Berdjajew / Frank 4
(6) Vgl. zum transzendentalen
Menschen bei Berdjajew: Ders. – Wahrheit und Offenbarung: Prolegomena zu einer
Kritik der Offenbarung (a. d. Engl. unter Hinzuziehung des russ. Textes übers.
und mit einer Einleitung vers. von K. und G.Bambauer), Waltrop 1998, S. 320
ff.; vgl. zu Berdjajews Kritik an Kants Anthropologie hinsichtlich ihrer
Implikationen für die Moralphilosophie: Ders. – Existentielle Dialektik des
Göttlichen und Menschlichen, München 1951, S. 113; vgl. zur Kritik an Kants
Glaubensauffassung: Ders. – A.a.O. (1930), S. 85; vgl. darüber hinaus zur
Interpretation Kants durch Berdjajew: K.Bambauer – Einführung zu Wahrheit und
Offenbarung, in: N.Berdjajew – A.a.O. (1998), S. 110-114; vgl. ebenso:
W.Dietrich – Provokation der Person, Nikolai Berdjajew in den Impulsen seines
Denkens Bd. 2, Gelnhausen 1975, S. 15 ff.
(7) In der Frage der
Objektivierungsmöglichkeit des Geistes besteht ein grundlegender Dissens
zwischen Berdjajew und Hegel: "Im Gegensatz zur Anschauung Hegels kann
keine Rede von einem objektiven Geist sein. Es existiert nur ein subjektiver
Geist, oder besser ein Geist, der jenseits des Subjektiven und Objektiven
steht. ‚Objektive Geistigkeit’: die Verbindung dieser beiden Worte stellt einen
Nonsens dar. Die Geistigkeit ist immer ‚subjektiv’ und widerstrebt der
Objektivierung. Der objektivierte Geist ist ein vertrockneter und verknöcherter
Geist." S.: N.Berdjajew – A.a.O. (1951), S. 126.
(8) Vgl. zur
Auseinandersetzung Berdjajews mit der russisch-orthodoxen Tradition die
Ausführungen Bambauers in: K.Bambauer – A.a.O., S. 24-26.
(9) Vgl.: C.Sorč – Die
perichoretischen Beziehungen im Leben der Trinität und in der Gemeinschaft der
Menschen, in: Evangelische Theologie Nr.2/1998, S. 100-119, S. 106.
(10) Vgl. dazu: R.Rössler –
A.a.O., S. 94 ff.
(11) Vgl. dazu: I.Kant –
Kritik der reinen Vernunft, 3. A. Hamburg 1990, B149.
(12) Vgl. dazu Berdjajews
Erläuterungen der Relation von wahrer Geistigkeit zur Reflexion: "Im
geistigen Leben wird die Wahrheit selber erreicht, sie wird aber nicht von
außen her aufgenommen und erkannt. Reflexion ist ganz und gar eine
Angelegenheit der objektiv-gegenständlichen Welt. Diese Reflexion sucht
qualvoll außerhalb der Wahrheit selber, außerhalb des Lebens und der
Wahrheit, und außerhalb des Innewerdens der Wahrheit nach Kriterien der
Wahrheit." S. N.Berdjajew – A.a.O. (1930), S. 43.
(13) Vgl.: Ders. – Von der
Bestimmung des Menschen. Versuch einer paradoxalen Ethik, Leipzig 1935, S. 47.
Böhmes ursprünglicher Gedankengang hebt mit der Frage nach der Herkunft des
Bösen angesichts der durchgängigen Vermischung von Gut und Böse in den Dingen
an und entwickelt sich dahingehend weiter, dass Gott als das Gute bzw. als der
gute Gott nicht Ursprung des Bösen sein kann, da Gott als Gutes schon in
Entgegensetzung zum Bösen gedacht wird und somit nicht das letzte bzw. erste
Prinzip sein kann. Gutes und Böses bedürfen selber einer Begründung bzw. eines
uranfänglichen Ursprungs und können als schon differenzierte Strukturen nicht
als absolut Begründendes fungieren. Dazu kommt noch der ethisch-religiös
motivierte Gedanke der Unmöglichkeit eines Gottes, der aus seiner Gutheit
heraus das Böse schafft und dadurch seinen Kreaturen willentlich Leid zufügt.
Dementsprechend muss nach Böhme ein göttliches Urprinzip angenommen werden,
welches der Entgegensetzung von Gut und Böse noch vorgeordnet ist und daher
auch noch als jenseits Gottes oder des Seins befindlich zu denken ist. Dabei
ist dieser Ungrund, wie er von Böhme genannt wird, streng genommen weder dem
menschlichen Denken noch der sprachlichen Artikulation zugänglich (Böhme selbst
wurde die Wahrheit des Ungrundes in einer überintellektuellen Schau offenbart).
Die zwangsläufig aufkommende Frage nach der Relation von Grund (Gott als das
Gute und als der Schöpfergott) und Ungrund (das der Differenzierung
vorausliegende Prinzip) löst Böhme mit der Trinitätskonzeption der christlichen
Theologie: Der Ungrund ist Gottes Sosein bzw. Ansichsein vor der Schöpfung und
vor seiner rationalen Fassbarkeit; er ist (im Anschluss an Viktorin) nur durch
einen sich selbst wollenden Willen ausgezeichnet, welcher (als ein wollendes
Nichts) auf nicht einsehbare Weise seine Identität verlassen hat und so zum
guten Schöpfergott geworden ist: "Dieser nur sich selbst wollende Wille
muß aber nun die Ursache für den weiteren Gottes- und Weltprozeß
sein. Der nur sich selbst anziehende Wille, das nur sich selbst sehende Auge
muß aus dieser kreisförmigen Bewegung in eine spiralförmige übergegangen sein.
Sonst wäre der Ungrund nicht auch Grund der Welt geworden. Aber: Zum Grund muß
der Ungrund erst werden, er muß sich also verändern; seine Identität
mit sich selbst, die so groß war, daß sie nicht zu beschreiben war, muß
der Ungrund verlassen haben, denn sonst wäre weder Gott noch Welt als von dem
Ungrund, der alles ist, dennoch unterscheidbare Größe." S.:
P.Steinacker – Gott, der Grund und Ungrund der Welt, in: Neue Zeitschrift für
systematische Theologie und Religionsphilosophie 1983, S. 95-111, S. 98. Was
die Interpretation Böhmes durch Schelling betrifft, so muss man leider mit
Koyré sagen, dass er in seiner Adaption des Ungrund-Konzeptes in seinem Werk
"Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen
Freiheit" aus dem Jahre 1809 eine Verzerrung des genuinen Standpunktes
Böhmes vornimmt, indem er zuweilen vom "dunklen Ungrund" spricht und
darüber hinaus Ungrund, Urgrund und Abgrund verwechselt; vgl.: A.Koyré – La
philosophie de Jacob Boehme, Paris 1971, S. 280 ff. Die diesbezügliche
Problematik besteht in dem Umstand, dass der Ungrund weder hell noch dunkel genannt
werden kann, da sein Wesen gerade in seiner Vorgegensätzlichkeit liegt, welcher
Sachverhalt mit einer derartigen Prädikation manifest verfehlt wird.
Unkritischer verfährt Ohashi, wenn er ohne Einschränkungen Schellings Anlehnung
an Böhme betont; in: R.Ohashi – Der Ungrund und das System, in:
O.Höffe/A.Pieper (Hrsg.) – F.W.J.Schelling. Über das Wesen der menschlichen
Freiheit, Berlin 1995, S. 235-252, S. 241 f. Koyré selber übersetzt
"Ungrund" mit "das Absolute, das absolut absolut ist" und
rechtfertigt sein Vorgehen mit dem Hinweis auf die totale Abgeschiedenheit des
Ungrundes von allem; vgl. dazu: A.Koyré – A.a.O., S. 320. Berdjajews Gedanke
einer Notwendigkeit der Unerschaffenheit der Freiheit ist nun da- hingehend
motiviert, dass Gott auch dann noch für das Böse verantwortlich wäre, wenn das
Böse aus der Freiheit des Menschen resultieren würde, da ihm diese Freiheit
wiederum von Gott verliehen worden wäre; vgl.: N.Berdjajew – A.a.O. (1935), S.
40; vgl. zur Bedeutung des unerschaffenen Nichts für das Entstehen des genuin
Neuen in der Philosophie Berdjajews: Ders. – Selbsterkenntnis. Versuch einer
philosophischen Autobiographie, Darmstadt 1953, S. 1953, S. 321; vgl. dazu
ebenso die erstmals von Klaus Bambauer aufgezeigten Bezüge des berdjajewschen
Begriffs des Nichts zum Prinzip des Schöpferischen in der Psychotherapie Erich
Neumanns und zum Nichts im Zen-Buddhismus, in: K.Bambauer – A.a.O., S. 78-87.
Fill weist in seiner instruktiven Untersuchung der unerschaffenen Freiheit bei
Berdjajew darauf hin, dass Berdjajews terminologische Berufung auf die
"me-ontische" Freiheit in Abgrenzung zu einer
"ouk-ontischen" Freiheit auf Schelling zurückzuführen ist, dessen
Freiheitsschrift Berdjajew – im Gegensatz zu Schellings anderen Werken -
außerordentlich schätzte; vgl. dazu: J.Fill – Metaphysik des Nichts (MH ON) bei
Berdjajew, in: Salzburger Jahrbuch für Philosophie X/XI, Salzburg/München 1966,
S. 321-360, S. 325; vgl. ebenso Berdjajews Erwähnung von Schellings
Freiheitsschrift in: N.Berdjajew – A.a.O. (1930), S. 192 Anm. 1.
(14) Immanente Kritik setzt
allerdings ein kontemplatives Sich-Übergeben des Philosophen an das Leben (also
die logische Selbstbewegung) des Gegenstandes voraus, so wie Hegel es in
unübertrefflicher Art und Weise in der Vorrede zu seiner "Phänomenologie
des Geistes" beschrieben und als Bedingung für eine wahrhaft logische
Erkenntnis gefordert hat; vgl.: G.W.F.Hegel – Phänomenologie des Geistes, 4. A.
Frankfurt 1993, S. 52 f.
(15) In seiner exzellenten
Einführung in das unlängst auf Deutsch erschienene Frühwerk Franks, "Der
Gegenstand des Wissens", stellt Peter Ehlen zu Recht den Unterschied der
differenzierten Ontologie Franks in Bezug zum parmenideischen Denken heraus: "Die
Einsicht des Parmenides, daß das Sein nicht als nichtseiend gedacht werden könne,
teilt Frank; indem er aber das Sein als ‚ewiges Leben’ denkt, läßt er die
parmenideische Seinslehre weit hinter sich. Das ist auch schon in seiner
Erkenntnislehre hinreichend deutlich gesagt." S.: P.Ehlen – Zur
Einführung in Franks philosophisches Denken, in: S.L.Frank – Der Gegenstand des
Wissens, Freiburg/ München 2000, S. 15-53, S. 39. Ehlen weist in diesen
Ausführungen neben Berdjajews Kritik auch noch Missinterpretationen Bulgakows,
Losskis und Senkowskis zurück und stellt dem ungerechtfertigten Pantheismus-Verdacht
dezidiert das Prinzip der All-Einheit im Sinne Franks und des Cusaners
entgegen: "Das all-eine Sein ist göttliches Sein. Dennoch ist Gott mit
keinem Einzelseienden oder ihrer Summe identisch; wohl aber ist er im Menschen
und in der Welt so gegenwärtig, daß diese auf begrenzte Weise selbst
göttlich sind." S.: A.a.O., S. 40. Gläser differenziert den
Seinsbegriff Franks in ein präsentisches Sein (das Sein als vom Menschen
erlebtes, aktuales), das einen Dualismus impliziert, und ein perfektisches Sein
(das Sein also sub specie aeternitatis), welches rein monistisch gedacht wird,
und kommt so im Anschluss an Bulgakow zu einer der Position Ehlens
entgegengesetzten Sicht, was das perfektisch betrachtete Sein betrifft: "Das
Sein im perfektischen Aspekt verliert seinen zweipoligen Charakter. [...].
Franks Monismus ist also nichts anderes als das Sein im perfektischen Aspekt.
In der Tat offenbart Franks Sein nicht das lebendige Bild eines Chaos, auch
wenn er dem Sein Leben, Freiheit, Potentialität und Werden zuschreibt. Franks
Sein offenbart abgeklärte Stille. Es ist ein statisches, geschichtsloses,
kosmisch-ewiges Sein. Es ist eingetaucht in das ‚Licht ohne Abend’, um mit
Bulgakov zu sprechen, es kennt weder Kampf noch Drang noch Chaos." S.:
R.Gläser – A.a.O., S. 166. Zu dieser Kritik ist zu sagen, dass Gläser durch
seine abstrakte Isolation beider der Antinomie des Frankschen Seins inhärenten
Aspekte der All-Einheit natürlich denjenigen logischen Knoten zerschlägt,
welcher der Realität in der Frankschen Philosophie ihr ewiges Leben eingehaucht
hatte: Der Witz des antinomischen Monodualismus besteht gerade in dem
Zusammendenken von präsentischem und perfektivischem Sein (um Gläsers
Terminologie einmal aufzugreifen), da sonst die Antinomie gar nicht zustande
kommen kann; vgl. dazu die Erläuterungen Franks in seinem Spätwerk
"Reality and Man": S.L.Frank – Reality and Man, London 1965, S.25 und
S. 35. Man fragt vergebens nach der Pointe des Vorgehens Gläsers, da er seine
Trennung beider Seinsaspekte nirgendwo begründet. Doch vor diesem Hintergrund
kann man nachvollziehen, warum er sich der Kritik Berdjajews anschließt, der
Monismus Franks ließe keine Bipolarität und somit keine plausible Behandlung
des Bösen zu; vgl.: R.Gläser - a.a.O., S. 164.
(16) Vgl. dazu die explizite
Kritik Franks an einem das Transrationale einengenden idealistischen
Rationalismus in: S.L.Frank – Das Unergründliche, Freiburg/München 1995, S.
139; vgl. zur Überbegrifflichkeit der Realität: Ders. – A.a.O. (1965), S. 41;
vgl. zur Transrationalität der All-Einheit: Ders. – A.a.O. (2000), S. 363.
(17) S.: S.L.Frank – Das
Unergründliche, Freiburg/ München 1995, S. 414.
(18) Vgl. dazu die
Erläuterungen Ehlens in: P.Ehlen – A.a.O. (2000), S. 40.
(19) Darüber hinaus muss man
betonen, dass Frank von mehreren All-Einheiten spricht (jedes Ich und jedes Du
ist ja schon eine All-Einheit), die sich als Wir zu einer aus All-Einheiten
zusammensetzenden All-Einheit in Freiheit vereinheitlichen; vgl.: S.L.Frank –
A.a.O. (1995), S. 204.
(20) Vgl. zum voluntativen
Aspekt der Wahrheit im Denken Berdjajews das folgende Zitat aus "Wahrheit
und Offenbarung": "Was eine ‚Tatsache’ genannt wird und welchem
eine besondere Realität zugeschrieben wird, ist schon eine Theorie. Wahrheit
ist ein Ganzes, sogar dort, wo sie sich auf einen Teil bezieht. Es ist gänzlich
falsch, der Wahrheit einen rein theoretischen Sinn zuzuweisen und in ihr eine
Art intellektueller Unterwürfigkeit im kognitiven Erkennen einer ihr von außen
gegeben Realität zu sehen. Es kann keine rein intellektuelle Wahrheit geben,
ein Element der Willensäußerung dringt unvermeidlich in sie ein. Der Mensch
findet die Wahrheit nicht in Dingen eingeschlossen, ihre Entdeckung ist selbst
die schöpferische Gestaltung der Wahrheit." S.: N.Berdjajew – A.a.O.
(1998), S. 185.
(21) Vgl.: S.L.Frank – A.a.O.
(1995), S. 73 ff.
(22) S.: A.a.O., S. 109 f.
(23) Vgl.: A.a.O., S. 297.
(24) Vgl. dazu das bekannte
Hegel-Zitat aus seiner Phänomenologie: "Die kraftlose Schönheit haßt
den Verstand, weil er ihr dies zumutet, was sie nicht vermag. Aber nicht das
Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt,
sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er
gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst
findet." S.: G.W.F.Hegel – A.a.O. (1993), S. 36.
(25) S.: S.L.Frank – A.a.O.
(1995), S. 388.
(26) S.: A.a.O., S. 293.
(27) Vgl. zum
vergegenständlichten Wir und seiner Macht: A.a.O., S. 263 f.
(28) Frank betont, dass das
gegenständliche und das innere Wir zwar untrennbar verbunden sind, doch
zugleich weist er auf den existierenden Widerspruch zwischen beiden
Sozialitätsformen hin; vgl.: A.a.O., S. 264.
(29) Plotin macht den Grad
des Mangels an Gutem, den die Hypostasen aufweisen, an ihrer Fähigkeit fest,
sich auf ihren Ursprung zurückzuwenden und sich in der Bewegung von unten nach
oben durch Entmaterialisierung (Abstraktion) wieder so zu vergeistigen, dass
sie mittels der einheitsstiftenden Kraft der nächsthöheren Hypostase den Weg
zurück in die Einheit mit Gott finden. Je materieller die Dinge geworden sind,
desto schwerer fällt es ihnen, sich umzuwenden und sich im Einen als ihrem
Ursprung wiederzuerkennen. Die Materie als gänzlich unflexible amorphe Masse
entbehrt des Einen und ist daher das Gegenteil des Göttlichen. Der Mensch ist
ein Zwischenwesen bezüglich des Einen und der Materie: Sein Geist drängt nach
oben zum Einen, doch sein Körper zieht ihn nach unten zur Materie und in die
Zerstreuung. Die Seele ist nun der Ort, wo sich entscheidet, ob der Mensch sich
zum Guten (Einen) oder zum Bösen (Vielheit der Materie) wendet. Da auch die
Materie aus dem Einen emaniert ist, kann es kein absolut Böses geben, da das
Böse als Verkehrung des Guten gedeutet werden muss, um den sonst entstehenden
Widerspruch zu vermeiden.
(30) Freilich gibt es
prinzipiell die Möglichkeit, durch das Modell der Trinität den entstandenen
Dualismus in einer dritten Instanz (Hl. Geist) wieder aufzuheben.
(31) Vgl. dazu die Ausführungen
von Ehlen in: P.Ehlen – A.a.O. (2000), S. 42 ff. Festzuhalten bleibt
jedoch, dass weder Plotin oder Cusanus, noch Frank das Problem des Bösen einer
wirklichen Lösung zuführen konnten. Während bei Plotin das Böse aus dem nicht
denkbaren, weil sich selber nicht denkenden Einen entspringt und Frank den
Grund des Bösen in das Unergründliche verlegt, kann der Cusaner nicht erklären,
warum es neben dem Absoluten noch ein eingeschränktes Absolutes gibt. Letztlich
steht man bei dem Problem des Bösen vor einem Dilemma: Wenn man das Böses auf
irgendeine Art und Weise logisch ableitet und somit erklärt, läuft man Gefahr,
es als Böses durch dessen Rechtfertigung aufzulösen und somit vielleicht
nicht ernst genug zu nehmen. Eine logische Deduktion der Notwendigkeit des
Bösen scheint dem Begriff des Bösen zu widersprechen und bedeutet darüber
hinaus ein immenses ethisches Problem. Auf der anderen Seite lässt der Verweis
auf die prinzipielle Unerklärbarkeit des Bösen einen äußerst unbefriedigenden
Eindruck zurück, da der Mensch in seinem Leid wissen möchte, warum er leiden
muss. Die Einsicht in die Unbeantwortbarkeit der Frage nach dem Sinn des
Leidens lässt dieses als ein noch größeres Übel erscheinen.
(32) An dieser Stelle soll
noch einmal betont werden, dass Frank selber die hegelsche Lösung der
Problematik, wie das Absolute zu denken sei (nämlich als absoluter Begriff),
explizit ablehnt; vgl.: S.L.Frank – A.a.O. (1995), S. 184.