Der Dreißigjährige Krieg und Horneburg

 

Heinrich Michael Knechten

 

 

Jacques Callot, Die Schrecken des Krieges: Der Galgenbaum, Paris 1633.

 

Jacques Callot, Die Schrecken des Krieges: Der Galgenbaum, Paris 1633.

 

Ursachen und Anlass

 

Der Kaiser versucht, die Zentralmacht zu stärken, während die Fürsten ihre Ansprüche gegen die des Kaisers durchsetzen möchten. Infolge der Reformation werden aus machtpolitischen Widersprüchen religiöse. Die protestantischen Fürsten wehren die Gegenreformation ab. Es geht nicht zuletzt darum, wer den säkularisierten Kirchenbesitz erhält.

 

Beim Augsburger Religionsfrieden im Jahre 1555 wird festgelegt, dass der Landesherr (nicht der einzelne Mensch) frei zwischen lutherischem und katholischem Bekenntnis wählen kann: cuius regio, eius religio. Wer das Bekenntnis des Fürsten nicht mittragen kann, wird aufgefordert, das Land zu verlassen. Das reformierte (calvinistische) Bekenntnis wird nicht berücksichtigt. Aus diesen Gründen bauen sich Spannungen auf.

 

Mit dem Königreich Böhmen ist die Herrschaft über die Herzogtümer Schlesien und Lausitz sowie über die Markgrafschaft Mähren verbunden. Böhmen ist durch Handel und Landwirtschaft so reich, dass es mehr als die Hälfte der Verwaltungskosten des ganzen Reiches deckt. Die Niederländer unterstützen die Böhmischen Stände in ihrem Widerstand gegen das Haus Habsburg. Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz, nimmt die böhmische Königskrone an. Der König von Böhmen ist zugleich auch Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. So erhält die Wahl Friedrichs europäische Bedeutung. Den Habsburgern erwächst eine Gefahr bei zukünftigen Wahlen für die Nachfolge der deutschen Kaiser. Friedrich V. besitzt jetzt nämlich zwei Wahlstimmen, die der Pfalz und die Böhmens. Ein protestantischer König von Böhmen hätte damit bei einer anstehenden Kaiserwahl das Schicksal des deutschen Zweiges der katholischen Habsburger Dynastie besiegelt. Die katholischen Kurfürsten wären mit vier zu drei Stimmen überstimmt worden. Kaiser Ferdinand erlässt ein Mandat, wonach sich Friedrich bis zum 1. Juni 1620 aus Böhmen hätte zurückziehen müssen. Friedrich folgt dieser Aufforderung nicht. Dies ist Anlass für den Krieg.

 

Schweden mischt sich in den Konflikt ein, um die lutherische Seite zu stärken, aber auch, um sich Besitzungen an der Ostsee zu sichern. Das Eingreifen Frankreichs in den Krieg erklärt sich aus seinem Widerstand gegen das Haus Habsburg. Frankreich wird unter Kardinal Richelieu geeint, während in Deutschland die Zersplitterung und die Gegensätze unterstützt werden.[1]

 

Im Vest Recklinghausen

 

Einquartierte Soldaten müssen von der Bevölkerung verpflegt werden. Für den Unterhalt eines Reiters werden täglich zweieinhalb Pfund Fleisch, vier Pfund Brot, drei Maß Bier und wöchentlich anderthalb Reichstaler Geld verlangt. Für einen Leutnant sind es fünf Pfund Fleisch, sechs Pfund Brot, ein Maß Wein, drei Maß Bier und wöchentlich fünf Reichstaler Geld. Die höheren Chargen erhalten entsprechend mehr. Armut, Hunger und eine große menschliche Not sind die Folge dieser brutalen Besatzungen.[2]

 

1632 machen einzelne hessische Corps Streifzüge ins Vest. Sie töten mehrere Menschen und führen den Kellner sowie den Pastor von Horneburg, Heinrich Barckhoff, gefangen fort. Am 8.2.1633 überschreitet der Landgraf von Hessen, von Dortmund kommend, das sich ihm ohne Gegenwehr ergeben hat, die Grenzen des Vestes. Bereits vor Tagesanbruch signalisieren die Flammen der in Waltrop und Datteln angezündeten Häuser die Ankunft des Feindes. Der Landgraf nimmt mit dem Gros der Armee bei Horneburg sein Standquartier. Am Aschermittwoch 1633 brennt das Volk des Landgrafen von Hessen die Kirche zu Ahsen ab, zugleich verbrennen 45 Häuser. Ahsen wird ganz verwüstet. Im Bistum Münster werden lutherische Geistliche misshandelt und verjagt. Als Vergeltungsmaßnahme werden im Jahr 1635 auf Befehl des Kommandanten in Dorsten, Peter Holzappel (Melander), der Pastor von Horneburg, Heinrich Barckhoff, Pfarrer Johannes Hove aus Datteln und drei Recklinghäuser Vikare nach Dorsten abgeführt. Pfarrer Hove kommt aufgrund seines hohen Alters bald wieder frei, Pastor Barckhoff nach drei Wochen, während die anderen Geistlichen mehrere Monate auf ihre Freilassung warten müssen.

 

Am 25.7.1646 durchzieht der französische Marschall Turenne das Vest. Er zieht an Horneburg vorbei, während er die Äcker längs des Weges verwüsten lässt. Als die Besatzung von Horneburg seiner Garde in den Rücken fällt, kehrt er um und lässt Burg und Freiheit Horneburg bis auf die Grundmauern verbrennen. Bei dieser Gelegenheit werden auch alle schriftlichen Aufzeichnungen von Kirche und Pastorat vernichtet.[3]

 

Auswirkungen auf die Bevölkerung

 

Der Dreißigjährige Krieg, diese entsetzliche Ausgeburt der Glaubensspaltung, bringt über ganz Deutschland Schrecken und Gräuel. Kommen die Hessen, Braunschweiger, Weimarer und namentlich die Schweden als Feinde des katholischen Landes, brennen, verwüsten, morden, rauben und plündern, so kommen die Kaiserlichen als Freunde, wollen aber ebensogut wie jene mit Mann und Ross unterhalten und durch freiwillige Abgaben unterstützt sein. Man erschrickt vor den Beiträgen, welche einzelnen Städten abverlangt werden. Können oder wollen sie nicht beigebracht werden, so werden Bürgermeister und Ratsherren erschossen oder erhängt, meistens nachdem sie zuvor die scheußliche Prozedur des Schwedentrunkes, bei dem durch einen Trichter Jauche in den Mund gegossen wird, an sich ergehen lassen müssen. Ganze Stadtviertel werden niedergebrannt. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird fortgeschleppt.

 

Noch schlechter ist die Lage in den Dörfern: Die Menschen weichen in den Wald aus, liegen darin erbärmlich viele Wochen lang; unter ihnen bricht die Pest aus. Besonders für die Kinder ist die Situation schwierig. Die Soldaten fallen in die nackten Mauern der Häuser ein und rauben die letzten Kühe und Schweine. Sie graben den Keller auf, um verborgene Schätze zu finden. Nicht ein Kalb, nicht ein Korn Getreide, kein Kleid, kein Hausgerät bleibt übrig. Die bestellten Äcker werden abgemäht und verwüstet, an eine neue Bebauung ist nicht zu denken. Welcher Jammer, welche entsetzlichen, nicht enden wollenden Leiden! Die Folge ist die Verarmung von Städten und Landstrichen, die ein ganzes Jahrhundert andauern wird. Hunderte von Dörfern werden zu Wüstungen. Der Krieg verursacht schwerste Bevölkerungsverluste. Die Verwüstung ist so allgemein, dass Rudel von Wölfen in Dörfer und sogar in Städte vordringen.[4]

 

Folgen

 

Die katholische, lutherische und reformierte Konfession werden im Reich als gleichberechtigt anerkannt. Frankreich erhält die Bistümer Metz, Toul und Verdun, ebenso Teile des Elsass', das in der Folge ganz einverleibt wird. Die neue Großmacht Schweden erhält 1648 Vorpommern, einschließlich Stettin mit der Odermündung, die Stadt Wismar mit Neukloster sowie das Erzbistum Bremen mit dem Bistum Verden als Reichslehen. Damit ist Deutschland der Zugang zur See weitgehend versperrt. England, Schweden und die Niederlande beherrschen den Seehandel und bauen Kolonien auf. Die drei erwähnten Staaten sowie Frankreich entwickeln sich zu Nationalstaaten, deren Wirtschaft blüht, während Deutschland weiterhin aus einem lockeren Verband von Fürstentümern besteht. Preußen und die Stadt Hamburg entwickeln sich.[5]

 

Darstellung durch Hauptlehrer Gellenbeck

 

(32) Ein Krieg, der sich an diese Wirren anschloß, führte 1586 die Holländer, 1587 die Spanier, 1587 und 89 abermals Holländer durch die Gemeinde Horneburg. Von beiden Seiten wurde nach Willkür gehaust und gebrandschatzt. So ging es fort bis zum Jahre 1609. Doch litt Horneburg insofern weniger, als es nur zu außerordentlichen Schatzungen herangezogen werden konnte. Viel schlimmere Schicksale brachte der dreißigjährige Krieg. Die Horneburger sahen während desselben an verschiedenen Truppen (33) Kaiserliche, Liguistische, Holländer, Spanier, Braunschweiger, Hessen, Schweden, Franzosen und Brandenburger. Schwere Kriegskontributionen, Geld und Korn, mußten geliefert werden, Viehzucht und Ackerbau lagen bald gänzlich darnieder und die Gefahren für die Sittlichkeit, für Leib, Leben und den Besitz waren groß.

 

Eines der schlimmsten Jahre für Horneburg war 1633. Der Landgraf Wilhelm von Hessen, im Bunde gegen den deutschen Kaiser und die Katholiken, nahm in der Gemeinde sein Standquartier und brandschatzte die ganze Umgebung. Waltrop, Datteln und Ahsen gingen in Flammen auf und bis nach Dorsten hin fiel alles in seine Hände. Die Horneburger waren hessische Unterthanen. Von sämtlichen Ländereien zog er die Pachtgelder, nachdem er sie vorher erhöht hatte, ein. Die Gemeinde wandte sich zuletzt an seinen Proviantmeister mit der Bitte um Nachlassung der Pachtgelder. (34) Es wurde wegen der schweren Zeit wirklich ⅓ nachgelassen. Zu den Hessen kamen die Schweden unter dem Oberst Stahlhändske [Stålhandske], der sich auf dem Schlosse einquartierte. Die allgemeine Not war bald so groß, daß der deutsche Kaiser Ferdinand II. an seine Truppen und Verbündeten den Befehl ergehen ließ, das Vest Recklinghausen solle möglichst geschont werden.

 

Im Jahre 1634 kam der kaiserliche General Graf Götz mit seinen Truppen und schlug sein Lager bei Horneburg auf. Die Hessen und Schweden zogen sich vor ihnen nach Dorsten zurück. Er unterhandelte mit ihnen wegen des kaiserlichen Erlasses und erhielt auch die entsprechende Zusage. Doch kaum waren die Kaiserlichen abgezogen, so erschienen wieder andere Truppen und die Hessen hielten den Vertrag nicht. Sie führten im folgenden Jahre 1635 den Pastor von Horneburg Heinrich Barkhoff [Barckhoff] gefangen (35) nach Dorsten, weil er die Kriegskontribution, die für ihn monatlich 3 Thaler betrug, nicht leisten konnte. Zugleich nahmen sie den Pastor von Henrichenburg und mehrere Geistliche aus Recklinghausen mit dorthin aus Rache dafür, daß die katholischen Münsterländer die protestantischen Prediger vertrieben, welche ihnen die Hessen zugeschickt hatten.

 

Der Kurfürst Ferdinand schrieb vom 10. Januar 1643 an seinen vestischen Statthalter: "Die Einwohner der Freiheiten Horneburg, Westerholt und Horst (auch Buer war Freiheit) sollen bei den Kriegskontributionen nicht höher belastet werden als die Leute der adligen Landsassen, zu diesen schlimmen Zeiten können  die Ausnahmen nicht gelten, alle müssen helfen." Die Horneburger erwiderten, daß sie bereit seien, beizusteuern, aber nur nach der alten Schatzung und ohne weitere besondere Verpflichtungen für die Zukunft.

 

Im Jahre 1646 sollten die Geistlichen des Vestes 100 Thaler (36) für die Hessen aufbringen, der Pastor von Horneburg allein 5 Thaler. In demselben Jahre (1646) wechselte mit den Hessen der französische General Turenne. Er nahm zuerst seinen Weg an Horneburg vorbei und zog den Kaiserlichen bei Lünen und Hamm entgegen. Von diesen zurückgeschlagen, zog er zum zweiten Mal vorbei. Die erzbischöfliche Besatzung des Schlosses suchte dieses zu benutzen und machte einen Ausfall auf die abziehenden Franzosen. Wütend wandte sich nun Turenne der Freiheit zu und ließ auf dieselbe am 25. Juli [1646], Tag des hl. Jakobus, ein Bombardement eröffnen. Der Brand zerstörte das Schloß, das Dach der Kirche, die Pastorat, welche damals vor der Kirche lag, und einige andere Häuser. Hiermit begnügte sich der General und zog weiter. Im Volke lebt die Sage, in Horneburg habe man aus Freude über den Rückzug der Franzosen mit den Kirchenglocken geläutet, was den General Turenne zu der erwähnten That (37) veranlasst habe.[6]

 

Weiterführende Literatur

 

 

Verweise

 

 

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[1] Vgl. N.M.Sutherland, The Origins of the Thirty Years War and the Structure of European Politics, in: English Historical Review 107 (1992), 587-625.

[2] Vgl. A.Dorider, Geschichte der Stadt Recklinghausen in den neueren Jahrhunderten (1577-1933), Recklinghausen 1955; G.Hoge, Datteln im 30jährigen Krieg, in: Datteln 1147-1997. Beiträge zur Geschichte, hg. v. der Stadt Datteln, Datteln 1997, 52.

[3] Vgl. G.Hoge, Datteln im 30jährigen Krieg, in: Datteln 1147-1997, Datteln 1997, 53f.

[4] Vgl. F.W.Grimme, Diese entsetzliche Ausgeburt der Glaubensspaltung, in: Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum Westfalen, hg. v. M.Senger, Schmallenberg-Holthausen 1998, 19f.

[5] Vgl. Cicely Veronica Wedgwood, The Thirty Years War, London 1938.

[6] Bernhard Gellenbeck, Chronik. Schule zu Horneburg, in: Archiv der Stadt Datteln (unveröffentlichte Handschrift in deutscher Kurrentschrift des 19. Jahrhunderts), Teil 1, 32-37.