Berdjajew, Die Lehre über die Sophia 2

 

 

III.

 

 

[S. 48] Die Gedanken J.Böhmes über den Menschen sind mit der Tradition der Kabbala verwandt. Böhme geht von der Existenz des Adam Qadmon, des Himmlischen Menschen aus. Doch sein Denken ist vom Christentum tief durchdrungen. In der Kabbala gibt es die Lehre von der Sophia-Weisheit. Die zweite Sephirah ist Chochmah, die Weisheit. In der Kabbala ist die Weisheit, die theoretische Vernunft, jedoch ein männliches Element. Binah, die praktische Vernunft, ist weiblich. (6) Die Böhmesche Lehre von der Jungfrau Sophia ist der Kabbala fremd und nicht aus ihr entnommen. Sie ist Frucht seiner tief christlichen Meditationen und Betrachtungen. Die alten Gnostiker kannten auch eine Sophia. Das weibliche Prinzip, dem im Judentum nur wenig Raum gegeben wurde, übernahmen sie aus Griechenland, aus der heidnischen Welt. (7) Es ist aber schwierig, etwas Gemeinsames zwischen der Helena des Simon Magus und der Sophia-Jungfrau Böhmes zu finden. Doch auch in der Gestalt Helenas ist ein tiefes Symbol, eine Ahnung verborgen. Man muss auch sagen, dass die mystische Gnosis Böhmes einen überkonfessionalen Charakter trägt. Der lutherische Protestant Böhme hatte in sich starke katholische Elemente, zugleich auch Elemente, die dem orthodoxen Osten verwandt sind. Als Theosoph im edlen und tiefen Sinne dieses Wortes nährte er in sich die ganze Weisheit der Welt. Dennoch stützt er sich stets auf die biblische Offenbarung. Mysterium Magnum, sein größtes Werk, ist biblische Esoterik. Böhme war eine hohe Idee vom Menschen zu eigen; darin sehe ich seine größte Bedeutung. Er erhielt diese hohe Idee vom Menschen aus einem vertieften Verständnis der biblisch-christlichen [S. 49] Offenbarung. Aus dem Christentum zog er anthropologische Schlüsse, die man bei den Kirchenvätern nicht findet. Er überwindet die Begrenztheit der alttestamentlichen Anthropologie und Kosmologie. Bei ihm spürt man das Wehen eines neuen Geistes, einer neuen Weltepoche. Er gehört zur Epoche der Reformation und der Renaissance und überschreitet zugleich ihre Grenzen. Sein Blick ist gleicherweise gerichtet in die Tiefe des Geistes und auf das kosmische Leben, auf die Natur. Böhme übte zuerst starken Einfluss auf England aus. Er wirkte auf George Fox, den Begründer des Quäkertums. Seine Werke wurden bereits früh ins Englische übersetzt. Newton und Milton lasen ihn. Doch war der englische Mystiker und Theosoph des 18. Jahrhunderts Pordage (e) der erste herausragende Vertreter seiner Ideen; und er erweiterte sie auch. Er vertritt ebenfalls die Lehre vom Auge des Ungrunds. Pordage schrieb ein Buch mit dem Titel: "Sophia". In ihr entwickelt er in Böhmescher Tradition die Lehre christlicher Theosophie von der Sophia. Auch für ihn ist die Sophia-Weisheit die Ewige Jungfrau. Die Sophienlehre Pordages hat zwar nicht die Frische und Ursprünglichkeit der Böhmeschen Meditationen, doch ist sie interessant und verdient Aufmerksamkeit als eine Weiterführung Böhmescher Ideen. Pordage sagt, die Sophia heile Wunden und stille den Durst derer, die in der Finsternis sind. (8) Im tiefen Abgrund erwacht der weise Geist. Die Weisheit wirkt gleichermaßen im Innern des Menschen. Die Jungfrau-Weisheit (Sophia) erscheint im Menschen als erneuerte Kraft (Sophia, S. 17). Pordage unterstreicht besonders, dass die Sophia-Weisheit im Menschen alles tue. "Die Weisheit ist mein innerer Ansporn, meine Leitung, meine Kraft, mein Motor, sie durchdringt [S. 50] mein Leben und bringt es hervor" (S. 21). Bei Pordage ist die Sophia die alldurchdringende göttliche Energie. Ihr Handeln ist dem des Heiligen Geistes sehr ähnlich. Er sagt, der Wein der Sophia sei ein starker Lebenstrunk (S. 26). Seine Sophienlehre könnte man vitalistisch nennen. "Und der Geist der jungfräulichen Weisheit ist die Mutter der Seele, ähnlich wie der Geist der Ewigkeit der Vater des ewigen Geistes ist" (S. 38). Pordage unterscheidet sehr deutlich zwischen Geist und Seele. Er sieht die ewige Persönlichkeit des Menschen in der Vereinigung von Geist und Seele. Der reine Wille ist für ihn der jungfräuliche Wille. Der jungfräuliche Wille liebt die Weisheit (vgl. S. 86). Das Herz Gottes lebt im Herzen des Menschen, und auch das Paradies muss man im menschlichen Herzen suchen. Gott lebt im Menschen und der Mensch lebt in Gott. An der wichtigsten Stelle zur Bestimmung der Sophia sagt sie über sich selbst: "Ich bin die jungfräuliche Weisheit meines Vaters, der ohne mich nichts tun kann, wie auch ich nichts vermag ohne den Vater, den Sohn und den Hl. Geist" (S. 123). "Ich bin eins mit der Hl. Dreieinigkeit. Was ich tue, wirkt der Vater, der Sohn und der Hl. Geist. Ich tue nichts von mir aus, sondern in mir wirkt die Hl. Dreieinigkeit" (S. 126). Es ist deutlich, dass für Pordage die Sophia nicht geschaffen ist. Er legt besonderen Nachdruck darauf, dass die Sophia in der Göttlichen Dreiheit einwohnt. Alle biblischen weiblichen Bilder, bis hin zur Jungfrau Maria, sind Typos und Vorausbild der Sophia (vgl. S. 146). Pordage geht bis zur Identifizierung der Sophia mit der Allheiligen Dreieinigkeit. Hierin geht er weiter als Böhme. "Ich, die Weisheit, bin gemäß meinem Wesen die reine Göttlichkeit und eins mit der Hl. Dreieinigkeit; was ich tue, wirkt [S. 51] in mir die Hl. Dreieinigkeit" (S. 161). "Der Dienst der Weisheit und die Erneuerung vollzieht sich durch das Feuer. Die Sophia wirkt wie Feuer. Der neue Himmel und die neue Erde sind ja nicht außerhalb des Menschen, sondern in ihm" (S. 162). Es ist aber sehr schwierig, bei Pordage eine genaue Definition der Sophia zu finden. Die Sophia ist auch der Geist Christi. "Der Geist der Weisheit und der Geist Christi ist ein und derselbe Geist ... Der Geist der Weisheit ist der Geist Christi und der Geist Christi ist der Geist der Weisheit" (S. 165). Zugleich ist die Sophia nichts anderes als die Liebe (vgl. S. 193). Der Mensch wird durch die Sophia eine neue Schöpfung und die Sophia erschafft die neue Erde. Die Sophia führt den Menschen in die neue Welt. Die Sophia erschafft die neue Erde für den ewigen Menschen. Dies ist aber nur für den geistlichen Menschen erkennbar. Für Pordage ist die Sophia die Kraft, welche die Schöpfung verklärt. Die Sophienlehre erhält einen umfassenden Charakter. Im Vergleich zu Böhme ist sie sehr ausgeweitet. Vor allem die Lehre vom jungfräulichen Menschen hat ihren deutlichen Charakter verloren. Die Sophiologie Pordages hat Ähnlichkeit mit der Sophiologie Vr. S. Bulgakovs. "Die Allheilige Dreieinigkeit tut und schafft nichts ohne ihre ewige Weisheit, wie auch die Weisheit nichts tun kann ohne die ewige Allheilige Dreieinigkeit ... Die Allheilige Dreieinigkeit handelt in der Weisheit und durch die Weisheit, und die Weisheit handelt in der Allheiligen Dreieinigkeit, durch sie und mit ihr" (S. 193). Ich denke natürlich nicht, dass Pordage irgendeinen direkten Einfluss auf Vr. S. Bulgakov hatte. Vr. S. Bulgakov erhielt seine Sophienlehre aus anderen Quellen, doch im grundsätzlichen Verständnis der Sophia gibt es zwischen ihnen Ähnlichkeit. Pordage verbindet die Sophienlehre eng mit der Lehre [S. 52] von der Hl. Dreieinigkeit. Der erste Einfluss Böhmes war also in England, vor allem auf Pordage. Dann in Frankreich auf Saint-Martin, einen sehr bemerkenswerten und einflussreichen christlichen Theosophen. (9) Unter den deutschen Böhmianern muss man Oetinger nennen (10) und Fr. Baader, vor allem Fr. Baader, den größten und bemerkenswertesten Böhmianer. Er ist in seiner Weltanschauung kirchlicher. Doch noch viel früher beeinflusste Böhme den großen katholischen Mystiker und Dichter Angelus Silesius. Böhme wirkte auch auf weite okkultistische, theosophische und mystisch-freimaurerische Kreise, doch wurde er häufig schlecht verstanden und vulgarisiert. (11)

IV.

In Russland kann man den Einfluss Böhmes bei unserem Naturtalent, dem Theosophen Skovoroda finden, obwohl auf ihn anscheinend Weigel stärker wirkte als Böhme. Vertreter mystischer und freimaurischer Strömungen am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts verehrten Böhme sehr, obwohl sie ihn nur schlecht kannten und verstanden: Novikov, Schwarz, Lopuchin, Labzin und andere. Zweitrangige christliche Theosophen wie Jung-Stilling und Eckartshausen (f) wirkten bei uns unmittelbarer. (12) Im 19. Jahrhundert nahm der russische Romantiker und Schellingianer Odoevskij Elemente der Böhmeschen christlichen Theosophie in sich auf, übrigens, mehr Pordage und Saint-Martin als Böhme selbst. (13) Mit Vl. Solov'ev beginnt die sophiologische [S. 53] Strömung in der russischen Religionsphilosophie und Theologie. Starb der Geist Jakob Böhmes in dieser Strömung? Unmerklich, unbewusst wirkte hier der Geist Böhmes, denn Böhme ist die Quelle der Sophienlehre. Vr. P.Florenskij und Vr. S.Bulgakov gehen bewusst von ihm aus, während Vl. Solov'ev ihn nicht gerne zitiert. Im Wesentlichen aber gibt es einen Unterschied zwischen den Sophienlehren Jakob Böhmes und der russischen Sophienlehre, wie sie bei uns formuliert wurde. Wenn man das Sophianische Böhmes und Vl. Solov'evs einander gegenüberstellt, muss Böhme deutlich der Vorzug gegeben werden. Wie auch immer man zur Lehre Böhmes stehen mag, sie zeichnet sich durch große Reinheit und Selbstständigkeit aus. Wenn sie auch nicht immer logische Klarheit aufweist, so ist sie doch stets ethisch deutlich. In ihr gibt es keinerlei Undeutlichkeit. Die ganze Sophiologie Böhmes entstand aus seiner Schau der himmlischen Reinheit und Jungfräulichkeit. Sie ist verbunden mit der Schau des Göttlichen Lichtes. Die irdische Aphrodite verstellt auch nicht für einen Augenblick die Schau der Göttlichen Sophia. Die irdische Sophia ist für ihn die Jungfrau Maria. Die Sophienlehre Böhmes ist voll und ganz christlich, in ihr gibt es keine heidnischen Elemente. Obwohl Vl. Solov'ev große Verdienste in der Problemstellung hat, kann man leider nicht sagen, dass seine Sophienlehre rein und selbstständig sei. Er ließ in seinen sophianischen Stimmungen große Unklarheiten zu. Davon zeugen seine Gedichte. Nach Ägypten reiste er nicht zur Begegnung mit der Sophia, der Himmlischen Jungfrau, der Weisheit Gottes. (g) Vl. Solov'ev vertrat einen Kult der Weiblichkeit, d.h. einen kosmischen Kult. In der Sophia reizten ihn Züge weiblicher Anmut. Es ist unstrittig, dass in weiblicher Schönheit ein Abglanz der göttlichen Welt ist. Johannes Klimakos hat folgende bemerkenswerte Stelle: "Jemand sah eine ungewöhnlich schöne Frau und rühmte ihretwegen überaus den Schöpfer. Allein von [S. 54] diesem Anblick entbrannte er in Liebe zu Gott und vergoss heiße Tränen. Es ist erstaunlich: Was dem einen zum Verhängnis wird, kann für einen anderen in übernatürlicher Weise eine Gelegenheit zu ewiger Herrlichkeit werden. Wenn ein Mensch in ähnlichen Situationen stets ein solches Empfinden und Verhalten zeigt, ist er bereits vor der allgemeinen Auferstehung unvergänglich auferstanden." (h) Dies schrieb ein überaus strenger Asket. Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass Vl. Solov'ev das Bild der Sophia zerteilt. So gibt es bei ihm trügerische Sophien-Bilder. Er suchte seine Jungfrau qualvoll in ihrem nächtlichen, unbewussten Element, und verwechselt sie häufig mit kosmischer Verblendung. Ihn quälte ein neues religiöses Sehnen danach, dass "im ewigen Lichte der neuen Göttin der Himmel mit dem Abgrund der Wasser verschmelze".

"Alles, wodurch die weltliche Aphrodite schön ist,
Freude an Häusern, Wäldern und Meeren, –
Alles ersetzt die unirdische Schönheit
Reiner, stärker, lebendiger und in größerer Fülle". (i)

Dies war ein echtes Sehnen nach religiöser Verklärung der ganzen Schöpfung, des ganzen Kosmos' in Schönheit. In den Augenblicken der Schau sah er stets "einzig und allein das Bild weiblicher Schönheit", das war die Schönheit des Kosmos. Der Kosmos ist das weibliche Geschlecht, der verklärte Kosmos ist die Schönheit. Die Sophia Vl. Solov'evs ist voll und ganz kosmisch, sie war nicht eine Schau der Göttlichen Weisheit. Sie hat nicht, wie bei Böhme und Pordage, eine direkte Beziehung zur Hl. Dreieinigkeit. "Das Bild weiblicher Schönheit" im Kosmos, in der geschaffenen Welt, kann nicht nur aus dem oberen, sondern auch aus dem unteren Abgrund erscheinen. Dann ist es Trug, gleißnerische Täuschung. Dann ist die Sophia losgelöst vom Logos. Sie nimmt den Logos nicht auf, d.h., es handelt sich um Weiblichkeit, [S. 55] und nicht um Weisheit. Die tragische Begegnung Vl. Solov'evs mit Anna Schmidt, die genial mystisch begabt war, zeugt von der großen Unglücklichkeit seiner sophianischen Stimmungen und seines Suchens. (14) Ihn erschreckte und stieß ab die unattraktive und unschöne Erscheinung A.Schmidts, der wichtigsten Frau, der er in seinem Leben begegnen konnte. Er suchte jedoch sophienhafte Anmut und Schönheit, er suchte die Züge einer irdischen Aphrodite. Als Romantiker fürchtete Vl. Solov'ev außerdem eine Verwirklichung seiner Ideen und war unfähig zu einer tieferen Begegnung mit ihr. Das Selbstverständnis Anna Schmidts als Sophia, Kirche und Braut wirkte sich in den sophianischen Stimmungen und Suchbewegungen Solov'evs als Zwielichtigkeit und Unklarheit aus. Größere Selbständigkeit und Höhe erreicht Vl. Salov'ev nur in seinem wichtigen Artikel "Der Sinn der Liebe".

Vl. Solov'ev beeinflusste sehr die russische Poesie vom Anfang des 19. Jahrhunderts, indem er ihr das sophianische Thema gab. Wir sehen dies bei A.Blok, A. Belyj und teilweise bei Vjačeslav Ivanov. Unser größter Poet Anfang des [20.] Jahrhunderts, A.Blok, übernahm die ganze Unklarheit der sophianischen Stimmungen Solov'evs. Vl. Solov'ev selbst glaubte an Christus und blieb dem Christentum treu. Die russischen sophianischen Dichter jedoch glaubten teilweise an die Sophia, nicht an Christus. Diese Sophia ist nicht mehr weise. Sie ist dem Logos fremd. Die Wunderschöne Dame A.Bloks ist diese unbekannte Sophia. Sie erregt ewig Anstoß und betrügt ewig, ihr Bild ist zwielichtig. Wir befinden uns hier bereits in einer großen Entfernung von Böhme. Ich halte es nicht für angebracht, die russische Poesie vom Anfang des 20. Jahrhunderts einem theologischen [S. 56] Urteil zu unterwerfen. Dies darf man nie tun. Wir erlebten zu Beginn des [20.] Jahrhunderts eine bemerkenswerte poetische Renaissance. Doch es gelangten auch trübe und entstellte sophianische Stimmungen in unsere Poesie. Die Dichter haben das Recht, die Wunderschöne Dame zu besingen. Sie können ausrufen: "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan". Doch dies ist ein ganz anderes Feld und ein anderer Bereich als die religionsphilosophische, theosophische und theologische Lehre von der Sophia, der Göttlichen Weisheit. Die russische theologische Sophienlehre unterscheidet sich natürlich sehr von dem dichterischen Sophientum. Vr. S.Bulgakov macht in seinen letzten Büchern die größten Versuche, eine gereinigte theologische Sophienlehre zu entwickeln, die mit der Überlieferung harmoniert. Er geht vor allem von der Sophienlehre Vl. Solov'evs aus; die Sophiologie J.Böhmes ist ihm fremd. (15) Vr. S.Bulgakov möchte Theologe, aber nicht Theosoph sein, darin liegt die Schwierigkeit seines Ansatzes. Doch kann seine Sophiologie von einer ganz anderen Seite aus kritisiert werden als von der eines vulgären und ignoranten Vorwurfs, es handle sich um "sophianische Häresie". Das Bewusstsein der Freiheit des menschlichen Geistes und seiner schöpferischen Berufung in der Welt kann die russische sophianische Richtung schwächen. Der Mensch ist umgeben von göttlich-kosmischer sophianischer Energie und sein Schicksal kann eine passive Machtlosigkeit sein. Das kosmische, weibliche Element beginnt, über die anthropologischen, männlichen Elemente zu herrschen. Dies hindert eine Stärkung des Bewusstseins der Persönlichkeit, persönlicher Aktivität und Verantwortlichkeit. Hinsichtlich der Böhmeschen Sophienlehre, vor allem seiner Anthropologie, die in das Zentrum die jungfräuliche Ganzheit des Menschen stellt, kann man nicht sagen, dass sie zu solchen Ergebnissen führte. [S. 57] Wir sahen, dass Böhme überhaupt keine monistische und pantheistische Neigung hat. Er unterwirft den Menschen nicht der Gewalt kosmischer Mächte, wie dies die Theosophen tun. Die Weltanschauung Böhmes ist personalistisch. Böhme selbst zog nicht alle anthropologischen Schlüsse aus seiner Lehre. Doch in ihr sind Grundlagen für eine christliche Anthropologie gegeben.

Bei Böhme gibt es einige verworrene Betrachtungen, eine fürchterliche Kompliziertheit in ihren astrologischen und alchemistischen Lehren und Terminologien. Doch bei ihm findet sich auch die reine Schau der Wahrheit. Er sah klar die Finsternis, das Böse, den Kampf, die Gegensätze des Seins, und er schaute die Göttliche Weisheit, die jungfräuliche Reinheit und das Licht. Er war ein Mensch, trunken von Gott und göttlicher Weisheit. Sein ganzes Wesen war auf das Herz Jesu Christi gerichtet. Seine Theosophie ist gesättigt mit Christologie. Das christliche Denken im Westen neutralisierte und säkularisierte den Kosmos. Dies vollzogen gleichermaßen Thomas von Aquin wie auch Luther. Der Kosmos der Gottheit, der in sich das Siegel des Schöpfergottes trägt und von göttlichen Energien durchdrungen ist, starb im Bewusstsein des christlichen Westens. Er wurde ersetzt durch die neutrale Natur, Objekt der Naturwissenschaft und Technik. Für Böhme enthüllt sich gemäß christlicher Theosophie und Kosmosophie der Geist in der Natur. Im Kosmos offenbart sich Gott, das ganze Leben der Welt wird begriffen als Symbol der Gottheit. Für Böhme steht nicht die Rechtfertigung im Zentrum, wie für Luther und auch für die katholische Theologie, sondern die Verklärung der Schöpfung. Das Thema der Sophia ist das Thema von der Möglichkeit einer solchen Umgestaltung. Böhme war kein Pantheist, er leugnete aber den transzendenten Abgrund zwischen Gott und Schöpfung, Gott und Welt. Er dachte den Weltprozess nicht als vollkommen außergöttlich, ohne Beziehung zum inneren Leben der Göttlichen Dreieinigkeit. Der Sinn der [S. 58] ganzen Sophienlehre besteht darin, dass durch sie ein drittes, vermittelndes Prinzip zwischen Schöpfer und Schöpfung eingeführt wird, ein vereinigendes Prinzip. Allein mit den Kategorien Gott-Schöpfer und Welt-Schöpfung kann man nicht den hoffnungslosen Dualismus und transzendenten Abgrund überwinden. Das Christentum beruhigt sich aber mit Transzendenz und Immenanenz und lässt in gleicher Weise weder eine Identifizierung zwischen Gott und Welt noch einen Abgrund zwischen ihnen zu. Die Schöpfung Gottes trägt in sich das Siegel des Schöpfergottes, das Siegel der Göttlichen Weisheit. Das Sophianische geht in sie über. Sonst gäbe es im Leben der Welt, im Kosmos und beim Menschen keine Schönheit, keinen Sinn und keine Eintracht. Das Sophianische ist die Schönheit der Schöpfung. Das Sophianische des Menschen ist seine Reinheit, Ganzheit, Keuschheit, Jungfräulichkeit. Diese Reinheit, Ganzheit, Keuschheit, Jungfräulichkeit gibt es in allem Geschaffenen, als Möglichkeit seiner Umgestaltung. Die Jungfrau Sophia entflog in den Himmel, aber ihr Bild spiegelt sich auf der Erde wieder und zieht die Erde zu ihr hin. Die Umgestaltung der Erde ist nur durch das Sophianische möglich. Eine völlige Ablehnung jeglicher Sophiologie führt zu einem toten dualistischen Theismus, schließlich zum Deismus. Gott verlässt endgültig die Welt. Die überragende Bedeutung J.Böhmes und der christlichen Theosophie des Westens liegt darin, dass sie aufstanden gegen eine Entgöttlichung und Neutralisierung der geschaffenen Welt, des Kosmos. Zugleich ist Böhme kein untragischer kosmischer Optimismus zu eigen. In der Welt wirkt nicht nur die Göttliche Weisheit, sondern auch die dunkle, irrationale Freiheit.

 

Schluss