Gedanken zur
christlichen Spiritualität aus östlicher und westlicher Sicht
(Berdjaev/Bambauer) 10
Anmerkungen (Schluss)
43) S.Ueda, Das Nichts und das Selbst im
buddhistischen Denken: zum west-östlichen Vergleich des Selbstverständnisses
des Menschen", in: Studia Philosophica, XXXIV, 1974, 144-161, hier S.
145f., zitiert bei Frambach, Identität und Befreiung, S. 156. Diese Klassifikation
erinnert an die Bestimmung der Subjektivität im Deutschen Idealismus: "Die
Subjektivität ist keine Substanz, der das Denken innewohnt"
(Schulz, Ich und Welt, S. 15). Ebenso vgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes:
"Es kommt nach meiner Einsicht, welche sich nur durch die Darstellung des
Systems selbst rechtfertigen muss, alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz,
sondern ebenso sehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken" (S.
22f.). "Diese Subjektivität konstituiert sich selbst als die Einheit
(Identität), die sich als Ich ihrer selbst als Subjekt-Objekt bewusst ist"
(Schulz, Ich und Welt, S. 15). Freilich sieht Schulz in der Subjektivität zwei
Tendenzen miteinander verbunden: die eine ist die, dass sich das Subjekt
vergegenständlicht. Die andere Tendenz läuft darauf hinaus, dass die
Selbst-Vergegenständlichung von Grund aus verkehrt ist; "weil es der Idee
der absoluten Freiheit widerspricht" (Schulz, Ich und Welt, S. 18). Beide
Tendenzen sieht Schulz in der Subjektivität faktisch verbunden. Zen
zielt darauf ab, die Selbst-Vergegenständlichung des Subjekts zu überwinden.
Die Intentionen und die Haltung des Zen sind dem Westeuropäer so schwer zu
vermitteln, weil das Objektivieren ein Grundzug der Subjektivität ist.
44) Thich Nhat Hanh, Schlüssel zum Zen, Freiburg 1995,
S. 81f. Zit. Thich Nhat Hanh, Schlüssel zum Zen.
45) Nishitani, Was ist Religion?, S. 49.
46) D.T.Suzuki, Amida – der Buddha der Liebe,
Bern-München 1974, S. 36. Zit. Suzuki, Amida.
47) Suzuki, Amida, S. 37.
48) H.U. von Balthasar, Theologik I, Wahrheit der
Welt, Einsiedeln 1983, S. 268ff. Mit von Balthasar können wir ergänzen:
"In sich ist die Identität des unendlichen Seins und des unendlichen
Bewusstseins, somit absolute, unbedingte, auf keinen anderen Grund als sie selbst
zurückführbare Souveränität. Weil diese Selbstherrlichkeit unmittelbar eins ist
mit dem unendlichen Sein und der unendlichen Erkenntnis, fällt sie zusammen mit
der unendlichen und unbedingten Notwendigkeit, und es kann auch in Gott von
seiner Selbstbestimmung keine Notwendigkeit unterschieden werden, von der sie
in irgendeiner Beziehung abhängig wäre. Die Wahrheit Gottes ist Identität von
Notwendigkeit und Freiheit: Gott ist frei, was er notwendig ist, und notwendig,
was er frei ist. Er begründet sich selbst, und diese Selbstbegründung ist ein
Ausdruck seines Wesens und dafür, dass er absolute Person ist" (a.a.O., S.
273).
49) Erich Neumann, Der mystische Mensch, in:
Kulturentwicklung und Religion, Zürich 1953. Zit. Neumann, Kulturentwicklung
und Religion.
50) Neumann, Kulturentwicklung und Religion, S. 150f.
51) Neumann, Kulturentwicklung und Religion, S. 152.
52) E.Neumann, Der schöpferische Mensch und die
Wandlung, in: Der schöpferische Mensch, Zürich 1959, S. 12. Zit. Neumann, Der
schöpferische Mensch.
53) Hegel, Phänomenologie des Geistes, S. 36.
54) Neumann, Der schöpferische Mensch, S. 26.
55) N.Berdjajew, Der Sinn des Schaffens, Tübingen
1927, S. 27f. Vgl. zum Philosophiebegriff Berdjajews auch: K.Albert, Vom
philosophischen Leben, Würzburg 1995, die Betrachtung "Berdjaev über
Philosophie als Leben im Geist" (S. 69-80, hier bes. S. 73f.)
56) Albert, Mystik und Philosophie, S. 223.
57) Berdjajew, Der Sinn des Schaffens, S. 180f.
58) Merton, Weisheit der Stille, S. 132.
59) Suzuki, Der westliche und der östliche Weg, S. 42.
Was die Zen-Tradition angeht, so verdeutlicht eine von K.Albert zitierte
Äußerung D.T.Suzukis am besten den Sachverhalt: "Wie schwer und doch wie
leicht ist die Wahrheit des Zen zu verstehen! Schwer, weil sie verstehen, sie
nicht verstehen ist; leicht, weil sie nicht verstehen, sie verstehen ist"
(nach Suzuki, Die große Befreiung, S. 77, zit. bei Albert, Mystik und
Philosophie, S. 50). Östliche Denker sind sich an dieser Stelle einig:
"Der Intellekt, die Vernunft und das logische Denken werden nicht
eliminiert, sondern nur in ihre Grenzen gewiesen als notwendige Werkzeuge des
raumzeitlichen Daseins, so wie das 'Ich' als relatives Bezugszentrum unseres
Denkens seine Existenzberechtigung hat" (Govinda, Durchbruch zur
Transzendenz, S. 269). Es soll hier – etwa gegenüber dem westlichen
philosophischen Denken – keine Abwertung der notwendigen strukturierenden
Ich-Funktionen stattfinden, wie Lama A.Govinda sehr deutlich betont:
"Bewusstheit ist augenscheinlich – wenn wir die Entwicklung des
organischen Lebens von seinen Ursprüngen her verfolgen – an ein gewisses Maß
von Differenzierung und Zentrierung gebunden, woraus hervorgeht, dass
Individualisierung die Voraussetzung für die Bewusstwerdung des Universums ist,
oder dass, mit anderen Worten, das Individuum und das Universum die beiden
voneinander untrennbaren Pole derselben Wirklichkeit sind" (Durchbruch zur
Transzendenz, S. 271). Die Konsequenz, die Lama A.Govinda aus der Entwicklung
zieht, ist diese: "Die Aufhebung oder Verneinung der Individualität würde
daher nicht zur Verwirklichung der Universalität führen, sondern ebenfalls zu
ihrer Aufhebung, während die Verneinung der Universalität zugunsten der
Individualität zur Erstarrung und zum seelischen Tod führen würde". Es
gibt daher für den Menschen "keinen Zugang zur Transzendenz, es sei denn
über eine Auseinandersetzung mit der im Ich zentrierten Ordnung"
(Dürckheim). Mit anderen Worten, wir müssen durch den vollen Gebrauch der
Ratio, der menschlichen Vernunft, der ordnenden Fähigkeit des logischen
Denkens, zu dem Punkt gelangen, an dem wir die Grenzen des Denkens erreicht
haben und über sie hinausschreiten können" (Durchbruch zur Transzendenz,
S. 271).
60) Suzuki, Die große Befreiung, S. 128.
61) Suzuki, Die große Befreiung, S. 132.
62) Karlfried Graf Dürckheim, Auf dem Wege zur
Transparenz, in: Transparente Welt. Festschrift für Jean Gebser, Bern 1965, S.
251f.
63) Suzuki, Amida, S. 89.
64) Govinda, Durchbruch zur Transzendenz, S. 268. Wenn
die erlebte Welt verwandelt wird, so sieht Lama A.Govinda die sinnlichen
Fähigkeiten der Wahrnehmung in diesen vom Geist synthetisierten
ganzheitlichen Verwandlungsprozess mit einbezogen. So sagt er in
"Durchbruch zur Transzendenz": "Die ursprünglichen
Sinnesqualitäten besitzen vielmehr, werden sie meditativ erfahren, in ihrer
Sinnlichkeit eine übersinnlich-sinnliche Tiefe. So erlebt und verstanden,
bilden sie eine Wurzel des übersinnlichen Geistes, der die Fülle des Lebens
aufschließt" (S. 270). Es "besteht die Transzendenz nicht in einer
Verleugnung des menschlichen Körpers oder des individuellen Bewusstseins,
sondern in der Einbeziehung, Erweiterung und Vertiefung aller menschlichen
Qualitäten" (S. 271). Hier trifft Lama A.Govinda sich mit der Beschreibung
einer Phänomenologie der Mystik von Georg Scherer, Die Welt als Grundverhältnis
und die Grenzen der Mystik, in: Festschrift für Karl Albert, Sankt Augustin
1991, S. 21-30, zit. Scherer, Die Welt als Grundverhältnis und die Grenzen der
Mystik, wo Scherer ausführt. "Zu den transzendenten Bedingungen der
mystischen Erfahrung gehört aber auch ihre Weltlichkeit. Wie sie nicht ohne das
erfahrende Ich gedacht werden kann, so auch nicht ohne Sinnlichkeit,
Materialität, Leibhaftigkeit und in all dem nicht ohne die Welt" (S.
26). Insofern ist mystische Erfahrung nie gnostische, sondern stets Geist,
Seele und Leib mit einschließende und transformierende Erfahrung, bzw. besser:
Widerfahrnis.
65) Aurobindo, Das Göttliche Leben Bd. I, 1, S. 86f.
66) Berdjajew, Die Philosophie des freien Geistes, S.
114.
67) Existentielle Dialektik des Göttlichen und
Menschlichen, S. 27.
68) Existentielle Dialektik des Göttlichen und
Menschlichen, S. 29.
69) Albert, Mystik und Philosophie, S. 22.
70) Albert, Mystik und Philosophie, S. 224. Vgl. dazu
auch die Hinweise bei Albrecht, Das Mystische Wort: "Dadurch [durch
Albrechts Phänomenanalysen der Mystik] werden Philosophie und Theologie dazu
herausgefordert und auf die Dauer wohl auch dazu genötigt sein, mystisches
Erleben zu beachten. Stellen sie sich aber der Mystik im Ernst, so können sie
es nicht damit bewenden lassen, deren unbezweifelbare, trugfreie Kernzone, das
mystische Erkennen, derart eingegrenzt und mühsam herausgeschält, zur Kenntnis
zu nehmen. Sie müssen die vielschichtige, vieldimensionale Fülle der
Erfahrungen akzeptieren […]. Werden mystisches Erleben und Erkennen in
Philosophie und Theologie verstanden und nicht mehr verdrängt, so wird ein
entschiedenes Umdenken unvermeidlich; nicht nur in den Prinzipien von
Psychologie, Erkenntnistheorie und, wie wir noch bemerken werden, der
Sprachphilosophie, auch in der Ontologie, in der philosophischen und
theologischen Anthropologie, also metaphysisch. Dieses Umdenken wird den
Interpretationen der Religions- und Kulturgeschichte eine andere Richtung geben
und womöglich ein neues Verständnis der Glaubenserfahrung, aber auch des
vermeintlichen oder wirklichen Unglaubens erschließen. Kurzum, im mystischen
Licht wird der Mensch sich und sein Dasein in der Welt anders verstehen
lernen" (S. 95f.). C.Albrecht legt großen Wert darauf, bei dem leider im
Abendland erfolgten Abbruch der Traditionen religiöser Praxis und damit auch
mystischer Disziplinen, festzuhalten, dass heute – weithin ohne sachgemässe
spirituelle Führung – der mystische Weg unkontrolliert von einzelnen
beschritten wird ."Und allzu oft verlieren sie sich in Wirrsal und Dunkel.
Dadurch wird es der theologischen wie der philosophischen Kritik leicht
gemacht, mystisches Erleben für unkontrollierbar, ganz und gar zufällig, ja,
für unzugänglich zu halten" (S. 97). Gegenüber einer nüchternen Aufklärung
über diese Sachverhalte wurde die "mystische Relation" aus
theologischem oder metaphysischem oder ideologischem Interesse" aufgelöst,
auf die Vorstellungen eines bloß privaten, innerpsychischen Geschehens reduziert;
"das bestenfalls Gegenstand psychopathologischer Untersuchungen sein
konnte" (S. 97). Albrecht plädiert dafür, "dass diese dem
Selbstverständnis des europäischen Menschen nahezu verschollenen Möglichkeiten
des Erlebens und Erkennens wieder ins Bewusstsein treten. Paradoxerweise wird
dies am wenigsten in den Theologien bemerkt" (S. 98).
71) Laing, Phänomenologie der Erfahrung, S. 128f.
72) Vgl. Scherer, Die Welt als Grundverhältnis und die
Grenzen der Mystik, S. 22f. Vgl. auch G.Scherer, Die Frage nach Gott, Darmstadt
2001.
73)
Thich Nhat Hanh, Schlüssel zum Zen, S. 155f.