Die Krisis
des Protestantismus 2
II.
Die
historische Tragödie des Protestantismus sehe ich in einer falschen und
unvollständigen Auffassung des christologischen Dogmas, d.h. des Mysteriums der
Menschwerdung Gottes, in der Abbiegung zum Monophysitismus, so daß die eine
Natur durch die andere verschlungen wird. Die Kehrseite des Monophysitismus
stellt der Nestorianismus dar, dem Calvin sehr nahe kommt. Der transzendente
Bruch zwischen Gottheit und Menschheit erzeugt auf dem Boden des
Protestantismus zwei entgegengesetzte Strömungen: einen extremen
Antihumanismus, eine Herabsetzung des Menschen, so daß er von dem Antlitz
Gottes verschwindet, oder einen Humanismus und Immanentismus, ein
Verschlungenwerden der Gottheit durch die Menschheit, wie er im
Anthropologismus Feuerbachs in einer letzten Ausgestaltung auftritt, insofern
als hier die Gottheit nur eine Projektion der menschlichen Natur ist.
Schleiermacher und Ritschl stehen auf der humanistischen Linie des
protestantischen Gedankens. K.Barth, Brunner, Gogarten, die zu den Quellen des
Protestantismus, zu Luther und Calvin, zurückkehren, auf der antihumanistischen
Linie, und sie neigen zu einer monistischen Negierung des Menschen. Das
widerspricht aber dem Dogma von der Menschwerdung Gottes, von der Vereinigung
zweier Naturen, die nicht aufgehoben werden und nicht verschwinden. Im
Barthianismus birgt sich ein sehr starkes alttestamentliches, vorchristliches
Element, das auch in Calvin stark wirksam ist. Eine transzendente Kluft
zwischen Gott und den Menschen, zwischen Schöpfer und Schöpfung behaupten
bedeutet nichts anderes als die Leugnung der Menschwerdung Gottes, der
Gottmenschheit Christi. Darum wird auch behauptet, daß es zwar eine Bewegung
von Gott zum Menschen gebe, aber nicht eine Bewegung vom Menschen zu Gott,
nicht eine Antwort der menschlichen Natur in einer entsprechenden Aktivität.
Das religiöse Phänomen wird hier eingliedrig, und die dialektische Theologie
hört auf eine solche zu sein, sie ist nicht mehr ein Dialog zwischen Gott und
Mensch, sondern nur noch ein Monolog Gottes. Der extreme Dualismus deckt sich
vom andern Ende her mit dem Monismus. Der absolute Transzendentismus führt
notwendig zur Zerstörung der Kirche als eines gottmenschlichen Organismus und
eines gottmenschlichen Prozesses, zu der Ablehnung einer Verehrung der Gottesmutter,
die im Lichte der sophia, der Weisheit, strahlende Kreatur ist und die
kosmische Grundlage der Kirche darstellt. [S. 17] Die weitere Folge ist die
Negierung der liturgisch-sakramentalen Seite des Christentums, in der die
Heiligung der kreatürlichen Welt geschieht. Im Christentum wird das
Transzendente immanent, und das ist doch die Hauptsache am Christentum. Und
dieser Immanentismus ist etwas ganz anderes als der Immanentismus
Schleiermachers und der deutschen Idealisten, der ja immer monophysitischer Natur
ist. Der Theozentrismus Barths ist als Ausdruck eines extremen
Transzendentismus eine Ablehnung des Theoandrismus, des Gottmenschentums. Darum
gibt es für den Barthianismus keine theosis, keine Vergottung der kreatürlichen
Welt, des Menschen und des Kosmos, die doch das Endziel des Christentums
darstellt. Die theosis ist im Christentum weder pantheistischer Monismus, noch
transzendenter Dualismus, sondern ein Drittes, ein großes Mysterium (7) und
eine große Paradoxie. "Der Messias ist das Ende des Menschen", sagt
Barth in seinem "Römerbrief". "Zwischen Gott und dem Menschen
besteht ein absoluter Gegensatz", lehrt Gogarten. An einer andern Stelle
lesen wir bei ihm: "Gott hat keinen Platz in der Welt, solange der Mensch
sich nicht vernichtet". "Entweder wir oder die Ewigkeit!" rufen
die Vertreter dieser Richtung aus. Das bedeutet eine letzte Herabsetzung des
Menschen, nicht der Sünde bloß, sondern auch des Menschen, während doch durch
die Tatsache, daß Gott Mensch wurde, die menschliche Natur erhöht und verherrlicht
ist. Jene Rede über den Menschen kann man nur führen, wenn Gott nicht Mensch
wurde, und wenn die zwei Naturen in Jesus Christus sich im Leben der Kirche
nicht dauernd vereinigten, das ein Leben des Gottmenschentums, des mystischen
Leibes Christi ist, in dem das ganze menschliche Geschlecht enthalten ist. Man
hat bei der neuen Strömung den Eindruck, als identifiziere sie den Menschen mit
der Sünde, als sei für sie das Ebenbild Gottes im Menschen endgültig
ausgelöscht. Einer [sic] solchen abwegigen Auffassung des Sündenfalls als einer
die gottebenbildliche Natur des Menschen völlig zerstörenden Tatsache finden
wir bereits bei Luther und Calvin. Und ganz mit Recht haben hiergegen die
katholischen Theologen ihren Einspruch eingelegt. Die Negierung des
Gottmenschentums führt zu einer Wertung Christi ausschließlich als eines
Mittlers, was der orthodox-kirchlichen Auffassung widerstreitet. Zwei Welten –
Himmel und Erde, Ewigkeit und Zeit, das Göttliche und das Menschliche bleiben
da durch einen tiefen Abgrund geschieden. Aber Christus hat diesen Abgrund
überschritten. In Christo wird das Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen
ein ganz unmittelbares. Für K.Barth erschöpft sich das ganze Christentum im
Wort Gottes; Gott redet und der Mensch muß hören. Aber Gott redet nicht bloß,
er wird Fleisch und Mensch. Wie verhält sich diese Strömung zu dem Wort des
heil. Athanasius des Großen: "Gott ward Mensch, damit der Mensch vergottet
werde"? Für uns sind diese Worte grundlegend, in ihnen haben wir das ganze
Christentum. In der östlichen Orthodoxie wird auch die Erlösung nicht juridisch
oder moralisch gewertet wie im westlichen Christentum, sondern physisch, d.h.
metaphysisch, d.h. ontologisch. Man könnte sagen kosmologisch als Fortsetzung
der Weltschöpfung. Im klassischen Protestantismus und im Barthianismus ist die
Kosmogonie eine alttestamentlich-biblizistische, nicht eine neutestamentliche.
Alttestamentlich, nicht neutestamentlich ist auch das calvinische Verständnis
des Lebenszwecks als eines Dienstes zu Ehren Gottes. Dieser Lehre [S. 18] folgt
auch K.Barth. Gott will herrschen, und der Mensch hat dieser Herrschaft zu
dienen. Gott ist der absolute, souveräne Monarch, vor allem der Monarch. Aber
dieser monarchische Aspekt in der Gottesauffassung ist auch kein christlicher
Aspekt. Hieraus fließt bei Barth die Unterstreichung des Zornes Gottes, der
Strafe, die Neigung, Gottes Barmherzigkeit zu verkleinern. Gott die Liebe,
Gott, der sich in dem Sohne offenbart hat, tritt stark zurück und wird von dem
alttestamentlichen Gott, der die Macht ist, verdeckt. Gott tut, was er will,
Gott ist frei, er steht jenseits von Gut und Böse. Dieses Motiv von Duns
Scotus, der Gott in einen willkürlichen Despoten verwandelt, ist im
Barthianismus sehr stark, so daß in dieser Bewegung ein Mangel christlicher
Liebe fühlbar wird, eine Auffassung des Christentums in erster Linie als einer
Religion der Angst und der Strafe. Dieser Typus ist in lbsens "Brand"
genial dargestellt, für den Kierkegaard Modell gestanden hat. Brand kennt den
Gott der Liebe nicht, und eine Stimme aus der Höhe muß ihm denselben in
Erinnerung bringen. Der gnadenlose Heroismus und Maximalismus widerspricht dem
Geist des Christentums. Der Maximalismus Kierkegaards ist ein trügerischer. Er
hat keine Ähnlichkeit mit der christlichen Heiligkeit und ist mit dem
Montanismus verwandt, den die Kirche abgelehnt hat. Für uns orthodoxe Russen
gibt es nichts Fremderes als Calvins Prädestinationslehre, nach welcher Gott
den einen zur ewigen Seligkeit, den andern zum ewigen Verderben geschaffen hat.
Obwohl wir in dieser Lehre die Kraft der reductio ad absurdum anerkennen
müssen, ist uns doch klar, daß das Problem des Verhältnisses zu Gottes
Allwissenheit und der menschlichen Freiheit im christlichen Bewußtsein nicht
gelöst ist. Für uns ist auch die Lehre des Seligen Augustinus unannehmbar. Ganz
und gar nicht zufällig waren fast alle östlichen Lehrer der Kirche von Origenes
bis zu dem heil. Maximus Konfessor Vertreter der allgemeinen Erlösung, der
Apokatastasis. Die Allgemeinheit, der kosmische Charakter der Erlösung, ist
eines der grundlegenden Motive auch des russischen religiösen Denkens.
Brunner
schreibt dem Trinitätsdogma, sowohl dem Schul- als auch dem biblischen Dogma,
keine Bedeutung zu. Es ist charakteristisch für den ganzen Protestantismus, daß
in ihm das Trinitätsdogma im Schatten bleibt. Es gibt einen Gott, eine
menschliche Seele, und einen Mittler zwischen Gott und dieser Seele – Christus.
Aber der Glaube an die Gottmenschheit Jesu Christi, daran, daß Er der
eingeborene Sohn Gottes war, kann außerhalb des Glaubens an die Dreifaltigkeit
der Gottheit keinen rechten Sinn bekommen. Unser Glaube an die Gottheit Christi
besagt, daß Er die zweite Hypostase in der Heil. Trinität ist. Ohne diesen
Glauben haben wir eine Zweiheit an Stelle der Dreiheit, aber die Zwei ist eine
unvollkommene Zahl, sie zeigt keinen Ausweg. Von dem Heiligen Geiste, der
dritten Hypostase innerhalb der Heiligen Trinität, wird fast nicht gesprochen,
und Er wird fast ganz mit der Gnade identifiziert, wozu auch die katholische
Theologie neigt. Das östliche Christentum ist hauptsächlich eine Religion der
Heiligen Dreifaltigkeit, mit einer besonderen Betonung des Heil. Geistes. In
dem Heiligen Geist ist die göttliche Energie der Welt immanent. Außerhalb des
Glaubens an die Heilige Dreieinigkeit bleibt nur ein monarchisches Verständnis
Gottes übrig. Sowohl Calvin als auch K.Barth [S. 19] behaupten die absolute
Monarchie Gottes, seine absolute Herrschaft und Ehre. Es ist das ein reiner
Monotheismus. Aber so paradox es auch klingen mag, es muß gesagt werden, daß
das Christentum keine monotheistische Religion ist. Am besten begreifen das die
orthodoxen Juden. Der reine Monotheismus ist jüdische, mohammedanische, nicht
christliche Religion. Für das christliche Bewußtsein ist die Gottheit nicht
absolute Monarchie, sondern Heilige Dreieinigkeit, d.h. unendliche Liebe und
Opfer. Jede der drei Hypostasen in der Heiligen Dreieinigkeit tritt in
unendlicher Liebe und Opferbereitschaft aus sich heraus. Nur die Lehre von der
Heiligen Dreieinigkeit ist eine Lehre von Gott als Liebe. Die
abstrakt-monotheistische, monarchische Auffassung Gottes ist eine
vorchristliche Stufe der Gotteserkenntnis, eine exoterische Lehre von Gott, für
die das esoterische Angesicht Gottes verborgen bleibt. Ja noch mehr, ohne
Christus, ohne die göttliche opferbereite Liebe kann man Gott nicht annehmen.
Er würde uns einen transzendenten Schrecken einflößen als mysterium tremendum.
Der reine Monotheismus führt immer zum transzendenten Dualismus und weiß nichts
von der Vereinigung von Himmel und Erde, von Schöpfer und Schöpfung, nichts von
der Fleischwerdung Gottes, dem zentralsten Mysterium des Christentums. Die
Entgottung und die tiefste Herabsetzung der kreatürlichen Welt ist die
unvermeidliche Folge eines reinen Monotheismus. Es ist das islamitische
Religion. Mit dem trinitarischen Dogma ist unlöslich die Verehrung der Jungfrau
Maria, der Gottesmutter, verbunden. Von hier aus wird auch das ganze Verhältnis
zur Schöpfung bestimmt. Ich habe das Buch Brunners mit ungeheurem Interesse
gelesen, weil ich die Spannung und Schärfe des Gedankens, das religiöse Pathos
in ihm fühlte. Als ich jedoch bis zu der Stelle kam, in der Brunner bekennt,
daß er nicht an die Geburt Jesu Christi von der Jungfrau glaubt, oder
wenigstens ihr gleichgültig gegenübersteht, wurde mir traurig zumute, und die
Sache wurde sogar langweilig. Denn mir schien es so, als werde nun alles
durchgestrichen, als sei nun alles weitere zwecklos. In diesem Punkte besteht
ein ganz radikales Auseinandergehen mit dem Protestantismus. Das ganze Wunder
des Christentums und sein ganzer Sinn liegt in der Geburt Christi aus der
Jungfrau Maria vom Heiligen Geiste, und ohne das gibt es kein Christentum. Wie
wir uns auch den Protestanten nähern mögen, wie wir auch mit ihnen arbeiten
werden, die Ablehnung der Verehrung der Gottesmutter reißt zwischen uns einen
Abgrund auf. Der transzendente Dualismus, der die Schöpfung entgottet, macht
den Glauben an die Geburt Christi aus der Jungfrau und die Verehrung Seiner
Mutter unmöglich. Die Geburt Christi, d.h. die Fleischwerdung und die
Menschwerdung Gottes, wird hier völlig weltlich aufgefaßt. Wir haben da keinen
kosmischen Prozeß, der eine verklärte jungfräuliche Kreatürlichkeit zur
Erscheinung bringt, um die Empfängnis des Logos in den Schoß der Erde möglich
zu machen. So muß denn auch die kosmische Basis für die Kirche dahinfallen.
Brunner sieht in dem Glauben an die Jungfrau, die Gottesmutter, eine
naturalistische Theorie der Parthenogenesis. Hier fühlt man deutlich einen
Abscheu vor der Natur, der kreatürlichen Welt. K.Barth, der in der Dogmatik
orthodoxer ist, gibt zu, daß Christus von der Jungfrau geboren wurde, aber das
Zugeständnis hat für ihn keine weiteren geistlichen Folgen, es führt nicht zum
Kultus der Gottesmutter, der dem Protestantismus immer als heidnischer
naturalistischer [S. 20] Kultus erscheint. Aber Heidentum heißt hier der
Kosmos, und wir kommen somit zu der Frage, wie das westliche Christentum sich
zum Kosmos verhält.
III.
In
dem christlichen Gedanken des Westens vollzog sich ein langer Prozeß der
Neutralisierung des Kosmos. Dieser Prozeß hatte seine Etappen. Schon bei dem
heil. Thomas von Aquino setzte derselbe ein. Er behauptete die Existenz einer
natürlichen Ordnung als einer selbständigen Sphäre, die von der supranaturalen
Ordnung geschieden und unterschieden ist. Die Neutralisierung des Kosmos war
das Resultat einer Stufengliederung. Natur und Gnade werden einander schroff
entgegengesetzt. Der heil. Thomas von Aquino ist eine Quelle des europäischen
Naturalismus geworden. Aber bei ihm finden wir doch noch den Kosmos als
hierarchische Ordnung (ordo), der alle Stufen eingefügt sind. Später vollzog
sich der Prozeß der Zerstörung des Kosmos in der antiken und mittelalterlichen
Bedeutung des Wortes. An die Stelle des Kosmos trat die Natur als Gegenstand
der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und der technischen Einrichtung. Luther
und der Protestantismus stellten eine weitere Etappe in der Neutralisierung des
Kosmos und folglich seiner Verweltlichung dar. Der Protestantismus bestimmte
das religiöse Leben durchaus als Verhältnis der menschlichen Seele, die dem
kosmischen Ganzen entnommen wurde, zu Gott. Und mag K.Barth auch noch so oft
behaupten, daß der Protestantismus nicht Individualismus sei, die
Neutralisierung des Kosmos, die Säkularisierung der Natur führt zwangsweise zum
Individualismus. Nicht bloß im Protestantismus haben wir Individualismus, er
findet sich auch im Katholizismus, soweit dieser nicht einräumt, daß die
menschliche Seele zusammen mit der Welt gerettet wird, daß die Rettung selbst
eine ökumenisch-kosmische, und nicht eine isoliert-individualistische
Angelegenheit ist. Für das westeuropäische Christentum verbleibt die
menschliche Seele nicht als organisches Glied in dem kosmischen Ganzen, in dem
allkirchlichen Kollektiv. Auch für das katholische Bewußtsein ist der
kirchliche Hierarchismus nicht als allkirchlicher, kosmischer Kollektivismus
gedacht, die kreatürliche Welt wird nicht als organisches Ganzes aufgefaßt, in
dem die göttliche Weisheit waltet. Der Protestantismus hat die menschliche
Seele noch mehr isoliert und ohne jede Beziehung zur kosmischen Einheit vor
Gott gestellt. Die Folge war eine völlige Säkularisierung der Natur, der Kosmos
verschwand, an seine Stelle trat ein toter Mechanismus. Die Verbindung zwischen
Himmel und Erde ward zerrissen, die Natur war nicht mehr durchglüht von göttlichen
Energien. Das "Supranaturale" des heil. Thomas von Aquino entschwand
dem herrschenden Bewußtsein Westeuropas, es blieb das "Natürliche",
aber losgerissen vom "Übernatürlichen". Man sieht Wege der
christlichen Erneuerung außerhalb eines lebendigen Verhältnisses zur Natur, zum
Kosmos, zur Schöpfung als Ganzem. In der christlichen Gedankenwelt des Westens
hat sich der göttliche, geheiligte Kosmos nur in der christlichen Theosophie
(die mit der heutigen populären "Theosophie" absolut nichts gemein
hat) von Paracelsus, Jakob Böhme, Pordage, Fr. Baader, teilweise bei Schelling
in der Lehre von der Weisheit erhalten. Das ist ein gewaltiges Verdienst der
christlichen Theosophie, und vor allen Dingen des größten christlichen
Theosophen, Jakob Böhme. Der christliche Osten war [S. 21] von Anfang an
kosmischer als der Westen, und das hängt mit seinem griechischen Quellgebiet
zusammen. Griechenland war die Offenbarung des herrlichen Kosmos, und mit ihm
war sein ganzes religiöses Leben verknüpft. Das ist in veränderter Form in die
griechische Patristik übergegangen. Bei Origenes, dem heil. Gregor von Nyssa,
dem heil. Maximus Konfessor ist die kosmische Gnosis viel stärker als in der
lateinischen Patristik, ebenso anthropologischer und psychologischer. Der
christliche Westen kommt von dem Seligen Augustin her. Dieser tiefere kosmische
Zug hat sowohl in der Liturgie als auch in dem Leben der Heiligen seinen
Ausdruck gefunden. Im byzantinischen mönchisch-asketischen Typus der
Frömmigkeit ließ das kosmische Element nach, aber in der russischen Orthodoxie
erneuert und kräftigt es sich wieder, weil diese als ihre kosmische Basis das
ursprüngliche russische Heidentum hatte, ein eigentümliches russisch-völkisches
Element, das durch das Christentum verklärt wird. Unser Durst nach kosmischer
Verklärung wird in unserm Osterfeste und in der Freude an der Auferstehung
eindrücklich.