Berdjajews
Vorfahren 2
Exkurs: Graf Choiseul-Gouffier und die
Kunstgeschichte
Graf
Marie Gabriel Florent Auguste Choiseul-Gouffier hatte während seiner Zeit als
Botschafter in Konstantinopel intensive kunstgeschichtliche Ambitionen. Seine
Kenntnisse legte er in umfangreichen Reisebeschreibungen nieder. Darüber hinaus
aber ist es von Wichtigkeit, dass seine Beschreibungen auch reich illustriert
waren. Aus englischen und französischen Quellen erfahren wir noch Näheres über
weitere Zusammenhänge. So vermitteln uns diese Quellen die Informationen
darüber, dass der französische Maler Louis-François Cassas (1756-1827) 1784 in
Konstantinopel als Mitglied des Gefolges des französischen Botschafters am
ottomanischen Hof ankam und in der Lage war, ausführlich durch die
verschiedenen Provinzen des türkischen Reiches zu reisen. Es sei einiges zu seiner
Biographie ausgeführt: Er wurde am 3. Juni 1756 in Azay-le-Ferron geboren und
starb am 1. November 1827 in Versailles. Er gilt in der Kunstgeschichte als
französischer Maler, Kupferstecher, Bildhauer und Archäologe. Er empfing eine
Ausbildung in der Malerei durch Joseph-Marie Vien, Jean-Jacques Lagrenée und
Jean-Baptiste Le Prince. Im Jahre 1778 reiste er nach Italien, wo er seine
Fähigkeiten als Landschaftsmaler und seine Leidenschaft für die Antike
entwickelte. Er reiste unablässig, zeichnete alles auf, was er sah und kam von
Rom nach Venedig, Neapel und Sizilien. Ein Beispiel seiner zahllosen Bilder,
von ihm dargestellt, ist: Ruins of the Baths of Titus Seen from the
Colosseum (Paris). Im Jahre 1782 wurde eine Gruppe von Amateuren unter dem
Patronat von Kaiser Joseph II. von ihm beauftragt, eine Serie von Ansichten der
Istrischen und Dalmatinischen Küste zu zeichnen. Nach einem kurzen Aufenthalt
in Frankreich folgte Cassas Marie-Gabriel dem Grafen von Choiseul-Gouffier auf
seinen neuen Botschafterposten in Konstantinopel im Jahre 1784. In der Folge
besuchte er Syrien, Ägypten, Palästina, Cypern und Kleinasien, indem er seine
Eindrücke von Alexandria, Kairo, Smyrna, dem Artemis-Tempel der Diana in
Ephesus und die Ruinen von Palmyra und Baalbek aufzeichnete. Viele von den 250
Zeichnungen, die von dieser Reise herrühren, waren bis jetzt ungezeichnete
Ansichten. Mit Choiseuls Unterstützung veröffentlichte Cassas diese Arbeiten in
Voyage pittoresque de la Syrie, de la Phoenicie, de la Palaestine et de la Basse
Aegypte, obwohl nur 30 Exemplare gedruckt wurden. Im Jahre 1787 verließ
Cassas Konstantinopel, kehrte über Rom nach Frankreich zurück und erreichte
Paris im Jahre 1792. Nach der Revolution wurde er zum Zeichen-Lehrer an der
École de l’image Gobelins ernannt, wo er bis zu seinem Tode blieb. Er schuf 74
Modelle in Kork und Terracotta nach dem Prinzip antiker Monumente für die École
des Beaux-Arts in Paris und beeinflusste damit die Entwicklung des
Neo-Klassizismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Aus
einer zweiten Quelle erfahren wir Weiteres: Louis-François Cassas, der
Choiseul-Gouffier nach Konstantinopel begleitet hatte, blieb dort nur einige
Wochen. Vom Ende des Jahres 1784 bis 1787 durchreiste er auf Kosten Choiseuls
Ägypten und Syrien. Die Zeichnungen, die er dort anfertigte, schließen Studien
von Architektur, Monumenten, Kleidung, Prozessionen, Tieren und Szenen aus dem
täglichen Leben ein. Während er in Ägypten war, zeichnete Cassas die Altertümer
von Alexandria, die Pyramiden von Gizeh und die Moscheen von Kairo. In Syrien
fertigte Cassas zahllose Zeichnungen von Palmyra an, und im Libanon schuf er
weitere Serien, die Baalbek illustrierten. Der Graf von Choiseul-Gouffier
(1784-92) arbeitete daran, um die französisch-türkischen Beziehungen zu vertiefen
und gab Bilder der Stadt Istanbul in Auftrag. Frankreich blieb ein dem
ottomanischen Reich sehr gewogener Verbündeter und der Sultan schmückte seinen
örtlichen Palast entsprechend. Einige seiner Frauen mussten französisches
Aussehen und französische Sitten annehmen, um den Pascha zu erfreuen.
Louis-François Cassas lebte und arbeitete an der französischen Botschaft
während der Jahre von 1784 und 1786. Er schuf eines der schönsten Bücher,
illustriert mit Bildern des 18. Jahrhunderts über den mittleren Osten.
Die
"Sammlung Choiseul-Gouffier": Wie einem Katalog des Jahres 1883 zu
entnehmen ist, besitzt das Museum Borély in Marseille, gegründet von
W.Froehner, zwei alte Werke aus Delos. Es handelt sich dabei um eine
Altarinschrift und eine trapezähnliche Stütze, deren drei Seiten verziert sind
mit Tiefen-Reliefs, die Leto, Apollon und Artemis darstellen. Leto war die
schöne Tochter der Titanen und gebar dem Zeus die beiden Kinder Apollo und
Artemis. Der geographische Ursprung der beiden Stücke ist erörtert worden. Es
ist unterdessen auch nicht in Abrede zu stellen, dass sie zur Sammlung des
Grafen Choiseul-Gouffier gehören. Sie sind heute in Marseille. Man muss sich
daran erinnern, dass der Botschafter des Königs in Konstantinopel, der seinen
Auftrag 1774 annahm, ein Antikenkabinett einrichtete, dessen größter Teil nun
im Louvre ist. Seine Exzellenz zog Nutzen aus den Diensten eines eifrigen
Verbindungsmannes, Louis-François-Sébastian Fauvel, der die wertvollsten
Marmorstücke aufspürte und Abdrücke von jenen anfertigte, die er nicht erwerben
konnte. Wenn er sie nicht nach Konstantinopel ausführen konnte, schickte er sie
nach Frankreich, wo sie in Marseille zentralisiert wurden. In ganz Griechenland
entfaltet sich sein Eifer. Delos wurde nicht ausgespart. In einem Brief,
unglücklicherweise ohne Datum und fragmentarisch, liest man: "Ich habe
auch den Plan von Delos gemacht; ich habe dort gesucht; viele Dinge waren den
Reisenden entgangen". Und Fauvet berichtet, dass er die Überreste des
Kolosses von Naxos gemessen und mehrere unveröffentlichte Monumente bemerkt
habe. Das Kupferstichkabinett der Nationalbibliothek hat mehrere Skizzen und
Entwürfe, aufgenommen während einer seiner Reisen, bewahrt. Der Graf von
Choiseul-Gouffier hatte sich selbst am 1. Juni 1776 auf die Insel des Apollo
begeben und von dieser Exkursion einen detaillierten Bericht, doch ohne alle
Originalität, gegeben. Der Graf hatte Fauvet gebeten, nach Santorin zu gehen,
"um dort ein Dutzend Erdarbeiter zu dingen und sie nach Delos zu bringen,
wo mein Sohn [der des Grafen] versichert, dass es dort mehrere schöne Altäre
und vieles von gutem Marmor zu nehmen gibt". Fauvet berichtet: "14
Kisten [Abdrücke von Athen zurückgebracht]. […] In Delos gefundene
Marmorobjekte, eine Statue aus Marmor sind in dem Brand von Smyrna zerstört
worden". Dieses Feuer zerstörte im Jahre 1797 einen Teil der Stadt.
Graf Antoine-Louis-Octav Choiseul-Gouffier
(1773-1840)
"Aber
Choiseuls ältester Sohn Graf [Antoine-Louis] – Octav Choiseul-Gouffier, also
N.A.Berdjajews Ur-Ur-Großvater (1773-1840) – blieb zurück und begründete den
russischen Zweig der Familie. Als er im Alter von 20 Jahren mit seinem Vater
nach Russland ging [dies müsste also ca. 1793 gewesen sein], war er schon
Offizier in der französischen königlichen Leibgarde und wurde nun auf einmal in
den russischen Militärdienst aufgenommen. Er machte gute Fortschritte und
erhielt das St.-Georgs-Kreuz für 'Tapferkeit gegen die polnischen Rebellen'
durch Suvorov11), unter dem er in Polen diente. Militärberichte zeigen, dass
Choiseul zum Hauptmann für das Rigaer Kürassier-Regiment ernannt worden war,
aber innerhalb von zwei Monaten zurückkehrte wegen 'Nichtankommens in Riga'. In
der Folge von der Herrscherin zu ihrem Kavalier-Garde-Regiment befohlen,
verließ er die Armee im Jahre 1795. Später (1812) wurde er als königlicher
Kammerherr mit Zivilangelegenheiten betraut.
Trotz
seiner Auszeichnung in dem Krieg gegen die Polen heiratete Graf
Antoine-Louis-Octav im Jahre 1801 die polnische Gräfin Victoria Potocka
(1780-1826, Tochter des Grafen Felix Stanislas Potocki (1752-1805) und der
Josephine-Amelia Mnishek (1752-1798). Doch die Ehe wurde geschieden, und sie
(Viktoria) verheiratete sich mit dem Grafen Bachmetieff. Graf
Antoine-Louis-Octav Choiseul-Gouffier verheiratete sich in zweiter Ehe im Jahre
1818 mit der Gräfin Sophie Victoire Tisenhausen.
Die
Gräfin Potocka gehörte zu einer der ältesten aristokratischen Familien, die
'kleinen Könige von Polen und der Ukraine' wurden sie genannt, deren Wurzeln
zurück bis ins Jahr 1300 gehen. Die Potockis waren pro-russisch eingestellt.
Die zweite Teilung Polens entstand teilweise durch den Appell einer Gruppe von
Aristokraten, angeführt von Graf Felix-Stanislas Potocki an Katharina, um Polen
vor den gefährlichen Ideen der französischen Revolution zu bewahren. Nach der
dritten Teilung Polens nahm Katharina den Grafen Felix in ihre Armee im Range
eines Generals auf. Seine Tochter [Victoria] heiratete Graf Octav Choiseul und
wurde Berdjajews Ur-Großmutter.
Als
Octav, schon Untertan des Zaren, den Titel 'Pair von Frankreich' nach seines
Vaters Tod erbte, versuchte er, eine doppelte Nationalität für sich in die Wege
zu leiten (eine der frühesten bekannten in der russischen Geschichte). Er
schien auf dem Weg zum Erfolg zu sein, aber im Jahre 1827 strich Zar Nicolai I.
'mit seiner eigenen Hand' Graf Octavs Namen aus der Liste der königlichen
Kammerherrn. Er [Graf Octav Choiseul-Gouffier] starb (1840) in Florenz. Die
Linie der Familie Choiseul-Gouffier, die von den Sowjets ihres Gutes in Litauen
beraubt worden waren, erlosch im Jahre 1949 in Genf (Schweiz) mit Louis de
Choiseul-Gouffier.
Antoine-Louis-Octavs
Söhne wählten wie ihr Vater alle polnisch-katholische Frauen, aber seine
einzige Tochter, Josephine-Mathilda [N.A.Berdjajews Großmutter, 1806-1862]
heiratete einen russisch-orthodoxen Prinzen. Gemäß der Familientradition
begegnete sie Prinz [Serge] Kudasheff [1796-1862] in Paris auf einem der
Hofbälle Napoleons III. Ihre Tochter [Prinzessin Alexandra Kudasheff,
1838-1912] wurde Berdjajews Mutter".12)
Die Vorfahren N.A.Berdjajews väterlicherseits
Es
sei erwähnt, dass Berdjajews Vater Alexander Michailovich (1836-1916) auch in
die lange Reihe seiner aristokratischen Vorfahren gehört.13) Die Familie
Berdjajew (väterliche Linie) emigrierte am Ende des 15. Jahrhundert von Polen
nach Smolensk. Der erste von D.A.Lowrie in der genealogische Liste aufgeführte
Vorfahr war Jacob Vasilevitch Berdjajew. Seine Enkel Alexander und Rodion
begründeten den Berdjajew-Adel. Genannt werden als deren Nachkommen um ca. 1750
ein Michael sowie dessen Sohn Nicolai (+1823), der Vater von N.A.Berdjajews
Großvater Michael (1792-1861) und somit sein Ur-Großvater. Unter den Verfahren
befand sich auch ein Litauer, jedoch weder Polen noch Russen. Am Ende des 16.
Jahrhunderts verlieh Zar Boris Godunoff der Familie große Landgüter, und der
Name wurde erstmals unter dem Adel aufgeführt. Um 1863 werden 18 Berdjajews
unter dem Landadel genannt. Die frühen Geschenke von Land und Titel forderten
die Empfänger und ihre Nachkommen auf, gemäß dem Ruf des Zaren mit "ihren
Menschen" (Bauern auf ihren Gütern) im Kriegsfall zu erscheinen. Dies galt
bis zur Regierung von Peter I. Er schuf eine stehende Armee, und
Reserveoffiziere (der Adel) konnten – wenn notwendig – in den Heeresdienst
gerufen werden, aber sie wurden nicht aufgefordert, ihre Bauern mitzubringen.
"Ein junger Aristokrat absolvierte seinen Militärdienst, erhielt den
Offiziersrang und konnte dann wählen, in der Armee zu bleiben oder sich für ein
ruhiges Leben auf sein Gut zurückzuziehen" (Lowrie, S. 11).
N.A.Berdjajew
sprach häufig von seinen militärischen Vorfahren, die seinen Charakter
beeinflusst hätten. Sein Urgroßvater (väterlicherseits), der General Nicolai
Michailovich († 1823) diente als Generalleutnant unter Katharina II und
Paul I. Der Zar ernannte ihn zum Gouverneur des neu annektierten "Neuen
Russland", einem Distrikt am östlichen Ende des Schwarzen Meeres. Seine
Korrespondenz mit den Herrschern wurde später in den Russischen Altertümern
veröffentlicht. Doch sein Sohn Michail, Berdjajews Großvater, war eine
außergewöhnliche militärische Gestalt in der Linie der Berdjajew-Familie.
"Als Offizier diente er in dem elitären Kavalier-Garde-Regiment. Während
der Schlacht von Kulm am 30. August 1813, als es sicher erschien, dass Napoleon
die russischen und deutschen Armeen besiegen würde, und alle alten Offiziere
der Division des jungen Leutnants Berdjajew getötet worden waren, übernahm er
das Kommando und sammelte die Truppen zu einer heftigen Gegenattacke. Die
Franzosen zogen sich zurück und verloren die Schlacht. Dem Leutnant Berdjajew
wurde das St.-Georgs-Kreuz verliehen, die traditionelle Auszeichnung für
militärische Stärke und das preußische Eiserne Kreuz für gute Befehle. Später
wurde Michail Nicolaevich Berdjajew zum Ataman – einem Kommandeur einer
'Region' der Kosaken-Truppen – ernannt".14) N.A.Berdjajew berichtet auch,
dass das Verhältnis seines Großvaters zu den Soldaten außerordentlich gut
gewesen sei. "Für die soldatische strenge Regierungszeit Nikolajs I. war
er ungewöhnlich human. […] Nachdem er zum General befördert worden war und in
den Krieg zog, überreichten ihm die Soldaten seines Regiments eine Medaille in
Gestalt eines Herzens mit der Beschriftung: 'Für dein Wohlwollen zu uns möge
dich Gott behüten!' Diese Medaille hing stets im Arbeitszimmer meines Vaters,
und er war ganz besonders stolz auf sie".15)
Der
General verheiratete sich mit Sophie Nicolaevna Bachmetieff, Tochter eines
Nicolai Dimitr. Bachmetieff, die ihre Herkunft auf tartarische Prinzen bis ins
15. Jahrhundert zurückführte. Der letzte russisch-kaiserliche Botschafter in
Washington stammte aus dieser Linie.
Als
Sophie Nicolaevna B. nahe beim Kiever Höhlenkloster wohnte, stand sie unter der
Führung des Starzen Parfenj und nahm heimlich den Schleier – eine damals nicht
seltene Form religiöser Weihe in Russland. Die Familie erfuhr erst bei ihrem
Tode davon, und Berdjajew erinnerte sich lebendig seines Erstaunens, als er
seine Großmutter im Sarg in der Kleidung einer Nonne sah. Über Berdjajews
Großmutter notiert D.A.Lowrie: "Seines Vaters Mutter, die heimlich Nonne
wurde, hatte ihren Sohn in solch strenge religiöse Vorschriften gezwungen – er
sagte, es schiene ihm, dass das Leben ein langes Ostern sei – dass dies
Alexander Michailovich gegen alle formale Religion für den Rest seines Leben
zwang. Mit dem Tod von Berdjajews Großmutter [ca. 1880] – als er sechs Jahre
alt war – brach die einzige Verbindung der Familie mit dem Kiever Kloster, und
sogar seine Amme [Anna Ivanovna] teilte ihm ihren Glauben nicht mit. Berdjajew
konnte mit Recht sagen, dass er niemals eine traditionelle orthodoxe Kindheit
erlebt hatte".16)
Auf
der anderen Seite der Familie nahm Berdjajews Urgroßmutter mütterlicherseits
ebenfalls den Schleier, nachdem ihr Gemahl Prinz Kudasheff gestorben war. Im
Jahre 1859 heiratete Alexander Michailovich, N.A.Berdjajews Vater, die
Prinzessin Alexandra Kudasheff (1838-1912).
Berdjajews
Vater kam nach seinem Dienst in der Kavaliersgarde bald in den Offiziersrang,
gab den Militärdienst auf und zog sich auf seinen beträchtlichen Grundbesitz
zurück. Er lebte das Leben eines Landedelmannes in Obuchovo, dem Familiengut an
den Ufern des Dnjepr. Doch der Landsitz wurde schon verkauft, als N.A.Berdjajew
noch ein kleines Kind war. Sein Vater grämte sich über den Verlust seines Besitzes
und sehnte sich nach dem Leben auf dem Lande. Dabei muss festgehalten werden,
dass die Ursache für den Verlust nicht nur im Mangel seiner kaufmännischen
Fähigkeiten lag. Die Abschaffung der Leibeigenschaft rief einen radikalen
Wechsel im wirtschaftlichen Leben des Landes hervor. Es kam die Zeit der
Verarmung des Adels. Für Adelige endeten nach dem Verlust ihrer Leibeigenen
andere Geschäfte oft im Ruin. Alexander Michailovich Berdjajew arbeitete noch
eine zeitlang als Präsident der Landwirtschaftsbank der Südwestregion. Er war
für eine Zeit von mehr als 25 Jahren ehrenamtlichen Friedensrichter, worauf er
aber bald verzichtete. Es war ein kurzes militärisches Zwischenspiel, als er
zur Zeit des türkischen Krieges (1877) für kurze Zeit in den Armeedienst zurückkehrte.
Er hatte keine Ambitionen – so schreibt sein Sohn später – eine Karriere für
sich anzustreben. Glücklicherweise gab es noch ein anderes Landgut im
westlichen Polen, das Berdjajews Großvater als Dank für seinen Verdienste
gegenüber dem Staat verliehen worden war und das nicht verkauft werden konnte,
weil es unveräußerlich war. "Dies", so sagte Berdjajew, "rettete
uns vor dem vollkommenen Ruin". Die Berdjajews lebten zwar nicht dort,
aber das Einkommen des Gutes diente dazu, Berdjajews Vater und seine Familie
bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs zu unterstützen. N.A.Berdjajew sagte
selbst einmal: "Mein Vater hatte immer eine gewisse Tendenz, sich zu
ruinieren" ("Selbsterkenntnis", S. 21).