike und vor allem bei Thomas von Aquin]
entweder zum Ding an sich, oder es verschwindet völlig. Die geistige Erfahrung
vermag die Grenzen des Transzendentalbewusstseins nicht zu durchbrechen".
Ebenso bewege sich theologisches Bewusstsein in der
Sphäre des Transzendentalbewusstseins "und erkennt die Unbegrenztheit der
geistigen Erfahrung die Möglichkeit einer Erweiterung des Bewusstseins nicht
an. Die Unbegrenztheit der geistigen Erfahrung und die Möglichkeit einer
Erweiterung des Bewusstseins bis zum Überbewusstsein erkennen nur die Mystiker
an. Die offiziellen Theologen drücken die Geheimnisse des göttlichen Lebens auf
das Niveau des durchschnittlich-normalen Bewusstseins, d.h. letzten Endes auf
das allgemeingültige Transzendentalbewusstsein"30). In diese
Denk-Kategorie des abgeschlossenen Bewusstseins gehöre auch der gewöhnliche
Empirismus, der jeglicher Erfahrung statische Grenzen errichte "und weiß,
was innerhalb ihrer möglich und was unmöglich ist". Der Autor fasst
zusammen: "Der Rationalismus, der transzendentale Idealismus, der
Empirismus, der Evolutionismus, der theologische Positivismus – alle diese
Richtungen stehen unter dem Druck des statischen erstarrten Bewusstseins und
lassen nicht die Wirklichkeit einer Erweiterung des Bewusstseins, seiner
Erweiterung zum kosmischen Leben und zum göttlichen Leben zu, d.h. sie leugnen
die Möglichkeit der geistigen Erfahrung, der Erfahrung des Urlebens"31).
Wenn wir auch stets von der unendlichen Welt umgeben sind, – wir haben gesehen:
Jeder Augenblick ist der Ewigkeit nahe und mit ihr identisch (Kierkegaard) –
dennoch gibt es im menschlichen Bewusstsein so etwas wie Absperrvorrichtungen
ihr gegenüber. Taubheit und Blindheit blockieren unsere unmittelbare
Wahrnehmung. Intuitives Schauen, meditative Betrachtung, Konzentration und
kontemplative Versenkung auf und in das Eine ist verloren gegangen. Vielleicht
liegt dieser Verfall der Wahrnehmung des Geistigen und der geistigen Welt nicht
nur in der raschen und zu oberflächlichen Wahrnehmung der Dinge, Worte und
Gedanken, mit denen wir umgehen, sondern auch darin, worauf Hegel mehrfach in
der Phänomenologie des Geistes aufmerksam gemacht hat: "Das
wissenschaftliche Erkennen erfordert aber vielmehr, sich dem Leben des
Gegenstandes zu übergeben oder, was dasselbe ist, die innere Notwendigkeit
desselben vor sich zu haben und auszusprechen. Sich so in seinen Gegenstand
vertiefend, vergisst es jener Übersicht, welche nur die Reflexion des Wissens
aus dem Inhalte in sich selbst ist. Aber in die Materie versenkt und in deren
Bewegung fortgehend, kommt es in sich selbst zurück"32).
Der Trappistenpater Thomas Merton (1915-1968), der für
die spirituelle Welt zu früh tödlich am 10. Dezember 1968 in Bangkok kurz vor
seinem Vortrag über "Marxism and Monastic Perspectives" verunglückte,
hat sowohl aus seiner langen und reichen Meditationserfahrung als auch aus
seinen Kontakten mit der Geistigkeit des Zen die Strukturen und Stufen des
Bewusstseins untersucht und kommt – ähnlich wie Aurobindo und Berdjajew – zu
konvergenten Ergebnissen, die dieses Kapitel beschließen sollen. Wir
beschränken uns hinsichtlich der Fülle seiner Aussagen auf sein für unsere
Zusammenhänge zentrales Werk "Weisheit der Stille – Die Geistigkeit des
Zen und ihre Bedeutung für die moderne christliche Welt"33). Merton, der
zu Recht als ein "Grenzgänger zwischen Christentum und Buddhismus"
bezeichnet wurde, beschreibt hier die Begegnung mit Gott als eine mystische und
transzendente Erfahrung, "die eher eine Sache des Überbewusstseins als ein
Zurückweichen in ein Vorbewusstsein oder Unbewusstsein" ist. Theologisch
betrachtet, entspricht seine Interpretation der bekannten mystischen Deutung:
"In der christlichen Tradition liegt der Brennpunkt dieser
"Erfahrung" nicht im individuellen Selbst als dem getrennten,
begrenzten und zeitlichen Ego, sondern in Christus und dem Heiligen Geist
"innerhalb" dieses Selbst (S. 70). Nach dem Zen-Verständnis
entspricht dieses Selbst nicht dem Ego-Selbst; dieses Selbst, das das Ego
ausschließt, ist die Leere. Versuchen wir, von diesem häufig missverstandenen
Begriff der buddhistischen "Leere" eine Brücke zur christlichen
Deutung dieser Zusammenhänge zu suchen, so werden sie uns von Merton sehr
erhellend interpretiert. Zunächst einmal sieht er, dass der Geist dem Menschen
etwas vermittelt, das uns geschenkt wird "in Christus" als ein
transzendentes Überbewusstsein von Gott und von "dem Vater".
"Jede transzendente Erfahrung ist für den Christen eine Teilhabe am 'Sinn
Christi': 'Diese Gesinnung heget in euch, die auch in Christus Jesus war […],
der sich selbst entäußerte […] gehorsam bis zum Tode […]. Daher hat ihn auch
Gott über die Maßen erhöht und ihm den Namen geschenkt, der über jeden Namen
ist' (Phil 2,5-10). Diese Dynamik der Entäußerung und der Transzendenz ist das
deutliche Merkmal der Umwandlung des christlichen Bewusstseins in Christus. Es
ist eine kenotische Umwandlung, ein Ausräumen des Ego-Bewusstseins in seinem
ganzen Inhalt, um eine Leere zu werden, in der sich das Licht Gottes oder die
Glorie Gottes, die ganze Ausstrahlung der unendlichen Wirklichkeit seines
Seins und seiner Liebe offenbart"34). Es ist für T.Merton von großer
Wichtigkeit, festzuhalten, dass der Weg der "Selbst-Entäußerung" oder
der "Selbst-Vernichtung" das Gegenteil von Selbst-Bestätigung,
Selbst-Erfüllung oder Selbst-Verwirklichung ist. "Deshalb halten diese
[höheren religiösen] Traditionen es für notwendig, in starken, negativen Worten
über das zu reden, was dem Ego-Subjekt widerfährt; statt von dessen
'Verwirklichung' in seiner eigenen beschränkten Selbstheit zu sprechen, wird
gesagt, dass es [das Ego] vielmehr vollkommen von der Bühne verschwindet"
(S. 72). Wir fassen zusammen: Solange man sich noch an seine eigenen vertrauten
Ansichten und Denkgewohnheiten klammert, ist es mit Paulus notwendig, sich von
der sklavischen Abhängigkeit der "Weisheitsrede" (1 Kor 1,17) zu
befreien. Das "Wort vom Kreuz" wird von Gott benutzt, "um die
Klugheit der Klugen" (1 Kor 1,18-21) zu zerstören. Erst die "Torheit
Gottes" (1 Kor 1,27ff) lässt den Menschen "in sich eine geheime und
geheimnisvolle Kraft, die die Kraft des in ihm lebenden Christus als Grundlage
eines vollkommen neuen Lebens und neuen Seins ist" (1 Kor 2,1-4),
erfahren. Dieses unbeachtete "Wort vom Kreuz" will in seiner Fülle
"gehört" und "empfangen" werden. Es hat, wenn es zu seinem
Ziel, nämlich der Wesensumwandlung eines Menschen kommt ("Nun lebe nicht
mehr ich, Christus lebt in mir" (Gal 2,19f), in sich die Dynamik, dass man
"mit Christus ans Kreuz geheftet ist", "sodass das Ego-Selbst
nicht mehr das Prinzip unserer geheimsten Taten ist, die nunmehr von Christus
ausgehen, der in uns wohnt" (S. 63). "Das Wort vom Kreuz empfangen,
bedeutet die Einwilligung in eine vollständige 'Selbst-Entleerung',
Selbst-Entäußerung, eine Kenosis, in Vereinigung mit Christus, der 'sich
selbst entäußert und gehorsam bis zum Tode' ist. Für echtes Christentum ist es
wesentlich, dass diese Erfahrung vom Kreuz und der Selbst-Entleerung
Mittelpunkt im Leben des Christen ist, so dass er den Heiligen Geist in seiner
Fülle empfängt und alle Reichtümer Gottes in und durch Christus [...] erkennt"35).
Merton zitiert einen Satz von Gabriel Marcel, der von großer Lebensweisheit
zeugt: "Es gibt Schwellen, die wir durch das Denken allein, wenn wir es
sich selbst überlassen, niemals überschreiten können. Es ist eine Erfahrung
notwendig – eine Erfahrung von Armut und Krankheit" (S. 63f.). "Die
Wiedergeburt, die 'der endgültigen Integration' vorangeht, schließt eine Krise
ein, die äußerst schwer ist" (Ott, Thomas Merton, S. 83). "Für den
Christen führt der Weg in diese 'Identität' durch eine Erfahrung tiefster
Nicht-Identität – als Ablösung, als Leere, als Nacht, als Angst, als Ohnmacht,
als Wehrlosigkeit, als der paradoxe Schwebezustand zwischen Himmel und Erde
[…]. Der Weg in diese Nicht-Identität kann gewagt werden und wird möglich in
der Nachfolge Christi; er gab seine göttliche Identität auf um seiner
Nicht-Identität im Fleische willen, um seiner Erlöser-Identität, um der
paradoxen (nichtidentischen) Identität als Gekreuzigter und Auferstandener
willen. Menschliche Gewissheit zerbricht an dieser Glaubens-Identität"36).
Diese Identität, die in eine Nicht-Identität übergeht,
findet im Rahmen der Gedanken über die Mystik sowie über "Schaffen und
Sein" etwa bei Berdjajew die Formulierung, die an Meister Eckhart
erinnert: "Für diese Mystik geht der Mensch ganz und gar in der Welt auf
[…]. Wenn Gott in dem Menschen geboren wird, stirbt der Mensch" (Der Sinn
des Schaffens, S. 135). Diese "Sterbe-oder Vernichtungs-Erfahrung"
könnte auch mit der Erfahrung des "Nichts" parallelisiert werden.
K.Nishitani hat darauf hingewiesen, dass das von ihm
in den Blick genommene "Selbst" nicht wie ein Ding vorgestellt
werden dürfe. Auch diese schwierige Aussage erhält von T.Merton eine klärende
Interpretation, wenn er sagt, es sei wichtig, dass im "Verschwinden des
Ego-Selbst" die Person weder ihren metaphysischen noch physischen Rang
verlöre noch in eine "Nicht-Identität" zurückkehre, "sondern
dass ihr wirklicher Stand ganz anders ist, als uns dies unserer Erfahrung
gemäss zu sein scheint. Deshalb ist es überaus wichtig für uns, Abstand zu
nehmen von der üblichen Vorstellung, als ob wir selbst potentielle Subjekte von
besonderen und einzigartigen Erfahrungen oder Anwärter auf Verwirklichung,
Erlangung oder Erfüllung sein könnten. Mit anderen Worten: Es will besagen,
dass ein geistlicher Führer, der sein Brot wert ist, eine unbarmherzige
Kampagne gegen alle Formen von Selbst-Täuschung führen wird, die geistlichem
Ehrgeiz und Selbstgefälligkeit entspringt, und das Ziel hat, das Ego in eine
geistliche Glorie zu versetzen. Deshalb war der hl. Johannes vom Kreuz ein
entschiedener Gegner von Visionen, Ekstasen und allen Arten von
"besonderen" Erfahrungen. So gilt: "Hier müssen wir sehr
vorsichtig sein. Das 'heilige Objekt' [wie z.B. die Vision u.s.w.] muss insofern
zerstört werden, als es ein Idol ist, das die geheimen Wünsche, Sehnsüchte und
Kräfte des Ego-Selbst verkörpert" (S. 73). Von hier aus wird auch der
Gedanke Paul Tillichs – sein protestantisches Prinzip – einsichtiger, dass
Jesus Christus als der Träger des "neuen Seins" sich hat kreuzigen
lassen, um nicht als "historisches Idol" verehrt werden zu können. Es
ist dieses Geschehen vorbildhaft auch darin, dass ebenso das menschliche
"Ego" gekreuzigt werden muss, um dem transzendentalen Ich, das im
Seinsgrund verwurzelt ist, und seiner ewigen Wahrheit Platz zu machen. Die
Kreuzigung des Endlichen und Irdischen an Jesus Christus verweist auf das
Unendliche der Botschaft vom "neuen Sein", die er brachte und lebte.
Nicht umsonst heißt es im Johannes-Evangelium: "Es ist gut für euch, dass
ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, so wird der Helfer nicht zu euch
kommen" (Joh 16,7).
Es kann hier auf die Warnungen T.Mertons hingewiesen
werden, verführt durch eine falsche Mystik, in die Sucht nach spirituellen
Erfahrungen zu kommen. So sei es falsch – schreibt E.Ott – diese Erfahrungen um
ihrer selbst willen zu suchen. "Dass sie gesucht werden, um der Angst und
der Begrenztheit zu entfliehen und um das individuelle Ich als Objekt zu
bestätigen, und zwar als frei von allen Einschränkungen: Die Versuchung durch
den modernen Pseudo-Mystizismus ist vielleicht eine der schwersten und
subtilsten […]. Es geht hier um einen spirituellen 'Trick', bei dem das Ich,
während es scheinbar sich selbst verleugnet, tatsächlich endgültig sich zum
Zentrum unbegrenzter und himmlischer Freuden bestätigt […]. Man hat die
Eintrittskarte nicht bezahlt, man hat sein individuelles Erfahrungs-Ich nicht
verleugnet'" (E.Ott, a.a.O., S. 132).
Kaum ein Gedanke ist in der theologischen
Ausdrucksform, insbesondere dem egoverhafteten und darum objektgebundenen
Westeuropäer, schwieriger zu vermitteln als der, dass im "Nichts"
zugleich die "Fülle" liegt. Wer bei Nikolaus von Cues in die Lehre
gegangen ist, dem wird diese dialektische Sprache nicht fremd sein. Hier werde
mit T.Merton der Sachverhalt vertieft: "Der Mensch, der wirklich seine
geistliche Nacktheit [sein "Nichts" im Sinne von Meister Eckhart]
gefunden hat, der begriffen hat, dass er leer ist, ist nicht ein Selbst, das
Leere erlangt oder leer geworden ist" (S. 128). Es ist
vielmehr der Mensch, der "die Gottähnlichkeit vollständig wiedererlangt
hat und jetzt ganz er selbst ist, weil er verloren ist in Gott […]. Alles, was
er weiß, ist Liebe"37). Diese Liebe, die von den Asketen der Wüste – etwa
Evagrios Pontikos – noch gelebt und gelehrt wurde, erschloss sich ihnen in der
Kontemplation, "die sogar den reinsten und geistlichsten Gedanken
ausschließt und für überhaupt keine Vorstellung Raum hat. An dieser Stelle
schlägt T.Merton die Brücke zwischen westlicher und östlicher Mystik: "Da
die Zen-Schau ein unmittelbares, metaphysisches Bewusstsein jenseits des
empirischen, reflektierenden, wissenden, wollenden und redenden Ego erwecken
will, muss diese Bewusstheit sich selbst unmittelbar gegenwärtig sein und darf
weder durch begriffliches, reflexives noch bildhaftes Wissen vermittelt werden
[…]. In diesem Sinne 'lehrt Zen nichts', es befähigt uns nur, aufzuwachen und
gewahr zu werden. Es lehrt nicht, es zeigt"38). Dieser Prozess des
Aufwachens reißt den Schläfer aus einem Tiefschlaf eines gleichsam ihm nun erst
deutlich werdenden bzw. erst nachher gewordenen unbewussten Zustandes über das
ihm geläufige Bewusstsein des Alltags hinaus in ein
"Überbewusstsein", in ein neues "Erkennen" aus dem Geist.
Es ist – christlich gesprochen – ein häufig dramatischer Gang durch Tod und
Auferstehung in ein Leben und Bewusstsein einer neuen Art und Dimension. A. von
Speyr hat dies gemäß ihrem eigenen Erleben anschaulich in ihren Schriften
dargestellt.
Der
japanische Philosoph D.T.Suzuki führt das oft missverstandene Wort
"Nichts" einer Klärung zu: "Nichtvorhandensein, Erloschensein,
leerer Raum – all das hat nichts mit dem buddhistischen Begriff 'Leere' zu tun.
Die buddhistische 'Leere' (oder Leerheit) liegt nicht auf der Ebene des
Relativen. Sie ist absolute, vollkommene Leere, die alle Formen gegenseitiger
Abhängigkeit, Subjekt und Objekt, Geburt und Tod, Gott und Welt, Etwas und
Nichts, Ja und Nein, Bestätigung und Negation, übersteigt. In der Leere (oder
Leerheit) der Buddhisten gibt es weder Zeit noch Raum, noch Werden, noch
Nicht-Sein. Sie ist das, was all diese Dinge möglich macht. Sie ist ein Nichts
voll unbegrenzter Möglichkeiten, eine Leere voll unerschöpflicher
Inhalte"39). Sie ist in gewissem westeuropäischen Sinne das "Sein",
soweit es uns möglich ist, dieses wiederum mit dem "Nichts" zu
identifizieren, ohne ihm auch nur eine Spur von Gegenständlichkeit beizuordnen.